50 Gründe einen Radweg nicht zu benutzen

Anfang der 90er des letzten Jahrhunderts, vor rund dreissig Jahren, wurde in der deutschen Usenetgruppe de.rec.fahrrad das Konzept der Verlagerung (und Einschränkung) des Radverkehrs auf Sonderwege ausgiebig diskutiert. Darunter waren einige damals neue Ideen, überwiegend waren es aber dieselben abgegriffenen und gescheiterten Konzepte, die in den letzten Jahren leider wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt wurden und die heute in den sozialen Netzen, auch hier, erneut genau so naiv propagiert werden wie in der Zeit vor 1990, als die Massenmotorisierung noch im vollem Gange war. Damals herrschte in Radfahrerkreisen generell ein gewisser Konsens, dass die meisten Radwege mangelhaft sind. Bei vielen Diskussionsteilnehmern reifte die Erkenntnis, dass gerade die lästigen und gefährlichen Mängel solcher Sonderwege systematische Konstruktionsfehler und nicht behebbar sind. Und das praktische Problem, welches sich vielen stellte, die über Radfahren nicht nur redeten, bestand damals wie heute darin, warum und wie man Radwege trotz ihrer Benutzungspflicht vermeidet.

Nach einer ausufernden Diskussion in de.rec.fahrrad habe ich z.T. mit einem Augenzwinkern, aber in jedem einzelnen Punkt an konkreten praktischen Problemen orientiert, erst 25, dann weitere 25 Gründe formuliert, die man haben oder nennen kann, wenn es darum geht, vorhandene Radwege nicht zu benutzen.

Dieser Text war dann als die besagten "50 Gründe ..." in den 90ern recht populär. Ich kopiere hier die ersten 25 Gründe, so wie 1994 formuliert, den Rest kann man sich bei Bedarf über die verlinkte Webseite von Karl Brodowsky anschauen.


In 6MLUWAj024n@___.de n.n writes:

>Warum fahren Radfahrer oft nicht auf dem Radweg?

Weil es erheblicher artistischer Fähigkeiten bedarf, über Pkws zu fahren,
die auf dem Radweg abgestellt sind.

Weil der Radweg hundert Meter weiter plötzlich aufhört, ohne erkennbare
Möglichkeit zur Weiterfahrt.

Weil sie bislang noch keine Stelle gefunden haben, wo der Bordstein
genügend abgesenkt war, um gefahrlos aufzufahren.

Weil es kein Radweg ist, sondern eine Baustelle.

Weil sie ein empfindliches Transportgut in der Packtasche mitführen,
dem sie das Gerüttel durch die Schlaglöcher, Frostaufbrüche und
durch Baumwurzeln verursachten Bodenwellen nicht zumuten können
und deswegen auf dem glatten, gepflegten Asphalt der Straße fahren.

Weil Fußgänger auf dem Radweg gehen.

Weil die Polizei es empfohlen hat.

Weil der Radweg für 30 km/h nicht geeignet ist, aber die Straße.

Weil der Anhänger zu breit ist für den 70 cm schmalen Radweg.

Weil das Rad mit Anhänger zu lang ist für die Kurve ein paar hundert
Meter weiter.

Welcher Radweg?

Weil man auf dem Liegerad keine Möglichkeit hat, den Knopf der Knopfdruck-
ampel an der nächsten Kreuzung zu erreichen und nicht bei Rot fahren möchte.

Weil noch Streugut vom vorletzten Winter auf dem Radweg liegt - und zwar
genau in der nächsten Kurve.

Weil das Drängelgitter auf dem Radweg bei Dunkelheit so schlecht zu sehen ist.

Weil die grelle Leuchtreklame von der Bushaltestelle, um die man
herumfahren muß, so stark blendet, daß man quasi blind fahren müsste.

Mal man gerade keinen Besen dabei hat, um die seit letzter Woche
auf dem Radweg liegende zerbrochene Flasche wegzukehren.

Weil jemand die Scherben vom Autounfall letzte Woche sorgfältig
von der Straße auf den Radweg gekehrt hat.

Weil ich grundsätzlich nicht auf der falschen Straßenseite fahre.

Weil sie hundert Meter weiter links abbiegen wollen.

Weil sie hundert Meter weiter nicht rechts abbiegen wollen.

Weil der Radweg gesperrt ist und jemand nur vergessen hat, die richtigen
Schilder aufzustellen.

Weil der Radweg gesperrt ist, weil jemand vergessen hat, die Schilder
wieder wegzuräumen.

Weil es unbequem ist.

Weil es zu langsam ist.

Weil es gefährlich ist.

Da durch, reizen sie auch oft die Autofahrer zu gefahrlichen
Ueberhollmanoever!

Nun ja - wenn sie auf dem Radweg fahren, verleiten sie oft
Autofahrer zum gefährlichen Mißachten der Vorfahrt. Das ist
mindestens genau so schlimm!


Weiterer Lesestoff:

Bernd Slukas Zehn Gebote

John Franklin Cyclecraft

John Forester Articles on Bicycle Facilities (cum grano salis, da ausschliesslich aus amerikanischer Sicht geschrieben, aber er ist quasi der Erfinder des Konzepts "vehicular cycling", auch wenn er selber es auf Vorläufer in GB zurückführt. Link via archive.org, da seine Domain nach seinem Tod von einem domaingrabber für Werbezwecke verwendet wird.)

Meine leicht ironische Interpretation von vehicular cycling als Verkehrsmäßiges Radfahren habe ich im Fediverse erstmals 2021 bei Pluspora gepostet, mit dessen Verschwinden ist der Text aber leider auch im Orkus verschwunden und werfen entsprechende Links einen 404.

#fahrrad #rad #radwege #radverkehrspolitik #radweg #benutzungspflicht #verkehrspolitik

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