#wertewesten

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#politik #sanktionsregime #völkerrecht #uno #armut #hunger #flucht #wertewesten

„In den letzten zehn Jahren gibt es keinen Beweis dafür, dass sektorale einseitige Zwangsmaßnahmen zu positiven Veränderungen im Verhalten der Regierung geführt haben. Es sind die einfachen Menschen, die die Hauptlast zu tragen haben. Syrien ist nach wie vor Schauplatz der größten Flüchtlingskrise der Welt mit mehr als sieben Millionen Syrern, die aus dem Land geflohen sind.“

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#politik #justiz #anklage #IGH #südafrika #nicaragua #wertewesten #deutschland #israel #globaler-süden

"Für Deutschland ist es ungewohnt, als Angeklagter in Den Haag zu stehen: Berlin hat – wie andere westliche Staaten – die internationale Justiz, darunter neben dem IGH vor allem auch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), immer wieder genutzt, um mit ihrer Hilfe gegen missliebige Staaten des Globalen Südens vorzugehen. Dass diese jetzt ihrerseits beginnen, westliche Staaten vor Gericht zu ziehen, um sich gegen ihre Übergriffe zur Wehr zu setzen, belegt einmal mehr: Die globale Dominanz der transatlantischen Mächte beginnt zu wanken..."

Zwei gute Artikel dazu:

Der Westen, der Süden und das Recht (II)

Nicaragua verklagt Deutschland wegen Unterstützung eines drohenden israelischen Genozids im Gazastreifen vor dem IGH in Den Haag: Der Globale Süden nimmt den Kampf gegen die doppelten Standards des Westens auf https://amerika21.de/blog/2024/03/268575/der-westen-der-sueden-und-das-recht-ii

Der Westen, der Süden und das Recht (I)

Die IGH-Anordnung gegen Israel widerlegt die Behauptung Berlins, Südafrikas Klage entbehre "jeder Grundlage", und bringt erstmals den Globalen Süden vor der Weltjustiz in die Offensive https://amerika21.de/blog/2024/03/267977/der-westen-der-sueden-und-das-recht

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #ukraine #russland #nato #politiker #wertewesten

Ukraine: »Politiker an die Front«

Zeit zu handeln. Der Ukraine gehen das Kanonenfutter aus. Das hat wohl verschiedenste Gründe. Eine Reaktion darauf ist die Petition "Wir fordern den ukrainischen Präsidenten auf, die Gesetzesentwürfe, die die faire Mobilisierung der Bürger, einschließlich der Abgeordneten und Beamten der Ukraine, erleichtern werden, als dringend zu definieren" was nix anders heißt wie "Politiker an die Front". Sie erhielt innerhalb eines Tages 25.000 Unterschriften ukrainischer Internetnutzer.

Eigentlich begrüßenswert und ein Aufruf auch an die Wertewarrior im Westen endlich mal für das geradezustehen, was sie von Ferne befeuern. Sie sollten wohl auch Munition mitbringen.

Hier noch mehr zu den verzweifelten Versuchen die Gefechtsreihen wieder aufzufüllen und die neuesten Tricks der Reichen sich davon freizukaufen.

Sieht so aus als gäbe es nur 2 Möglichkeiten: Entweder selbst an die Front oder mal Energien darauf ausrichten das Massaker zu beenden. Hier nocheinmal zur Dimension:

Die Abgeordnete Marjana Besuglaja aus der Präsidentenpartei »Diener des Volkes« veröffentlichte Zahlen, wonach alle fünf Minuten ein ukrainischer Soldat falle oder verwundet werde; dies summiere sich auf 300 pro Tag bzw. fast 120.000 im Jahr.

Diesen Krieg haben beide Seiten schon längst verloren. Es ist Zeit für ein Ende des Schreckens

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#politik #israel #palästina #gaza #uno #eu #globaler-süden #doppelte-standards #wertewesten #völkerrecht

„Was wir über die Ukraine gesagt haben, muss auch auf Gaza angewandt werden. Sonst verlieren wir all unsere Glaubwürdigkeit. ... Die Brasilianer, die Südafrikaner, die Indonesier: Warum sollten sie jemals glauben, was wir über Menschenrechte sagen?“ „Vergesst das mit den Regeln, vergesst das mit der Weltordnung. Sie werden uns nie wieder zuhören.“
- G7-Diplomat im Gespräch mit der Financial Times, 18.10.2023

+++ UNO-Vollversammlung verabschiedet Resolution für sofortige humanitäre Waffenruhe

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat mit breiter Mehrheit einen sofortigen humanitären Waffenstillstand zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas gefordert. Zudem wird in der von den arabischen Staaten verfassten Resolution die Lieferung von Hilfsgütern in den belagerten Gazastreifen sowie der Schutz der Zivilbevölkerung verlangt. Die Resolution wurde mit 120 Stimmen angenommen, 45 enthielten sich – darunter Deutschland – und 14 stimmten mit Nein. Dazu gehören Israel und die USA.

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#politik #israel #palästina #gaza #vertreibung #uno #eu #globaler-süden #doppelte-standards #wertewesten #völkerrecht

Die Glaubwürdigkeit des Westens

842 EU-Mitarbeiter protestieren gegen von der Leyens Gaza-Politik. Diplomaten warnen, der Westen habe im Globalen Süden wegen seiner Ignoranz gegenüber Ziviltoten im Gazastreifen jede Glaubwürdigkeit verloren.

BERLIN/BRÜSSEL/TEL AVIV (Eigener Bericht) – In einem beispiellosen Protestschreiben attackieren rund 850 EU-Mitarbeiter die eigenmächtige Politik von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Krieg im Gazastreifen. Hintergrund ist die Debatte, wie sich Brüssel nach den Hamas-Massakern vom 7. Oktober zu den israelischen Angriffen auf den Gazastreifen und zum Abschneiden der Zivilbevölkerung von Nahrung und Wasser verhalten soll. Während eine EU-Mehrheit von Israel die Einhaltung des humanitären Völkerrechts fordert, hatte von der Leyen das zunächst unterlassen und damit faktisch die Position Berlins übernommen. Dazu heißt es in dem Protestschreiben, man sei „besorgt“ über „die scheinbare Gleichgültigkeit“ gegenüber Zivilisten in Gaza: „Die EU riskiert all ihre Glaubwürdigkeit.“ Schon vergangene Woche hatten Diplomaten gegenüber der Financial Times geurteilt, der Maßstab, den man gegenüber Russland im Ukraine-Krieg anwende, müsse auch im Gaza-Krieg gelten. Weil dies offenkundig nicht der Fall sei, müsse man jetzt davon ausgehen, dass die Staaten des Globalen Südens „uns nie wieder zuhören“. Schon bei der nächsten UN-Ukraine-Resolution werde man „eine große Explosion in der Zahl der Enthaltungen sehen“.

Die humanitäre Katastrophe

Die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen weitet sich aus. Wie die WHO mitteilt, sind zwölf der insgesamt 35 Krankenhäuser nicht mehr in Betrieb, weil sie zerstört wurden oder nicht mehr über Elektrizität verfügen. Unter anderem sind rund tausend Dialysepatienten, 130 frühgeborene Säuglinge sowie viele Patienten, die in Intensivbehandlung sind oder operiert werden müssen, in akuter Gefahr. Krankenhäuser im Norden können nicht mehr versorgt werden, solange keine humanitäre Feuerpause gewährt wird; für die Krankenhäuser im Süden reichen die Hilfslieferungen an Medikamenten und anderem medizinischen Material, die in geringem Umfang inzwischen eintreffen, nicht aus.[1] Auch die Nahrung wird knapp. Bislang gelangten erst 54 Lkw in den Gazastreifen; vor Kriegsbeginn kamen Berichten zufolge 100 pro Tag. Dabei sind die Hilfslieferungen teils unbrauchbar: Reis und Linsen etwa können wegen des Mangels an sauberem Wasser und an Brennstoffen nicht gekocht werden. Immer mehr Menschen geht das Trinkwasser aus. Wassermangel und Massenflucht führen zu desolaten hygienischen Bedingungen; Ärzte registrieren bereits einen Anstieg einschlägiger Krankheiten. Bei israelischen Angriffen sind bereits mindestens 5.791 Menschen zu Tode gekommen, darunter 2.360 Kinder. 1.550 Menschen werden vermisst.[2]

Mehrfrontenkriege

Die Vereinigten Staaten drängen Israel unterdessen dazu, die schon lange angekündigte Bodenoffensive im Gazastreifen weiter zu verschieben. Bereits in der vergangenen Woche hatten sich zunächst US-Außenminister Antony Blinken, dann US-Präsident Joe Biden bei Besuchen in Tel Aviv für Mäßigung eingesetzt, insbesondere vor einem israelischen Angriff auf die libanesische Hizbollah gewarnt, der eine zweite Front eröffnen würde, aber auch auf größere Zurückhaltung im Gazastreifen gedrungen, um eine Eskalation des Kriegs zum Flächenbrand zu verhindern. US-Regierungsmitarbeiter ließen sich mit ihrer Einschätzung zitieren, ein Zweifrontenkrieg werde Israel wohl schwer zu schaffen machen und nicht nur die US-Streitkräfte, sondern womöglich auch Iran involvieren.[3] Käme es dazu, wäre Washington – zusätzlich zur militärischen Unterstützung für die Ukraine – erneut im Nahen und Mittleren Osten gebunden. Die machtpolitischen Folgen zeigen sich schon jetzt: Im Südchinesischen Meer ist am Wochenende der Streit zwischen China sowie den Philippinen um ein Riff eskaliert; zwar haben die Vereinigten Staaten mitgeteilt, sie würden Manila im Ernstfall auch militärisch unterstützen, doch gerieten sie damit im äußersten Fall in einen Dreifrontenkrieg, den sie laut Einschätzung ihrer Militärs nicht gewinnen können.[4]

Streit um die Feuerpause

Parallel spitzt sich in der EU der Streit um die Positionierung gegenüber dem israelischen Vorgehen zu. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Sonntag ihre Haltung, Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, erstmals um den Zusatz ergänzt, dies müsse „im Einklang mit dem Völkerrecht“ geschehen.[5] Dass sie das bei einem Besuch in Israel unterlassen hatte, hatte zu heftiger Kritik in Brüssel und in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten geführt. Darüber hinaus hat sie sich inzwischen bereit erklärt, die humanitäre Hilfe für den Gazastreifen, die die Kommission nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober zunächst komplett einstellen wollte, auszuweiten. Zu weitergehenden Kursänderungen ist sie jedoch ebensowenig bereit wie die Bundesregierung, deren Position von der Leyen ohne jede Legitimation durch EU-Beschlüsse übernommen hat. Außenministerin Annalena Baerbock lehnte am Montag auf einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen die Forderung nach einer „humanitären Feuerpause“ explizit ab und sprach sich für die Fortsetzung der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen aus.[6] Der Außenbeauftragte Josep Borrell und mehrere Außenminister verlangten hingegen explizit, die Waffen müssten wenigstens eine Zeitlang schweigen, um die Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu garantieren. Die Vereinten Nationen fordern einen Waffenstillstand.

Bedingungslos gleichgültig

Von der Leyens Alleingänge lösen mittlerweile heftige Proteste nicht nur in mehreren EU-Mitgliedstaaten, sondern auch in der EU-Bürokratie aus. Ende vergangener Woche ging bei der Kommissionspräsidentin ein Schreiben ein, das von 842 EU-Mitarbeitern unterzeichnet wurde und scharfe Kritik an ihrer Position zu den israelischen Angriffen auf den Gazastreifen übt. Die Unterzeichner verurteilen das Hamas-Massaker an mehr als tausend israelischen Zivilisten, kritisieren aber zugleich, dass von der Leyen – entgegen dem Stand der Debatte in der EU – mit ihrer „bedingungslosen“ Unterstützung des israelischen Vorgehens Tel Aviv praktisch „freie Hand für die Beschleunigung und Legitimierung eines Kriegsverbrechens im Gazastreifen“ gegeben habe.[7] Sie seien „besorgt“, schreiben die Unterzeichner weiter, über „die scheinbare Gleichgültigkeit, die von unserer Institution“ – der Kommission – „in den vergangenen Tagen gegenüber dem Massaker an Zivilisten im Gazastreifen zur Schau getragen wurde, in Missachtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts“.[8] Abschließend heißt es in dem Schreiben, das von Beobachtern als ein außergewöhnliches, vielleicht sogar präzedenzloses Aufbegehren eingestuft wird: „Die EU riskiert all ihre Glaubwürdigkeit.“

„Wir haben die Schlacht im Globalen Süden definitiv verloren. Was wir über die Ukraine gesagt haben, muss auch auf Gaza angewandt werden. Sonst verlieren wir all unsere Glaubwürdigkeit. ... Die Brasilianer, die Südafrikaner, die Indonesier: Warum sollten sie jemals glauben, was wir über Menschenrechte sagen?“

Doppelte Standards

Genau davor warnten – mit Bezug nicht nur auf die EU, sondern auf den Westen insgesamt – Insider schon in der vergangenen Woche. Hintergrund ist, dass sehr viele Länder im Globalen Süden im Nahostkonflikt auf Seiten der Palästinenser stehen, nun aber zum wiederholten Mal registrieren müssen, dass Kriegshandlungen, die der Westen bei seinen Gegnern – etwa im Falle Russlands im Ukraine-Krieg – auf das Schärfste kritisiert, beim Vorgehen Israels gegen die Hamas umstandslos toleriert werden. Dies gilt insbesondere für die Angriffe auf zivile Infrastruktur und für das Abschneiden der Zivilbevölkerung von Energie, Nahrung und Wasser. So zitierte die Financial Times einen hochrangigen G7-Diplomaten mit der Warnung: „Wir haben die Schlacht im Globalen Süden definitiv verloren.“[9] Der Diplomat fuhr fort: „Was wir über die Ukraine gesagt haben, muss auch auf Gaza angewandt werden. Sonst verlieren wir all unsere Glaubwürdigkeit. ... Die Brasilianer, die Südafrikaner, die Indonesier: Warum sollten sie jemals glauben, was wir über Menschenrechte sagen?“ „Vergesst das mit den Regeln, vergesst das mit der Weltordnung. Sie werden uns nie wieder zuhören.“

