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Und einmal, dann, wenn die Stunde kommt,
da wir alle Gespenster verjagen,
wird die ganze Welt zu Jaramafront,
wie in den Februartagen!

(Ludwig Detsinyi, 1937)

Ludwig Detsinyi - Der dichtende Sanitäter

Das weltberühmte Spanienkämpferlied »Am Rio Jarama – Februar 1937« schrieb er als 21jähriger: zum 100. Geburtstag von Ludwig Detsinyi, später David Martin (von Dirk Krüger)

Am Dienstag wäre Ludwig Detsinyi, auch bekannt als David Martin, 100 Jahre alt geworden. Mit 21 Jahren hat er als ungarisch-deutscher Sanitäter im Spanischen Bürgerkrieg das weltberühmte »Lied von der Jaramafront« geschrieben. Spanien habe ihn zum Schriftsteller gemacht, reflektierte er in einem Briefwechsel, den der Autor dieser Zeilen ab Ende der 1980er Jahre mit ihm führte. »Ich konnte niemals ein guter Soldat sein, in keinem Truppenteil«, so Detsinyi, der damals wegen seiner Kurzsichtigkeit dem Sanitätsdienst zugeteilt worden war. »Heute denke ich, dass ich, wenn ich ein paar Jahre älter gewesen wäre, versucht hätte, nach Spanien zu gehen als ein Schriftsteller, als Propagandist oder so etwas – so wie es einige antifaschistische Schriftsteller getan haben. Aber ich hatte nichts publiziert. Ich war im wirklichen Sinne des Wortes kein Schriftsteller.« Er sei sicher, »dass die Ahnung und die Hoffnung, einmal einer zu werden, und die Lust zum Experiment« mit seinem Engagement im spanischen Freiheitskampf zu tun gehabt haben. »Es war eine Ergänzung meiner politischen Passion. Ich war sehr häufig ängstlich – kalte Entschlossenheit ist nicht typisch für mich.«

Am 22. Dezember 1915 in Budapest geboren, war er mit seinen Eltern früh nach Berlin gezogen und hatte sich dort dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) angeschlossen. Sowohl die politische Überzeugung als auch ein jüdischer Familienhintergrund legten ihm die Emigration nahe. Zunächst verließ er Nazideutschland in Richtung Holland, dann lebte er in Ungarn und Palästina. Dort erreichte ihn 1936 die Nachricht vom Putsch der Franco-Faschisten gegen die rechtmäßige republikanische Regierung Spaniens. »Als die Faschisten die Spanische Republik angriffen, war in meinen Leben plötzlich alles durcheinander. Ich wollte unbedingt nach Madrid. Ich begann damit, für die Fahrt Geld zu sammeln«, schrieb er in einem langen Brief an den Autor.

In einer Gruppe von sieben jungen Männern verließ er Palästina auf dem Schiff »Mariette Pasha« in Richtung Spanien. »In Albacete wurden wir so etwas wie gemustert und erhielten eine kurze militärische Grundausbildung. Schnell fand man heraus, dass meine Kurzsichtigkeit zu groß war für einen guten Infanteristen. Aber in Palästina hatte ich eine Erste-Hilfe-Ausbildung bekommen. Und außerdem war ich ein guter Linguist. Ich sprach fließend Deutsch, Französisch und Englisch, einigermaßen Italienisch und lernte schnell Spanisch.« Diese Fähigkeiten waren im medizinischen Bereich der Internationalen Brigaden gefragt. »Mit diesen Voraussetzungen wurde ich ganz selbstverständlich der im Aufbau befindlichen XV. Internationalen Brigade und ihrem Bataillon Georgi Dimitroff zugeordnet.«

Im Februar 1937 ist der Spanische Bürgerkrieg voll entbrannt. Die Kämpfe konzentrieren sich rund um Madrid. Zu einer wichtigen Etappe ist die Schlacht am Rio Jarama. Auch die Brigade, der Ludwig Detsinyi angehört, wird an der Jarama-Front eingesetzt.

»Mit Tanks und mit Fliegern, so griffen sie an, wir hatten nur Mut und Gewehre«, hält er in einem Gedicht fest, das wenig später vertont und durch den Sänger Ernst Busch weltberühmt wird.

Die Granaten, sie rissen in unsere Reihn
so manche blutende Lücke.
Wir deckten die Straße, wir schützten Madrid,
wir hielten die Argandabrücke.

Jetzt blüht wieder Mohn im Jaramatal
und blüht vor unserem Graben.
Wie ein blutroter Teppich bedeckt er das Land,
wo so viele der Besten begraben.

Aber später und immer und überall,
wenn Arbeiter sitzen beisammen,
wird erklingen das Lied der ­Jaramaschlacht,
wird zum Kampfe die Herzen entflammen.

