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Herausragendes Essay von Sarah Waterfeld (Künstler:innen-Kollektiv Staub zu Glitzer)

Wash your dirty hands - Von der Systemrelevanz der Kunst

  • von Sarah Waterfeld

Hier nur der letzte Absatz. Der ganze Text ist ein "must read" für Kulturarbeiter:innen, Kulturfreunde, Theaterbesucher:innen und all jene die Kultur als "systemrelevant" bezeichnen:

Was die Theater(schaffenden) tun sollten
Theater sollten die Corona-Krise nutzen, um sich basisdemokratisch zu organisieren. Sie sollten beraten, wie sich egalitäre Entlohnungsmodelle einführen ließen von der Reinigungskraft bis zur Intendanz. Strenge Frauenquoten sollten durchgesetzt werden in diesem institutionellen Weltspiegel, im Mikrostaat Theater. Nach der Abschaffung von Supergehältern vermeintlicher Stars, muss die Abkehr von jeglicher Drittmittelförderung folgen, von Stiftungen, die den globalen Multikonzernen zur Steuervermeidung und Geldwäsche dienen. Der vorauseilende Gehorsam von Antikapitalist*innen bei der Themenwahl könnte vielleicht ein Ende finden, linksradikale Begriffe müssten nicht länger vermieden werden aus Angst vor der Nichtbewilligung eines Antrags.
Diese obsessive Beschäftigung mit rechten Denkmustern, rechten Strukturen und rechten Argumenten muss, in Anbetracht mimetischer Welterzeugung, endlich aufhören.
Schließlich könnte wieder tatsächlich kritisches Autor:innentheater möglich werden, das nicht nur so tut, als würde es wachrütteln, während es eigentlich konserviert und reproduziert. Wir brauchen die Vernetzung von Theaterarbeit und tagesaktuellen Arbeitskämpfen.
Mit unserer Kunst sollten wir jene Konzerne und ihre Machenschaften bloßstellen, die ihre Logos momentan in Prospekte, auf Plakate, Homepages, auf Sessellehnen und Sponsor:innenwände scheißen. Vielleicht würde dann bei der nächsten Pandemie als erstes an andere gedacht. Vielleicht würden Kulturschaffende nicht nur nach einem bedingungslosen Grundeinkommen für die eigene Kaste krähen, sondern die Vergesellschaftung von Pharmaunternehmen und Krankenhäusern sowie die Abkehr von einem profitorientierten Gesundheitssystem verlangen und sich mit anderen Prekarisierten verbünden. Vielleicht würde eine absolute Mehrheit der Bevölkerung in der nächsten Pandemie dann tatsächlich als allererstes die Öffnung ihrer Theaterhäuser, ihrer Diskursstätten verlangen.
Vielleicht gäbe es in der nächsten Pandemie schon viel mehr Theater. Theater in jedem Kiez und jedem Dorf, in denen Gesellschaft von allen gemeinsam verhandelt wird. Die staatlichen Mittel an diesen Theatern wären unbegrenzt, weil alle Menschen dies so verlangten, weil eine Demokratie gar nicht mehr anders denkbar wäre. Vielleicht begäbe sich dann nie wieder jemand impulskontrollgestört lesend, tanzend oder sonst wie produktiv-kreativ vor die Webcam in der ersten Woche einer Pandemie, um sich über Klickzahlen die eigene Systemrelevanz versichern zu lassen, die es doch eigentlich abzulehnen gilt, solange alles ist, wie es eben ist.
Nicht nur Viren werden von Mensch zu Mensch übertragen, sondern eben auch Hoffnung, Mut und Standhaftigkeit. Alerta!
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