Nicht mehr folgenlos

Genau das tritt nun ein. Am vergangenen Samstag erklärte Jordaniens König Abdullah II. auf dem „Friedensgipfel“ in Kairo: „Die Botschaft, die die arabische Welt hört, ist laut und klar“: „Palästinensische Leben zählen weniger als israelische. Unsere Leben zählen weniger als andere Leben. Die Anwendung des internationalen Rechts ist nur eine Option, und Menschenrechte haben Schranken – sie enden an Grenzen, sie enden bei Rassen, sie enden bei Religionen.“[10] Bereits in der vergangenen Woche hatte Ex-NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gewarnt, der Unmut, der sich in solchen Feststellungen äußere, sei nicht mehr folgenlos. „Wir, der Westen, haben nicht mehr das Sagen“, hielt de Hoop Scheffer fest, „und der Globale Süden sagt: ‘Bitte, wir haben auch eine Stimme, die ihr eine gewisse Zeit ignoriert habt‘.“[11] Anders als früher müsse man heute damit rechnen, dass der Globale Süden sich mit Russland oder mit China verbünde. „Es gibt ein Risiko“, hielt de Hoop Scheffer fest, „dass wir bei der nächsten Abstimmung in der UN-Generalversammlung über Unterstützung für die Ukraine eine große Explosion bei der Zahl der Enthaltungen sehen werden.“
- https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9385

[1] As Gaza’s health system disintegrates, WHO calls for safe passage of fuel, supplies for health facilities. emro.who.int 24.10.2023.
[2] Death toll in Gaza from Israeli airstrikes rises to 5,791 Palestinians according to Hamas-run health ministry. theguardian.com 24.10.2023.
[3] Edward Wong, Ronen Bergman, Julian E. Barnes: Biden and Aides Advise Israel to Avoid Widening War With Hezbollah Strike. nytimes.com 20.10.2023.
[4] Jochen Stahnke: Kollisionskurs im Südchinesischen Meer. Frankfurter Allgemeine Zeitung 24.10.2023.
[5] Hans von der Burchard: Von der Leyen doubles down on pro-Israel stance, lashes out at Iran. politico.eu 22.10.2023.
[6] Thomas Gutschker: Strategisches Händchenhalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung 24.10.2023.
[7] Daniel Steinvorth: Protest gegen von der Leyens Gaza-Politik. Neue Zürcher Zeitung 24.10.2023.
[8] Aurélie Pugnet, Davide Basso: EU staff criticise von der Leyen over Israel stance. euractiv.com 20.10.2023.
[9] Henry Foy: Rush by west to back Israel erodes developing countries’ support for Ukraine. ft.com 18.10.2023.
[10] Vivian Yee, Matina Stevis-Gridneff: Peace Summit in Egypt Shows a Shift in Rhetoric but no Consensus. nytimes.com 21.10.2023.
[11] Henry Foy: Rush by west to back Israel erodes developing countries’ support for Ukraine. ft.com 18.10.2023.

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#politik #geschichte #kapitalismus #konterrevolution #neoliberalismus #putsch #folter #mord #klassenkampf-von-oben #usa #wertewesten

11.9.73: Allendes letzten Worte

Radio Magallanes, 11.9.1973, 11.00 Uhr Lokalzeit

Heute am 11. September jährt sich zum 50. Mal der Putsch gegen den sozialistischen Präsident Chiles, Salvador Allende , durch faschistische Kräfte um den chilenischen General Augusto Pinochet und mit Unterstützung des CIA. Im Zuge der Machtübernahme durch das Militär starben laut Amnesty International bis zu 30.000 Menschen. Wir dokumentieren an dieser Stelle die letzte Rede Salvador Allendes, die er hielt, während faschistische Kräfte den Präsidentenpalast und die Radiostation stürmten.

Salvador Allende am 11. September 1973, 11.00 Uhr in der Radiostation Magellan:

Es ist sicherlich das letzte Mal, dass ich mich an euch wende. Die Luftstreitkräfte haben die Sendeanlagen von Radio Portales und Radio Corporacion bombardiert. Meine Worte sind nicht von Bitternis geprägt, sondern von Enttäuschung. Sie sind auch die moralische Züchtigung derjenigen, die den Eid, den sie geleistet haben, gebrochen haben: Soldaten Chiles, amtierende Oberbefehlshaber und Admiral Merino, der sich selbst ernannt hat, der verachtungswürdige General Mendoza, der noch gestern der Regierung seine Treue und Loyalität bezeugte und sich ebenfalls selbst zum Generaldirektor der Carabineros ernannt hat. Angesichts solcher Tatsachen kann ich den Werktätigen nur eines sagen: Ich werde nicht zurücktreten.

In eine historische Situation gestellt, werde ich meine Loyalität gegenüber der Bevölkerung mit meinem Leben bezahlen. Und ich kann euch versichern, dass ich die Gewissheit habe, dass nichts verhindern kann, dass die von uns in das edle Gewissen von Tausenden und Abertausenden Chilenen ausgebrachte Saat aufgehen wird. Sie haben die Gewalt, sie können zur Sklaverei zurückkehren, aber man kann weder durch Verbrechen noch durch Gewalt die gesellschaftlichen Prozesse aufhalten. Die Geschichte gehört uns, es sind die Völker, die sie machen.

Werktätige meines Vaterlandes! Ich möchte euch danken für die Loyalität, die ihr immer bewiesen habt, für das Vertrauen, das ihr in einen Mann gesetzt habt, der nur der Dolmetscher der großen Bestrebungen nach Gerechtigkeit war, der sich in seinen Erklärungen verpflichtet hat, die Verfassung und das Gesetz zu respektieren, und der seiner Verpflichtung treu war. Dies sind die letzten Augenblicke, in denen ich mich an euch wenden kann, damit ihr die Lehren aus den Ereignissen ziehen könnt.

Das Auslandskapital, der mit der Reaktion verbündete Imperialismus haben ein solches Klima geschaffen, dass die Streitkräfte mit ihren Traditionen brechen, mit den Traditionen, die ihnen von General Schneider gelehrt und von Kommandant Araya bekräftigt wurden. Beide wurden Opfer derselben Gesellschaftsschicht, der gleichen Leute, die heute zu Hause sitzen in Erwartung, durch Mittelsmänner die Macht zurückzuerobern, um weiterhin ihre Profite und ihre Privilegien zu verteidigen. Ich wende mich vor allem an die bescheidene Frau unserer Erde, an die Bäuerin, die an uns glaubte, an die Arbeiterin, die mehr arbeitete, an die Mutter, die unsere Fürsorge für die Kinder kannte. Ich wende mich an die Angehörigen der freien Berufe, die eine patriotische Verhaltensweise zeigten, an diejenigen, die vor einigen Tagen gegen den Aufstand kämpften, der von den Berufsvereinigungen, den Klassenvereinigungen angeführt wurde. Auch hierbei ging es darum, die Vorteile zu verteidigen, die die kapitalistische Gesellschaft einer kleinen Anzahl der Ihrigen bietet. Ich wende mich an die Jugend, an diejenigen, die gesungen haben, die ihre Freude und ihren Kampfgeist zum Ausdruck brachten. Ich wende mich an den chilenischen Mann, an den Arbeiter, an den Bauern, an den Intellektuellen, an diejenigen, die verfolgt werden, denn der Faschismus zeigt sich bereits seit vielen Stunden in unserem Land: in den Terrorattentaten, in den Sprengungen von Brücken und Eisenbahnen, in der Zerstörung von Öl- und Gasleitungen. Angesichts des Schweigens … [von Bombendetonationen übertönt] … dem sie unterworfen waren. Die Geschichte wird über sie richten.

Radio Magallanes wird sicherlich zum Schweigen gebracht werden, und der ruhige Ton meiner Stimme wird euch nicht mehr erreichen. Das macht nichts, ihr werdet sie weiter hören, ich werde immer mit euch sein, und ich werde zumindest die Erinnerung an einen würdigen Menschen hinterlassen, der loyal war hinsichtlich der Loyalität zu den Werktätigen.

Die Bevölkerung muss sich verteidigen, aber nicht opfern. Die Bevölkerung darf sich nicht unterkriegen oder vernichten lassen, sie darf sich nicht demütigen lassen.

Werktätige meines Vaterlandes! Ich glaube an Chile und sein Schicksal. Es werden andere Chilenen kommen. In diesen düsteren und bitteren Augenblicken, in denen sich der Verrat durchsetzt, sollt ihr wissen, dass sich früher oder später, sehr bald, erneut die großen Straßen auftun werden, auf denen der würdige Mensch dem Aufbau einer besseren Gesellschaft entgegengeht. Es lebe Chile! Es lebe die Bevölkerung! Es leben die Werktätigen! Das sind meine letzten Worte, und ich habe die Gewissheit, dass mein Opfer nicht vergeblich sein wird. Ich habe die Gewissheit, dass es zumindest eine moralische Lektion sein wird, die den Treuebruch, die Feigheit und den Verrat verurteilt.

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11.9.73: Floh de Cologne - Mumien – Kantate für Rockband

  • Floh de Cologne benennen im Oratorium »Mumien« (1974) die Hintergründe und Folgen des 11. Septembers 1973. Floh de Cologne führen Salvador Allendes letzte Rede auf. Der faschistische Putsch in Chile versetzt die fortschrittliche Welt in einen tagelangen Schockzustand und löst – nach Vietnam – eine zweite internationale Welle der Solidarität aus, die dann mit der portugiesischen Nelkenrevolution 1974 ihren vorerst letzten Höhepunkt erleben sollte.
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Die langen Wellen der Konterrevolution

Mit dem Putsch von 1973 wurde der Neoliberalismus in Chile gewaltsam installiert. Das wirkt bis heute nach (Von Frederic Schnatterer)

Im November 2021 gab sich der damalige Präsidentschaftskandidat Gabriel Boric kämpferisch. »Wenn Chile die Wiege des Neoliberalismus in Lateinamerika war, dann wird es auch sein Grab sein«, erklärte der Politiker des Frente Amplio zuversichtlich. Mit dem Slogan ließ sich zu der Zeit durchaus Wahlkampf machen. Nur etwas mehr als ein Jahr zuvor hatte sich eine überwältigende Mehrheit in einem Referendum für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung ausgesprochen, die die alte, noch aus der Militärdiktatur stammende ersetzen sollte. Im Mittelpunkt der Massenproteste von 2019 stand die Kritik an der großen Ungleichheit im Land – eine Folge des Neoliberalismus, dessen Ursache wiederum in der geltenden Verfassung gesehen wurde.

Heute ist Boric Staatschef des südamerikanischen Landes, eine Abkehr vom neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell ist allerdings nicht absehbar. Am 4. September 2022 votierten 62 Prozent der Wähler gegen einen zuvor von einem Konvent ausgearbeiteten Verfassungsentwurf, der einen deutlichen Bruch mit dem gültigen Text bedeutet hätte. Anfang Juni 2023 legte eine sogenannte Expertenkommission nach dreimonatiger Arbeit einen neuen Entwurf vor. Auf dieser Grundlage macht nun ein Verfassungsrat weiter, dessen Mitglieder im Mai gewählt worden waren. Er wird von der Rechten dominiert, allein der Partido Republicano, dessen Vorsitzender José Antonio Kast mehrfach öffentlich seine Bewunderung für den ehemaligen Diktator Augusto Pinochet ausgedrückt hat, verfügt über 22 der 51 Sitze.

Die Verfassung, die ersetzt werden soll, stammt aus dem Jahr 1980. Trotz Veränderungen, die in den Jahren 1989 und 2005 vorgenommen worden waren, hat sich ihr grundsätzlicher Charakter bis heute nicht geändert. Ihre Geschichte reicht jedoch weit vor das Jahr 1980 zurück und ist untrennbar mit dem Militärputsch gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende am 11. September 1973 verbunden. Zwar war der Staatsstreich kein Teil eines neoliberalen Masterplans. Trotzdem schuf er die Voraussetzungen für die Implementierung des heutigen chilenischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells.

Im September 1970 hatte Allende als Kandidat des Linksbündnisses Unidad Popular (UP) mit 36,6 Prozent einen knappen Vorsprung bei den Präsidentschaftswahlen erlangt und war dann vom Parlament gewählt worden. Sein Versprechen eines »demokratischen Wegs zum Sozialismus« umfasste die Vertiefung dreier Kernvorhaben, die bereits von vorherigen Regierungen angestoßen worden waren. So sollten Schlüsselindustrien verstaatlicht, die unter seinem Vorgänger Eduardo Frei begonnene Landreform vertieft und mittels Sozialprogrammen der gesellschaftliche Reichtum umverteilt werden. Diese Maßnahmen sollten mit einer Umgestaltung des Staates hin zu einem »Estado Popular« einhergehen – einer Gesellschaft, in der die Macht tatsächlich vom Volke ausgeht.

Chicago Boys und Staatsterror

Kapitaleigner und Großgrundbesitzer setzten seit Tag eins der Regierung Allende auf deren Destabilisierung. Dabei konnten sie auf die tatkräftige Unterstützung Washingtons zählen. Bereits 1970 hatte US-Präsident Richard Nixon die CIA angewiesen, die chilenische Wirtschaft »zum Schreien zu bringen«, wie aus lange unter Verschluss gehaltenen Geheimdokumenten hervorgeht. Auf Druck der USA wurde die Allende-Regierung von der Kreditvergabe der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank ausgeschlossen. Zudem blockierte die Nixon-Administration die Umschuldung von chilenischen Verbindlichkeiten im Ausland. So wurden die Produktivität gedrosselt, Investitionen erschwert und die chilenische Wirtschaft von den internationalen Märkten abgeschnitten. Die Folge: eine schwere Wirtschaftskrise, die 1973 ihren Höhepunkt erreichte.

Für die chilenische Rechte wurden mit dem Amtsantritt von Allende und dessen Unidad Popular die schlimmsten Alpträume wahr. Sie begann sich zu radikalisieren. Bei immer größeren Teilen der Bourgeoisie sowie rechtskonservativer Kreise bildete sich die Überzeugung heraus, ein »radikaler Bruch« mit der Regierung sei notwendig – worunter immer häufiger auch ein Militärputsch verstanden wurde. Zum »radikalen Bruch« gehörte ebenfalls mehr und mehr der Wunsch, die Wirtschaft wie die gesamte chilenische Gesellschaft konterrevolutionär umzugestalten.

Diese sich bei den Mächtigen langsam durchsetzende Haltung schuf für eine Gruppe chilenischer Ökonomen – die sogenannten Chicago Boys – beste Voraussetzungen für ihre Überzeugungsarbeit. Sie konnten so ihren Einfluss in wichtige Kreise der chilenischen Gesellschaft ausdehnen. 1956 hatte die School of Economics der Chicago University eine Kooperationsvereinbarung mit der Pontificia Universidad Católica de Chile (PUC) abgeschlossen. Die beinhaltete unter anderem ein Austauschprogramm für Professoren sowie ein Stipendienprogramm für chilenische Studenten, die an die US-Hochschule geschickt wurden. Die Universität in Chicago, an der seit 1946 Milton Friedman lehrte, galt bereits damals als führend für das globale neoliberale Projekt.

