#gedichte

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Die Raupe

Adolf Glassbrenner - Verbotene Lieder, Bern 1844

»Die Raupe auf dem Baume saß,
Und von der Kron' die Blätter fraß -
Ja ja!
Sie war im bunten Kleide,
Als wie von Sammt und Seide,
Ha ha ha ha ha ha!

Ein Staatsminister ging vorbei,
Der sah das Thier und sprach: Ei ei!
Ja ja!
Wie konnt' es ihr gelingen?
'S geht nicht mit rechten Dingen!
Ha ha ha ha ha ha!

Du unbehülflich dummes Thier!
Ich wundre mich, drum sage mir:
Ja ja!
Wie hast du's unternommen,
Und bist so hoch gekommen?
Ha ha ha ha ha ha!

Und als die Raupe blieb nicht stumm,
Da wurd' er roth und dreht sich um.
Ja ja!
Die Raupe hat gesprochen:
Mein Freund, ich bin gekrochen!
Ha ha ha ha ha ha!«

Die Raupe auf dem Weg nach oben
#AdolfGlassbrenner #Poesie #Lyrik #Gedichte #Raupen #Karriere #kriechen #Politik #Parteibuch

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Die Wahrheit: Das EM-Orakel

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit – heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über das fußballerische Großereignis des Sommers erfreuen.#Vorhersage #Gedichte #Fußball-EM2024 #Wahrheit #Schwerpunkt
Die Wahrheit: Das EM-Orakel

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Heute vor 100 Jahren

Gisela May

* 31. Mai 1924 † 2. Dezember 2016

Gisela May Singt Brecht - Eisler - Dessau

#GiselaMay #chanson #BertoltBrecht #music #Gedichte #Poesie #nowar #Geburtstag #birthday

Moderne Legende

Text: Bertolt Brecht

Als der Abend übers Schlachtfeld wehte
Waren die Feinde geschlagen.
Klingend die Telegrafendrähte
Haben die Kunde hinausgetragen

Da schwoll am einen Ende der Welt
Ein Heulen, das am Himmelsgewölbe zerschellt’
Ein Schrei, der aus rasenden Mündern quoll
Und wahnsinnstrunken zum Himmel schwoll.
Tausend Lippen wurden vom Fluchen blaß
Tausend Hände ballten sich wild im Haß.

Und am anderen Ende der Welt
Ein Jauchzen am Himmelsgewölbe zerschellt’
Ein Jubeln, ein Toben, ein Rasen der Lust
Ein freies Aufatmen und Recken der Brust.
Tausend Lippen wühlten im alten Gebet
Tausend Hände falteten fromm sich und stet.

In der Nacht noch spät
Sangen die Telegrafendräht’
Von den Toten, die auf dem Schlachtfeld geblieben —
Siehe, da ward es still bei Freunden und Feinden.

Nur die Mütter weinten
Hüben — und drüben.

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Krissmäs Poäm

Anonym -> 3.000 Gedichte - Poems - Lyrik - Poesia

When the snow falls wunderbar
And the children happy are,
When the Glatteis on the street,
And we all a Glühwein need,
Then you know, es ist soweit:
She is here, the Weihnachtszeit.

Every Parkhaus ist besetzt,
Weil die people fahren jetzt
All to Kaufhof, Media Markt,
Kriegen nearly Herzinfarkt.
Shopping hirnverbrannte things
And the Christmasglocke rings.

Merry Christmas, Merry Christmas,
Hear the music, see the lights,
Frohe Weihnacht, Frohe Weihnacht,
Merry Christmas allerseits ...

Mother in the kitchen bakes
Schoko-, Nuss- and Mandelkeks
Daddy in the Nebenraum
Schmückt a Riesen-Weihnachtsbaum
He is hanging auf the balls,
Then he from the Leiter falls ...

Finally the Kinderlein
To the Zimmer kommen rein
And it sings the family
Schauerlich: »Oh, Christmastree!«
And ein jeder in the house
Is packing die Geschenke aus.

Merry Christmas, Merry Christmas,
Hear the music, see the lights,
Frohe Weihnacht, Frohe Weihnacht,
Merry Christmas allerseits ...

Mamma finds under the Tanne
Eine brand new Teflon-Pfanne,
Papa gets a Schlips and Socken,
Everybody does frohlocken.
President speaks in TV,
All around is in Harmonie.

Bis mother in the kitchen runs:
Im Ofen burns the Weihnachtsgans.
And so comes the Feuerwehr
With Tatü, tata daher,

And they bring a long long Schlauch
And; a long long Leiter auch.
And they schreien: »Wasser marsch!«
Christmas das is now im Arsch ...

Merry Christmas, Merry Christmas,
Hear the music, see the lights,
Frohe Weihnacht, Frohe Weihnacht,
Merry Christmas allerseits ...

