[...] der Freitag: Herr Wachtler, endlich kann sich impfen lassen, wer möchte. Ist ab jetzt selbst schuld, wer ungeimpft #Corona bekommt?

Benjamin Wachtler: Das suggerierte ja jüngst der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen: Wenn es für alle ein Impfangebot gäbe, könnten alle Corona-Maßnahmen fallen, schließlich könne dann jeder für sich entscheiden, welches Risiko er oder sie eingehe. Diese Vorstellung von individuelle Verantwortung halte ich für falsch. Die Lebenssituation spielt für die Verteilung von medizinischer Behandlung eine große Rolle – und die ist abhängig von sozialen Faktoren.

Wenn jede Arztpraxis eine #Impfung anbietet und die Krankenkasse die Kosten unbürokratisch übernimmt – was hindert dann ärmere Menschen daran, da einfach reinzugehen?

Diese Impfangebote erscheinen vielleicht niedrigschwellig, aber wer viel, unter großem Stress und unsicheren Bedingungen arbeitet und dazu Kinder versorgen muss, kann durchaus Probleme haben, sich um einen Impftermin zu kümmern und diesen auch wahrzunehmen. Die bisherige Forschung zeigt zudem, dass die Verteilung von medizinischen Innovationen in der Bevölkerung ungleich ist: Sozial bessergestellte Menschen sind eher in der Lage, sich zu einem frühen Zeitpunkt mit einer neuen Behandlung zu versorgen. [...]

https://www.freitag.de/autoren/elsa-koester/impfvertrauen-ist-eine-soziale-frage

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