Finanziert wurde die Vereinbarung über Umwege von der US-Regierung, die den zu der Zeit in Chile vorherrschenden strukturalistisch bis marxistisch geprägten Wirtschaftswissenschaften eine Ideologie des freien Marktes entgegenstellen wollte. Anfangs beschränkte sich ihr Einfluss jedoch auf die recht unbedeutende Wirtschaftsfakultät der PUC sowie einige wenige Unternehmer. Das änderte sich erst mit dem Amtsantritt von Allende, als die von den Chicago Boys vorgeschlagenen »Korrekturmaßnahmen« allmählich in immer größeren Kreisen der Rechten opportun erschienen. Ihrer antikommunistischen Hoffnung entsprechend sollte mit den Maßnahmen nicht nur die UP-Regierung gestürzt, sondern es sollten auch sozialistische Ideale schnell und endgültig ausgerottet werden – eine Konterrevolution des Kapitals.

Bereits direkt mit dem Putsch am 11. September 1973 bauten die neoliberalen Wirtschaftsideologen der Chicago Boys enge Beziehungen zum Militäregime auf. Am 14. September berief Marineadmiral José Toribio Merino, der nach dem Staatsstreich der Junta angehörte, Sergio de Castro zum Berater des Wirtschaftsministers. Der führende Chicago Boy sollte später selbst das Wirtschafts- sowie das Finanzministerium unter Pinochet leiten. Schon am 12. September, nur einen Tag nach dem Putsch, hatte die Gruppe der Junta ihre Studie »El Ladrillo« (Backstein) ausgehändigt. Die Aufsatzsammlung gilt als Grundlage vieler wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die während der Militärdiktatur in die Realität umgesetzt wurden.

Zur Rechtfertigung des Staatsstreichs diente die Legende, Chile müsse vor den »sozialistischen Experimenten« der Unidad Popular gerettet werden. So wiederum wurden alle folgenden Verbrechen und Verletzungen der Menschenrechte als »notwendige Übel« legitimiert. Eine wirtschaftliche Modernisierung des Landes wurde als dringend geboten dargestellt, eine Ablehnung jeglicher staatlicher Regulierungsmaßnahmen mit einbegriffen. Über ein klar definiertes Wirtschaftsprogramm verfügten die Putschisten nach dem Staatsstreich allerdings zunächst nicht. Ziel war vorerst, »das Fortschrittsniveau wiederzuerlangen, das unser Land hatte und das von der marxistischen Regierung von Allende drei Jahre lang gestoppt und untergraben worden ist«, wie Pinochet selbst erklärte.

Eine notwendige Voraussetzung dafür war der organisierte Staatsterror, der gegen Anhänger der UP-Regierung, andere Linke und insgesamt die organisierte Arbeiterschaft vom Zaun gebrochen wurde. Er erst ermöglichte, dass Chile zum »Labor des Neoliberalismus« wurde. 1975 nahm die Junta den »Plan de Recuperación Económica« (Plan zur wirtschaftlichen Erholung) an – die »Schocktherapie«, die Friedman für Chile gefordert hatte. Fast zwei Jahrzehnte nach Beginn des Austauschprogramms zwischen der Pontificia Universidad Católica und der Chicago University bot sich nun die Möglichkeit, nicht nur mit den unter der Unidad Popular gemachten Fortschritten aufzuräumen, sondern sogleich die seit Jahrzehnten im Land wirksamen Beschränkungen für die Wirtschaft aus dem Weg zu räumen. Dank der Diktatur war keinerlei Gegenwehr von Arbeiterorganisationen zu befürchten.

Die neoliberalen Vorgaben – Privatisierungen, Deregulierungen und drastische Einschnitte bei Staats- und insbesondere Sozialausgaben – wurden in die Praxis umgesetzt. Zu den Maßnahmen gehörten die Privatisierung praktisch aller zuvor staatlichen Unternehmen, Banken und Versorgungseinrichtungen, die radikale Reduzierung von Zöllen sowie die brutale Kürzung öffentlicher Ausgaben. Zwischen 1973 und 1979 strich die Junta ihre Ausgaben von 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 26 Prozent zusammen. Große Teile des Bildungs-, des Renten- sowie des Gesundheitssystems wurden privatisiert – und sind es bis heute. Im Jahr 1980 befanden sich von 400 Unternehmen, die zum Zeitpunkt des Putsches staatlich gewesen waren, nur noch 15 in öffentlicher Hand. Die an den Schaltstellen in zahlreichen Ministerien sitzenden Chicago Boys hatten freie Hand.

Die Pinochet-Verfassung

Nur wenige Tage nach dem Staatsstreich erhielt der rechtskonservative Jurist Jaime Guzmán, ebenfalls von der PUC, den Auftrag, eine Verfassung für die Militärjunta auszuarbeiten. Später wurde eine Kommission gegründet, der weitere ultrarechte Intellektuelle und Politiker angehörten. Nach fünfjähriger Arbeit präsentierten die Mitglieder der sogenannten Comisión Ortúzar am 17. Oktober 1978 einen ersten Verfassungsentwurf. Nach weiterer Revision durch die Militärjunta wurde die Konstitution am 11. September 1980 in einer keineswegs freien Volksabstimmung angenommen.

Die Pinochet-Verfassung bildet die Grundlage des bis heute in Chile herrschenden neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells. Sie legt fest, dass die Rolle des Staates auf ein Minimum reduziert ist und garantiert Kapitalinteressen Vorrang gegenüber sozialen Grundrechten. So wie das Individuum in nahezu allen Lebensbereichen auf seine Rolle als Wirtschaftsakteur reduziert wurde, »atomisierte« sich die chilenische Gesellschaft. Darüber hinaus bestand die Funktion der Verfassung von 1980 auch darin, den Bestand der nach 1973 eingeführten Ordnung auch über das formale Ende der Diktatur hinaus zu garantieren. So setzt sie demokratischen Veränderungsmöglichkeiten enge Grenzen. Sie schuf Institutionen und Mechanismen, die es Diktaturanhängern und anderen Rechten ermöglichen, grundlegendere Reformen des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu blockieren. Hierin liegt ihr bis heute wirkmächtiges Erbe: Die Verfassung zementiert das neoliberale Politikverständnis, das allen demokratischen Mechanismen grundsätzlich misstraut.

Auch wenn die internationale Rechte die Auswirkungen des neoliberalen Umbaus Chiles in höchsten Tönen lobte: Von einem »ökonomischen Wunder« – den Begriff prägte Friedman in bezug auf die chilenische Entwicklung am 25. Januar 1982 in seiner Kolumne in Newsweek – kann keine Rede sein. Mit der Wirtschaftsleistung des Landes ging es bergab. Leidtragende waren die Beschäftigten, Frauen und Kleinbauern. Zwischen 1973 und 1980 sank der Durchschnittslohn eines Arbeiters um 17 Prozent. Die Erwerbslosenquote stieg rapide an und erreichte 1982 fast 30 Prozent. Als Chile 1990 formal zur bürgerlichen Demokratie zurückkehrte, lebten selbst nach offiziellen Angaben rund 45 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Die reichsten zehn Prozent hatten ihr Vermögen während der Militärdiktatur indes fast verdoppeln können.

Massenverarmung und stetig wachsende Ungleichheit führten zu immer mehr Protesten, insbesondere infolge der Schuldenkrise 1982, die auch Chile hart traf. Die Verfassung von 1980 sah die Möglichkeit vor, 1988 mittels eines Referendums darüber abstimmen zu lassen, ob Pinochet weitere acht Jahre an der Macht bleiben solle. Trotz des eindeutigen »Nein« im Plebiszit und des Sieges einer »Mitte-links«-Koalition – der sogenannten Concertación – bei den Wahlen im folgenden Jahr blieben grundsätzliche Veränderungen am neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell aus. Vielmehr passten die folgenden Concertación-Regierungen nach 1990 das vorherrschende Modell an den neuen institutionellen Rahmen an. Manche Beobachter sprechen daher davon, dass es so gefestigt wurde.

Das Erbe der Junta

Das Ende der Pinochet-Diktatur wurde auf einem von der Militärjunta selbst konzipierten Wege erreicht. Auch deswegen geriet ihr Erbe in den Folgejahren nie ernsthaft in Gefahr – trotz vereinzelter größerer Mobilisierungen beispielsweise von Studierenden oder der Bewegung gegen das private Rentenversicherungssystem AFP. Das änderte sich erst mit der »sozialen Revolte« von 2019, als innerhalb weniger Wochen Hunderttausende auf die Straßen gingen, sich in Stadtteilkomitees organisierten und über alternative Gesellschaftsentwürfe diskutierten. Sie hatten das neoliberale Modell als Ursache für die extremen sozialen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in Chile erkannt. Plötzlich schien es, als stünde der Neoliberalismus in Chile unmittelbar vor seinem Ende.

Das böse Erwachen kam mit dem eindeutigen Nein zum ausgearbeiteten Verfassungsentwurf am 4. September 2022. Chiles Staatspräsident Boric, der gemeinsam mit der Kommunistischen Partei regiert, ist heute weit davon entfernt, den Neoliberalismus zu Grabe zu tragen. Zwar wird die Verfassung von 1980 durch eine neue ersetzt werden. Dass sich die neue Konstitution allerdings grundlegend vom aktuell gültigen Text aus der Pinochet-Diktatur unterscheiden wird, ist unwahrscheinlich. Angesichts der im Konvent herrschenden Dominanz rechter Abgeordneter ist es sogar gut möglich, dass die Chileninnen und Chilenen am 17. Dezember über einen noch reaktionäreren Entwurf abstimmen müssen. Die Konterrevolution, die die Allende-Regierung stürzte, ist heute noch nicht beendet.

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #geschichte #kapitalismus #konterrevolution #neoliberalismus #putsch #folter #mord #klassenkampf-von-oben #usa #wertewesten

11.9.73: Globale Konterrevolution

Verdichtung von Raum und Zeit. Zur Bedeutung des Putsches in Chile (Von Daniel Bratanovic)

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mussten die Zeitgenossen durchaus den Eindruck haben, dass sich nicht der Kapitalismus, sondern der Sozialismus in der Offensive befindet. Genossen hierzulande berichten, wie sie auf Weltkarten, die in den Parteibüros hingen, alle jene Länder mit roten Fähnchen markierten, die sich zu einem sozialistischen Entwicklungsweg bekannten. Es wurden ihrer immer mehr.

Ein erheblicher Teil der nachkolonialen Staaten Afrikas, viele Länder des arabischen Raums und nicht wenige Nationen Asiens schlugen diese Richtung ein. In Kuba hatten 1959 Guerilleros mit Fidel Castro und Che Guevara an der Spitze den mit Washington verbündeten Diktator Fulgencio Batista verjagt und alsbald begonnen, die Niederlassungen von US-amerikanischen Unternehmen zu verstaatlichen. Nachdem 1970 Salvador Allende, der Kandidat des Volksfrontbündnisses Unidad Popular, zum Präsidenten gewählt worden war, stellte die neue Regierung in Chile ebenfalls die Eigentumsfrage, nationalisierte die Kupferminen und enteignete chilenische Unternehmen in der Hand von US-Konzernen.

Die Beseitigung der sozialistischen Regierung in Chile am 11. September 1973 und der Aufbau eines faschistischen Terrorapparats – übrigens mit Unterstützung alter Nazis, die nach 1945 entkommen waren –, der Oppositionelle gnadenlos jagte und ermordete, waren ein schwerer Schock für das Lager der Fortschrittsleute, aber in der zeitgenössischen Wahrnehmung noch lange nicht das Ende. Kein Jahr später machten progressive Offiziere unter dem Jubel der Massen Schluss mit der Salazar-Diktatur. Portugals Nelkenrevolution im April 1974 entließ dann rasch Guinea-Bissau, Angola und Mosambik aus der kolonialen Beherrschung. Die dortigen antikolonialen Befreiungsbewegungen optierten für eine sozialistische Orientierung. 1978 eroberte die Demokratische Volkspartei in Afghanistan die Macht, 1979 stürzte in Nicaragua die Sandinistische Befreiungsfront den Diktator Somoza, im gleichen Jahr übernahm eine nationalrevolutionäre Partei die Macht im karibischen Inselstaat Grenada.

Noch bis zum Ende des Jahrzehnts konnten die Genossen also weitere Fähnchen auf ihre Weltkarten stecken und schienen begründeten Anlass zu den schönsten Hoffnungen auf einen Planeten ohne Ausbeutung zu haben. Was sie damals kaum wissen konnten: Die Welle revolutionärer Erschütterungen brach genau zu jener Zeit. Der real existierende Sozialismus war auf eine abschüssige Bahn geraten, seine Krise jedoch anfangs, zu Beginn der 70er Jahre, lediglich latent und daher nur schwer erkennbar.

Das Jahr 1973 markierte mit der Zerstörung des 1944 geschaffenen Weltwährungssystems, der Durchsetzung marktradikaler Strategien bzw. einer Zurückdrängung des staatlichen Einflusses auf die Wirtschaft einen epochalen Wendepunkt, eine neue Periode in der Geschichte des Kapitalismus wurde eingeleitet.

Der Putsch in Chile und seine Folgen allerdings erweisen sich in der Rückschau von einem halben Jahrhundert als sehr viel bedeutungsschwerer denn als bloßer Dämpfer für eine Welt auf dem Weg zum Sozialismus. Das Jahr 1973 markierte mit der Zerstörung des 1944 geschaffenen Weltwährungssystems, der Durchsetzung marktradikaler Strategien bzw. einer Zurückdrängung des staatlichen Einflusses auf die Wirtschaft einen epochalen Wendepunkt, eine neue Periode in der Geschichte des Kapitalismus wurde eingeleitet. Vor dem Hintergrund der damals gerade in Gang gesetzten »dritten industriellen Revolution« in der Informationstechnologie hob ein Zeitalter an, das bisweilen – ungenau genug – neoliberale Globalisierung genannt wird.