#gedichte #lyrik #poesie #weihnachten #christmas #xmas #anglizismus

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Heute vor 140 Jahren

Joachim Ringelnatz

* 7. August 1883 † 17. November 1934

Die Badewanne

103 Gedichte, 1933

Die Badewanne prahlte sehr.
Sie hielt sich für das Mittelmeer
Und ihre eine Seitenwand
Für Helgoländer Küstenland.
Die andre Seite – gab sie an –
Sei das Gebirge Hindostan
Und ihre große Rundung sei
Bestimmt die Delagoabai.
Von ihrem spitzen Ende vorn,
Erklärte sie, es sei Kap Horn.
Den Kettenzug am Regulator,
Hielt sie sogar für den Äquator.
Sie war – nicht wahr, das merken Sie? –
Sehr schwach in der Geographie.
Dies eingebildete Bassin.
Es wohnte im Quartier latin.

#JoachimRingelnatz #Gedichte #Poesie #Badewanne #Angeber #Geographie #Geburtstag #birthday

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Albert Anker - Lesender Mann

Reading Man
Gemälde, Aquarell auf Papier, 35 × 25 cm, 1909

Emily Dickinson - He ate and drank the precious Words

He ate and drank the precious Words —
His Spirit grew robust —
He knew no more that he was poor,
Nor that his frame was Dust —

He danced along the dingy Days
And this Bequest of Wings
Was but a Book — What Liberty
A loosened spirit brings —

Poems by Emily Dickinson
Poems published 1890 by Mabel Loomis Todd, T.W. Higginson (eds.)

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#EmilyDickinson #Gedichte #Poems #Poesie

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Giuseppe Arcimboldo - Il Bibliotecario

Der Bibliothekar / The Librarian
Gemälde, Öl auf Leinwand, 97 x 71 cm, 1566

Joachim Ringelnatz - Der Bücherfreund

Ob ich Biblio- was bin?
phile? „Freund von Büchern“ meinen Sie?
Na, und ob ich das bin!
Ha! und wie!

Mir sind Bücher, was den andern Leuten
Weiber, Tanz, Gesellschaft, Kartenspiel,
Turnsport, Wein, und weiß ich was, bedeuten.
Meine Bücher – – – wie beliebt? Wieviel?

Was, zum Henker, kümmert mich die Zahl.
Bitte, doch mich auszureden lassen.
Jedenfalls: Viel mehr, als mein Regal
Halb imstande ist zu fassen.

Unterhaltung? Ja, bei Gott, das geben
Sie mir reichlich. Morgens zwölfmal nur
Nüchtern zwanzig Brockhausbände heben – – –
Hei! das gibt den Muskeln die Latur.

Oh, ich mußte meine Bücherei,
Wenn ich je verreiste, stets vermissen.
Ob ein Stuhl zu hoch, zu niedrig sei,
Sechzig Bücher sind wie sechzig Kissen.

Ja natürlich auch vom künstlerischen
Standpunkt. Denn ich weiß die Rücken
So nach Gold und Lederton zu mischen,
Daß sie wie ein Bild die Stube schmücken.

Äußerlich? Mein Bester, Sie vergessen
Meine ungeheure Leidenschaft,
Pflanzen fürs Herbarium zu pressen.
Bücher lasten, Bücher haben Kraft.

Junger Freund, Sie sind recht unerfahren,
Und Sie fragen etwas reichlich frei.
Auch bei andern Menschen als Barbaren
Gehen schließlich Bücher mal entzwei.

Wie? – ich jemals auch in Büchern lese??
Oh, sie unerhörter Ese – – –
Nein, pardon! – Doch positus, ich säße
Auf dem Lokus und Sie harrten
Draußen meiner Rückkehr, ach dann nur
Ja nicht länger auf mich warten.
Denn der Lokus ist bei mir ein Garten,
Den man abseits ohne Zeit und Uhr
Düngt und erntet dann Literatur.

Bücher – Nein, ich bitte Sie inständig:
Nicht mehr fragen! Laß dich doch belehren!
Bücher, auch wenn sie nicht eigenhändig
Handsigniert sind, soll man hoch verehren.

Bücher werden, wenn man will, lebendig.
Über Bücher kann man ganz befehlen.
Und wer Bücher kauft, der kauft sich Seelen,
Und die Seelen können sich nicht wehren.

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Jean-Léon Gérôme - Tanagra Workshop

Gemälde, Öl auf Leinwand, 64 x 91 cm, 1893

Rainer Maria Rilke - Tanagra

Neue Gedichte, Insel-Verlag, 1907

Ein wenig gebrannter Erde,
wie von großer Sonne gebrannt.
Als wäre die Gebärde
einer Mädchenhand
auf einmal nicht mehr vergangen;
ohne nach etwas zu langen
zu keinem Dinge hin
aus ihrem Gefühle führend,
nur an sich selber rührend
wie eine Hand ans Kinn.

Tanagra-Figur

Wir heben und wir drehen
eine und eine Figur;
wir können fast verstehen
weshalb sie nicht vergehen, —
aber wir sollen nur
tiefer und wunderbarer
hängen an dem was war
und lächeln: ein wenig klarer
vielleicht als vor einem Jahr.

