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Adbusting in Berlin: »Wir lauerten auf die Plakate, doch sie kamen nicht«

Berliner Polizei wirbt nicht mehr im öffentlichen Raum. Adbustinggruppe verbucht Erfolg für sich. Ein Gespräch mit Klaus Mayer (Interview: Gitta Düperthal)

Immer wieder sorgt sogenanntes Adbusting für Schlagzeilen. Dabei geht es um die Umgestaltung von Werbung im öffentlichen Raum. Sie behaupten nun, die Berliner Polizei dazu gebracht zu haben, auf Werbeplakate, mit denen unter Schulabgängern um Nachwuchs gebuhlt wird, zu verzichten. Wie kommen Sie darauf?

Schon seit einem Jahr warten wir auf neue Poster der Berliner Polizei, damit wir deren Werbung im öffentlichen Raum verfremden, überkleben oder auf andere Weise umgestalten können. Ziel ist es, so deren Sinn umzudrehen oder lächerlich zu machen. Nach den Sommerferien lauerten wir geradezu, dass endlich neue Plakate erscheinen. Aber die kamen einfach nicht – obwohl die Polizeiausbildung längst begonnen hatte. Durch eine Anfrage der Freien Wähler erfuhren wir, dass die Polizei es tatsächlich nicht mehr macht, sondern auf das Internet mit ihrer Werbung ausgewichen ist. Natürlich ist es ein Erfolg, dass wir mit solch relativ einfachen Mitteln eine Änderung erreichen konnten. Welchen Wirbel wir hinter den Kulissen verursachen, ist daran zu merken, dass man uns unter anderem in Nazichatgruppen von Polizisten häufig sehr verärgert thematisiert.

Satirische Überarbeitung von Polizeiplakaten hatte unter anderem zur Folge, dass dort anschließend »Die Waffen der Polizei: Lügen, Gewalt, Rassismus« oder »Wir sind Nazinetzwerk, nur größer« geschrieben stand. Einige Polizisten reagierten darauf via Twitter. Welche Wortmeldungen fanden Sie bemerkenswert?

Mir hat am besten gefallen, dass Benjamin Jendro, Pressesprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei, GdP, auf Twitter schier daran verzweifelte, dass man mit dem Strafrecht nicht weiterkommt: Es könne nicht sein, dass »das stärkste Mittel des Rechtsstaats gegen solche Perversion das Kunsturheberrecht« sei.

Entscheidend für uns Aktivisten ist, dass es noch kein Urteil dazu gibt. Andreas Fischer-Lescano, Juraprofessor an der Universität Bremen, wertete: Adbusting falle grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Je nach Ausgestaltung sei auch die Kunstfreiheit berührt. Wie krass der Staatsschutz wegen Adbustings intern unter Druck steht, zeigte sich im Juni. Anlässlich von Protestmobilisierungen zum »Tag ohne Bundeswehr« leitete die Behörde ein Ermittlungsverfahren wegen »Störpropaganda gegen die Bundeswehr« ein.

Wenn es keine Werbeplakate der Polizeibehörden mehr gibt, die Sie umgestalten können, werden Sie dann »arbeitslos«?

Nein. Leider werden uns die Themen nicht ausgehen, denen wir uns widmen müssen. Auch unter der neuen Bundesregierung wird es Abschiebungen oder Polizeigewalt geben. Für Leute, die die Bundeswehr adbusten, geht die Arbeit sowieso weiter.

Sie fordern, die Polizei abzuschaffen. Wer soll dann zum Beispiel gegen Gewalt gegen Frauen vorgehen?

Weil dabei die Polizei kaum hilft, entstanden ja in den 1970er Jahren selbstorganisierte Frauenhäuser und -initiativen: Es wird sich nichts verbessern, wenn wir nicht selbst Alternativen schaffen. Prinzipiell ist es nicht sinnvoll, im Umgang mit Gewalttätern noch weitere hinzuzuholen – auch nicht staatlich bezahlte. Eine überforderte Polizei soll haufenweise gesellschaftliche Aufgaben erledigen, weil alle anderen Bereiche kaputtgespart wurden. Die Folge davon ist, dass Beamte ihre Schusswaffen zücken, wenn sie auf psychisch kranke Personen treffen. Besser wäre es, sie würden in solchen Fällen die Straße absperren, während psychologisch ausgebildete Fachkräfte das Gespräch mit potentiell Gefährlichen suchen.

Kann die Behörde nicht reformiert werden?

Nein. Es ist doch so: Ein neoliberaler Staat finanziert nur Bereiche, die der Unterdrückung dienen. Der Werbeetat der Berliner Polizei ist von 190.000 auf 300.000 Euro gestiegen, der entsprechende Etat der Bundeswehr sogar auf 35 Millionen Euro. Dabei bräuchten wir mehr Geld, um beispielsweise für Jugend- und Sozialarbeit zu werben.

  • Klaus Mayer ist Sprecher der Kommunikationsguerillagruppe »Polizei abschaffen«

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