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Gaspreis deckeln
Mieterbund legt »Neun-Punkte-Plan« wegen Energiekostenexplosion vor – und befürchtet Kündigungswelle. Immobilienbranche behauptet »Panikmache« (Von Oliver Rast)
Er geht in die Offensive, der Deutsche Mieterbund (DMB). Mittels eines »Neun-Punkte-Plans für mehr Rechtssicherheit und Entlastung der Mieterinnen und Mieter«. Eine Art Sofortprogramm, den die Organisation am Donnerstag vorstellte. Der Grund: hohe Preissprünge bei Heizkosten, die nach der kürzlichen Ausrufung der »Alarmstufe des Gasnotfallplans« durch das Bundeskabinett zu erwarten sind. Von Wohnungsverlust bedroht seien zuvorderst mietezahlende Privathaushalte der untersten Einkommensklassen, die oftmals keine Sozialtransfers beziehen, so der DMB.
Und: Die absolute Mehrheit der Mieter bezieht Gas als Heizenergie und wäre von den Tariferhöhungen direkt betroffen. Entweder über eine sofortige »Vertragsanpassung« bei Gasetagenheizungen oder im Rahmen der Nebenkostenabrechnung durch erhöhte Voraus- bzw. Nachzahlungen an den Vermieter. Also: »Wir stehen kurz vor einer Zäsur, schon im Juli könnten über den Preisanpassungsmechanismus die Gasrechnungen von mehr als 20 Millionen Mietern von jetzt auf gleich explodieren«, wurde die DMB-Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz in der am Donnerstag verbreiteten Verbandsmitteilung zitiert. Niemand dürfe aus seinen vier Wänden geworfen werden, der die Zusatzkosten der »Preisanpassung« nicht sofort schultern oder die Nachzahlungen nicht innerhalb der vertraglichen Frist von 30 Tage begleichen könne, betonte Weber-Moritz.
Deshalb der Forderungskatalog. Ganz oben auf der Agenda des DMB steht ein Kündigungsmoratorium bei nicht begleichbaren Nebenkosten von mindestens einem halben Jahr. Für die Periode der Energiekrise müssten Strom- und Gassperren ausgesetzt sein. Rasant steigende Marktpreise für Gas und Öl dürften nicht ein zu eins an Mieter weitergegeben werden. Das heißt: Gaspreisdeckel, gesetzlich fixiert. Das ist nicht alles. Ein Heizkostenzuschuss für alle einkommensschwachen Haushalte sei ebenso wichtig wie ein höheres Wohngeld. Ferner brauche es einen Bestand von zwei Millionen Sozialwohnungen bis 2030. Und nicht zuletzt einen bundesweiten Mietenstopp, »differenziert nach Wohnungsmärkten für sechs Jahre«, hieß es im DMB-Punkteplan.
Unterstützung kommt von Caren Lay (Die Linke). Wenn die Politik nicht stärker regulierend einschreite, »werden die Menschen an Essen sparen und im Winter frieren müssen«, sagte die Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik ihrer Bundestagsfraktion am Donnerstag gegenüber jW. Die Lebenshaltungskosten seien für zahlreiche Haushalte finanziell einfach nicht mehr tragbar. Darum: »Es ist richtig und wichtig, dass der Mieterbund jetzt Alarm schlägt« – und konkrete Vorschläge macht. Denn damit könnten die Krisenfolgen sozial abgefedert werden, immerhin. Und ja, die »Sorgen des DMB« ernst nehmen, das schon, sagte Christina-Johanne Schröder gleichentags auf jW-Anfrage. Nur, in der Gaskrise »müssen wir uns auf weitere Preisanstiege gefasst machen«, meinte die wohnungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Die Ampel werde indes ihren Teil tun, »um gerade die Menschen, die wenig verdienen, zu entlasten«.
Einen bringt gar nichts aus der Ruhe: Kai Warnecke, Präsident von »Haus & Grund Deutschland«, dem Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer. »Schon während der Coronapandemie wurden alle Probleme einvernehmlich gelöst und ist niemandem gekündigt worden«, sagte Warnecke am Donnerstag zu jW. Die Warnrufe des DMB, wonach »viele Mieter in diesem Winter in kalten Wohnungen sitzen oder ihre Wohnungen verlieren könnten«, sei nichts weiter als »unseriöse Panikmache«. Der »Haus & Grund«-Chef empfiehlt Vermietern und Mietern gleichermaßen ins Gespräch zu kommen, um sich über höhere Vorauszahlungen und Abschlagszahlungen zu verständigen. Möglichst einhellig.
Also, alles ganz simpel, ein kurzer Plausch, und der Fall ist geklärt? Mitnichten. »Freiwillige Selbstkontrolle und private Absprachen reichen überhaupt nicht«, sagte Martha Anna Kleedörfer, Vizefraktionsvorsitzende in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte und Sprecherin für Wohnen, am Donnerstag im jW-Gespräch. Das zeigten zahlreiche Fälle aus Beratungsgesprächen mit Mieterinnen und Mietern. Zumal Immobilienkonzerne alles andere sind als kulant. Kleedörfer weiter: »Wir brauchen mehr staatliche Eingriffe, nicht weniger, insbesondere beim Deckeln der Energiekosten.«
- https://www.jungewelt.de/artikel/429536.wohnungspolitik-gaspreis-deckeln.html
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