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»Ein Sklave, der nicht rebelliert, hat kein Mitleid verdient. Die Afrikanische Union muss aufhören, Afrikaner zu verurteilen, die sich entscheiden, gegen ihre eigenen Marionettenregime des Westens zu kämpfen.«
- Ibrahim Traoré, Präsident von Burkina Faso

Militärputsche im Sahel: Keine Marionetten mehr

Französische Exkolonien forcieren per Staatsstreich Abkehr von Ausbeutung, Kontrolle und Korruption (Von Vijay Prashad und Kambale Musavuli)

Der Putsch in Niger gegen Präsident Mohammed Bazoum folgt auf ähnliche Staatsstreiche in Mali (August 2020 und Mai 2021), Burkina Faso (Januar 2022 und September 2022) und Guinea (September 2021). Jeder dieser Putsche wurde von Militärs angeführt, die über die Anwesenheit französischer und US-amerikanischer Truppen und die ständigen Wirtschaftskrisen in ihren Ländern verärgert waren. Diese Region Afrikas – die Sahelzone – ist mit einer Kaskade von Krisen konfrontiert: die Austrocknung des Landes im Zuge der Klimakatastrophe, der Aufstieg islamistischer Militanz aufgrund des NATO-Krieges in Libyen 2011, die Zunahme von Schmugglernetzwerken, die Waffen, Menschen und Drogen durch die Wüste schmuggeln, die Aneignung natürlicher Ressourcen – einschließlich Uran und Gold – durch westliche Unternehmen, die für diese Reichtümer nicht angemessen bezahlt haben, und die Verankerung westlicher Streitkräfte durch die Errichtung von Stützpunkten und das ungestrafte Vorgehen dieser Armeen.

[...] Laut einer gut informierten Quelle in Niger sei der Grund, warum das Militär gegen Bazoum vorgegangen ist, der, dass »er korrupt ist, eine Marionette Frankreichs. Die Nigrer hatten die Nase voll von ihm und seiner Bande. Sie sind dabei, die Mitglieder des abgesetzten Systems zu verhaften, die öffentliche Gelder veruntreut haben und von denen viele in ausländische Botschaften geflüchtet sind«. Das Thema Korruption ist in Niger, einem Land mit einem der lukrativsten Uranvorkommen der Welt, allgegenwärtig. Bei der »Korruption«, von der hier die Rede ist, geht es nicht um kleine Bestechungsgelder von Regierungsbeamten, sondern um eine ganze Struktur, die während der französischen Kolonialherrschaft entwickelt wurde und die Niger daran hindert, die Souveränität über seine Rohstoffe und seine Entwicklung zu erlangen.

Im Mittelpunkt der »Korruption« steht das sogenannte Joint Venture zwischen Niger und Frankreich, die Société des mines de l’Aïr (Somaïr) – Eigentümerin und Betreiberin der Uranindustrie im Lande. Auffallend ist, dass Somaïr zu 85 Prozent im Besitz der französischen Atomenergiekommission und zweier französischer Unternehmen ist, während nur 15 Prozent im Besitz der nigrischen Regierung sind. Niger produziert mehr als fünf Prozent des weltweiten Urans, aber sein Rohstoff ist von sehr hoher Qualität. Die Hälfte der Exporteinnahmen Nigers stammt aus dem Verkauf von Uran, Öl und Gold. Eine von drei Glühbirnen in Frankreich wird mit Uran aus Niger betrieben, während gleichzeitig 42 Prozent der Bevölkerung des afrikanischen Landes unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Menschen in Niger haben jahrzehntelang zugesehen, wie ihnen ihr Reichtum durch die Finger glitt. Ein Zeichen der Schwäche der Regierung: Das Land hat im Laufe des vergangenen Jahrzehnts in nur zehn Schiedsverfahren, die von multinationalen Unternehmen vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten und der Internationalen Handelskammer angestrengt wurden, über 906 Millionen US-Dollar verloren.

Frankreich hat die Verwendung des Franc im Jahr 2002 eingestellt, als es zum Euro überging. 14 ehemalige französische Kolonien verwendeten jedoch weiterhin den Communauté Financière Africaine (CFA), was Frankreich immense Vorteile verschafft: 50 Prozent der Reserven dieser Länder müssen in der französischen Staatskasse gehalten werden, und Frankreichs Abwertungen des CFA – wie 1994 – haben katastrophale Auswirkungen auf die Länder, die ihn verwenden. Im Jahr 2015 sagte der Präsident des Tschad, Idriss Déby Itno, dass der CFA »die afrikanischen Volkswirtschaften nach unten zieht« und dass es »an der Zeit ist, die Schnur zu kappen, die Afrika an der Entwicklung hindert«. In der Sahelzone wird jetzt nicht nur über den Abzug der französischen Truppen gesprochen – wie in Burkina Faso und Mali geschehen –, sondern auch über einen Bruch mit der französischen Wirtschaftsmacht in der Region....
- https://www.jungewelt.de/artikel/456019.milit%C3%A4rputsche-im-sahel-keine-marionetten-mehr.html

Nachschlag: Niger, meine Perle

Geopolitik scheint Verhängnis und Schicksal, der begrenzte planetarische Raum und das Pluriversum der Staaten eine gottgegebene Ordnung und Außenpolitik natürliches Gebaren unter Gegnern. Geopolitik galt hierzulande lange, weil die nämliche Disziplin Rechtfertigungen für Krieg und Vernichtung des Vorgängerstaates in östlich gelegenen Weltteilen lieferte, als unfein. In Frankreich ist man da weniger zimperlich. Bei Arte gibt es ein Programm, das heißt »Mit offenen Karten«. Im April stand der Niger im Fokus der Sendung: Geographie, Bevölkerungszusammensetzung, Rohstoffe, Militärbasen – anschaulich dargestellt auf Karten. Klar wird, wenn auch so nicht gesagt, dass beim imperialistischen Game mehrere Mächte am Rad drehen und für Paris einiges auf dem Spiel steht. Die Einschätzung der Moderatorin: »Niger ist mehr als je zuvor unverzichtbar für Frankreich.« Ein Vierteljahr später ist die alte Kolonialmacht auf kaltem Entzug. (brat)
- https://kurzelinks.de/gs7p

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