Was auch immer sonst damit bezeichnet ist, diese Wende bedeutete eine Zurückdrängung der Macht der Lohnabhängigen in der gesamten kapitalistischen Welt, und in dieses Zeitalter fällt auch der Untergang der sozialistischen Staaten. Dieser Umschlag im Weltmaßstab verdichtet sich zu einem Tag an einem Ort: dem 11. September 1973 in Santiago. Das Terrorregime der Militärjunta in Chile schuf die Voraussetzung, gleichsam unter Laborbedingungen neoliberale Wirtschaftskonzepte zu probieren, die bald auch andernorts Anwendung finden sollten. Insofern steht dieser Tag nicht nur für das gewaltsame Ende des Versuchs, in Chile eine Ökonomie der Gleichheit und Gerechtigkeit aufzubauen, sondern auch für eine globale Konterrevolution.
- https://www.jungewelt.de/beilage/art/458297

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#politik #krieg #ukraine #russland #nato #wertewesten

So geht Stellvertreterkrieg.

Während in der Ukraine inzwischen dem eigenen Militär eine »unlösbare Aufgabe« bescheinigt wird, machen führende westliche Sponsoren auf Zweckoptimismus. (Von Reinhard Lauterbach)

Während in der Ukraine inzwischen dem eigenen Militär eine »unlösbare Aufgabe« bescheinigt wird: die russischen Stellungen im Süden des Landes zu durchbrechen und gleichzeitig operationsfähig zu bleiben, machen führende westliche Sponsoren auf Zweckoptimismus. So der britische Verteidigungsminister James Heappey in einem Gespräch mit dem Telegraph vom Donnerstag.

Erstens: Alles laufe nach Plan, wie im vergangenen Winter mit Briten und US-Amerikanern ausgemacht. Man kann das angesichts des vernehmlichen Gegrummels von seiten diverser Pentagon-Beamter in Hintergrundgesprächen mit der dortigen Qualitätspresse zwar bezweifeln, aber man kennt natürlich auch in London die Clausewitz-Weisheit, dass man im Krieg immer mit »Friktionen« zu rechnen habe – dass also etwas schiefgehen könne und werde. Es kann doch nicht sein, dass gemeinsam mit der ukrainischen Offensive vielleicht noch die Planungsfähigkeit des britischen und US-Generalstabs in Frage gestellt werden müsste. Wie sähe das aus, angesichts des vielen Geldes, das man in diese und den Krieg investiert hat.

Jetzt also wird die Aussage gedreht, und Heappey bescheinigt der Ukraine »angemessene Vorsicht« beim Vorgehen gegen die »tiefen russischen Minenfelder«. In dieser Situation sei es »nur klug«, dass Kiew »den Großteil seiner mit westlichem Gerät ausgestatteten Brigaden außer Sicht und außerhalb des Kampfgeschehens« halte. Da braucht man sie nämlich am nötigsten, um den Eindruck von der Unbesiegbarkeit westlicher Kampftechnik zu wahren, von dem ja in starkem Maße die abschreckende Wirkung dieser Technik auf potentielle andere Gegner abhängt.

Kein Wunder also, dass Heappey den unlängst bekanntgewordenen kritischen Bericht aus der Bundeswehr-Führung über die Qualität der ukrainischen Streitkräfte, insbesondere ihres Offizierskorps, nicht etwa in der Sache bestreitet, sondern ihn als »nicht besonders fair« kritisiert. Daran mag soviel wahr sein, dass der Bundeswehr die praktische Feuerprobe bisher – zum Glück – erspart geblieben ist und man deshalb nicht weiß, wie sie in der gegebenen Kampfsituation abgeschnitten hätte; aber eine Widerlegung der Befunde ist das nicht gerade.

Vor allem aber: Es geht hier um einen Krieg, in dem täglich Hunderte Soldaten Leben oder Gesundheit verlieren und ein ganzes Land zerstört wird. Und Heappey stellt sich hin wie der Reporter bei einem Kricketspiel und sagt, alles laufe »nach Plan«. Dann heißt das, dass dieser Plan die entsprechenden Opfer vorhersah und akzeptierte. So wie es die Rand Corporation tat, die schon 2019 in einem Papier mit dem Titel »Russland überdehnen« einräumte, dass die Realisierung dieses Szenarios, Russland zu einer Intervention in der Ukraine zu provozieren, zu hohen Verlusten – und vielleicht einem nachteiligen Frieden – für die Ukraine führen werde. So geht Stellvertreterkrieg.
- https://www.jungewelt.de/artikel/455797.von-der-seitenlinie.html

Mehr: Schlacht um Kontrolle der Schwarzmeerküste verloren. »Faktische Seeblockade«

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#politik #ukraine #repression #haft #folter #kommunistenhatz #nationalismus #menschenrechte? #demokratie? #wertewesten! #ohchr #egmr

»15 Tage lang konnten wir weder gehen noch essen. Hunderte und Tausende von Menschen wurden verhaftet. Zwei Menschen, die mit mir im Gefängnis waren, haben sich während der Untersuchungshaft erhängt, und ich kannte sie persönlich. Sie [...] halten uns einfach als Geiseln, in einem Zustand sklavischer Abhängigkeit, und nehmen uns unsere Lebensgrundlage und unsere Freiheit weg. [...] das Selenskij-Regime hat uns offiziell angekündigt, dass es sich darauf vorbereitet, uns zu töten. […] Wir sind zum Tode verurteilt, Punktum. Und früher oder später werden sie es vollenden.«

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#politik #menschenrechte #krieg #sanktionen #doppelmoral #wertewesten #brd

Diese kurze Analyse zeigt, dass es zwischen dem in der Öffentlichkeit vertretenen Menschenrechtsanspruch und der praktischen Politik eine große Kluft besteht. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen der wortreichen Preisung einer »werteorientierten« Außenpolitik und der tatsächlich interessengeleiteten Praxis legt es nahe, auf den unscharfen und beliebigen Begriff der »Werte« zu verzichten, und die Außenpolitik strikt an dem einzigen weltweit akzeptierten Wert, dem Völkerrecht, wie es in der UNO-Charta und den internationalen Verträgen kodifiziert ist, auszurichten.

Allenthalben Doppelmoral: Menschenrechte und feministische Außenpolitik a'la BRD

Der aktuelle Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik lobt deren »Werteorientierung«. Bei näherem Hinsehen bleibt davon nicht viel (Von Norman Paech)

Wir dokumentieren im Folgenden die Stellungnahme Norman Paechs, die dieser am 17. April 2023 in Reaktion auf den 15. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestags abgegeben hat. (jW)

Für die Bundesregierung stellen offensichtlich die Menschenrechte den obersten Wert in der Rangfolge ihrer Verpflichtungen in der Außenpolitik dar. Sie garantieren nicht nur den Schutz der Rechte des einzelnen, sondern sie sollen die Menschen auch zur Erkenntnis und Wahrnehmung ihrer Rechte befähigen, um ihre Grundbedürfnisse autonom und selbstbestimmt sichern zu können. Die feministische Pointierung dieser Politik zielt auf die bisher eher vernachlässigten Aufgaben der Nivellierung der Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern und die strukturelle Veränderung der Bedingungen für die Ungleichheit. Dieser neugeschaffene Schwerpunkt verändert aber nicht die grundsätzliche Aufgabe der Menschenrechte, die sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Grundbedürfnisse aller Menschen herzustellen und zu garantieren.

Feministische Außenpolitik

  1. Zu diesem neuen Bekenntnis der Bundesregierung heißt es in dem Menschenrechtsbericht: »Die Bundesregierung verfolgt eine feministische Außenpolitik mit dem Ziel, die Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit zu stärken und gesellschaftliche Diversität zu fördern.« Soweit damit die Gleichstellung von Frauen und Mädchen weltweit, die Verurteilung sexueller Gewalt und Vergewaltigungen als Mittel des Krieges, der gleiche Zugang zu Arbeit, Ressourcen, Geld und sozialer wie politischer Teilhabe und die gleiche gesellschaftliche Repräsentanz von Frauen verfolgt wird, ist diese Politik vorbehaltlos zu begrüßen.
    Im Bericht steht jedoch auch: »Die Bundesregierung unterstützt das Engagement der NATO, Geschlechtergleichheit zu fördern und Genderperspektiven in allen NATO-Aktivitäten in politischen, zivilen, und militärischen Strukturen, von Politik und Planung, über Training und Ausbildung, bis zu Missionen und Operationen zu integrieren.« Diese Aussage zeigt die problematische Seite der feministischen Außenpolitik, da Frauenrechte nicht unabhängig von den geforderten Tätigkeiten zum Beispiel in völkerrechtlich zweifelhaften NATO-Einsätzen (Jugoslawien, Afghanistan) gesehen werden können. Sodann dürfen Frauenrechte nicht als Vorwand für militärische (zum Beispiel: in der Ukraine Vergewaltigungen als Begründung für Panzerlieferungen) und völkerrechtlich problematische Sanktionen (zum Beispiel Iran) benutzt werden. Eine solche Praxis würde ein unübersehbar weites Feld von Interventionen in Staaten eröffnen, in denen die Stellung der Frauen nicht unseren Ordnungsvorstellungen entspricht. Angesichts der zunehmend in die Auseinandersetzung um eine neue Weltordnung von den USA eingebundenen NATO mit einem klaren imperialistischen Herrschaftsanspruch, in dem Frauenrechten allenfalls noch eine legitimatorische Funktion übrigbleibt, entspricht diese Inanspruchnahme von Frauenrechten durch den militärischen Einsatz nicht der Intention des menschenrechtlichen Schutzauftrags.

  2. Es fällt dabei ferner auf, dass der Bericht eine vollkommen unkritische Stellung zu Sanktionen einnimmt. Sie werden im Bericht nur an einer Stelle erwähnt: »Die schärfste Reaktionsform stellen schließlich Sanktionen dar. Die EU hat im Berichtszeitraum unter der EU-Präsidentschaft ein Menschenrechtssanktionsregime verabschiedet und Personen und Entitäten unter dem Sanktionsregime gelistet, das schwere Menschenrechtsverletzungen sanktioniert. Die Bandbreite der Instrumente gibt der Menschenrechtspolitik Spielraum für ein der jeweiligen Sachlage angepasstes und möglichst effektives Vorgehen«. Mit keinem Wort wird der Bericht des Sonderbeauftragten des UN-Menschenrechtsrats, Idriss Jazairy, vom Mai 2019 erwähnt, der die einseitigen Sanktionen der USA gegen Venezuela, Kuba, und Iran als völkerrechtswidrig bezeichnet hat, da sie »humanitäre Katastrophen von beispiellosem Ausmaßen auslösen« könnten. Jazairy schlussfolgert: »Regime-Change durch Wirtschaftsmaßnahmen, die zur Beschneidung der grundlegenden Menschenrechte und zu Hungersnot führen können, ist nie eine akzeptierte Praxis in den internationalen Beziehungen gewesen.«¹ Der Bericht nimmt auch keine Kenntnis davon, dass die beiden Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für das »Oil for Food Program« im Irak, Dennis Halliday und Hans-Christoph Graf Sponeck, ihre Arbeit vorzeitig aufgegeben haben, da sie schwerste menschenrechtliche Bedenken gegen die gegen den Irak verhängten Sanktionen hatten, die durch das OfF-Programm nicht kompensiert werden könnten. Dennis Halliday kommentierte seinerzeit seinen Abschied mit den Worten: »Ich wurde zum Rücktritt getrieben, weil ich mich weigerte, die Anordnungen des Sicherheitsrates zu befolgen, der gleiche Sicherheitsrat, der die völkermordverursachenden Sanktionen eingerichtet hat und diese aufrechterhält, die die Unschuldigen im Irak treffen. Ich wollte nicht zum Komplizen werden, ich wollte frei und öffentlich gegen dieses Verbrechen sprechen. Der wichtigste Grund ist, dass mein angeborenes Gerechtigkeitsempfinden verletzt war und ist angesichts der Gewalttätigkeit der Auswirkungen, die die UN-Sanktionen auf das Leben von Kindern und Familien hatten und haben. Es gibt keine Rechtfertigung für das Töten der jungen, der alten, der kranken, der armen Bevölkerung des Irak. Einige werden Ihnen sagen, dass es die Führung ist, die das irakische Volk bestraft. Das ist nicht meine Wahrnehmung oder Erfahrung, die ich vom Leben in Bagdad gemacht habe«.²
    An dieser Stelle fehlt zudem ein Hinweis auf die seit über 60 Jahren gegen Kuba praktizierte völker- und menschenrechtswidrige Embargopolitik der USA. Das Ziel dieser Sanktionen, einen Regimewechsel herbeizuführen, macht sie für sich genommen schon völkerrechtswidrig. Die Folgen des Embargos, der spürbare Versorgungsmangel und die drastischen Einschnitte in den Lebensstandard der Bevölkerung – beides politisch gewollt – widerspricht allen von der deutschen Bundesregierung propagierten Geboten der Menschenrechte. Diese Politik ist ein weiterer Beweis dafür, dass Sanktionen bestimmt nicht die geeigneten Instrumente sind, »die der Menschenrechtspolitik Spielraum für ein der jeweiligen Sachlage angepasstes und möglichst effektives Vorgehen« gibt, wie es die Bundesregierung in dem Bericht behauptet. Die negativen Beispiele, die mit dem Völkerrecht kaum zu vereinbaren sind, ließen sich mit den Sanktionen gegen den Iran und Syrien ergänzen.

  3. Der Bericht erwähnt – wenn auch nur am Rande und allgemein – die historische Verantwortung für die Vergangenheit und auch die Vergangenheit des deutschen Kolonialismus. Allerdings fällt auf, dass diese Erwähnung ohne einen Hinweis auf die Kolonialverbrechen in Afrika (Deutsch-Südwest und Deutsch-Südost sowie Kamerun), die Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg und den Holocaust geschieht. Gerade aus dieser deutschen Vergangenheit ergaben und ergeben sich immer noch eine bestimmte Verantwortung und Verpflichtung der Außenpolitik.

