#koloniales-denken

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Der Vorwurf, das Wandbild verbreite antisemitische Stereotype deckt nicht antisemitische Denk- und Handlungsweisen auf – er deckt vielmehr die postkoloniale und imperiale Gegenwart in Indonesien zu, schützt nicht die Opfer von Verfolgung und Diktaturen, sondern die Mit-Täter und Mitläufer, in Indonesien … und in Deutschland.

Der Proteststurm gegen die Documenta 15: Ein Dokument »progressiven« Herrenmenschentums

Der Kampf gegen den Antisemitismus als Regierungsformat bekämpft nicht den Judenhass, sondern schützt imperiale und postkoloniale Verhältnisse.

Wenn es nicht so niederschmetternd wäre, müsste man dankbar sein, über das, was ein Wandbild auf der Documenta 15 in Kassel im Jahre 2022 ausgelöst hat und die VIP-Lounge dahinter zum Toben bringt.
Klar, eigentlich war man ziemlich liberal und offen. Man lud die indonesischen Künstlergruppe Ruangrupa ein, die Documenta 15 zu gestalten. Auch das Thema Kolonialismus war eigentlich nicht so das Problem. Wenn es lange zurückliegt, kann man sich entschuldigen, ein bisschen Raubkunst zurückgeben und daraus auch noch kulturellen Profit generieren: Schaut her, wie offen wir mit unserer kolonialen Vergangenheit umgehen, wie selbstkritisch wir doch sind!
Dann platzte die sehr dünne Blase des Liberalismus: Ein Wandbild erzürnte die doch so Guten.

Das ist genau das Gegenteil von den Grundaxiomen des Antisemitismus: In diesen macht man »den Juden« für alles verantwortlich, was mit ihnen nicht das Geringste zu tun hat. Im Antisemitismus imaginiert man die Allmacht der Juden, um die wirklichen Machtverhältnisse zu verschleiern.
All das ist in diesem sehr konkreten Fall nicht der Fall: Der »Judenstern« steht eben nicht für eine imaginäre Macht, sondern für das sehr konkrete Engagement der israelischen Regierung an der Seite einer Diktatur. Ihre Beteiligung an Staatsverbrechen wird nicht als einzigartig dargestellt, um so von allen anderen Beteiligten abzulenken. Genau das Gegenteil zeigt das Bild: Der israelische Staat steht in Reih und Glied mit anderen, die eine der blutigsten Diktaturen nach 1945 mitunterstützt haben.
Wenn all das zur Sprache kommen würde, also auch die aktive Beteiligung westlicher »Demokratien« an der mehr als 30 Jahre währenden Diktatur in Indonesien, die 500.000 Menschen das Leben gekostet hat, dann ließe sich ohne Fehl- und Querpässe auch über Schweine als »Sinnbild« für böse Menschen reden und über miss/gelungene und/oder antisemitische »Bildsprache«. Aber eben auch über das, was das Wandbild als Überschrift trägt:

»The expansion of multicultural state hegemony.«

Kann es etwa sein, dass genau dieser Titel die Fassade der Multikulturellen in Deutschland so richtig angeätzt hat. »Multikulturalität« als Aushängeschild für unentwegte westliche Dominanz und Hegemonieansprüche? Im Namen all jener, die heute mehr denn je, mehr Diversität im Ich-Sein mit ganz viel Krieg fürs Wir-Sein zusammenbringen.
Der Vorwurf, das Wandbild verbreite antisemitische Stereotype deckt nicht antisemitische Denk- und Handlungsweisen auf – er deckt vielmehr die postkoloniale und imperiale Gegenwart in Indonesien zu, schützt nicht die Opfer von Verfolgung und Diktaturen, sondern die Mit-Täter und Mitläufer, in Indonesien … und in Deutschland.
- vollständiger Artikel: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/der-proteststurm-gegen-die-documenta-15-ein-dokument-progressiven-herrenmenschentums/