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Der Fall Eli­sa Ase­va: Das Gespenst des Kommunismus

Sobald jemand in Deutschland Kommunismus sagt, rastet der liberale Mob auf Twitter völlig aus – trotz bemerkenswerter Unkenntnis der Geschichte, findet Ingar Solty.

Ein Gespenst geht um in Deutsch­land – das Gespenst des Kom­mu­nis­mus. Alle Mäch­te des Alten haben sich zu einer hei­li­gen Hetz­jagd ver­bün­det, Juli­an Rei­chelt und Don Alp­hon­so, Vol­ker Beck und Mar­co Busch­mann, deut­sche Ras­sis­ten und ein libe­ra­ler Twit­ter-Mob, der sich in auto­ri­tä­ren Bestra­fungs­fan­ta­sien ergeht.

Gegen wen? Gegen Eli­sa Ase­va, eine Schwar­ze Frau, die vor 42 Jah­ren wäh­rend der Flucht ihrer äthio­pi­schen Eltern gebo­ren wur­de und in Deutsch­land auf­ge­wach­sen ist. Heu­te arbei­tet sie in Ber­lin als Kell­ne­rin und fei­er­te vor einem Jahr ihr viel­ge­prie­se­nes Debüt »Über Stun­den«. Der Shit­s­torm im Inter­net hat dafür gesorgt, dass ihr – in klei­ner Auf­la­ge erschie­ne­nes – Buch aus­ver­kauft ist. Sie selbst wird hier­durch aber selbst­ver­ständ­lich nicht reich. Die Über­stun­den in der Gas­tro­no­mie, die das Leben im Gen­tri­fi­zie­rungs­ber­lin mehr schlecht als recht finan­zie­ren, wer­den also bleiben.

Die Frau wird ange­grif­fen, weil sie es im Rah­men eines aus­führ­li­chen, klu­gen und nuan­cier­ten Inter­views im Deutsch­land­ra­dio wag­te, als Lyri­ke­rin auch ihre poli­ti­sche Über­zeu­gung kund­zu­tun: Sie glau­be, »dass wir den Kom­mu­nis­mus haben müs­sen, wenn wir eine Zukunft für alle wol­len«. Deutsch­land­ra­dio Kul­tur nutz­te die­sen Satz unab­ge­spro­chen in den sozia­len Medi­en. Zur Bewer­bung viel­leicht, weil er für den unge­wöhn­li­chen Mut der »Self­made-Poe­tin« spricht, aber sicher­lich auch mit dem Kal­kül des vor­her­seh­ba­ren Skan­dals. Man setz­te Frau Ase­va damit also auch den mas­si­ven Angrif­fen mit Gewalt­fan­ta­sien in den sozia­len Medi­en aus, denen vor allem Schwar­ze und in die­sem Fall dazu noch lohn­ar­bei­ten­de Frau­en aus­ge­setzt sind, wenn sie sich in der Öffent­lich­keit links positionieren.

Man soll­te nun mei­nen, Frau Ase­va hät­te alle Soli­da­ri­tät auch von Libe­ra­len ver­dient. Ganz nach dem Mot­to des von ihnen gern bemüh­ten Auf­klä­rungs­phi­lo­so­phen Vol­taire: »Mein Herr, ich tei­le Ihre Mei­nung nicht, aber ich wür­de mein Leben dafür ein­set­zen, dass Sie sie äußern dür­fen.« Tat­säch­lich ver­su­chen indes gera­de die, die sich ansons­ten über lin­ke »Can­cel Cul­tu­re« in Rage twit­tern, jetzt Frau Ase­va zu canceln.

Die Angrif­fe die­nen dem Zweck, einen Men­schen fer­tig­zu­ma­chen, um Tau­sen­de ande­re zu dis­zi­pli­nie­ren....

Die Angrif­fe zeich­nen sich durch eine bemer­kens­wer­te Unkennt­nis der Geschich­te der Arbeiter*innenbewegung und des Kom­mu­nis­mus aus, eben­so der Bour­geoi­sie als Klas­sen­trä­ge­rin des Libe­ra­lis­mus. Das ist jedoch kein Wun­der. Diet­mar Dath hat in sei­nem Husa­ren­stück »für die, denen die Welt nicht gehört«, die Klas­se der Eigen­tums­lo­sen gemahnt, nie zu »ver­ges­sen, dass die Besit­zen­den und ihre Pro­pa­gan­da-Abtei­lun­gen grund­sätz­lich kei­ne Vor­stel­lung von Geschich­te haben und nur dann so tun, als hät­ten sie eine, wenn sie ihr eige­nes Ver­schwin­den im Zuge geschicht­li­cher Umwäl­zun­gen fürchten«.

Aber da die Eigen­tums­lo­sen sowohl ihre eige­ne als auch die Geschich­te ihrer Geg­ner bes­ser ken­nen müs­sen, wenn sie ihr Schick­sal über­win­den wol­len, sei hier noch mal da­ran erin­nert, wel­che Bot­schaft der – des Kom­mu­nis­mus lebens­lang unver­däch­ti­ge – Tho­mas Mann 1944 an sei­ne eige­ne Eigen­tü­mer­klas­se rich­te­te. Näm­lich, dass die Zukunft sich »kaum ohne kom­mu­nis­ti­sche Züge vor­stel­len lässt; das heißt, ohne die grund­le­gen­de Idee der gemein­sa­men Eigen­tums- und Genuss­rech­te an den Gütern der Erde, ohne eine fort­schrei­ten­de Ein­ebnung der Klas­sen­un­ter­schie­de, ohne das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit für alle«.
- https://www.nd-aktuell.de/artikel/1164402.der-fall-elissa-asesva-das-gespenst-des-kommunismus.html

Hier das Interview:

Elisa Aseva: Das geheime Heft und der gehässige Punk