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»Eine Schutzzone für Islamisten«: Konkrete Kriegspläne

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan plant eine neue Offensive gegen die YPG in Nordsyrien

»Wie kann man einen Krieg erklä­ren, wenn bereits seit Jah­ren Krieg herrscht?« Die­sen oder ähn­li­che Sät­ze hört man gegen­wär­tig in Qamisch­li (kur­disch: Qamiş­lo), der mit rund 200 000 Einwohner*innen größ­ten über­wie­gend kur­disch gepräg­ten Stadt in Syri­en. Auch wenn man den Trotz, der dar­aus spricht, spürt, herrscht doch die Sor­ge vor einem erneu­ten Aus­bruch des Kriegs in Nord- und Ostsyrien.

Grund­la­ge hier­für ist die Ankün­di­gung des tür­ki­schen Staats­chefs Recep Tayy­ip Erdoğan von ver­gan­ge­ner Woche, mili­tä­risch gegen die auto­no­me Selbst­ver­wal­tung in Nord- und Ost­sy­ri­en vor­zu­ge­hen. Erdoğan kün­dig­te an, einen 30 Kilo­me­ter brei­ten »Sicher­heits­strei­fen« ent­lang der Gren­ze beset­zen zu wol­len, um »ter­ro­ris­ti­sche Bedro­hun­gen« aus der Regi­on zu bekämp­fen und um dort eine Mil­li­on ara­bi­sche Flücht­lin­ge aus ande­ren Tei­len Syri­en anzu­sie­deln, die in die Tür­kei geflo­hen waren. Der Natio­na­le Sicher­heits­rat der Tür­kei hat­te bereits letz­ten Don­ners­tag den Ein­marsch gebil­ligt. Die­ser wer­de ohne Vor­ankün­di­gung star­ten, so Erdoğan. Kämp­fe wür­de es wohl ins­be­son­de­re nörd­lich von Alep­po und um Koba­ne geben, doch auch die bis­her ver­schon­te Stadt Derik könn­te nun ein Ziel wer­den, so berich­ten loka­le Quel­len. Am Mitt­woch erklär­te Erdoğan, dass er zunächst die Städ­te Tell Rifat und Man­bidsch (kur­disch: Min­bic) »von Ter­ro­ris­ten räu­men« wolle. [...]

Nun kam es in den letz­ten Wochen erneut zu wei­te­ren Ver­schär­fun­gen. Bei min­des­tens 40 Droh­nen­an­grif­fen auf Roja­va wur­den 16 Men­schen getö­tet und Dut­zen­de ver­letzt. Doch nicht nur in Nord- und Ost­sy­ri­en, auch in ande­ren kur­di­schen Gebie­ten führt die Tür­kei Krieg – ohne, dass dies vom Wes­ten kri­ti­siert wird. Seit Mit­te April kämp­fen tür­ki­sche Sol­da­ten in der Regi­on Kur­di­stan im Nord­irak, da sie dort PKK-Kämpfer*innen ver­mu­ten. Zahl­rei­che Dör­fer wer­den von Kampf­jets und Hub­schrau­bern bom­bar­diert und es kommt zu hef­ti­gen Gefech­ten mit Artil­le­rie­ge­schüt­zen. Eben­so gibt es Berich­te über den Ein­satz von Gift­gas. Auch die­se Inva­si­on wird vom Wis­sen­schaft­li­chen Dienst des Bun­des­tags als völ­ker­rechts­wid­rig ein­ge­schätzt. Von Sei­ten des Minis­ter­prä­si­den­ten der Regi­on Kur­di­stan, Mas­rour Bar­za­ni, ist dabei jedoch kei­ne Kri­tik zu erwar­ten – er hat sich immer wei­ter Erdoğan ange­nä­hert und steht der kur­di­schen Selbst­ver­wal­tung in Syri­en kri­tisch gegenüber.

Die Kri­tik an den völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krie­gen der Tür­kei bleibt somit bis­her fast voll­stän­dig aus. Der­zeit blo­ckiert die Tür­kei zudem noch die Auf­nah­me Finn­lands und Schwe­dens in die Nato, weil sie bei­den Län­dern vor­wirft, die PYD und die YPG/YPJ zu unter­stüt­zen: »Wer Waf­fen und Aus­rüs­tung, die sie der Tür­kei trotz Bezah­lung vor­ent­hal­ten, gra­tis an die Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on über­gibt, ver­dient den Titel eines Ter­ror­staa­tes, nicht eines Rechts­staa­tes«, so Erdoğan am Mitt­woch, ohne Bewei­se für die­se Behaup­tun­gen vor­zu­le­gen. Am gest­ri­gen Don­ners­tag warn­te nun US-Außen­mi­nis­ter Ant­o­ny Blin­ken die Tür­kei vor einer Inva­si­on. Die­se wür­de »die regio­na­le Sta­bi­li­tät unter­gra­ben.« Für Erdoğan scheint ein neu­es außen­po­li­ti­sches Aben­teu­er jedoch fast unaus­weich­lich. Kom­men­des Jahr fin­den in der Tür­kei Prä­si­dent­schafts­wah­len statt, und innen­po­li­tisch ist die Lage ver­hee­rend: Die Tür­kei lei­det unter einer mas­si­ven Wirt­schafts- und Finanz­kri­se; dafür soll nun offen­bar die kur­di­sche Selbst­ver­wal­tung den Preis bezahlen.
- aus Konkrete Kriegspläne - Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan plant eine neue Offensive gegen die YPG in Nordsyrien ( Von Christopher Wimmer, Qamischli) https://www.nd-aktuell.de/artikel/1164277.rojava-angriff-der-tuerkei-konkrete-kriegsplaene.html

»Eine Schutzzone für Islamisten« - Türkischer Präsident plant Invasion in Nordsyrien. Nato-Beitritt von Finnland und Schweden als Verhandlungsmasse. Ein Gespräch mit Khaled Davrisch (Vertreter der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien in der Bundesrepublik) Von Annuschka Eckhardt

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