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Postkolonialismus: Verhöhnung statt Versöhnung - Das »Versöhnungsabkommen« mit Namibia zeigt, wie sich Deutschland aus der Verantwortung für die eigene Geschichte stehlen und Entschädigungen verhindern will
...Dass sich die Bundesregierung so vehement gegen Reparationsleistungen wehrte und wehrt, liegt nicht zuletzt an der Angst, dies könnte einen Präzedenzfall schaffen, der zu analogen Forderungen von Nachfahren von Opfern in anderen ehemaligen deutschen Kolonien führen könnte. Angesichts der Begrenztheit des Völkerrechts zur Aufarbeitung kolonialen Unrechts braucht es einen politischen Willen, um der eigenen historischen Verantwortung gerecht zu werden und Wiedergutmachung zu leisten. Dieser politische Wille fehlte bei allen Bundesregierungen der vergangenen Jahre. Zu groß ist offenbar die Angst davor, die Büchse der Pandora zu öffnen und sich ernsthaft mit den vielen weiteren deutschen Kolonial- und Kriegsverbrechen zu beschäftigen, wie etwa der Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands in der Kolonie Deutsch-Ostafrika, des Widerstands der Sokehs auf den Karolinen-Inseln, der Maka in Kamerun, den Massenvergewaltigungen in Togo, Zwangsarbeit und Prügelstrafen auf Samoa oder dem Kolonialkrieg gegen China - und die aus der historischen Verantwortung resultierenden Konsequenzen zu ziehen.
Dies würde nicht nur eine kritische Reflexion und konsequente Dekolonisierung der öffentlichen Erinnerungskultur in Deutschland erfordern. Notwendig wäre außerdem ein Umdenken in der nach wie vor von imperialen Motiven und kolonialen Denkmustern geprägten deutschen Außenpolitik. Denn diese steht angesichts der Verfolgung geostrategischer Vorherrschaft im Rahmen der Nato sowie kapitalistischer Profitinteressen mittels »humanitärer Interventionen«, gezielter Exporte von Kriegswaffen zur geopolitischen Einflussnahme und durch ausbeuterischen Freihandel in einer Linie mit der imperialistischen Kolonialpolitik, die Karl Liebknecht zum Anfang des 20. Jahrhunderts kritisierte. Die Entkolonisierung der deutschen Außenpolitik steht noch an.
- von Sevim Dağdelen
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1161654.postkolonialismus-verhoehnung-statt-versoehnung.html