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Greta Thunberg: Klimapolitik ist vor allem eines – Greenwashing!

Die Welt zu retten ist freiwillig. Von einem moralischen Standpunkt ließe sich wohl gegen diese Aussage argumentieren, aber Tatsache ist: Es gibt keine Gesetze oder Vorschriften, die jemanden zwingen, die notwendigen Schritte zur Rettung unserer zukünftigen Lebensbedingungen auf der Erde zu unternehmen. Das ist unter verschiedenen Aspekten ärgerlich, nicht zuletzt, weil – so sehr es mir widerstrebt, es zuzugeben – Beyoncé unrecht hatte. Nicht Mädchen regieren die Welt. Sie wird regiert von Politikern, Konzernen und Finanzinteressen – vorwiegend vertreten von weißen, privilegierten, heterosexuellen Cis-Männern mittleren Alters. Und wie sich herausstellt, sind die meisten von ihnen – unter den gegenwärtigen Umständen – für diese Aufgabe schlecht geeignet. Das mag keine sonderliche Überraschung sein. Schließlich ist der Zweck eines Unternehmens nicht, die Welt zu retten, sondern Gewinne zu machen. Vielmehr so viel Gewinn wie möglich, um die Aktionäre und Marktinteressen zufriedenzustellen. Damit bleiben uns die Politikerinnen und Politiker. Sie haben hervorragende Möglichkeiten, Dinge zu verbessern, aber wie sich herausstellt, ist die Rettung der Welt auch nicht ihre Hauptpriorität.

[...] Unsere Politikerinnen und Politiker brauchen auf niemanden zu warten, bis sie anfangen, etwas zu unternehmen. Sie brauchen auch keine Konferenzen, Verträge, internationalen Abkommen oder Druck von außen, damit sie echte Klimamaßnahmen ergreifen. Sie können sofort anfangen. Zudem haben sie – und hatten sie schon lange – unendlich viele Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden und eine klare Botschaft darüber zu vermitteln, dass wir unsere Gesellschaften grundlegend verändern müssen. Aber, abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen, haben sie sich bewusst entschieden, es nicht zu tun. Das ist eine moralische Entscheidung, die nicht nur sie in Zukunft teuer zu stehen kommen wird, sondern die das gesamte Leben auf dem Planeten gefährdet.

Die Medien und unsere politischen Führungskräfte haben die Chance, drastische, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, aber sie entscheiden sich, es nicht zu tun. Vielleicht liegt es daran, dass sie die Fakten immer noch leugnen. Vielleicht kümmert es sie nicht. Vielleicht sind sie sich der Lage nicht bewusst. Vielleicht haben sie vor den Lösungen mehr Angst als vor dem Problem. Vielleicht befürchten sie, soziale Unruhen auszulösen. Vielleicht befürchten sie, ihre Popularität zu verlieren. Vielleicht sind sie einfach nicht in die Politik oder den Journalismus gegangen, um ein System zu stürzen, an das sie glauben – ein System, das sie ihr Leben lang verteidigt haben. Vielleicht ist der Grund für ihre Untätigkeit auch eine Mischung aus all diesen Faktoren.

[...] Es heißt, wir sollten kompromissfähig sein. Als wäre die Übereinkunft von Paris nicht schon der größte Kompromiss der Welt. Ein Kompromiss, der bereits unvorstellbar viel Leid für die am stärksten betroffenen Menschen und Regionen in sich birgt. Ich sage: Genug. Ich sage: Haltet stand.

Unsere sogenannten Führungskräfte glauben immer noch, sie könnten mit der Physik und den Naturgesetzen verhandeln. Sie sprechen mit Blumen und Wäldern in der Sprache von US-Dollars und kurzfristiger Wirtschaftspolitik. Sie halten ihre Vierteljahresbilanzen hoch, um Wildtiere zu beeindrucken. Sie lesen den Meereswellen Börsenberichte vor wie Narren.

Wir nähern uns einem Abgrund. Und ich würde dringend empfehlen, dass diejenigen von uns, die sich vom Greenwashing noch nicht um den Verstand haben bringen lassen, sich nicht unterkriegen lassen. Lasst nicht zu, dass sie uns auch nur einen Zentimeter näher an den Rand des Abgrunds zerren. Keinen Zentimeter. Genau hier und jetzt ziehen wir die Grenze.
- vollständiger Text: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/greta-thunberg-unsere-derzeitige-klimapolitik-ist-nur-eines-greenwashing