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Salvador Dalí - La cistella de pa

The Basket of Bread
Gemälde, Öl auf Holzklotz, 33 x 38 cm, 1945

Wilhelm Busch - Das Brot

Zu guter Letzt, 1904

Er saß beim Frühstück äußerst grämlich,
Da sprach ein Krümchen Brot vernehmlich:

Aha, so ist es mit dem Orden
Für diesmal wieder nichts geworden.

Ja Freund, wer seinen Blick erweitert
Und schaut nach hinten und nach vorn,
Der preist den Kummer, denn er läutert.
Ich selber war ein Weizenkorn.
Mit vielen, die mir anverwandt,

Lag ich im rauhen Ackerland.
Bedrückt von einem Erdenkloß,
Macht ich mich mutig strebend los.
Gleich kam ein alter Has gehupft
Und hat mich an der Nas gezupft,

Und als es Winter ward, verfror,
Was peinlich ist, mein linkes Ohr,
Und als ich reif mit meiner Sippe,
O weh, da hat mit seiner Hippe
Der Hans uns rutschweg abgesäbelt

Und zum Ersticken festgeknebelt
Und auf die Tenne fortgeschafft,
Wo ihrer vier mit voller Kraft
In regelrechtem Flegeltakte
Uns klopften, daß die Schwarte knackte.

Ein Esel trug uns nach der Mühle.
Ich sage dir, das sind Gefühle,
Wenn man, zerrieben und gedrillt
Zum allerfeinsten Staubgebild,
Sich kaum besinnt und fast vergißt,

Ob Sonntag oder Montag ist.
Und schließlich schob der Bäckermeister,
Nachdem wir erst als zäher Kleister
In seinem Troge baß gehudelt,
Vermengt, geknetet und vernudelt,

Uns in des Ofens höchste Glut.
Jetzt sind wir Brot. Ist das nicht gut?
Frischauf, du hast genug, mein Lieber,
Greif zu und schneide nicht zu knapp
Und streiche tüchtig Butter drüber

Und gib den andern auch was ab.

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Félix Vallotton - Moroccan Jug and Pears

Gemälde, Öl auf Leinwand, 73 x 60 cm, 1924

Erich Fried - Birnenliebe

Das Nahe suchen, Gedichte, Verlag Klaus Wagenbach, 1982

Nein, o nein!
Mein, o, mein!
Meine große Schwester
die Birne vom dritten Zweig
auf der Sonnenseite rechts oben
sah einmal den Obstpflücker an
und wollte dann Obstpflücker sein.

Ja, o ja!
Da war das Unglück da:
Obstpflücker ist doch kein Beruf
für eine Birne
von der Sonnenseite dazu noch
vom besten Platz!
Ist doch pervers beinah.

Hört, o hört!
Der ganze Baum war empört.
Stammvater, Astmutter haben sie Fallobst genannt:
»Sich an den Obstpflücker wegwerfen
ist eine Sund’ und Schand’!
Die hat die Sonne wohl birnenweich gebrannt
oder im Wachstum gestört?«

Fink, o Fink,
von ihrem Ende sing!
Obstpflücker stand auf der Leiter, begehrte mein Schwesterlein
Liebestoll warf sie sich ihm in den Rachen hinein
daß er den Hals brach und unten am Boden lag.
Keine von uns wurde gepflückt an dem Tag:
Was doch die Liebe vermag!

#Birnen #Liebe #fruits #food
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Über William Faulkner

Herausgegeben von Gerd Haffmans

Diogenes | 1973 | ISBN: 9783257200980
146 / ~2000 :)) #neverendingbookcoverchallenge

Surveyed & mapped for this volume by William Faulkner
Aufsätze und Rezensionen von Malcolm Cowley bis Siegfried Lenz
Essays und Zeichnungen von sowie ein Interview mit William Faulkner
Chronik und Bibliographie
Frontispiz: Jefferson and Yoknapatawpha County. Kartenskizze von William Faulkner. Aus: The Portable Faulkner, © 1946 by The Viking Press, Inc., New York.
Umschlagfoto: William Faulkner (Archiv Diogenes)

Nocturne

NOCTURNE.

Colombine leans above the taper flame:
Colombine slings a rose.
She slings a revered hand at Pierrot's feet.

Behind, a perpendicular wall of stars,
Below, a gleam of snows.
Pierrot spins and whirls, Pierrot is fleet;
He whirls his hands, like birds, upon the moon.

Pierrot spins and whirls ....
His eyes are filled with facets of many worlds
Of elver and blue and green,
And he would hide his head, yet the keen
blue darkness

Cuts his arms away from his face.

Listen! A violin
Freezes into a blade, so bright and thin
It pierces through his brain, into the heart,
And he is spilled by a pin of music on the dark.

Swift the wisps of motion blown across the moon ;
Colombine slings a paper rose,
Pierrot slits like a white moth on blue dark.

Black the taper, sharp their mouths in starlight,
The sky with icy rootless flowers gauntly glows.
They are stiffly frozen, bright and stark.

Nocturne

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