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Sänger Pedro Mosquera aus Peru: Wer der Opposition hilft, wird kriminalisiert

Interview: Massive Repression und 67 Tote haben dazu geführt dass der Protest gegen den Sturz von Präsident Pedro Castillo weniger geworden ist. Trotzdem sieht der peruanische Künstler Pedro Mosquera keine Alternative zum Widerstand

Bekannt als „Pedro Mo“, ist Pedro Mosquera eine Größe des südamerikanischen oldschool Hip-Hops. Da er sich stets auch als politischer Aktivist verstand, wurde er zu einem Protagonisten der Proteste gegen den Sturz des linken Präsidenten Pedro Castillo Ende 2022. Der fiel einem rechten, kartellartigen Establishment zum Opfer.

der Freitag: Herr Mosquera, was bedeutet der Hip-Hop für Ihr Engagement?

Pedro Mosquera: Wir haben uns die Geschichte des Hip-Hops angeschaut – seine Ursprünge in der US-Bürgerrechtsbewegung – und begriffen, dass Hip-Hop als Werkzeug für die Communitys geschaffen wurde, welche die Unterdrückung des Kapitalismus erleben. Dort, wo es strukturelle Gewalt auf allen Ebenen gibt, bietet Hip-Hop für Jugendliche ohne Perspektive einen möglichen Ausweg. Es war schon immer Teil des Hip-Hops, Alternativen zu entwerfen und den offiziellen Diskurs der Medien anzugreifen. Das motiviert mich sehr.

Sprechen wir über den politischen Kontext, in dem Sie arbeiten, wie sahen Sie die Präsidentschaft von Pedro Castillo?

Castillo hat zu einem gewissen Zeitpunkt die Möglichkeit eines Wandels verkörpert – eines so lange erhofften, so stark ersehnten Umschwungs. Ich habe sogar auf einem Konzert für seine Wahlkampagne gespielt. Aber ich war nie Mitglied von Castillos Partei Perú Libre. Seine Präsidentschaft war auch deshalb so bedeutsam, weil einer Staatschef wurde, der so war, wie wir es sind. Der nicht zur herrschenden Klasse gehörte. Hinzu kam, dass Castillo indigen ist, aus einer kleinbäuerlichen, ländlichen Familie kommt und als Lehrer gearbeitet hat. Leider verstand er es nicht, seine Karten auf die beste Weise auszuspielen. Er war offenbar nicht klug genug, die Brutalität einer Drogenstaat-Mafia zu erkennen und zu stoppen.

Es wird viel von einer „verkleideten Diktatur in Peru“ gesprochen. Was ist damit gemeint?

Also ich finde nicht, dass die Diktatur verkleidet ist. Ich denke vielmehr, es gibt in Peru eine tatsächliche, effektive Diktatur. Warum sage ich das? Weil die Menschenrechte nicht respektiert werden. Weil das Recht auf Protest nicht respektiert wird. Weil es zuletzt 67 Tote gab, als sich Menschen gegen den Sturz Castillos auflehnten. Weil es tausend Verhaftete und 200 Verurteilte gibt. Weil Peruaner ohne fairen Prozess im Gefängnis sitzen. Weil ausländische Botschaften geschlossen werden und der Sicherheitsapparat massiv ausgebaut wird. Die Diktatur bedient sich militärischer Gewalt und lässt die Maske der Demokratie fallen. Dabei sollten wir angesichts der aktuell 67 Toten nicht vergessen, dass in den vergangenen fünf Jahren 38 indigene Anführer wegen ihres Engagements gegen Abholzungen und Erdölunternehmen ermordet wurden. Kurzum, wir haben in Peru einen kolonialen Staat in jeder Hinsicht – politisch, ökonomisch, kulturell, spirituell.

Warum lassen die Proteste gegen den Sturz Castillos nach?

Wegen des Blutzolls. 67 Morde bleiben nicht ohne Folgen. Die Leute überlegen sich, gehe ich auf die Straße, wenn ich nicht weiß, ob ich unbeschadet zurückkehre. Vielleicht komme ich ins Krankenhaus oder ins Gefängnis oder komme nie wieder zurück. Die Angst ist groß. Sehr wichtig war, dass die meisten, die während der vergangenen Monate in Lima protestiert haben, aus den Provinzen kamen, wo sie sehr prekarisiert leben, oft von einem Dollar pro Tag. Das heißt, niemand hat die Mittel für einen langen Krieg gegen einen Staat, der Millionen in die Ordnungskräfte investiert. Die Gehälter von Polizisten und Soldaten wurden gerade erhöht, sie erhalten mehr Zusatzleistungen. Die Ausgaben für Waffen und Fahrzeuge haben sich verdreifacht, mehr als 5,5 Millionen Dollar hat man allein für Tränengas ausgegeben. Aber wenn Menschen von der Klimakatastrophe getroffen werden, ist kein Geld da. Das ist verrückt!

Was ist von der Bewegung gegen die Regierung von Dina Boluarte noch zu erwarten?

Ich hoffe, sie wird für den nötigen Druck sorgen, um die Regierung durch eine andere zu ersetzen, die moderater ist und eine verfassunggebende Versammlung ermöglicht. Das könnte helfen, den Staat zu dekolonisieren.

Sind Sie selbst von Repressionen betroffen?

Absolut. Ich bin hier in Europa, um zu sehen, wo ich politisches Asyl beantragen kann. Im peruanischen Fernsehen wurde verkündet, dass meine Organisation Teil der Guerilla MRTA sei, obwohl es diese Gruppe seit 1997 nicht mehr gibt. Ich soll derjenige sein, der die Blockade von Straßen und all das organisiert. Bei einer Anklage wegen Terrorismus drohen mir in Peru 30 Jahre Haft Als das ruchbar wurde, haben mir Anwälte geraten, das Land zu verlassen. Ich wurde schon vorher verfolgt, man hat Demos oder Unterkünfte infiltriert – aber nun musste ich ins Exil.

Worin besteht in den Augen des Regimes Ihre Gefährlichkeit?

Dass ich nicht nur Musik mache, sondern über die Hip-Hop-Kultur auch viel politische Bildung versuche. Mit meiner Rebellischen Schule „Saturnino Huillica“ haben wir in Armutsvierteln gearbeitet. Es gab Workshops für Kinder und Jugendliche. Und es ging um die kleinen Erfolge: gemeinsame Wandbilder oder Kinder, die mit dem Siebdruck umgehen lernen. Oder Rap wird zu einer Ausdrucksform, um Alltagserfahrung zu kanalisieren. Ein Kind zum Lächeln zu bringen, das ist eine Riesenmotivation für mich. Es kommt darauf an, sichtbar zu machen, wie in Peru sozialer Protest kriminalisiert wird. Wer zu den Andersdenkenden gehört, wird mit dem Terrorismus-Vorwurf kaltgestellt. Es gibt keine Alternative, als die Dinge bei ihrem Namen zu nennen: In Peru herrscht eine Diktatur.
- Pedro Mosquera wurde 1984 in Lima geboren und wuchs in einer Quechua-Familie auf, die aus dem Süden Perus migriertwar. Er hat einen Abschluss in Kommunikationswissenschaften und betreibt ein eigenes Tonstudio. Er singt sowohl auf Spanisch als auch auf Quechua.

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