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Zwischen Aluhüten und linker Systemkritik – Hintergrund

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Seit einigen Jahren hat das Wort „Verschwörungstheorie“ Hochkonjunktur. Man muss den Inhalt, den Begriff nicht verstanden haben, um zu wissen, dass damit eine rote Linie gezogen werden soll, die die Funktion einer Bannmeile erfüllt: „Bitte fernhalten“ … „Betreten verboten“. Wenn dieses Wort fällt, ducken sich im Normalfall all jene weg, die nicht in der Gemeinschaftszelle für Narren landen möchten. Diese Affekte sind gewollt, denn das Wort selbst gibt eine solche Reaktion gar nicht her.

Allein im Kontext der NSU-Morde und der unzähligen Pannen bei deren Aufklärung fliegt einem der Begriff „Verschwörungstheorie“ nur so um die Ohren. Vor allem im Zusammenhang mit den zwei Kopfschüssen, durch die ein Internetcafé-Besitzer in Kassel ermordet wurde. Zur Tatzeit war auch der Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme anwesend – ein Geheimdienstmann, der in seiner Jugend „Klein-Adolf“ genannt wurde und beruflich Neonazis als V-Leute betreute. Er verließ kurz nach dem Mord seinen Internetplatz, sah den blutüberströmten Internetcafé-Besitzer nicht hinter dem Tresen liegen, legte ein Geldstück auf den blutverspritzten Tisch, ohne sich das Geringste dabei zu denken … und verlor mit Verlassen des Tatorts jede Erinnerung daran, dass er dort gewesen war. Die Polizei ermittelte ihn trotzdem und führte ihn wenig später als Tatverdächtigen. Seine Telefonanschlüsse wurden abgehört, man observierte ihn und beobachtete unter anderem, wie er sich mit Vorgesetzten in einer Raststätte traf. In einem der abgehörten Telefonate äußerte sich der Geheimschutzbeauftragte des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) wie folgt: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren.“

Obwohl das alles zusammengenommen eine Indizienkette ergibt, die für fünf Anklagen ausreichen würde, während es für die Täterschaft der beiden NSU-Mitglieder Mundlos und Böhnhardt keine belastenden Beweise am Tatort gibt, keine Spuren, keine Zeugen, keine Indizien, fanden einige Medien die Indizien an den Haaren herbeigezogen, völlig aus der Luft gegriffen und allenfalls etwas für Verschwörungstheoretiker. Auch die Glaubwürdigkeit von Prozessbeobachtern, die der Serie von Falschaussagen, Beseitigungen von Akten und Manipulation von Tatorten eine Absicht unterstellten, wurde diskreditiert. Man kann diese Art medialer „Aufklärung“ auch so zusammenfassen: Wenn man das Wahrscheinliche ausgeschlossen hat, die Plausibilität der Ermittlungsmethoden außer Kraft gesetzt hat, muss das, was übrigbleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.

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