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Das verheerende Treiben der Sandmafia
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Wir Werden Alle Sterben: Warum Verbrecher für Sand töten
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Eine Katastrophe mit Ansage
Das AKP/MHP-Regime versucht, das Leid der Erdbebenopfer auf allen Ebenen auszunutzen. Die hohe Opferzahl selbst ist Ausdruck der antikurdischen Politik des Regimes.
In der Nacht sind die offiziellen Zahlen der Todesopfer bei den Erdbeben in Nordkurdistan, Rojava, der Türkei und Syrien weiter gestiegen. Mittlerweile sind weit über 8.000 Todesopfer festgestellt worden, 6.234 Tote und 34.810 Verletzte in Nordkurdistan und der Türkei und 2.270 Tote in Rojava und Syrien. Währenddessen wird immer klarer, dass die hohe Zahl der Opfer in Nordkurdistan Konsequenz systematischer Vernachlässigung der Region und Korruption durch das Regime ist.
Eine Katastrophe auf Ansage – ein Ausdruck antikurdischer Politik
So erklärte der Geologe Naci Görür im türkischen Fernsehen unter Tränen seine Betroffenheit, jeder vernünftige Geologe in der Türkei, jeder Geophysiker habe von der großen Gefahr in Gurgum (tr. Maraş) gewusst und gewarnt. Görür hatte seit drei Jahren die Regierung auf der Grundlage von Daten vorheriger Beben vergeblich vor dem großen Erdbeben mit Epizentrum in Gurgum gewarnt. Drei Tage vor dem Beben hatte er nochmals die akute Gefahr betont. Seine Warnungen waren vergebens. Er sagt: „Nie hat einer auch nur gefragt, was passieren kann und was man dagegen unternehmen kann – nichts.“
Expert:innen haben seit Monaten gewarnt und sogar einen Plan zum Schutz der Menschen in Çewlîg (tr. Bingöl), Xarpêt (tr. Elazığ), Meletî, Semsûr (Adıyaman) und Gurgum dem staatlichen Planungsamt des Entwicklungsministeriums (DPT) sowie der türkischen Anstalt für Wissenschaftliche und Technologische Forschung (TÜBITAK) vorgelegt. Diese lehnten jedoch ab und ignorierten die in Nordkurdistan bevorstehende Katastrophe.
Bauamnestie als neoliberales Wahlkampfgeschenk
Gleichzeitig hat die Regierung nichts zur Sicherheit der Gebäude unternommen. Obwohl nach dem verheerenden Erdbeben in Izmit 1999, bei dem 17.000 Menschen ums Leben kamen, offiziell die Bauvorschriften verschärft wurden, wurde der Bau von neuen Gebäuden in keiner Weise kontrolliert. Erst 2019 verhängte das Erdoğan-Regime als Wahlkampfgeschenk eine Bauamnestie für unkontrollierte Bauprojekte. So floss durch die Genehmigungsverfahren der illegalen Bauten viel Geld in die Kassen des Regimes. Selbst bei seinem Präsidentenpalast handelt es sich nach einem Gerichtsbeschluss um einen illegalen Bau. Expert:innen bemängeln außerdem, dass das AKP/MHP-Regime keinerlei Maßnahmen unternommen habe, um ein erdbebensicheres Bauen durchzusetzen oder zumindest zu fördern.
Baupropaganda des Regimes um jeden Preis
Das Erdoğan-Regime schmückte sich mit Megaprojekten wie Krankenhäusern, Flughäfen, Hochhäusern und Straßen. Diese Bauprojekte sind ohne Rücksichtnahme auf örtliche Gegebenheiten und die Erdbebengefahr errichtet worden und liegen nun in Trümmern. Der Flughafen von Hatay wurde trotz Warnungen an einer besonders gefährdeten Stelle gebaut und ist nun nicht mehr nutzbar. Die Straße nach Idlib ist zerstört, Krankenhäuser sind eingestürzt und haben Patient:innen unter sich begraben.
