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Krieg in Vietnam: Vom Himmel geholt
Vor 50 Jahren: Schwerste US-Bombenangriffe auf Nordvietnam. Aggressoren erlebten »Dien Bien Phu in der Luft« (Von Hellmut Kapfenberger)
Der 50. Jahrestag des »Dien Bien Phu in der Luft« ist in diesem Monat Thema vieler Veranstaltungen und Ausstellungen in Vietnam, vor allem in Hanoi. Es geht um den Dezember 1972. Der Krieg der USA, 1965 zur Rettung seines zehn Jahre zuvor im abgespaltenen Süden des Landes völkerrechtswidrig installierten Satellitenregimes vom Zaun gebrochen, hätte schon zwei Monate zuvor Vergangenheit sein sollen. Von Unterhändlern der Demokratischen Republik Vietnam (DRV) und der USA seit Mai 1968 in zähem Ringen in Paris ausgehandelt, lag im Oktober der Text eines Friedensabkommens vor, das am 30. Oktober von den Außenministern beider Länder in Paris unterzeichnet werden sollte. Aber die Einwände der Saigoner Administration gegen einige Südvietnam betreffende Regelungen sollen für die USA Anlass gewesen sein, Abkommen und Kalendarium plötzlich aufzukündigen. Die Forderung nach umfangreichen Neuverhandlungen lehnte die DRV ab.
Ende im Desaster
Mit den Verhandlungen wollten die USA das hart bedrängte Regime in Saigon vor dem Kollaps bewahren, damit ihren ersten Außenposten auf dem asiatischen Festland sichern und der Antikriegsbewegung auch im eigenen Land den Wind aus den Segeln nehmen. US-Präsident Lyndon B. Johnson verkündete am 31. Oktober 1968 dafür die bedingungslose Einstellung aller »Kriegshandlungen« gegen Nordvietnam. Für Amtsnachfolger Richard Nixon, gewählt im November 1968, galt diese Zusage nicht mehr. 1971 gab es neue Provokationen: Aufklärungsflüge über dem ganzen Gebiet Nordvietnams häuften sich; Jagdbomber attackierten südliche Provinzen, Hanois weitere Umgebung und nördliche Gebirgsprovinzen.
Was im folgenden Jahr geschah und für Washington am Ende im Desaster endete, begann am 16. April 1972 mit einem Nachtangriff strategischer Boeing-»B-52«-Bomber (»Stratofortress«) auf die Hafenstadt Haiphong, Nordvietnams zweitgrößte Stadt 100 Kilometer östlich der Hauptstadt. Erstmals war eine von Nixons Amtsvorgängern gezogene imaginäre Grenze überschritten, der 20. Breitengrad in der Mitte Nordvietnams. Ihn hatten die Bomber bis dahin nicht überquert. Die Provinzen südlich davon kannten deren tödliche Fracht bereits, sie waren Ausgangspunkt der ab 1959 eingerichteten Nord-Süd-Nachschubtrasse »Ho-Chi-Minh-Pfad«. Fortan blieb das Gebiet nördlich des 20. Breitengrades wie auch wieder die Provinzen südlich davon Ziel der schweren Bomber und hunderter Jagdbomber. Heimgesucht wurden von den »B-52«-Bombern dann auch Hanois vier Randkreise – seine vier Stadtbezirke hingegen blieben noch verschont. Auch das Stadtgebiet Haiphongs lag noch nicht wieder unter dem Bombardement der US-Luftwaffe.
Vom 18. Dezember an antworteten die USA auf die Weigerung der DRV, neu zu verhandeln und sich zu substantiellen Zugeständnissen zwingen zu lassen, mit den schwersten Bombenangriffen seit 1965 auf ganz Nordvietnam. Was bis zum 29. Dezember geschah, war gezeichnet von schwersten Angriffen der Maschinen des Strategischen Luftkommandos (SAC). Man begann »unter Einsatz von 200 »B-52«-Kampfflugzeugen mit Rund-um-die-Uhr-Bombenangriffen, der »Weihnachtsbombardierung«, auf Hanoi und Haiphong, »Tag für Tag 24 Stunden«, so der US-Buchautor Jonathan Neale über den »amerikanischen Krieg«.
Die DRV-Kommission zur Untersuchung der Kriegsverbrechen der amerikanischen Imperialisten in Vietnam sprach von »beispiellosem« »B-52«-Einsatz. Flächenbombardements hatten sich nun vor allem gegen drei der vier Hanoier Stadtbezirke gerichtet, die sich über nur 37 Quadratkilometer erstreckten, gegen alle hauptstädtischen Randkreise mit einer Gesamtfläche von rund 500 Quadratkilometern, wieder gegen Haiphong und gegen Gebiete in umliegenden Provinzen im nicht nur industriell am weitesten entwickelten Kerngebiet des Nordens. In der Nacht zum 26. Dezember 1972 fielen »B-52«-Bomber erstmals über die Hanoier Innenstadt her. Ein Bombenteppich galt der zentralen Kham-Thien-Straße. Obwohl die meisten Frauen und die Kinder Hanois wie aller anderen größeren Städte nach dem 16. April evakuiert worden waren, verloren 215 Einwohner ihr Leben, 257 wurden verletzt. Am 29. Dezember waren allein im Raum Hanoi 1.318 tote und 1.261 verletzte Einwohner zu registrieren.
Vietnam voller Stolz
Die USA erhielten im Dezember die verdiente Quittung. Schmerzhaft getroffen wurde ihre für unverwundbar gehaltene und wegen ihrer Flughöhe von mindestens 10.000 Metern nur für Flugabwehrraketen erreichbare strategische Bomberflotte. Bis zum 29. Dezember gingen nach vietnamesischen Angaben 81 US-Kampfflugzeuge verloren, darunter 34 »B-52«. Vietnam spricht voller Stolz von einem »Dien Bien Phu in der Luft« in Anlehnung an die siegreiche Schlacht von 1954 gegen französische Truppen. »Die Vietnamesen behaupteten, über Weihnachten 34 »B-52« abgeschossen zu haben. Das Pentagon gab öffentlich 15 zu und privat mehr. Die Luftwaffe konnte die Verluste nicht ertragen«, so Neale. Die meisten der 204 Besatzungsmitglieder fanden den Tod.
- https://www.jungewelt.de/artikel/441623.krieg-in-vietnam-vom-himmel-geholt.html
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