    Kriegspolitik

  4. Wichtiger als die innenpolitische Dimension der neuen Außenpolitik, die institutionelle Veränderungen im eigenen Ressort vorsieht, die vorbehaltlos zu begrüßen sind, sind solche Entscheidungen, die offensichtlich eine grundsätzliche außenpolitische Umorientierung in der Kriegs- und Friedenspolitik andeuten. So heißt es in den »Leitlinien des Auswärtigen Amtes für eine feministische Außenpolitik«, dass »feministische Außenpolitik nicht gleichbedeutend mit Pazifismus« sei. Gerade unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges zeige sich, »dass im Angesicht brutaler Gewalt Menschenleben auch mit militärischem Mittel geschützt werden müssen«. Selbst wenn es weiter heißt, dass feministische Außenpolitik zugleich der »humanitären Tradition verpflichtet (sei), aus der sich klassische Friedenspolitik und Rüstungskontrolle speise«, fragt sich, ob diese neue Friedenspolitik angesichts des klaren Bekenntnisses der Außenministerin zu einer »Unterstützung bis zum Sieg«, d. h. bis zur erfolgreichen Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete der Ukraine, mit dem Bekenntnis zu den Menschenrechten vereinbar ist. Denn mit dieser Politik der Gewalt als Ultima ratio wird der Wert der territorialen Souveränität über den Wert der Menschenleben und ihrer Sicherheit gestellt, die in unverhältnismäßigem Ausmaß geopfert werden müssen. Da es heute bei Politik und Militär weitgehend einhellige Meinung ist, dass keine der beiden Seiten, weder Russland noch die Ukraine, einen Sieg auf dem Schlachtfeld erringen kann, bedeutet die unbegrenzte Waffenlieferung an die ukrainische Armee die unbegrenzte Fortführung des Krieges und des Verlustes an Menschenleben.
    Die Umkehrung der Devise »Territorium vor Menschen« in »Menschen vor Territorium« würde der menschenrechtlichen Verpflichtung einer Friedenspolitik in humanitärer Tradition mehr entsprechen, als die der alten Kriegslogik entsprechende Souveränitätspolitik. Die außerordentlich hohe Zahl von Toten und Verwundeten auf beiden Seiten verlangt nach einem umgehenden Ende der Kampfhandlungen. Die auch von der Bundesregierung zugesagten weiteren Waffen- und Munitionslieferungen werden in absehbarer Zeit die Rückeroberung der verlorenen Gebiete nicht ermöglichen, das wird auch von der NATO anerkannt. Sie werden jedoch den Krieg verlängern und die Opferzahlen in unverhältnismäßigem Ausmaß erhöhen. Erst unlängst forderte die Generalversammlung der Vereinten Nationen »nachdrücklich die sofortige friedliche Beilegung des Konflikts zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine durch politischen Dialog, Verhandlungen, Vermittlung und andere friedliche Mittel«.³ Wenn die USA nach neuesten Aussagen ihres Außenministers Blinken derzeit zu keiner Art Waffenstillstand oder Verhandlungen mit der russischen Seite bereit sind, so wäre es die Pflicht der deutschen Außenpolitik, entsprechend ihrer menschenrechtlichen Werteaußenpolitik auf die US-amerikanischen Kollegen einzuwirken, ihre Haltung zu ändern, statt ihr vorbehaltlos zu folgen.

  5. In diesem Zusammenhang werfen auch die Rüstungsexporte und Waffenlieferungen der Bundesrepublik an Länder in Spannungsgebieten, oder in denen Krieg herrscht, Fragen nach der Vereinbarkeit mit einer an den Menschenrechten orientierten Außenpolitik auf. So heißt es in dem Bericht: »Bei Entscheidungen über die Ausfuhr von Rüstungsgütern spielt das Menschenrechtskriterium eine wichtige Rolle. (…) Die Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland spielt bei der Entscheidung zu Rüstungsexporten eine hervorragende Rolle.« Zudem fordern die »Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern« der Bundesregierung, dass Lieferungen nicht in Länder genehmigt werden, »die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht, in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden«. Es ist aber bekannt, dass deutsche Waffen, die nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geliefert wurden – selbst Staaten mit bekannten Menschenrechtsproblemen – im Krieg im Jemen eingesetzt werden.⁴ Die Bundesregierung behauptet zwar, dass sie davon keine Kenntnis habe, will aber dennoch weiterhin Waffen in die VAE liefern. Trotz der beschlossenen Exportbeschränkungen für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien waren es 2022 so viele wie seit 2018 nicht mehr. Die Bundesregierung hat die Lieferung von Rüstungsgütern für 44,2 Millionen Euro genehmigt, in ein Land, in dem gerade die Frauenrechte im krassen Gegensatz zu den allgemeinen Menschenrechtsstandards stehen.

    Nukleare Teilhabe

  6. Das Festhalten an der sogenannten Nuklearen Teilhabe wirft ebenfalls erhebliche menschenrechtliche Probleme auf. Sie bildet die Grundlage für die Stationierung US-amerikanischer Atomraketen auf deutschem Boden und die Beteiligung der Bundeswehr im Fall eines eventuellen Einsatzes der Waffen. Bekanntlich ist jedoch der Einsatz von Atomwaffen und schon dessen Androhung sowohl nach humanitärem Völkerrecht als auch nach dem internationalen Menschenrecht auf Leben (Art. 6 UN-Zivilpakt) verboten. Dies haben sowohl das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juli 1996 als auch der Comment Nr. 36 des UN-Menschenrechtsausschusses vom 30. Oktober 2018⁵ unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, hat aber bei der Bundesregierung bisher kein Umdenken gebracht.

  7. Besonders kritikwürdig ist jedoch die Haltung der Bundesregierung gegenüber Staaten, die sich ganz offen schwerer Völkerrechtsverstöße schuldig machen. Seit 2016 interveniert die Türkei militärisch ohne völkerrechtliches Mandat des UN-Sicherheitsrats und ohne sich auf das Selbstverteidigungsrecht gemäß Art. 51 UN-Charta berufen zu können im Norden Syriens (Operation »Schutzschild Euphrat«). Seit 2018 hält sie nach ihrer Militäroffensive (Operation »Olivenzweig«) die syrische Provinz Afrin besetzt, vertreibt dort die kurdische Bevölkerung und siedelt arabische Menschen, die vor dem Krieg in Syrien in die Türkei geflohen waren, völkerrechtswidrig in Afrin an. Diese bis heute andauernden militärischen Übergriffe der Türkei auf ihren Nachbarn Syrien stellen nicht nur einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar, sondern sind auch von gravierenden Verletzungen der Menschenrechte begleitet. Die Bundesregierung ruft die türkische Regierung zur Zurückhaltung und Verhältnismäßigkeit ihrer Maßnahmen auf, liefert jedoch weiterhin Waffen in die Türkei und setzt ihre normalen diplomatischen und Handelsbeziehungen fort.

  8. Ebenso ungestört und unberührt von der Jahrzehnte andauernden völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik in Palästina verlaufen die diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen mit Israel. Die schon seit 2007 dem UN-Menschenrechtsausschuss vorliegenden Berichte über schwere Menschenrechtsverbrechen einschließlich des Verbrechens der Apartheid in den besetzten Gebieten⁶ sind in den letzten Jahren durch umfangreiche Berichte von Human Rights Watch, Amnesty International und B’Tselem bestätigt und um erschreckende Beispiele ergänzt worden. 2009 erklärte der erste Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrats, John Dugard, als er auf Druck Israels und der USA von seinem Posten abgelöst wurde: »Ich bin Südafrikaner, der in der Apartheid gelebt hat. Ich zögere nicht zu sagen, dass Israels Verbrechen unendlich viel schlimmer sind als die Verbrechen, die Südafrika mit seinem Apartheidregime begangen hat.«⁷ Die Bundesregierung hat auch nach diesen unbestreitbaren und erschütternden Dokumenten nichts unternommen, um die israelische Regierung zum Rückzug aus den besetzten Gebieten und Beendigung ihrer Apartheidpolitik zu bewegen. Ihre finanziellen Leistungen an die palästinensischen Institutionen in Ramallah und Gaza vermögen ihre Untätigkeit und offensichtliche Gleichgültigkeit gegenüber diesem nun schon Jahrzehnte dauernden menschenrechtlich inakzeptablen Zustand nicht zu kompensieren. Auch eine Berufung auf die Schuld der eigenen Geschichte vermag nicht die Unterstützung einer derart langen zutiefst menschenrechtswidrigen Politik zu exkulpieren.

    Ökonomische Interessen

  9. Diese widersprüchliche Politik der Doppelmoral zeigt sich jetzt auch in der veränderten Haltung der Bundesregierung zur Westsahara-Frage. Während die vorherige Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel die Besatzung der Westsahara durch Marokko nicht anerkannte und stets auf die UN-Resolutionen verwiesen hatte, um eine »gerechte, praktikable, dauerhafte und für alle Seiten akzeptable Lösung des Konflikts« unter »Achtung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte« zu erreichen, ist Außenministerin Baerbock von dieser Position abgerückt, und bezieht sich auf den von der UNO abgelehnten Autonomieplan des marokkanischen Königshauses. Dieser Plan zielt darauf ab, die Besatzung zu legalisieren und die Westsahara als einen Teil Marokkos auszuweisen. Dass dabei eindeutig ökonomische Interessen infolge der neuen Energiepolitik und der Wunsch, von Marokko in der Zukunft günstig Energie beziehen zu können, im Vordergrund stehen, wird auch nicht bestritten. Währenddessen weisen Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch darauf hin, dass die marokkanischen Behörden in der Westsahara weiterhin Aktivisten verfolgen, die sich für die Selbstbestimmung der Sahraoui einsetzen. Die Organisation beklagt auch, dass »Folter« und ungerechte Verfahren mit langen Haftstrafen auf Basis von »gefälschten Geständnissen« zu den Methoden der Besatzung gehören.⁸ (…)

  10. Der Bericht legt berechtigten Wert auf die Bedeutung rechtsstaatlicher Institutionen für die Ausübung und den Schutz der Menschenrechte. Dafür sind ein funktionierendes Justizsystem und die Bekämpfung der Straflosigkeit zentrale Voraussetzungen. Im Bericht heißt es: »Ein Fokus der Bundesregierung liegt dabei auch auf der Bekämpfung der Straflosigkeit für Völkerrechtsverbrechen, wie etwa Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit oder Völkermord. Sie setzt sich sowohl für die internationale gerichtliche Aufarbeitung dieser Verbrechen ein. Das beinhaltet auch eine Stärkung der internationalen Gerichtsbarkeit sowie den Einsatz für die Umsetzung ihrer Urteile. Wenn solche Verbrechen konsequent geahndet werden, wird die Schwelle für potentielle Täter höher«.
    Dieser Ansatz verdient vorbehaltlose Zustimmung. Wenn derzeit geplant ist, ein Sondertribunal für die Anklage gegen den russischen Präsidenten Putin wegen des Verbrechens der Aggression (Art. 8 bis Römisches Statut) zu errichten, so wäre das aber nur dann im Sinn der Menschenrechtskonzeption der Bundesregierung uneingeschränkt zu begrüßen, wenn das Tribunal gleichzeitig für entsprechende Tatvorwürfe gegenüber den Regierungschefs der USA, Großbritanniens, Israels oder der Bundesrepublik wegen der Kriege gegen Jugoslawien, Irak oder Gaza zuständig wäre. Denn alle diese möglichen Kriegsverbrechen unterliegen keiner Verjährung (Art. 29 Römisches Statut). Da eine Erweiterung des Tribunals aber offensichtlich nicht geplant ist, fehlt ihm die notwendige politische Legitimation. Es kann zudem nicht zur geforderten Stärkung der internationalen Strafgerichtsbarkeit durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag beitragen. Im Gegenteil, es schwächt durch die Einrichtung einer Paralleljustiz die Rechtsprechungskompetenz des IStGH, wie es auch sein Chefankläger Karim Kahn beklagt hat. Der IStGH kann keine Ermittlungen ausführen, die sich auf das Verbrechen der Aggression (Angriffskrieg) gem. Art. 8 bis Römisches Statut erstrecken. Denn nach Art. 15 bis Abs. 5 Römisches Statut kann der IStGH keine Strafverfolgungsmaßnahmen einleiten, wenn der Staat, durch dessen Angehörige oder auf dessen Territorium die Verbrechen begangen wurden, nicht Vertragspartei des Statuts ist. Da weder die Ukraine noch Russland dem Statut beigetreten sind, könnte nur der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit einem Beschluss nach Art. 42 UN-Charta den Strafgerichtshof beauftragen. Das wird auf jeden Fall am Veto Russlands scheitern.
    Darüber hinaus ist auf folgende Besonderheit hinzuweisen. Der Internationale Strafgerichtshof war im Jahr 2000 gerade mit der Intention gegründet worden, dem Internationalen Strafrecht eine allgemeine und international unbegrenzte Gültigkeit und Wirksamkeit zu verschaffen und damit die nur begrenzt tätig werdenden Sondertribunale für die Zukunft zu ersetzen. Es waren aber gerade die Staaten, die heute ein Sondertribunal fordern, die 2010 in Kampala den Ermittlungsrahmen für das Verbrechen der Aggression durch Art. 15 bis Abs. 5 Römisches Statut selbst für Vertragsstaaten so eingegrenzt haben, dass ihre Staatsspitzen von jeglicher strafrechtlichen Verantwortung ausgenommen werden. Anstatt die Begrenzung auf Vertragsstaaten und solche Staaten, die auch den »Kampala-Zusatz« ratifiziert haben, aufzuheben und dem Römischen Statut ohne Einschränkung und Vorbehalt Geltung zu verschaffen, baut man sich ein Tribunal »à la carte«, das man nach Erfüllung seines politischen Zieles wieder auflöst.
    Die einzige überzeugende Lösung wäre der Beitritt aller Staaten zum Römischen Statut ohne Einschränkungen und Immunitätsvorbehalte, für den sich die Bundesregierung einsetzen müsste. Doch von diesen Überlegungen ist im Bericht der Bundesregierung nichts zu finden.

    Wertlose »Werte«

  11. Zum Schluss fällt auf, dass von den 32 aufgeführten Ländern, in denen die Bundesregierung Menschenrechtsprobleme identifiziert, 30 in ­Afrika und Asien liegen sowie zwei Staaten, Kuba und Venezuela, in dem vornehmlich christlichen Mittel- und Lateinamerika. Demgegenüber wurde kein Staat in Europa und wurden auch nicht die USA mit ihrer kubanischen Enklave Guantanamo der »Auswahl von Staaten mit kritischer Menschenrechtslage« für wert befunden. Es drängt sich hier doch die Frage auf, ob in dieser Teilung nicht die alte koloniale Weltsicht fortwirkt.
    Die kurze Analyse hat gezeigt, dass es zwischen dem in der Öffentlichkeit vertretenen Menschenrechtsanspruch und der praktischen Politik eine große Kluft besteht. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen der wortreichen Preisung einer »werteorientierten« Außenpolitik und der tatsächlich interessengeleiteten Praxis legt es nahe, auf den unscharfen und beliebigen Begriff der »Werte« zu verzichten, und die Außenpolitik strikt an dem einzigen weltweit akzeptierten Wert, dem Völkerrecht, wie es in der UNO-Charta und den internationalen Verträgen kodifiziert ist, auszurichten.

