14.02.2023 EU-Chatkontrolle gegen Open Source
Will die EU gerade Linux verbieten?
Eigentlich wollten die (noch vorhandenen) fortschrittlichen Kräfte in der EU vor Jahren mal Linux als von US Giganten unabhängiges System sogar fördern und als Gegengewicht in der Software-Landschaft in Stellung bringen. Jede Initiative dazu wurde jedoch von der Macht der Big5 oder GAFAM (Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft) aus dem Rennen geworfen.
Nun birgt ausgerechnet die seit 3 Jahren in Vorbereitung befindliche Regelung der EU Chatkontrolle die (theoretische) Gefahr freie offene Software, einschließlich aller wichtigen Linux-Distributionen, zu verbieten. :Man kann allerdings auch vermuten, dass die Gesetzesschreiberlinge auf EU-Niveau so von der Realität abgehoben sind und einfach keine Ahnung von der Realität haben (s.u.)_
Was steht im Gesetzestext?
Mullvad zitiert dazu den Artikel 6 des Gesetzes zur Chatkontrolle, dass von allen "Software-Anwendungsgeschäften" verlangt , dass sie:
- zu prüfen haben, ob jeder von jeder Softwareanwendung angebotene Dienst eine Kommunikation von Mensch zu Mensch ermöglicht,
- zu überprüfen haben, ob jeder Nutzer über oder unter 17 Jahre alt ist,
- Benutzer unter 17 Jahren daran zu hindern haben, solche Kommunikationssoftware zu installieren.
Natürlich wissen wir, dass das völlig irrsinnige Forderungen sind, die auch die Big5 nur in dem Sinne erfüllen, als dass sie für jedes Rechtsgeschäft jemanden benennen können, der dafür (theoretisch) verantwortlich wäre. Bei den Open Source Online-Softwarearchiven, die von Open-Source-Betriebssystemen seit den 1990er Jahren fast durchgängig als Hauptmethode für die Verteilung von Anwendungen und Sicherheitsaktualisierungen verwendet werden, ist das jdoch anders. Diese Archive werden oft von kleinen Unternehmen oder ehrenamtlichen Vereinigungen erstellt und gepflegt. Sie werden von Hunderten von Organisationen wie Universitäten und Internetdienstanbietern auf der ganzen Welt gehostet. Eines der wichtigsten, das von Freiwilligen betriebene Debian-Paketarchiv, enthält derzeit über 170.000 Softwarepakete.
Dezentral statt zentral
Die Open Source Softwarearchivdienste sind nicht auf dem Konzept eines einzelnen menschlichen Benutzers mit einer Identität oder einem Konto aufgebaut. Sie bedienen anonyme Maschinen, wie z. B. einen Laptop, einen Server oder ein Gerät. Diese Rechner können dann von einzelnen menschlichen Nutzern zur Installation von Anwendungen verwendet werden, was sich aber in der Regel der Kontrolle der Archivierungsdienste entzieht.
Um dieses EU Gesetz auch nur konzeptionell und theoretisch einhalten zu können, müssten die Software-Installation, die Beschaffung und die Sicherheitsaktualisierungen völlig neu gestaltet, etwa nach den Verfahren bei Google, Facebook, Apple oder Microsoft mit einem jeweils eigenen "Nutzerkonto" umgebaut werden. Dies würde eine umfassende organisatorische Umstrukturierung erfordern und die Infrastruktur für die Softwareverteilung müsste verschrottet, zentralisiert und neu aufgebaut werden.
Wenn das Gesetz zur Chatkontrolle so in Kraft tritt, würde es die quelloffene Software illegal machen, die den meisten Diensten und der Infrastruktur im Internet, unzähligen Geräten und den von Softwareentwicklern genutzten Computern zugrunde liegt. Und das ist der Punkt: Das Internet beruht zu einem hohen Prozentsatz auf offener Software, so sind ca. 90% der Webserver Apache 2. Von den vielen freien Anwendungen wollen wir nicht erst reden ...
Wie kann es zu so einem Schwachsinn kommen?
Ahnungslosigkeit? Verblendung, nur orientiert an der eigenen politischen Agenda und des Überwachungswahns? Handwerkliche Fehler?
So verweist Mullvad z.B. auf folgenden Schwachsinn: Zur Definition eines Softwareanwendungsspeichers verweist das Gesetz auf die EU-Verordnung über digitale Märkte, Artikel 2, Punkt 12, in dem "virtueller Assistent" definiert wird. Gemeint ist aber eigentlich Punkt 14, der den Begriff "Software-Anwendungsspeicher" definiert.
Damit wäre das Gesetz nicht geheilt, denn neben dem "Verbot von Linux" ist die Absicht der EU Chatkontrolle ein EU-weites, zentralisiertes Massenüberwachungs- und Zensursystem zu schaffen und der Regierung zu ermöglichen, die gesamte private Kommunikation abzuhören. Genau deshalb kämpfen wir seit Jahren dagegen.
Mehr dazu bei https://mullvad.net/en/blog/2023/2/1/eu-chat-control-law-will-ban-open-source-operating-systems/
und alle unsere Artikel gegen die EU Chatkontrolle https://www.aktion-freiheitstattangst.org/cgi-bin/searchart.pl?suche=chatkontrol&sel=meta
Kategorie[21]: Unsere Themen in der Presse Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/3ss
Link zu dieser Seite: https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/8305-20230214-eu-chatkontrolle-gegen-open-source.htm
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