„Investitionen“ des Regimes in Kurdistan erweisen sich als Todesfallen
In Nordkurdistan sind insbesondere auch die Gebäude der staatlichen Baubehörde TOKI betroffen. Nach der Zerstörung der Altstädte im Krieg gegen die kurdische Bevölkerung in den Jahren 2015/2016 wurden große TOKI-Siedlungen hochgezogen, die aufgrund ihrer Struktur als Wohnblocks und Hochhäuser extrem anfällig für Erdbeben sind. So handelt es sich offenbar bei der Mehrheit der über 5.000 eingestürzten Gebäuden um sogenannte TOKI-Wohnblöcke. Diese angeblichen „Investitionen“ in die kurdische Region erweisen sich als Todesfalle für die Menschen.
Ausnahmezustand in zehn Provinzen
Am Dienstag hat das AKP/MHP-Regime den Ausnahmezustand über die zehn vom Erdbeben betroffenen Provinzen verhängt. Der Ausnahmezustand soll drei Monate gelten und gibt Militär und Polizei Sonderbefugnisse. Diese Sonderbefugnisse umfassen massive Repressionsmöglichkeiten, während Hilfsmaßnahmen nicht wirklich besser koordiniert werden können. Daher besteht der naheliegende Verdacht, dass es sich um ein politisches Manöver handelt, das Erdbeben zu nutzen und im Ausnahmezustand in die bisher noch für Mai angekündigten Wahlen zu gehen. Dafür spricht, dass der Regimechef Erdoğan bereits angekündigt hat, an seinem vorgezogenen Wahltermin festzuhalten. Bei den betroffenen Regionen handelt es sich um Gebiete, in denen die HDP bzw. die CHP stark sind. Somit könnte ein Teil der oppositionellen Wählerschaft de facto ausgeschaltet werden.
Alles soll unter Kontrolle des Regimes stattfinden
Durch die Ausrufung des Ausnahmezustands wird die Hilfe für die Menschen allein auf den staatlichen Katastrophenschutz konzentriert, während die seit zwei Tagen intensiv aktiven zivilgesellschaftlichen Organisationen und oppositionellen Parteien aus der Hilfe herausgedrängt werden. Der Minister für Umwelt, Urbanisierung und Klimawandel, Murat Kurum, hat bereits angekündigt: „Wir werden keine andere Koordination als die AFAD-Koordination zulassen.“ Es wurde betont, dass Sach- und Geldhilfen ausschließlich über AFAD gesammelt werden dürfen. Aus diesem Grund soll die von zivilgesellschaftlichen Organisationen gesammelte Unterstützung beschlagnahmt werden. Auf diese Weise wird auf Kosten der Versorgung der Menschen die Abhängigkeit vom Regime verstärkt. Gleichzeitig kann die Verteilung und Versorgung der Menschen mit internationalen Hilfsgütern durch das Regime intransparent durchgeführt werden. Aus vorherigen Wahlprozessen ist bekannt, dass das AKP/MHP-Regime diese Möglichkeiten weidlich ausnutzt, um auf Kosten der Notlage der Menschen Stimmen zu gewinnen. Gleichzeitig soll durch die Verhängung des Ausnahmezustands der Zugang zu den Städten von Menschen aus dem Ausland erschwert werden.
Repression gegen kritische Berichterstattung
Das Regime versucht, sich trotz katastrophalem Krisenmanagement als kompetent darzustellen und geht gegen kritische Berichterstattung vor. Das zeigte sich schon in den ersten beiden Tagen nach dem Erdbeben, als Journalist:innen und Personen, die kritisch über die fehlende Versorgung nach dem Erdbeben berichteten, mit Repressalien belegt wurden. So wurden bereits vier Menschen wegen „provokativen Posts, die auf Angst und Panik abzielen“ festgenommen. Die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft leitete außerdem ein Ermittlungsverfahren gegen den Chefredakteur von TELE1 und BirGün-Autor Merdan Yanardağ und den Journalisten Enver Aysever wegen ihrer Äußerungen über das Erdbeben ein. Ihnen wird „öffentliche Aufstachelung zu Hass und Feindseligkeit“ gemäß Artikel 216 des türkischen Strafgesetzbuchs vorgeworfen.
Journalist:innen, die zwei Tage lang an den Trümmern des zwölfstöckigen Diyar Galeria Business Centre in der Elazığ-Straße in Amed ausgeharrt hatten, wurden von der türkischen Polizei bedroht und an ihrer Arbeit gehindert. Während die Regimepresse Exklusivaufnahmen anfertigen konnte, wurden alle als „oppositionell“ betrachteten Journalist:innen entfernt. Ihnen wurde gesagt: „Wir wollen Sie hier nicht.“ Das gleiche geschah an mehreren anderen Orten in Amed. Journalist:innen wurden Personalienkontrollen unterzogen und immer wieder mit Festnahme bedroht, wenn sie sich an Erbebenopfer wandten.
