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"»Je weniger man der etablierten Politik ihre Aufrichtigkeit abkauft, desto mehr erscheint ein Verbot als Einschränkung der Demokratie aus Eigeninteresse der herrschenden Kräfte.«

Zur Diskussion um ein AfD-Verbot: Die Auseinandersetzung wagen

Die Forderung nach einem AfD-Verbot ist gut gemeint. Es ist jedoch keinesfalls sicher, dass ein Verfahren glücken würde – und bannen lässt sich die Rechtsentwicklung juristisch sowieso nicht. Man muss die AfD politisch schlagen.

...Parteienverbote wollen Demokratie und Freiheit schützen, indem sie für bestimmte Gruppen Demokratie und Freiheit empfindlich einschränken. Dies kann unter Umständen notwendig werden, aber Instrument der Wahl kann es nur sein, wenn alle anderen Mittel im demokratischen Streit gegen die AfD erfolglos versucht worden sind. Davon kann jedoch in Deutschland heute wirklich keine Rede sein.

Der Verbotsbefürworter Wanderwitz liegt mit seiner Bemerkung richtig, dass die hohe Dichte von Kriegen und Krisen radikale rechte Populisten wie ein Sauerstoffzelt beatmet. Zum vollständigen Bild gehört jedoch auch die schlechte herrschende Politik – nicht nur im Lichte der Krisen, sondern auch für den ganz banalen Alltag der Leute. Linke Sozialpolitiker können ein Lied davon singen, wie wenig sich sämtliche Bundesregierungen des laufenden Jahrtausends von der Zustimmung in Umfragen zu einer lebensstandardsichernden Rente beeindrucken lassen, sondern stattdessen ernsthaft über die Aktienrente verhandeln.

Insofern ist es kein Zufall, dass die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang – obwohl stellvertretendes Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales – die Höhe der Durchschnittsrente deutlich überschätzte. Im Deutschland des Jahres 2024 sind die Steuersenkungen aus dem Hause Lindner Wirklichkeit, aber kein Mindestlohn in Höhe von 14 Euro, wie es der geltenden europäischen Richtlinie entspräche. Und ganz grundsätzlich werden die Krisen und Menschheitsaufgaben wie der Klimawandel von der Ampelregierung wie auch den Vorgängerregierungen nicht offensiv und mit unmissverständlicher Orientierung an sozialer Gerechtigkeit angegangen. Vielmehr bekämpft die herrschende Politik Kaufkraftverluste durch Inflation, den Klimawandel und drohende Arbeitsplatzverluste mit einer Hand hinter ihrem Rücken gefesselt, da sie auf jegliche Steuererhöhungen für Besserverdienende und Vermögende ebenso wie auf eine Abschaffung oder zumindest eine Reform der Schuldenbremse verzichtet.

Vor diesem Hintergrund ist selbst die moderatere Hoffnung der Befürworter, ein Verbot der AfD verschaffe der Demokratie in Deutschland eine »Atempause«, zwar verständlich, aber letztlich kurzsichtig.

Denn eine sachgerechte Lösung der wichtigsten Probleme scheiterte bisher nicht an der AfD, sondern an den anderen Parteien – finanz- und verteilungspolitisch insbesondere am eisernen Griff der FDP in der Ampelkoalition. Wut und Abscheu gegenüber der AfD bleiben richtig. Über die Anti-AfD-Demos auf der Straße hinaus muss die Schlussfolgerung allerdings darin bestehen, umso energischer für eine bessere Politik einzutreten und gerade die demokratischen Parteien noch stärker zur Rechenschaft zu ziehen.

Dass es der AfD gelungen ist, in den Augen vieler Menschen die Migration zur »Mutter aller Probleme« zu machen, ist vielen politischen Versäumnissen der vergangenen Jahre zu verdanken. Wenn jedoch die etablierte Politik nicht bereit ist, sich aus dem Korsett von Schuldenbremse und Umverteilungsabwehr zu lösen, wird es kaum gelingen, in Abgrenzung von der Ausgrenzungs- und Abschottungspolitik der AfD die tatsächlichen Herausforderungen von Einwanderung und Integration anzupacken. So verständlich die Forderung nach einem Verbot der AfD ist, so bleibt sie letztlich hilflos, wenn nicht endlich die Gründe für den Erfolg der Rechten entschlossen angegangen werden.

Das ist nur ein Teil des Artikels. Lesenswert ist auch der Rest, der sich u.a. mit den Hürden eines Verbots und den mittelfristigen Folgen eines langwierigen Verbotsverfahrens auseinandersetzt: https://jacobin.de/artikel/demonstrationen-afd-verbot-verfassung-demokratie

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