Vor 34 Jahren, ich war dabei.
Das kann man sich kaum noch vorstellen: Ich hätte eigentlich zur Lehre in die Gegend von Wismar gemußt, am 1. Januar kam ein Telegramm: "Zu Hause bleiben, auf weitere Anweisungen warten."
Greifswald mit etwa 70.000 Einwohnern war komplett abgeschnitten, keine Züge, keine LKWs, damit auch keine Versorgung. Die Bäcker durften Mehl nicht mehr zum Kuchenbacken verwenden, damit genügend Brot da war. Die Uniklinik hatte einen großen Einzugsbereich. Dialysepatienten müssen regelmäßig an die Maschine, sonst sterben sie, die wurden teilweise mit Pferdefuhrwerken geholt, wo die Autos nicht mehr durchkamen.
In Lubmin das KKW, die Beschäftigten, sicher einige Tausend, fuhren normalerweise mit der Bahn, aber das konnte man vergessen. Man versuchte es mit Schützenpanzern, aber die blieben im Schnee stecken. Also Hubschrauber. Die landeten auf einem Sportplatz mitten im Neubaugebiet, 24 Stunden am Tag. Die Dinger sind RICHTIG laut, und Plattenbauten reflektieren den Schall hervorragend.
Mein Stiefvater, auch in Lubmin beschäftigt, fuhr mit seiner Brigade mit einem LKW los, irgendwohin, wo die Bahnschienen vermutet wurden. GPS Kinnings gab es nicht, es gab nur eine Schneewüste und Karten und raten. Und dann wurde ein Loch in den Schnee gebuddelt, mit Glück traf man den Bahndamm, mit Pech nicht, dann mußte man eben ein paar Meter daneben erneut buddeln.
Mein Kumpel aus Schwerin wollte mich zu Silvester besuchen, von Rostock bis Greifswald (ca. 100 Kilometer) benötigte er mehr als 24 Stunden.
Der Spuk verging recht schnell, ich denke, so am 4. oder 5. konnte ich wieder zur Lehre fahren.
Das Ganze kam dann im Februar noch einmal.