Die Bevölkerung wird weiter im Stich gelassen
Während sich das Zeitfenster für Überlebende immer weiter schließt, haben die Rettungsarbeiten an vielen Orten noch nicht einmal begonnen. Vielerorts sind Menschen auch aufgrund der Kälte in Lebensgefahr. Da die Krankenhäuser meist eingestürzt sind, mangelt es an medizinischer Versorgung. Selbst den Krankenwagen fehlt der Treibstoff.
Hatay: „Wir sammeln nur noch die Toten aus den Trümmern“
In Iskenderun, Arsuz, Belen, Antakya, Defne, Samandağ, Reyhanlı und Kırıkhan in Hatay sind Hunderte von Gebäuden eingestürzt. Es wird berichtet, dass in zwei Leichenhallen in Iskenderun kein Platz mehr sei, und viele geborgene Leichen immer noch nicht abtransportiert werden konnten. Die Bevölkerung verbrachte die zweite Nacht in Folge im Freien oder in eigenen Zelten. Die Menschen sammelten sich um Feuer, um sich wenigstens etwas zu wärmen.
Such- und Rettungseinheiten in Iskenderun berichten, dass weder Ausrüstung und Material noch professionelles Personal zur Verfügung stehe. Ein Mitglied einer Einheit berichtet: „Wir sammeln nur noch die Toten aus den Trümmern. Alles ist eingestürzt.“ Das Feuer, das nach dem Erdbeben im Containerlager im Hafen von Iskenderun ausgebrochen war, lodert weiter. Mit Einbruch der Dunkelheit wurden die Löscheinsätze beendet.
Semsûr: Professionelle Rettungsteams erst Dienstagnacht eingetroffen
Auch in Semsûr beginnen die professionellen Rettungsarbeiten nur sehr langsam. Die Einwohner:innen versuchen, die Menschen unter den Trümmern mit Baggern zu erreichen, die sie sich selbst beschafft haben. Obwohl Rettungseinheiten der staatlichen Katastrophenschutzbehörde AFAD die Stadt am Dienstagabend erreicht hatten, haben die Arbeiten vielerorts noch nicht begonnen. Die Stromversorgung ist in weiten Teilen der Stadt zusammengebrochen. Auch in den umliegenden Kreisstädten beginnen die Rettungsarbeiten nur sehr schleppend. In der schwer vom Erdbeben betroffenen Kreisstadt Sergolan (Gölbaşı) traf am Mittwochmorgen das erste Rettungsteam ein.
Das Erdbeben verursachte tiefe Risse in der Hauptstraße und anderen Straßen der Stadt. Diese Risse führten zu weiteren Schäden an den Gebäuden in der Stadt. Alle Gebäude und Läden in der Stadt sind schwer beschädigt. Beim Nachbeben wurden Dutzende von Häusern zerstört. Alle Einwohner:innen verbrachten nun die zweite Nacht im Freien oder in ihren Fahrzeugen.
Gurgum: Im Krankenhaus türmen sich die Leichen
Die Situation in Gurgum ist katastrophal. Bisher wurden 941 zerstörte Häuser gezählt. In Bazarcix, dem Epizentrum des Erdbebens, geht die Suche nach Lebenszeichen unter den Trümmern weiter. Die Leichen, die unter den Trümmern hervorgeholt und zwei Tage lang in den Krankenhausfluren aufbewahrt wurden, werden nun eine nach der anderen ihren Angehörigen übergeben. Da viele Tote nicht identifiziert wurden, müssen die Familien viele Leichen betrachten, um ihre Angehörigen zu finden. Im Kreis Elbistan ist bisher keine Hilfe eingetroffen. Die Menschen haben die Nacht im Cemevi verbracht. Im Krankenhaus türmen sich die Leichen.
