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Damit unsere Regierung mehr für das tut, was eine Gesellschaft benötigt, muss die Gesellschaft ihr deutlich sagen, was sie benötigt. Und damit sind wir nicht mehr bei „unserer Regierung“, sondern: bei uns. Der einzige Vorwurf, den „wir“ „uns“ machen, ist: Dass wir uns nicht impfen lassen. Da ist die Regierung fein raus, denn dieser Vorwurf und das Impfen kostet sie beinahe nichts – gemessen an dem, was unsere Regierung eigentlich leisten müsste. Während wir uns in der Frage bekriegen, wer sich warum nicht impfen lässt, während sich die einen gegen die Impfung wehren und die anderen auf sie zeigen, sprechen wir nicht darüber, was „wir“ als Gesellschaft wirklich bräuchten.

Warum ärgern wir uns über die Demonstrationen der Impfgegner – anstatt diese Energie darauf zu verwenden, selbst zu demonstrieren? Wo waren denn die großen Demonstrationen für mehr Investitionen in das Gesundheitssystem? Wo waren die großen Solidaritätsbekundungen mit dem Kampf der Krankenhäuser? In Berlin gab es sie. Gekommen sind 2.000 Menschen, immerhin. Aber wo bleiben die Hunderttausenden von "Unteilbar"? Wo bleibt die bundesweite Krankenhausbewegung? Wo bleiben die großen Versammlungen, im Sommer, auf denen wir kollektiv überlegt haben, wie wir lokale Gesundheitszentren in unsere Nachbarschaften aufbauen können? Wo waren die vielen Crowdfunding-Kampagnen für Extrazahlungen an unser Pflegepersonal?

2011, vor zehn Jahren, gab es Platzbesetzungen überall auf der Welt, von New York über Kairo und Madrid bis nach Tokio. Die Menschen haben sich zu Hunderttausenden versammelt, um über sich als Gesellschaft zu diskutieren. Über „echte Demokratie“. Hätte es solche Versammlungen auch 2021 gegeben, hätten wir den Sommer genutzt, um uns als Gesellschaft darüber zu verständigen, was wir nun brauchen, inmitten der Krisenerfahrung einer globalen Pandemie – dann wäre die kommende Regierung jetzt in einer anderen Situation. Sie stünde unter Druck: dem Druck, zuhören und gehorchen zu müssen. Doch stattdessen diskutierten wir über Annalena Baerbocks Lebenslauf. Und diese Regierung kann wieder nicht hören, was wir brauchen. Weil wir es nicht laut sagen.

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