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Politische Ökonomie: Dummer Wirtschaftskrieg oder "Die unsinnigen Sanktionen des Wertewestens

...Da es sich bei Russland um eines der rohstoffreichsten Länder der Welt handelt, mussten die Sanktionen (im Kontext finanzialisierter Rohstoffmärkte) einerseits einen gewaltigen, spekulativ angetriebenen Preisboom auslösen; anderseits blieben wegen der begrenzten geographischen Reichweite der Maßnahmen wichtige Absatzmärkte offen. Vieles spricht dafür, dass ein großer Teil der Sanktionen dem russischen Regime bislang finanziell und vor allem politisch eher genutzt als geschadet hat: Absatzverluste im Westen konnten teilweise durch Handelsumlenkung ausgeglichen werden, die höheren Preise sicherten trotz geringerer Mengen anhaltend hohe Einnahmen. Indikator ist der Wechselkurs des Rubels: Ende Juni 2022 musste man 1,76 Euro für 100 Rubel zahlen, Anfang März waren es nur 0,64 Euro. Heute ist der Rubel stärker als nach der Annexion der Krim im Jahre 2014. Die hohen internationalen Rohstoffpreise erlauben es Russland, Handelspartnern aus dem globalen Süden großzügige Preisnachlässe zu gewähren und diese somit an sich zu binden. Die Beschlagnahmung der Auslandsvermögen sogenannter Oligarchen stärkt eher die innenpolitische Position Wladimir Putins, der sich so von den unbeliebten Superreichen, die ihr Geld ins Ausland gebracht haben, abgrenzen kann. Dass die Sanktionen trotz ihrer Härte kurz- und mittelfristig nur geringe ökonomische Wirkungen zeitigen würden, hätte im übrigen auch ein Blick auf die Ergebnisse der Artikel-IV-Konsultationen der Russischen Föderation mit dem IWF von 2020 deutlich machen können: Der IWF bescheinigte Russland – mitten in der Coronakrise – eine ausgesprochen stabile finanzielle Situation, niedrige öffentliche Verschuldung und hohe Leistungsbilanzüberschüsse. Gelobt wurden der »gesunde politische Rahmen« und die »bedeutenden Reserven« Russlands.

...Die Sanktionen produzieren eine globale Rechtsunsicherheit, die schon heute Wirkung zeigt, auch in nicht von Sanktionen betroffenen Bereichen. Das zeigt sich am Beispiel der Auseinandersetzung um die Frage der russischen Gaslieferungen und deren Bezahlung: Die russischen Lieferanten mussten befürchten, dass die von den Abnehmern auf Konten in Reichweite der Sanktionsmächte eingezahlten Summen von diesen beschlagnahmt würden. Von der EU mit Vermögensentzug belegte russische »Oligarchen« bestreiten teilweise die ihnen unterstellte Putin-Nähe, einige kritisieren den russischen Angriffskrieg. Dies nützt ihnen aber nichts. Denn ob die erhobenen Vorwürfe stimmen oder nicht, ist irrelevant: Entscheidend ist, dass die EU ihre Behauptungen nicht rechtssicher belegen muss. Die Rechtswissenschaftlerin Katharina Pistor hat in ihrem Buch »Der Code des Kapitals« gezeigt, welche Rolle die (auch erzwungene) Einigung auf ein Rechtssystem für die Internationalisierung des Kapitalismus hatte und hat: »Das Kapital regiert durch das Recht«.¹¹ Die willkürlichen und rechtlich nicht überprüfbaren Sanktionen und die ständige Drohung mit diesen müssen die kapitalistische Integration untergraben.
- aus Globalisierung als Wirtschaftskrieg - Die Sanktionen gegen Russland befördern die Fragmentierung der Weltökonomie von Jörg Goldberg (Ökonom)

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