»Ich selbst verstand mich als Kommunist, aber habe mich nicht darum bemüht, in die Parteistrukturen in Spanien hineingezogen zu werden. Ich wollte keine ideologischen Diskussionen. Ich war jung, dem spanischen Freiheitskrieg völlig ergeben«, reflektierte er später. »Ich wollte und hoffte, etwas tun zu können gegen diese Bastards«, schrieb er nach Jahrzehnten, in denen er zahlreiche Bücher und Artikel auf Englisch verfasst hatte. In Spanien habe er gehofft »zu überleben mit Weisheit für die Freiheit«. In diese Zeit fällt die Geburtsstunde des Dichters Ludwig Detsinyi, des späteren David Martin. Er habe Gedichte wie nie zuvor geschrieben und an Bäume und Telegrafenmasten genagelt – für seine Sanitäterkameraden, die »stretcherbearers and first-aidmen« und andere. »Ich schickte Gedichte, die ich in der deutschen Sprache schrieb, an deutsche antifaschistische Exilpublikationen – ohne mir über die Resultate Gedanken zu machen.«

Eine erste Veröffentlichung außerhalb Spaniens kann in der Zeitschrift Die neue Weltbühne, Heft 21, 20. Mai 1937, S. 665 nachgewiesen werden. Es ist sein Gedicht »Die Italiener«.

In regelmäßigen Abständen folgten Gedichte und Berichte aus seiner Feder in fast allen Exilzeitschriften sowie den Publikationen der Internationalen Brigaden. Als die Antifaschisten in Paris und darüber hinaus in allen Exilzentren im November 1938 ein Sonderheft der Zeitschrift des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller in den Händen halten, stoßen sie darin auch auf den Beitrag »Junge Schriftsteller in Spaniens Schützengräben«. Dort wird Ludwig Detsinyi neben Edy Brendt und Erich Arendt als einer von »drei Kameraden« genannt, »die durch ihre schriftstellerischen Leistungen in Spanien durchaus ernst zu nehmender Nachwuchs geworden« seien. »Ludwig Detsinyi ist vielen vielleicht schon bekannt, denn mehrere seiner Gedichte standen in den deutschen Literaturzeitschriften Internationale Literatur, und Wort. Sein ›Lied von der Jaramafront‹ ist unter den internationalen Kameraden in Spanien sehr populär geworden. Seine Gedichte ›Der Stoßtrupp‹. ›Peter, mein Kamerad‹, ›Ralph Fox gewidmet‹, ›Luftschutzkeller‹ und viele andere zeigen seine große Begabung.«

Eines Tages hört Ludwig Detsinyi im Hospital Radio Moskau – und sein eigenes Gedicht, gesungen von Ernst Busch. »I was stunned«, schreibt er später an den Autor, was »überwältigt« heißt. Vielleicht habe Ernst Busch das Gedicht an einem Baum gefunden. »Aber wahrscheinlicher ist, dass er es in einer der vielen Brigadezeitungen, die es abgedruckt haben, gefunden und vertont hat.«

Diese Bemerkung wird verständlich, wenn man bedenkt, dass sich Ernst Busch zu dieser Zeit auch an den Fronten Spaniens aufhielt. Er sammelte Gedichte, die er vertonte, und Lieder und veröffentlichte sie. Nach einem ersten kleinen Heft erschien schon Anfang Juli 1937 ein Buch mit etwa 100 Liedern. Im Juni 1938 kam die letzte, die 5. Ausgabe heraus. Die »Canciones de las Brigadas Internacionales« enthielten ältere und vor allem neue Lieder der verschiedenen Nationen in der jeweiligen Sprache – die bekanntesten in mehreren Sprachen.

Ludwig Detsinyi verließ Spanien Ende April 1938. Über Paris gelangte er zu seinen Eltern nach London. Dort, am Ende einer großen Solidaritätsmanifestation für das spanische Volk, und verstärkt durch die Entwicklung in Deutschland erkannte er für sich die Unmöglichkeit, weiter in der deutschen Sprache zu schreiben. Folgerichtig wechselte er in die englische Sprache. Nach Zwischenstationen als Journalist für britische Zeitungen nahm er seinen endgültigen Wohnsitz in der Ortschaft Beechworth in Australien. Aus Ludwig Detsinyi wurde – bereits Ende 1938 in England – der Schriftsteller David Martin. Im Sommer 1997 starb er im Alter von 81 Jahren.

Und einmal, dann, wenn die Stunde kommt,
da wir alle Gespenster verjagen,
wird die ganze Welt zu Jaramafront,
wie in den Februartagen!

(Ludwig Detsinyi, 1937)
https://www.jungewelt.de/2015/12-23/056.php

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Detsinyi
http://www.antiwarsongs.org/canzone.php?id=1213&lang=it
Lied der Jaramafront
https://www.youtube.com/watch?v=i5GrmDMG6es

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