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Die belebende Wirkung des Geldes

Hauptsache, es glänzt: Das Bundesfinanzministerium feiert Brecht mit einer Sammlermünze (Von Gert Hecht)

Brecht wird Geld: Das Bundesfinanzministerium teilt seit Juli auf seinem Internetauftritt mit, dass per Beschluss der Bundesregierung »einem der einflussreichsten deutschen Dramatiker, Librettisten und Lyriker des 20. Jahrhunderts« anlässlich seines 125. Geburtstages eine Ehrung zuteil wird. Und zwar in Form einer 20-Euro-Sammlermünze. Zuerst werden die harten Fakten aufgezählt: »Die Münze besteht aus Sterlingsilber (Ag 925). Sie hat eine Masse von 18 Gramm, einen Durchmesser von 32,5 Millimeter und wird in den beiden Prägequalitäten Stempelglanz und Spiegelglanz hergestellt. Die Münzen in der Prägequalität Stempelglanz werden zum Nennwert (20 Euro) in den Verkehr gebracht. Die Ausgabe der Münzen in der Sammlerqualität Spiegelglanz erfolgt zu einem über dem Nennwert liegenden Verkaufspreis.« Ob Stempel oder Spiegel, Hauptsache, es glänzt und hat einen Wert.

Neben den monetären werden auch die ästhetischen Werte der Münze gepriesen: »Der Entwurf der Münze stammt von der Künstlerin Katrin Pannicke aus Halle/Saale. Die Bildseite zeigt Brecht nachdenklich und entspannt in der Art einer Graphic-Novel-Zeichnung. Die in ihrem Wesen heitere Darstellung des Porträts wird ergänzt durch das Motto ›Ändere die Welt: sie braucht es!‹ (›Die Maßnahme‹, 1930). So wie Brecht sich künstlerisch auf neue Wege begab, so wählt die Gestaltung der Münze eine lebens­bejahende und gleichzeitig zurückhaltende Bildsprache. Die scheinbare Verdrehung des Porträts und des Schriftzugs aus der Bildachse führt für den Betrachter zu einer subtil produktiven Irritation. (...) Der glatte Münzrand enthält in vertiefter Prägung die Inschrift: ›Das Schicksal des Menschen ist der Mensch.‹«

Heitere Darstellung, lebensbejahende Bildsprache, produktive Irritation – was so eine Münze nicht alles kann. Wer denkt da nicht an das »Lied von der belebenden Wirkung des Geldes«, in dem Brecht mit spitzer Ironie die Wohltaten des Geldes preist. »Man will nicht das Gute, sondern Geld«, heißt es dort. Und freilich, vom Gutsein kann man sich nichts kaufen, und es lohnt sich meist auch nicht. Was tun? Die Antwort weiß ganz allein die Münze:

»Welche Niedrigkeit begingst du nicht, um die Niedrigkeit auszutilgen? Könntest du die Welt endlich verändern, wofür wärst du dir zu gut? Versinke in Schmutz, umarme den Schlächter, aber ändre die Welt: sie braucht es!«

Bereits die Rote Armee Fraktion konnte sich für diese Verse aus »Die Maßnahme« begeistern, nun also auch das Bundesfinanzministerium unter Christian Lindner?

Vielleicht muss man sich den FDP-Mann als glücklichen Leninisten vorstellen, der uns den Hinweis gibt, woran die Änderung der Welt wirklich hängt: am Geld. »Wer die Kapitalisten vernichten will, muss ihre Währung zerstören«, sagte Lenin. Die versuchen sich mit Händen und Füßen zu wehren, was noch geht, wird in Wert gesetzt. Und wenn sich schon sonst mit Brecht nicht mehr lange Geld machen lässt – 2027 wird sein Werk gemeinfrei –, dann sorgt wenigstens die Regierung für die Geldwerdung eines Klassikers. Und bitte alles ganz wörtlich verstehen: den Schlächter umarmen. Seinen Strick kaufen, mit dem man ihn aufhängt. Seine Währung zerstören. Aber ändere die Welt: Sie braucht es! Oder ist es am Ende doch nicht so gemeint? In diesem Falle könnte man auch erst handeln und dann fragen. Oder eine Münze werfen.
- https://www.jungewelt.de/beilage/art/443884

LIED VON DER BELEBENDEN WIRKUNG DES GELDES | Bertolt Brecht

Niedrig gilt das Geld auf dieser Erden
Und doch ist sie, wenn es mangelt, kalt.
Und sie kann sehr gastlich werden
Plötzlich durch des Gelds Gewalt.
Eben war noch alles voll Beschwerden
Jetzt ist alles golden überhaucht
Was gefroren hat, das sonnt sich
Jeder hat das, was er braucht.
Rosig färbt der Horizont sich
Blicket hinan: der Schornstein raucht!

Ja da schaut alles gleich ganz anders an.
Voller schlägt das Herz. Der Blick wird weiter.
Reichlich ist das Mahl. Flott sind die Kleider.
Und der Mann ist jetzt ein andrer Mann.

Ach, sie gehen alle in die Irre
Die da glauben, daß am Geld nichts liegt.
Aus der Fruchtbarkeit wird Dürre
Wenn der gute Strom versiegt.
Jeder schreit nach was und nimmt es, wo er's kriegt
Eben war noch alles nicht so schwer
Wer nicht grade Hunger hat, verträgt sich
Jetzt ist alles herz- und liebeleer.
Vater, Mutter, Brüder: alles schlägt sich!
Sehet, der Schornstein, er raucht nicht mehr!

Überall dicke Luft, die uns gar nicht gefällt.
Alles voller Haß und voller Neider.
Keiner will mehr Pferd sein, jeder Reiter.
Und die Welt ist eine kalte Welt.

So ist's auch mit allem Guten und Großen.
Es verkümmert rasch in dieser Welt
Denn mit leerem Magen und mit bloßen
Füßen ist man nicht auf Größe eingestellt.
Man will nicht das Gute, sondern Geld
Und man ist vom Kleinmut angehaucht.
Aber wenn der Gute etwas Geld hat
Hat er, was er doch zum Gutsein braucht.
Wer sich schon auf Untat eingestellt hat
Blicke hinan: der Schornstein raucht!

Ja, da glaubt man wieder an das menschliche Geschlecht.
Edel sei der Mensch, gut und so weiter.
Die Gesinnung wächst. Sie war geschwächt.
Fester wird das Herz. Der Blick wird breiter.
Man erkennt, was Pferd ist und was Reiter.
Und so wird das Recht erst wieder Recht

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