#politik #gesundheit #pflegenotstand
Schon 2012 schnitt die Bundesrepublik in der internationalen Vergleichsstudie RN4CAST unter den Industrieländern bei den Personalschlüsseln besonders schlecht ab: Während eine Pflegekraft in den Niederlanden im Schnitt sieben Patienten versorgen musste, waren es in Deutschland dreizehn. Nachdem das Thema – unter anderem durch erste Streikbewegungen für mehr Personal an der Berliner Charité oder im Saarland – stärker in den Fokus rückte, reagierte Jens Spahn (CDU) 2018 mit der Verordnung über Pflegepersonaluntergrenzen. Wie von vielen damals befürchtet, hat sich die Situation seither aber nicht verbessert, durch den Zuschnitt des Gesetzes teilweise sogar noch verschärft. Dabei beziehen sich diese Zahlen des Mangels nur auf die Krankenhäuser und dort nur auf die Pflege: Die vielen nicht-pflegerischen Tätigkeiten, die für den Klinikbetrieb essenziell sind – Reinigung, Transport, Labor, Therapeutinnen –, sind noch gar nicht berücksichtigt. Noch dramatischer wird das Gesamtbild, wenn auch ambulante Pflege und Heimpflege hinzugenommen werden: Dann fehlen laut Deutschem Pflegerat 200.000 Pflegestellen, bis 2030 könnten es eine halbe Million sein. „Es ist so ähnlich wie beim Klimawandel. Man sieht die Katastrophe kommen, aber man reagiert nicht ausreichend.“
Einer der bekanntesten Slogans bei Krankenhausstreiks lautet: „Nicht der Streik gefährdet die Patienten, sondern der Normalzustand“. Der Spruch ist schon viel älter als das Coronavirus. Die viel beschworene „Rückkehr zur Normalität“ bezieht sich im Gesundheitswesen auf einen Zustand, der bereits hochgefährlich war. Denn: Die Bundesregierung mag einen Plan haben, um aus den Corona-Maßnahmen herauszukommen. Einen Plan, den Pflegenotstand zu beenden, verweigert sie weiterhin.
- Der Freedom Day kommt, der Pflegenotstand bleibt (von Nelli Tügel) https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/krankenhaus-der-freedom-day-kommt-der-pflegenotstand-bleibt
There are no comments yet.