  12. https://www.jungewelt.de/artikel/449906.menschenrechtspolitik-allenthalben-doppelmoral.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #gewalt #sudan #ukraine #doppelmoral #wertewesten

"Gemessen an dem, was der Westen beim Ausbruch von Krieg und Gewalt in aller Welt fast gewohnheitsmäßig fordert, müsste er auch im Ukraine-Krieg ein sofortiges Ende der Gewalt und die Aufnahme von Verhandlungen verlangen. Westliche Politiker allerdings reagieren darauf mit dem Vorwurf opportunistischen Paktierens mit dem Bösen. Das aber kann letztlich nur bedeuten: Entweder es gelten für Europa Sonderregeln. Dann sollten wir uns nicht mehr wundern, wenn viele nicht-westliche Länder geostrategisch auf Distanz zum Westen gehen. Oder aber unsere Politik ist gefährlich inkonsistent. Es mag sein, dass verantwortliches politisches Handeln bisweilen wenigstens vorübergehend das Aushalten ebensolcher Inkonsistenz verlangt. Dann aber fordert, wie uns Friedrich Nietzsche und Max Weber gelehrt haben, die intellektuelle Redlichkeit, dass wir uns diese wenigstens bewusstmachen und eingestehen."

  • Hartmut Rosa zum Thema Frieden. Er weist auf die Doppelmoral hin, die anlässlich der Kampfhandlungen im Sudan sichtbar wird. Hiesige Politiker fordern die Konfliktparteien zu Verhandlungen auf. Im Sudan. Aber auch anderswo wird zum Frieden aufgerufen. Allerdings nicht überall. https://www.philomag.de/artikel/zwischenruf-zur-frage-der-gewalt
mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #kriegsverbrechen #massenmord #flächenbombartements #zerstörung #zivilisten #terror #hunger #jemen #saudiarabien #vae #ägypten #nato #usa #uk #israel #deutschland #wertewesten #rüstungslieferungen #ausbildung #militärische-unterstützung

...Akteure, »die potentiell Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit begangen haben«, müssten strafrechtlich verfolgt werden. Denn die jemenitische Bevölkerung verdiene »die Aufarbeitung und Verfolgung der schwerwiegenden Verbrechen, die an ihr begangen wurden und werden«

Krieg im Jemen: Acht Jahre Elend

Jemen: Seit 2015 wütet der Krieg. Das Land steht am Abgrund. (von Jakob Reimann)

...Mehr als 25.000 Luftschläge flog die Kriegskoalition in den vergangenen acht Jahren gegen den Jemen, so die Zahlen der darauf spezialisieren Webseite »Yemen Data Project« – neun Luftangriffe jeden Tag, seit acht Jahren. Ein Großteil der Infrastruktur des Landes wurde so zerstört. Riad bombardierte Schulen, Moscheen, Wasserwerke, Hochzeiten, Beerdigungen, Geflüchtetenlager, eine Kartoffelchipsfabrik, ja selbst einen Pferdehof in Sanaa. Laut UNO wütet im Land »die schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt«. Jedes zweite Krankenhaus ist außer Betrieb. Mit über zweieinhalb Millionen Fällen wurde im Jemen die größte je registrierte Choleraepidemie der Welt registriert. Gemessen an einem hauseigenen Index zur Messung nachhaltiger Entwicklung wurde der Jemen laut einer Studie der Vereinten Nationen von 2019 buchstäblich ins letzte Jahrtausend zurückgebombt, nämlich bereits hinter das Jahr 1996 zurück.
Mehr als viereinhalb Millionen Menschen wurden vertrieben, die allermeisten im Landesinnern. Der lebensrettende Weg heraus aus dem Jemen ist aufgrund der hermetischen See- und Luftblockade nahezu unmöglich. Mehr als 2,3 Millionen Kinder leben in Lagern für Binnengeflüchtete, so die jüngsten Zahlen von UNICEF von vergangener Woche. An direkter Waffengewalt einerseits sowie unmittelbaren Phänomenen wie Hunger und Epidemien, die von der Koalition vorsätzlich als Kriegswaffen eingesetzt werden, starben mittlerweile rund 400.000 Menschen, wie aus einer weiteren Studie der UNO vom November 2021 hervorgeht. Von diesen Kriegstoten sind 70 Prozent unter fünf Jahre alt: Der Krieg im Jemen ist somit in erster Linie einer gegen dessen Kinder....

- https://www.jungewelt.de/artikel/447510.krieg-im-jemen-acht-jahre-elend.html

Komplizenschaft und Heuchelei: Der Krieg im Jemen wäre ohne die umfassende Unterstützung des Westens undenkbar

Wenn man es denn an den Lieferungen von Kriegsgerät an die von Saudi-Arabien geführte Koalition festmachen will, ergibt sich ein recht klares Bild: Die NATO gießt das tödliche Fundament des mittlerweile acht Jahre währenden Kriegs gegen die Zivilbevölkerung des ärmsten Lands der arabischen Welt. 86 Prozent aller an die acht Anti-Jemen-Koalitionäre gelieferten Waffen stammen aus Ländern des nordatlantischen Kriegsbündnisses, wie aus den Datenbanken zu Waffenexporten des schwedischen Friedensinstituts SIPRI hervorgeht.

Doch die westliche Unterstützung der saudischen Kriegskoalition erstreckt sich nicht nur auf Waffenlieferungen, sondern auch auf eine Vielzahl weiterer Arenen. Unangefochten hier selbstredend die USA. Jährlich werden Hunderte saudischer Soldaten in den Vereinigten Staaten ausgebildet; kein anderes Land der Welt erhält von Washington mehr gewöhnliche Einreisevisa als die Golfmonarchie. Über mehrere Kriegsjahre hinweg betankte die US Air Force die saudischen Kampfjets bei ihren Todesflügen über die endlosen Weiten der Arabischen Wüste hinweg. Jetzt bewältigen die Saudis diese Operationen selbst – das Pentagon hat es ihnen beigebracht. Zusammen mit britischen halfen US-amerikanische Generäle von Anfang an bei der Auswahl der Ziele im Jemen. Immer wieder hielten Washington und London Riad auch auf dem diplomatischen Parkett den Rücken frei – stellten sich im UN-Sicherheitsrat schützend vor ihren lukrativsten Waffenkäufer, bügelten selbst rein auf humanitäre Hilfe ausgerichtete Resolutionen.

Tausende Briten wiederum ermöglichen den saudischen Bombenterror erst, in Militärbasen vor Ort bestücken und warten sie deren Kampfjets, bilden saudische Piloten aus. »Wenn wir nicht da wären«, prahlte ein Angestellter der britischen Rüstungsschmiede BAE Systems gegenüber der Tageszeitung The Guardian vom 18. Juni 2019, »würde in sieben bis 14 Tagen kein einziger Jet mehr am Himmel stehen«.

Das israelische Militär seinerseits hat im Auftrag der Emirate für deren Kampf im Jemen eigens eine Basis zur Ausbildung ausländischer Söldner etwa aus Kolumbien und Nepal errichtet. Zu einem Zeitpunkt, als Abu Dhabi Israel noch nicht einmal als Staat anerkannt hatte, wehte laut der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 17. Februar an einer Kaserne im Negev die emiratische Flagge – der Nahe Osten fördert wahrlich Sonderbares zutage. Auch ehemalige US-Spezialeinheiten führen im emiratischen Söldnerdienst – im global entfesselten Raubtierkapitalismus sind ausrangierte US Navy Seals ebenso handelbare Ware wie Autos oder Zitronen – Spezialoperationen zur Tötung jemenitischer Oppositioneller und Geistlicher durch.

Und die Ampelregierung? Die versprach im Koalitionsvertrag bekanntlich hoch und heilig, keine Waffen an im Jemen Krieg führende Länder zu verticken – nur, um dann keine zehn Monate später genau das getan zu haben, und zwar an alle acht Koalitionäre, mit den höchsten Exportgenehmigungen an Riad seit 2018. In ihrer Begründung für den Verkauf von Kampfjetraketen kam Außenministerin Annalena Baerbock dann mit der vielleicht größten Heuchelei des ersten Jahres Ampelkoalition daher: Deutschland müsse schließlich Waffen verkaufen, weil »Lisa«, gemeint ist Familienministerin Elisabeth Paus, sonst »keine Mittel mehr hat für die Kinder, die sie dringend brauchen«. Für das Wohl der Kleinsten hier zahlen die Kinder dort mit ihrem Leben: Der Zynismus westlicher Komplizenschaft an der Zerstörung des Jemen sprengt jede Grenze.
- https://www.jungewelt.de/artikel/447511.krieg-im-jemen-komplizenschaft-und-heuchelei.html

Mehr: Hintergrund: Rüstungsexporte

Zum achten Jahrestag des Jemen-Kriegs fordern 32 internationale Menschenrechtsorganisationen, »staatliche europäische Akteure und europäische Rüstungsunternehmen für ihre Beteiligungen an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit zur Verantwortung zu ziehen«. Zu den Unterzeichnern gehören etwa das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), die jemenitische Menschenrechtsorganisation Mwatana und die französische Filiale von Amnesty International. Im Mittelpunkt des offenen Briefs steht die Forderung nach Ächtung von Waffenlieferungen an die zwei führenden Parteien der Kriegskoalition, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate. Diese müssten »unverzüglich eingestellt werden«.

Im vergangenen Jahr genehmigte die Bundesregierung Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in Höhe von 44,2 Millionen Euro, darunter Ausrüstung und Munition für die Kampfjets »Eurofighter« und »Tornado« sowie Teile für Kampfschiffe. Dies stellt den höchsten Jahreswert seit 2018 dar. Darüber hinaus erlaubte die Ampelregierung auch den Vereinigten Staaten den Reexport von Teilen für Kampfschiffe aus deutscher Produktion im Wert von 40,75 Millionen Euro nach Saudi-Arabien. Entgegen der im Koalitionsvertrag selbstgesteckten Vorgabe genehmigte die Bundesregierung im vergangenen Jahr an alle acht Mitglieder der im Jemen-Krieg führenden Koalition Waffenexporte, deren Volumen sich insgesamt auf über 108 Millionen Euro summiert.

Wegen anhaltender Waffenexporte fordert das Bündnis im offenen Brief die Aufnahme von Ermittlungen gegen europäische Behörden und Rüstungsunternehmen durch den Internationalen Strafgerichtshof. Akteure, »die potentiell Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit begangen haben«, müssten strafrechtlich verfolgt werden. Denn die jemenitische Bevölkerung verdiene »die Aufarbeitung und Verfolgung der schwerwiegenden Verbrechen, die an ihr begangen wurden und werden«

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #usa #uk #irak #kriegsverbrechen #doppelte-standards #wertewesten

Ungesühnte Kriegsverbrechen: 20 Jahre straffrei

Völkerrechtswidriger US-Angriff auf Irak basierte auf Lügen und zerstörte das Land nachhaltig (Von Wiebke Diehl)

Er wolle »den Irak entwaffnen, sein Volk befreien und die Welt vor ernsten Gefahren schützen« – das erklärte George W. Bush am 19. März 2003, dem Vorabend der US-geführten, nicht vom UN-Sicherheitsrat autorisierten Invasion des Irak, durch die der LangzeitpräsidentSaddam Hussein gestürzt wurde. Der Krieg würde weniger als 200 Milliarden US-Dollar kosten, versprach Bush den US-Bürgern, die den Krieg zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich unterstützten. Sie schenkten den Beteuerungen, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen und unterhalte zudem umfassende Programme zur Entwicklung biologischer und chemischer Kampfstoffe sowie von Atomwaffen, die die gesamte Welt bedrohten, Glauben.

Knapp drei Wochen später, am 9. April, brachten US-Soldaten – verfolgt von Millionen von Zuschauern vor den Bildschirmen weltweit – eine Statue Saddam Husseins zu Fall. Wie dann auch mit den bewusst produzierten demütigenden Fotos, die von seiner Festnahme nach acht Monaten auf der Flucht in einem Erdloch produziert und der Presse zugespielt wurden, wollte man Erfolge präsentieren. Nebenbei verdeutlichten die Bilder: Es war nicht die irakische Bevölkerung, die sich von einem zweifellos äußerst repressiven Herrscher befreite, der im Land selbst mindestens 300.000 Menschen – darunter Mitglieder der schiitischen Mehrheit, Kurden und Oppositionelle – auf dem Gewissen hatte. Der für grausamste Verbrechen und Massaker, Folter und Überfälle auf die Nachbarländer Iran und Kuwait verantwortlich war. Vielmehr hatte Washington aus eigenem geopolitischem Interesse der Welt falsche »Beweise« aufgetischt und dabei sämtliche, aus den ehrgeizigen irakischen Sozial- und Wirtschaftsprogrammen der 70er Jahre erwachsene Errungenschaften wie etwa den Anstieg der Alphabetisierungsrate von 30 auf 70 Prozent genauso verschwiegen wie die bis heute nachwirkenden negativen Folgen des in den 90er Jahren verhängten brutalen Sanktionsregimes. Diesem waren mindestens 1,5 Millionen Menschenleben, darunter eine halbe Million Kinder, zum Opfer gefallen.

Sechs Wochen nach Kriegsbeginn verkündete Bush in seiner berühmten »Mission accomplished«-Rede an Bord des Flugzeugträgers »Abraham Lincoln« das Ende der Hauptkampfhandlungen. Als Ziel gab er die Wiederherstellung der Ordnung und den Aufbau von Demokratie aus. Er rühmte sich des »Siegs in einem Krieg gegen den Terror«, obgleich Terrorgruppen wie der »Islamische Staat« (IS) unter US-Besatzung erst entstehen und im Jahr 2014 sogar das Fortbestehen des irakischen Staates gefährden sollten. Anders als behauptet, war Saddam Hussein zwar ein Verbrecher – aber kein Verbündeter der Al-Qaida. Auch Massenvernichtungswaffen konnten nie gefunden werden.

Der Irak und seine Bevölkerung haben für die Lügen einen hohen Preis bezahlt: Etwa eine Million Menschenleben hat der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gekostet – je nachdem, ob die infolge der zerbombten Infrastruktur und des zerstörten Gesundheitssystems Verstorbenen mitgerechnet werden, gehen Schätzungen sogar von noch höheren Zahlen aus. So berechnete schon 2006 das angesehene Medizinfachblatt Lancet 650.000 »zusätzliche Todesfälle«. Hunderte Tonnen Uranmunition haben US-Amerikaner und Briten im Irak verschossen. Noch zehn Jahre später betrug die Strahlenbelastung das 20fache des Normalwertes. Insbesondere die Kleinsten sind von Fehlbildungen betroffen – Kinder mit vier Händen oder zwei Köpfen werden teils nach wenigen Lebensmonaten begraben, die Quote von Gehirntumoren, Knochen- und insbesondere Blutkrebs liegt weit über der Norm.