Amed: Leichen geborgen
Die Rettungsarbeiten im Işik-Komplex in Amed, in dem bei dem Einsturz von sieben Gebäuden bisher 18 Menschen ums Leben kamen, wurde mit Baugeräten aufgenommen. Unter den Trümmern des achtstöckigen Komplexes mit 32 Wohnungen im Bezirk Rezan (Bağlar) befinden sich schätzungsweise 28 Menschen. Es heißt, dass die Leichen eines Kindes und einer Frau gefunden wurden.
Dîlok: Viele Tote
Die Menschen in Dîlok verbrachten die Nacht vor den Ruinen, unter denen ihre Angehörigen begraben sind. Der Katastrophenschutz traf erst 17 Stunden nach dem Beben ein und begann schleppend mit den Rettungsarbeiten. In Dîlok sind 533 Gebäude zerstört und es wurden mindestens 200 Personen getötet. Besonders betroffen sind die Kreisstädte Çelîkan (tr. Islahiye) und Nurdağ.
Schätzungsweise 50 Menschen sind unter den Trümmern des eingestürzten Gölgeler-Apartmentgebäudes im Stadtteil Incirli in Şehitkâmil verschüttet. Es wird berichtet, dass gestern Morgen dort fünf Personen erreicht wurden, aber bei den Rettungsarbeiten konnte bis zum Abend niemand weiteres geborgen werden.
- https://anfdeutsch.com/aktuelles/eine-katastrophe-auf-ansage-36222
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Erdbeben in der Türkei: Fahrlässig bauen, fahrlässig töten
Warum die Bauindustrie in der Türkei immer wieder von Experten gewarnt wird und trotzdem so weitermacht wie bisher. Bis zum nächsten Erdbeben
Die Katastrophe kam, wie man im Türkischen sagt, mit Gebrüll. Über 20 Jahre sind seit dem verheerenden Gölcük-Erdbeben vergangen, dem im Jahr 1999 18.000 Menschen zum Opfer fielen. 20 Jahre, in denen viel gesagt, aber wenig gemacht wurde. Baupfusch, mangelhafte staatliche Aufsicht, fehlende Investitionen in Warnsysteme und Rettungseinheiten – nichts davon ist neu. Bauliche Mindestanforderungen an die Erdbebensicherheit wurden zwar in den vergangenen Jahren verbessert. Allerdings stehen noch immer viele Gebäude aus der Zeit vor den neuen Regelungen.
Auf einigen Fotos der eingestürzten Häuser könne man noch die alte Bauweise erkennen, sagte Erdbeben-Ingenieur Mohammad Kashani von der britischen University of Southampton der Deutschen Welle. Was war der Plan für diese Häuser und ihre Bewohner? Warten, bis sich das Problem von selbst erledigt, möchte man zynisch antworten.
Selbst einige jener Neubauten, die den Anforderungen angeblich entsprechen sollen, begruben während des Bebens Menschen unter sich. So kursiert in den sozialen Medien ein Video, in dem zu sehen ist, wie ein nagelneues Hochhaus in sich zusammenkracht, als wäre es aus Sand. Auf der Webseite der Baufirma İs-hak İnşaat konnte der Häuserblock in der südöstlichen Stadt Malatya identifiziert werden. Als „erdbebensicher“ wird er in den Screenshots beworben, die Nutzer zusammen mit dem Video teilen. Inzwischen ist die Seite nicht mehr erreichbar.
Längst ist um die Warnrufe der Experten eine bizarre Folklore entstanden. Einer von ihnen war „Deprem Dede“, Erdbeben-Opa, wie man den 2013 verstorbenen Geophysiker Ahmet Mete Işıkara im Volksmund nannte. Unermüdlich machte Işıkara auf die unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen aufmerksam.
In einer Nachrichtensendung am Morgen nach dem Beben von Montagmorgen platzte nun einem weiteren Experten, dem Geologieprofessor Naci Görür, der Kragen. „Das sind wissenschaftliche Warnungen!“, rief er nach langen Ausführungen darüber, wie Vorhersagen über Erdbeben in den verschiedenen Regionen der Türkei immer wieder unterschätzt werden. „Das ist nicht meine Privatmeinung. Das ist Wissenschaft! Wir betreiben hier keine Kaffeesatzleserei.“
- https://www.freitag.de/autoren/oezge-inan/erdbeben-in-der-tuerkei-fahrlaessig-bauen-fahrlaessig-toeten
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