Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer, liebe Freundinnen und Freunde,
immer wieder werden wir gefragt, ob es uns nicht wütend macht, dass das Ankommen für Geflüchtete aus der Ukraine so viel einfacher geregelt ist, als für Menschen, die aus Syrien, Afghanistan oder Afrika zu uns fliehen. Dass das so ist, steht außer Zweifel. Den Familien aus der Ukraine bleiben langjährige Asylverfahren weitestgehend erspart. Statt aber daraus eine Debatte über Privilegien oder Diskriminierung abzuleiten, möchten wir lieber das Gute darin sehen:
Seht, was geht, wenn der Wille da ist!
Denn genau hier sollte die Gleichbehandlung aller Menschen, die auf der Flucht sind, ansetzen. Statt eine Zweiklassengesellschaft unter Geflüchteten unterschiedlicher Herkunft zu etablieren setzen wir uns lieber für einen gleich hohen Schutzstandard für alle ein. Was auf Basis soziokultureller und geographischer Nähe bei der Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine möglich war, ist zunächst einmal sehr erfreulich. Deutschland erlebt eine beeindruckende Welle der Solidarität und Anteilnahme. Eine langfristige Einteilung in Geflüchtete 1. und 2. Klasse wäre dagegen zutiefst unethisch und zudem nicht mit Grund- und Menschenrechten vereinbar. Sie wäre Gift für unsere Gesellschaft. Die unbürokratischen Möglichkeiten für Menschen aus der Ukraine, die seit dem 24. Februar 2022 wegen des brutalen Angriffskrieges Putins nach Europa geflohen sind, müssen deshalb in Zukunft auch allen anderen Menschen auf der Flucht offenstehen, die aufgrund von Krieg und Verfolgung gezwungen sind, ihr Land zu verlassen.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür sind schon lange geschaffen. Denn die EU-Richtlinie über vorübergehenden Schutz (RL 2001/55/EG), die es ermöglichte, den ukrainischen Flüchtlingen rasch zu helfen, stammt aus dem Jahre 2001. Sie wurde durch einen EU-Ratsbeschluss vom 4. März 2022 lediglich aktiviert. Dadurch bekommen aus der Ukraine Geflüchtete in Deutschland einen Aufenthaltstitel für 2 Jahre sowie Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt. Sobald also, wie es in der Richtlinie von 2001 heißt, ein ähnlicher „Massenzustrom von Vertriebenen aus Drittländern, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können“ vorliegt, könnte der vorübergehende Schutzstatus rechtlich gesehen jederzeit auch für andere Flüchtlinge aktiviert werden. Wieder einmal zeigt sich: Wo der politische Wille besteht, dort finden sich auch die geeigneten Rechtsmittel, um diesem Willen Ausdruck zu verleihen. Hier sollten wir ansetzen.
Wer - wie wir - seit Jahren den mühsamen Ankommensprozess für Geflüchtete aus Syrien begleitet, ist wirklich überrascht, wie unkompliziert der Weg durch den Behördendschungel sein kann: Registrierung bei der Ausländerbehörde ohne Termin, EU-weites Aufenthaltsrecht, sofortige Arbeitserlaubnis, niederschwellige Anerkennung von Schulabschlüssen und Berufsqualifikationen, Zugang zu den deutschen Sozialsystemen mit relativ kurzen Bearbeitungszeiten bei Sozialämtern und Jobcentern (die jedoch angesichts der chronischen Überlastung meist auf Kosten der Menschen aus anderen Drittstaaten gehen, die derzeit teils wochenlang auf notwendige Unterstützung zum Leben warten müssen).
Wir brauchen einen humanitär geleiteten Ehrgeiz, der zukünftig für alle möglich macht, was als neue Kultur der Machbarkeit im Umgang mit Menschen aus der Ukraine eingeführt wurde.
Angesichts der kaum zu ertragenden Bilder aus der Ukraine fällt es nicht leicht, noch „Augen und Ohren“ für Schrecken und Elend in anderen Weltregionen zu haben. Uns geht es da oft genauso. Weitgehend ohne größere Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit geht der brutale Krieg in Syrien jedoch weiter. Er hat sich sogar noch verschärft. Deshalb hat uns die Nachricht gefreut, dass eine EU-Geberkonferenz zu Syrien kürzlich weitere finanzielle Hilfen für Betroffene des syrischen Bürgerkriegs in Höhe von 2,5 Milliarden Euro beschlossen hat. Doch abgesehen von der Schwierigkeit, diese Hilfe nicht in die falschen, assadtreuen Hände gelangen zu lassen, ist auch diese Summe nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein. Denn in Syrien fehlt es weiterhin nicht nur an Frieden sondern einfach an allem: Die Knappheit an Lebensmitteln und Medikamenten bringt auch syrische Familien in Deutschland zur Verzweiflung, die um das Leben ihrer Angehörigen in Syrien bangen und uns inständig um Hilfe bitten.
"Es ist an der Zeit, dafür zu sorgen, dass Syrien und die palästinensischen Flüchtlinge nicht zum neuen vergessenen Konflikt werden." So UN-Generalkommissar Philippe Lazzarini anlässlich der Geberkonferenz.
Sie alle helfen dabei, dies zu verhindern.
Dafür danken wir von Herzen!
#Flüchtlingspaten #Syrien e.V.
Tina Mede, Remo Klinger, Charlotte Dreyer,
Vera Gaserow, Katrin Albrecht
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