[l] Ich hab mich gerade mit Frank darüber unterhalten, wie der Kapitalismus in seiner Kernfunktion kaputt ist gerade. Ich hab vorhin versucht, bei Amazon ein Audiokabel zu kaufen. Ich bin da ein Prime-Kunde genau dafür, damit ich Kleinscheiß dann halt schnell liefern lassen kann. Im Moment habe ich eine Erkältung und bleibe lieber drin um niemanden anzustecken. Das ist also genau die Kernsituation, auf die ich damit vorbereitet sein wollte.
Lieferzeitpunkt: 5. Dezember sagt Amazon. Das ist ein Artikel, der als Prime beworben wird. Das Versprechen von Prime war: Kostenlose Lieferung bis morgen.
Ja, äh, nix morgen.
Ich hatte neulich auch ein paar Fleece-Decken bestellt. Nicht weil ich die nächsten Monat haben wollte, sondern so schnell wie möglich. Der Verkäufer saß da einen Tag drauf, bevor er das Paket an DHL übergab. DHL hat das gestern angenommen, und hat dann verteilt über gestern und heute vier Einträge in der Verfolgung, alle im selben Verteilzentrum, dass das Paket für den Weitertransport vorbereitet werde. Dann dass es jetzt fertig vorbereitet ist. Dann wieder dass es wieder vorbereitet wird. Das Zentrum hat es derweil nicht verlassen.
Stellt sich raus: Frank hat genau darüber gerade eine Kolumne geschrieben. Viel Spaß bei der Lektüre. Er hat dafür, erzählte er, einen Haufen wirklich erschütternder Leserbriefe reingekriegt. Wenn ihr Frank erschüttern wollt, müsst ihr einen vergleichsweise großen Vorschlaghammer rausholen. Mal gucken, wie schnell meine Erkältung hier abklingt, vielleicht nehmen wir da mal ne Alternativlosfolge zu auf.
Die für mich interessante Lektion ist ja, auf was für dünnem Eis die Illusion der funktionierenden Gesellschaft immer gebaut ist. Im Grund ist das hier eine Art Westworld oder Stepford Wives-Szenario, und zwar die ganze Zeit schon gewesen. Alles Schönwetter-Kapitalismus. Läuft super, solange der Wachstum das Verkacken auffängt.
Frank hat da ein bisschen über Finanzprodukte zur Altersversorgung geschrieben, und hoffte glaube ich auf Leserbriefe von Insidern, die ihm sagen, dass das alles gar nicht so schlimm ist. Lass es mich so sagen: Leserbriefe von Insern kamen wohl. Aber die sagten eher das Gegenteil von "alles gar nicht so schlimm".
Ich glaube ich will da auch mitmachen und nehme daher gerne Leserbriefe mit Stories von Leuten an, die sich "zum scammen gezwungen fühlen", weil "die anderen das ja auch alle so machen".
Frank kommt jedenfalls zu folgendem Schluss:
Im Kern ist es aber eine tiefgehende Korruption einer wichtigen Grundannahme des Kapitalismus: "Wenn die Kunden keine Lust mehr haben, beschissen zu werden oder schlechten Service zu bekommen, gehen sie halt zur Konkurrenz."
Diese Annahme ist immer öfter nicht mehr wahr. Beschiss-Kartelle bilden sich absichtlich oder eigendynamisch. Kostenreduktion ohne technologisch unterfütterte Produktivitäts- und Effizienzgewinne geht zwangsläufig nur durch Qualitätsabstriche. Gerne werden diese Abstriche durch alle Teilnehmer eines Marktsegments fast gleichzeitig umgesetzt
Hey, war da nicht gerade was?
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