Unzählige Iraker starben durch Folter, die ihnen auch Soldaten der »Koalition der Willigen« antaten. Der Folterknast Abu Ghraib war nur die Spitze des Eisbergs. »Die einzigen Grenzen, die es gab, waren die Grenzen der Vorstellungskraft«, zitiert Wikileaks, das fast 400 schwer belastende geheime US-Dokumente zum Irak veröffentlichte, einen Augenzeugen. »Zivilverwalter« Paul Bremer zerschlug nicht nur die irakische Armee, sondern auch politische und gesellschaftliche Strukturen nachhaltig – mit bis heute andauernden Folgen. Das von Washington implementierte politische System, in dem Posten streng nach konfessioneller Zugehörigkeit vergeben werden, fördert sowohl Korruption als auch Gewalt zwischen den Religionsgemeinschaften. Aus der Armee entfernte und ohne jede Zukunftsperspektive verbliebene (ehemalige) Mitglieder der Baath-Partei Husseins sollten später zur Basis für den IS und andere Al-Qaida-Gruppen werden. Und die Belagerungen von Falludscha, Nadschaf und anderen irakischen Städten sowie der Beschuss des einzigen betriebsfähigen Krankenhauses in Falludscha während der Blockade stellen zweifellos schwerste Kriegsverbrechen dar. Gekostet haben Krieg und Besatzung keinesfalls die angekündigten 200 Milliarden US-Dollar, sondern mehr als zwei Billionen.

»Der Krieg mit seinen Kosten an Menschenleben, Schätzen und Sicherheit« könne »nur als ein Fehler beurteilt werden, ein sehr schwerwiegender, und ich muss meine Mitschuld daran tragen«, so der US-Senator und spätere Präsidentschaftskandidat John McCain, einer der ehemals lautesten Unterstützer der Irak-Invasion, nach 15 Jahren – offenbar einsichtig – in seinen 2018, dem Jahr seines Todes, veröffentlichten Memoiren. Zur Rechenschaft für den Völkerrechtsbruch und brutalste Kriegsverbrechen gezogen wurde indes bis heute niemand.

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

»Ich war wütend auf das ukrainische Volk – wie konnten sie einen Juden als eines der nationalen Symbole wählen!? Der Präsident ist ein nationales Symbol wie die Flagge, die Hymne und so weiter. Er muss ein Ukrainer sein. [...] Aber es hat sich herausgestellt, dass es sogar besser ist, wenn er ein Jude ist. Versuchen Sie doch nur einmal zu behaupten, wir würden den Nazismus unterstützen.«

  • Dmitro Kortschinskij, Exchef der faschistischen »Ukrainischen Nationalversammlung – Ukrainische Nationale Selbstverteidigung« (UNA-UNSO) und einer der prominentesten Nazis der Ukraine, im März 2022 in einem Interview.

aus »Selenskijs schwarzer Haufen« - Die Ukraine wird zu einem protofaschistischen NATO-Satellitenstaat umgebaut – hinter dem schönen Schein eines »jüdischen Präsidenten« und einer »Volkspartei« (Von Susann Witt-Stahl)
https://www.jungewelt.de/artikel/447011.krieg-in-der-ukraine-selenskijs-schwarzer-haufen.html
#politik #ukraine #nationalismus #faschismus #tradition #ns #geschichte #oligarchie #kapitalismus #krieg #wertewesten

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #ukraine #russland #nato #uno #resolution #wortlaut #wertewesten #politik #medien #desinformation-durch-unterlassung

...in tiefer Besorgnis über die nachteiligen Auswirkungen des Krieges auf die weltweite Ernährungssicherheit, die Energieversorgung, die nukleare Sicherheit und den Schutz der Umwelt, fordert die Mitgliedstaaten und die internationalen Organisationen auf, ihre Unterstützung für die diplomatischen Bemühungen um einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine im Einklang mit der Charta zu verdoppeln;...

UN-Resolution zur Ukraine

Außenministerin Baebock wollte in UN-Vollversammlung Verurteilung Russlands erreichen. Das hat nicht geklappt (Von Arnold Schölzel)

Annalena Baerbock hat sich angestrengt. Die Sondersitzung der UN-Vollversammlung am vergangenen Donnerstag sollte zu einem diplomatischen Sieg über Russland werden. Also kündigte der Sprecher der deutschen Außenministerin, Christian Wagner, am 22. Februar in der Regierungspressekonferenz an: »Die Außenministerin wird am 23. Februar, also morgen, im Rahmen der Notstandssondertagung der Generalversammlung vor der Generalversammlung eine Rede halten. Wie Sie wissen, ist geplant, dass die Generalversammlung anlässlich des Jahrestags eine Resolution zur Verurteilung des russischen Angriffskriegs verabschieden wird.«
Aus der Verurteilung wurde nichts. Bereits am Morgen des 23. Februar berichtete tagesschau. de: Der Text der neuen Resolution, die am Abend verabschiedet werden sollte, »ist jedoch an entscheidenden Stellen entschärft worden, um ihn für möglichst viele Staaten annehmbar zu machen.« Das Resultat: Das Wort »Verurteilung« kommt nicht vor, die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, ihre diplomatischen Anstrengungen für Frieden in der Ukraine zu »verdoppeln«. [...]

Baerbock hatte am Wochenende zuvor auf der Münchner »Sicherheitskonferenz« »diplomatisches Speeddating« betrieben, etwa mit Vertretern Kolumbiens, Togos oder Pakistans. Das magere Ergebnis bei der Abstimmung am 23. Februar: Die kolumbianische Vertreterin wandte sich in der Aussprache gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, stimmte aber wenigstens mit 140 anderen Delegierten für die Resolution. Togo gehörte zu den 13 Ländern, deren Vertreter nicht erschienen. Pakistan enthielt sich der Stimme zusammen mit 31 anderen Staaten, darunter China und Indien. Mehr als diese Zahlen veröffentlichten deutsche Medien nicht, zitiert wurde aus der Resolution fast nichts.

Diplomatische Erfolge sehen anders aus, die Taz kommentierte: »Kein großer Triumph«. Die Aufforderung zur Verdopplung der diplomatischen Bemühungen zitierte sie aber auch nicht, auf der Internetseite der Bundesregierung gibt es keinen Link zum Text der Resolution – das war sonst anders. Der Bundeskanzler behauptete undementiert am Sonntag in Indien, viele Länder hätten »in der UN-Generalversammlung sehr klar den russischen Angriffskrieg verurteilt.« Gemessen an der Resolution war es kein einziges.
- https://www.jungewelt.de/artikel/445889.un-resolution-zur-ukraine-baerbocks-m%C3%BChe.html

Wortlaut der am 23. Februar 2023 von der UN-Vollversammlung verabschiedeten Resolution für Frieden in der Ukraine

Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen für einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine (A/ES-11/L.7)

Die Generalversammlung,

– unter Hinweis auf die in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Ziele und Grundsätze

– eingedenk der Verpflichtung aller Staaten nach Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen, sich in ihren internationalen Beziehungen der Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates oder in jeder anderen mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbaren Weise zu enthalten und ihre internationalen Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen,

– in Bekräftigung der Tatsache, dass kein Gebietserwerb, der auf der Androhung oder Anwendung von Gewalt beruht, als rechtmäßig anerkannt werden darf,

– unter Hinweis auf ihre einschlägigen Resolutionen, die auf ihrer elften Sondersitzung angenommen wurden, und auf ihre Resolution 68/262 vom 27. März 2014,

– ein Jahr nach der umfassenden Invasion in der Ukraine betonend, dass die Erreichung eines umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellen würde,

– unter Hinweis auf den Beschluss des Internationalen Gerichtshofs vom 16. März 2022

– im Bedauern über die schwerwiegenden menschenrechtlichen und humanitären Folgen der Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine, einschließlich der anhaltenden Angriffe auf kritische Infrastrukturen in der gesamten Ukraine mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung, und mit großer Besorgnis über die hohe Zahl der zivilen Opfer, einschließlich Frauen und Kinder, die Zahl der Binnenvertriebenen und Flüchtlinge, die humanitäre Hilfe benötigen, sowie die gegen Kinder begangenen Verstöße und Missbräuche,

– in tiefer Besorgnis über die nachteiligen Auswirkungen des Krieges auf die weltweite Ernährungssicherheit, die Energieversorgung, die nukleare Sicherheit und den Schutz der Umwelt,

  1. unterstreicht die Notwendigkeit, so bald wie möglich einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zu erreichen;

  2. begrüßt und unterstützt nachdrücklich die Bemühungen des Generalsekretärs und der Mitgliedstaaten zur Förderung eines umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens in der Ukraine im Einklang mit der Charta, einschließlich der Grundsätze der souveränen Gleichheit und der territorialen Integrität der Staaten;

  3. fordert die Mitgliedstaaten und die internationalen Organisationen auf, ihre Unterstützung für die diplomatischen Bemühungen um einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine im Einklang mit der Charta zu verdoppeln;

  4. bekräftigt ihr Eintreten für die Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen, die sich auch auf ihre Hoheitsgewässer erstrecken;

  5. wiederholt ihre Forderung, dass die Russische Föderation unverzüglich, vollständig und bedingungslos alle ihre Streitkräfte aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen abzieht, und fordert die Einstellung der Feindseligkeiten;

  6. fordert, dass die Behandlung aller Kriegsgefangenen durch die am bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien im Einklang mit den Bestimmungen des Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 12. August 1949 und des Zusatzprotokolls I zu den Genfer Abkommen von 1949 erfolgt und fordert den vollständigen Austausch der Kriegsgefangenen, die Freilassung aller unrechtmäßig festgehaltenen Personen und die Rückkehr aller Internierten und zwangsverschleppten und deportierten Zivilpersonen, einschließlich der Kinder;

  7. fordert, dass die am bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien ihre Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht in vollem Umfang einhalten, die Zivilbevölkerung und zivile Objekte ständig zu schonen, den sicheren und ungehinderten humanitären Zugang zu den Bedürftigen zu gewährleisten und es zu unterlassen, für das Überleben der Zivilbevölkerung unentbehrliche Objekte anzugreifen, zu zerstören, zu entfernen oder unbrauchbar zu machen;

  8. fordert ferner die sofortige Einstellung der Angriffe auf die kritische Infrastruktur der Ukraine und aller vorsätzlichen Angriffe auf zivile Objekte, einschließlich Wohnhäuser, Schulen und Krankenhäuser;

  9. betont, dass die Rechenschaftspflicht für die schwersten Verbrechen nach dem Völkerrecht, die im Hoheitsgebiet der Ukraine begangen wurden, durch angemessene, faire und unabhängige Ermittlungen und Strafverfolgungen auf nationaler oder internationaler Ebene sichergestellt werden muss und dass allen Opfern Gerechtigkeit widerfahren und künftige Verbrechen verhindert werden müssen;

  10. fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, im Geiste der Solidarität zusammenzuarbeiten, um die globalen Auswirkungen des Krieges auf die Ernährungssicherheit, die Energieversorgung, das Finanzwesen, die Umwelt und die nukleare Sicherheit anzugehen; betont, dass die Vorkehrungen für einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine diesen Faktoren Rechnung tragen sollten und fordert die Mitgliedstaaten auf, den Generalsekretär bei seinen Bemühungen, diese Auswirkungen anzugehen, zu unterstützen;

  11. beschließt, die elfte Dringlichkeitssondertagung der Generalversammlung vorübergehend zu vertagen und den Präsidenten der Generalversammlung zu ermächtigen, ihre Sitzungen auf Ersuchen von Mitgliedstaaten wieder aufzunehmen.

  12. https://www.jungewelt.de/artikel/445890.un-resolution-zur-ukraine-diplomatische-anstrengungen-verdoppeln.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #geflüchtete #selektion #rassismus #festung-europa #grenzregime #wertewesten

Es lebe die Selektion - Integrationserfolge von Ukrainern und Syrern in Medien

Zum Jahrestag des russischen Angriffskriegs werden die Integrationsleistungen ukrainischer Kinder und Jugendlicher in den höchsten Tönen gelobt. Diese sprächen nach einem Jahr bereits so gut Deutsch, dass sie von der I-Klasse in die Regelschule wechseln könnten. Soweit so gut! Das schnelle Erlernen einer Fremdsprache ist allerdings kein Merkmal, das nur von ukrainischstämmigen Geflüchteten beherrscht wird. Das schaffen Kinder und Jugendliche aus anderen Ländern genauso gut. Deren Integrationsleistung ist allerdings kaum ein Thema, dem sich mediale Aufmerksamkeit widmet.

Exkurs: Laut einer Studie wirkt sich die Separierung von geflüchteten Kindern – zumindest in der Vorschule – allerdings negativ auf den späteren schulischen Erfolg aus. Danach besuchen Grundschulkinder in der Regel ein Jahr die Vorschule. Der anschließende Wechsel in den Regelunterricht der Untersuchung zufolge nichts Ungewöhnliches. Der Lernerfolg könnte vielmehr noch gesteigert werden, wenn die Kinder direkt in die Regelklasse kommen würden und nicht vorher von den Altersgenossen getrennt werden.

Afghanische Jugendliche und junge Erwachsene, die 2015/16 auf der Flucht waren, bekamen aufgrund einer politisch konstruierten schlechten Bleibeperspektive nicht einmal Deutschkurse bewilligt. Sie mussten mehrheitlich auf die Unterstützung Ehrenamtlicher zurückgreifen oder haben sich die Sprache autodidaktisch mit Lernprogrammen auf dem Handy angeeignet. Manch ein Einheimischer hat sich verwundert gezeigt, wie schnell das Erlernen der deutschen Sprache gelungen sei. Die afghanischen, syrischen oder eritreischen Geflüchteten werden aber selten für ihre Bereitschaft und erfolgreiche Integration öffentlich gewürdigt. Es gibt zwar immer wieder mal Berichte über positive Beispiele, einer abgeschlossenen Ausbildung oder einer erfolgreichen beruflichen Integration. Diese werden allerdings nie auf die Gruppe kollektiviert, sondern als Einzelleistung individualisiert.

„Die mediale Darstellung einer bestimmten Gruppe ist ebenso entscheidend für das Gelingen der Integration und die Wahrnehmung dieser in der Mehrheitsgesellschaft.„

Dabei ist die mediale Darstellung einer bestimmten Gruppe ebenso entscheidend für das Gelingen der Integration und die Wahrnehmung dieser in der Mehrheitsgesellschaft. Wird diese Gruppe positiv bewertet, ist die Bereitschaft in der Bevölkerung zu deren Aufnahme und Unterstützung entsprechend größer, als wenn diese nur unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten betrachtet oder als Problem dargestellt werden. Was die Ukrainer:innen betrifft, diagnostiziert die Unterstützerin und Psychoanalytikerin Christa Hack eine „falsche Vorstellung, die auch von öffentlicher Seite gefördert wurde“. Ihrer Ansicht nach werden nur wenige das Klischee von den top ausgebildeten Fachkräften erfüllen, die schnell die Lücken auf dem deutschen Arbeitsmarkt schließen werden. Denn „viele Flüchtlinge haben in der ersten Zeit gar nicht gemerkt, wie traumatisiert sie sind.“

„So verläuft die Integration für die einen eher ‚geräuschlos‘, während sich bei den anderen jedes Mal lautstarke ‚besorgte Bürger:innen‘ einfinden.“

So verläuft die Integration in die Aufnahmegesellschaft für die einen eher „geräuschlos“, während sich bei zu entstehenden Geflüchtetenunterkünften für die anderen jedes Mal „besorgte Bürger:innen“ einfinden, die dann mehr oder weniger lautstark argwöhnisch auf ihre Privilegien pochen, das Bürgerhaus oder den Sportplatz nutzen zu wollen. Also für die einen „freie Fahrt“, unbeschränkter Zugang zu Arbeitsmarkt und Sozialleistungen, für die anderen lautstarke Proteste und Begrenzungsrufe.
Daher wurden erst kürzlich wieder beim sogenannten Asylgipfel neue Verschärfungen wie schnellere Abschiebungen und weitere Abschottung beschlossen. Bulgarien erhält Wachtürme und Überwachungstechnologie, finanziert aus EU-Mitteln, um seinen bereits 2017 errichteten Grenzzaun zur Türkei effektiver abriegeln zu können.

Tausende Tote jedes Jahr im Mittelmeer – aktuell wieder 60 Ertrunkene bei einem Schiffsunglück vor der italienischen Küste – reichen wohl als „Begrenzung“ nicht aus. Außer Betroffenheit zu heucheln, fällt der italienischen faschistischen Regierung zu diesen von Europa mitverursachten Tragödien nichts weiter ein, als „irreguläre Migration“ stoppen zu wollen. Es lebe die Gleichwertigkeit aller Menschen!
- https://www.migazin.de/2023/02/27/integrationserfolge-von-ukrainern-und-syrern-in-medien/

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #wertewesten #lateinamerika #afrika #globaler-süden #multipolarität

Das Ende des postkolonialen Imperiums scheint eingeläutet

Munich Security Report: Der Globale Süden beginnt, sich westlicher Kontrolle zu entziehen

Die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz plädieren für eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des Globalen Südens (Von German Foreign Policy)

Wie es im Munich Security Report heißt, der am 13. Februar veröffentlicht wurde, müsse man sich endlich der Tatsache stellen, dass immer noch kein einziges Land Afrikas und Lateinamerikas – sowie kaum ein Land Asiens – die westliche Sanktionspolitik gegen Russland unterstütze. Wolle man ernste Rückschläge im globalen Machtkampf gegen Russland und China langfristig vermeiden, müsse man wenigstens einige der Länder im Globalen Süden zurückgewinnen....

"Postkoloniale Dominanz"

Besonderes Gewicht messen die Autoren des Munich Security Report dem Globalen Süden bei. Die Motive dafür sind nicht etwa Armut sowie schwierige Lebensverhältnisse in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, sondern die Tatsache, dass die Staaten des Globalen Südens zwar mehrheitlich den russischen Überfall auf die Ukraine als einen Bruch des internationalen Rechts kritisieren, sich aber nicht am Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland oder gar an der Hochrüstung der Ukraine beteiligen.

Hieß es bisher in öffentlichen Stellungnahmen aus Politik und Denkfabriken wie auch im medialen Echo stets nebulös, eine höchst diffuse "internationale Gemeinschaft" bestrafe Moskau für den Krieg mit Sanktionen, so stellt der Munich Security Report erstmals in dieser Offenheit fest: "Kein einziger Staat Afrikas oder Lateinamerikas ist Teil der lockeren Koalition, die Sanktionen gegen Russland verhängt hat."2 Auch in Asien beteiligen sich nur drei Staaten3 plus die chinesische Insel Taiwan an der Sanktionspolitik – und damit am Bestreben, die alte, vom Westen dominierte Weltordnung zu stabilisieren.

Der Munich Security Report räumt ein, die "vom Westen geführte Ordnung" sei für viele Staaten im Süden durch "postkoloniale Dominanz, doppelte Standards und Vernachlässigung der Anliegen von Entwicklungsländern" charakterisiert. "In weiten Teilen der Welt" gebe es daher Sympathien für eine multipolare, "nachwestliche" Weltordnung....

...Konkret und eher hilflos plädiert der Munich Security Report für eine wirkungsvolle Entwicklungshilfe und dafür, dass "Europa und die USA ihre Versprechen erfüllen, globale öffentliche Güter bereitzustellen". Zugleich müssten sie vom "Geber-Empfänger-Verhältnis" loskommen sowie "Kooperation auf Augenhöhe" ermöglichen. Allerdings gehört etwa Letzteres seit Jahren zu den offiziell stets stolz vorgetragenen Zielen der deutschen Außenpolitik, ohne dass es jemals praktisch realisiert worden wäre.5 Dass die ehemaligen Kolonien den Aufstieg auf gleiche Augenhöhe mit den Ex-Kolonialmächten schaffen, lag in der Tat noch nie im Interesse westlicher Politik.

Der Süden opponiert

Während es im Munich Security Report heißt, man müsse den Globalen Süden einbinden, beginnen dortige Schwellenländer nicht nur passiv – durch die Verweigerung von Russland-Sanktionen –, sondern auch aktiv gegen die transatlantische Politik im Ukraine-Krieg zu opponieren. So hat Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva anlässlich seines Besuchs in Washington am 10. Februar bekräftigt, er arbeite weiterhin daran, gemeinsam mit anderen Staaten jenseits des alten Westens eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg zu erreichen.6 Als Kooperationspartner komme dabei China in Frage. Lula hat angekündigt, in wenigen Wochen nach Beijing zu reisen und mit seinem dortigen Amtskollegen Xi Jinping Gespräche zu führen.

Chinas Regierung sei "eine der wenigen auf der internationalen Bühne, die Moskau nicht ignorieren kann", räumte gestern Wolfgang Ischinger, ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, ein: "Allein oder mit anderen wäre China vielleicht imstande, einen Friedensvorschlag zu machen."7 Ischinger wies allerdings zugleich darauf hin, das werde "in den USA vermutlich nicht größte Freude auslösen". In der Tat wäre ein von China mit erzielter Verhandlungserfolg bloß ein weiterer Beleg für den historischen Abstieg des Westens, den dieser verhindern will – mit allen Mitteln.
- vollständiger Artikel: https://amerika21.de/analyse/262782/der-zusammenbruch-der-alten-ordnung

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #ukraine #russland #nato #wertewesten #moral #medien #kriegsgetöse

Frieden? Kein Interesse

Der "Krieg gegen Russland", der kollektive Westen und die Grünen

.... Jenseits der deutschen Grenzen besteht offensichtlich ein feineres Sensorium für die Gefahr, dass aus einem »Stellvertreterkrieg« ein direkter Krieg werden könnte, bei dem nicht nur die Ukraine das Schlachtfeld wäre. Der kroatische Präsident Zoran Milanovic, ein Sozialdemokrat, erwog einen NATO-Austritt und konterte ironisch: Wenn Deutschland sich im Krieg mit Russland befinden sollte, wünsche er »viel Glück, und dass es diesmal besser ausgeht (…)«.

Nach wie vor herrscht hierzulande und anderswo eine seltsame Entschlossenheit, weiterzumachen: mit mehr und schwereren Waffen. Inzwischen wird die Lieferung von Kampfjets in Betracht gezogen. Während in großen Teilen der Bevölkerung Skepsis verbreitet ist, wenn auch kaum berücksichtigt von der veröffentlichten Meinung, schreitet die grüne »Friedenspartei«, als die sie ihre beiden Vorsitzenden immer noch stoisch verkaufen möchten, weiter voran. Ihre Klientel ist mittlerweile zum wichtigsten Rückhalt der militarisierten Heimatfront mutiert.

»Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist weitgehend ein Sprachorgan der Grünen geworden«, vermerkte der Freitag Ende Januar. Der allergrößte Teil der Mainstreammedien – wenige Zeitungen und wenige Stimmen der Vernunft ausgenommen – versteht es blendend, Öl ins Feuer zu gießen, geißelt den Kanzler als zauderhaft, wenn er aus ihrer Sicht nicht schnell genug den durchgedrehten Scharfmachern folgt. Annalena Baerbock gleicht derweil programmatisch ihrem großen Vorbild Joseph Fischer. Sie bekennt freimütig, dass sie 2004 den Grünen beigetreten sei, als Fischer »die EU-Osterweiterung mit seinem polnischen Kollegen feierte«. Wie schon der alte Außenminister, ein treuer Follower der damaligen Amtskollegin Madeleine Albright, präsentierte sich Baerbock zum Antrittsbesuch bei ihrem Pendant Antony Blinken in Washington auffällig anbiedernd. Es entstehe der Eindruck, dass »kein Stück Papier zwischen sie passe«, wollte denn auch die Nachrichtenagentur dpa (5.1.2022) beobachtet haben.

Über die Transformation der Grünen von einer alternativen politischen Kraft zur unverzichtbaren Stütze des kapitalistischen Systems wurde bereits manches geschrieben; über die Hintergründe, wie und mit welchen Mitteln es den USA unter Präsident Biden konkret gelingen konnte, die Grünen fest an ihrer Seite zu plazieren, ebenfalls. Klärungsbedarf besteht dennoch: Immerhin ist das Umschalten auf einen klaren antirussischen Kurs in Europa nicht unerheblich mit der jeweiligen Regierung in Berlin verknüpft. Der Regierungswechsel ermöglichte erst, die seit langem infrage gestellte globale Führungsrolle der USA wieder anzuerkennen und in einen transatlantischen Solidaritätsrausch zu verfallen.

Die Zeit wird weitere Details ans Licht bringen, doch lässt sich jetzt schon sagen: Die Gründe für den politischen Kurswandel, der eine erhebliche Schwächung der EU als Global Player mit sich bringt, gehen auf die wirtschaftliche und militärische Potenz und das entsprechende Erpressungspotential der USA wie auf psychologische und ideologische Motive zurück. Dazu gehören – für das Gebiet der alten BRD und für Westberlin – die Russophobie und die ziemlich fest verankerte Legende von der Großartigkeit des »American Way of Life«.

»Demokratie« und »Freiheit« sind abstrakte Worthülsen geworden. Die Ukraine wird als Bastion der »westlichen Werte« präsentiert – in Position gegen die »autoritären Regime« in Moskau und Beijing. Im Zweifelsfall werden die bestehenden Beziehungen, etwa zu den Golfstaaten, schöngeredet und bleiben letztlich doch als Makel des »doppelten Maßstabs« kleben, der nicht wegzureden ist, sondern lediglich durch die Argumentation mit gegebenen, also »putin-bedingten«, Zwängen relativiert wird. Vizekanzler Robert Habeck über seinen Bückling in Katar: »Als Regierung mussten wir in einer sich ständig verändernden und zuspitzenden Krise agieren.« (Der Spiegel, 3/2023)

Im Spiegel-Interview erläutert er weiter: »Es ist mein Job«. Seine Arbeit als Politiker ist es, die Leute, die ihm zuhören – und das sind viele – von dummen Entscheidungen zu überzeugen und einzuwickeln. Er agiert dabei als eine Art »Hobby-Freud« (Wolf Maahn), appelliert an Gemeinschaft und Solidarität, wenn er den allgemeinen Verzicht unter Einsatz von Waschlappen und Kurzzeitduschen propagiert, und benutzt schon mal Zuckerbrot und Peitsche. »Es scheint gerade Lust am Untergang zu geben«, tut er die Kritik an seiner Politik ab und lobt zugleich seine Klientel, die sich klaglos in die politische Linie der Grünen fügt. »Menschen sind bereit, sich mit weniger zufriedenzugeben, damit wir als Land gut durchkommen« (Der Spiegel, 3/2023).

Alle in einem Boot: Die Menschen seien fähig zur Solidarität, befindet Habeck und ruft dazu auf, den Gürtel enger zu schnallen: »Und wenn jemand sagt, ich helfe nur, wenn ich noch mal 50 Euro krieg’, würd’ ich sagen: Die kriegst du nicht, Alter!« Gefragt nach der »frohen Botschaft für die Deutschen« antwortet er: »Sie lautet: Wenn wir uns zusammen anstrengen, dann können wir Erstaunliches erreichen. Das ist die Lehre aus dem vergangenen Jahr.« (Der Spiegel 3/2023) Er war einer der ersten aus der grünen Aufsteigergarde der vorgeblichen Waffenexportgegner, die die Aufrüstung der Ukraine verlangten: »Es war ein langer Weg von keinen Waffen zu ersten Panzerfäusten zu Panzerhaubitzen 2000, jetzt zu den Mardern. Das zeigt, dass wir die Unterstützung immer wieder anpassen.«

Opportunisten durch und durch

Eine Biegsamkeit von Positionen gilt durchweg für den inzwischen vollständig etablierten Typus grünen Spitzenpersonals. Es zeichnet sich mit Nuancen einheitlich dadurch aus, auswechselbar zu sein – zumindest was die politischen Positionen betrifft. Oppositionelle Meinungen – das war irgendwann gestern. Alle wie einer, eine wie alle, und mittlerweile fällt die ehemalige Sprecherin der Grünen Jugend und heutige Parteivorsitzende, Ricarda Lang, die »unangepasste Frau vom linken Flügel«, dadurch auf, dass selbst ihre Kleidung »jetzt zu der seriösen Politikerin, die sie sein will«, passt. »Nur wer sich den Realitäten anpasst, könnte nach oben und bleibt dort«, und sie habe halt, so der Spiegel (33/2022), »ein ausgeprägtes Talent für Machtfragen«.
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