Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Anna Almqvist, "Makteliten", (LO, Landsorganisationen i Sverige, 2024)

In dieser Studie werden die gesamten Einkommen der Eliten in Schweden betrachtet; nicht nur die Arbeitseinkommen, sondern auch Kapitaleinkünfte und Nebeneinkommen, z.B. durch Aufsichtsratmandate. Das Zahlenmaterial liefert die schwedische Finanz- und Steuerbehörde.

Als Argument für diese umfassendere Sicht auf die Einkommen der Eliten wird angeführt, daß hochbezahlte Tätigkeiten zu einem Vermögensaufbau beitragen können, aus dem heraus bedeutende Kapitaleinkünfte generiert werden können.

Als Vergleichsgöße für die Eliteneinkommen wird der durchschnittliche Lohn einers Industriearbeiters gewählt. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, daß langreichende Zeitreihen zur Verfügung stehen. Allerdings sind Industriearbeiter durchschnittlich besser gestellt als andere Arbeiterberufe, z.B. schlecht entlohnte Pflegekräfte.

Die höchsten Löhne finden sich in der ökonomischen Elite, d.h. bei den Vorstandsposten der Privatwirtschaft. Niedriger sind die Löhne staatlicher und teils-staatlicher Unternehmen. Allerdings gibt es seit den 1990er Jahren eine Tendenz der Angleichung der Löhne im staatlichen Bereich an die Löhne der Privatwirtschaft.

Der Studie liegt eine Auswahl von 12 gesellschaftlichen Berufsbereichen zu Grunde, z.B. Wirtschaft, Universitäten, Medien, Verbände, Kommunen. Allerdings lassen die niedrigen Fallzahlen in diesen Gruppen keine statistische Auswertung zu. Deshalb Zusammenfassung in:

Ökonomische Elite (Wirtschaft), Demokratische Elite (Gewählte Vertreter in der Politik, Verbände, Massenorganisationen), Bürokratische Elite (Angestellte "Beamte" der Behörden und auf Kommunalebene, Medien, Universitäten, staatliche Repräsentation "överhetssamhället"); aber auch die Chefs der staatlichen und kommunalen Unternehmen.

Die Einkommen in den Spitzen der ökonomischen Elite überragen bei Weitem die der beiden anderen Gruppen. Wenn man Ausreißer nach oben unberücksichtigt läßt, dann beträgt in der ökonomischen Elite das Einkommen durchschnittlich 67.2 Industriearbeiterlöhne im Jahr 2022.

Die bürokratische Elite liegt mit durchschnittlich 7.1 Industriearbeiterlöhne weit unter dem Niveau der ökonomischen Elite. Allerdings gibt es starke Unterschiede durch die hohen Einkommen von Großunternehmen der bürokratischen Elite, wie Vattenfall oder Telia (Kommunikation), PostNord mit 30 - 50 Industriearbeiterlöhnen.

Noch etwas niedriger sind die Einkommen der demokratischen Elite mit 4.2 Industriearbeiterlöhnen. Auch in dieser Gruppe gibt es eine Gruppe von Spitzenverdienern: Chef des schwedischen Wirtschaftsverbandes 17.2, und Chef der Konsumgenossenschaften 16 Industriearbeiterlöhne.

Im zeitlichen Verlauf zeigt sich in der Relation der Einkommen der Machtelite / Industriearbeiterlöhne ein Muster, das sich auch mit anderen Methoden nachweisen läßt. Anfang der 1950er Jahre hatten die Machteliten 11 Industriearbeiterlöhne, Anfang 1980er Jahre waren es 5, um 1995 war wieder der Ausgangswert von 1950 erreicht, und 2022 maximal.

Weiterhin fällt auf, daß die ekonomische Elite Einkommensteigerungen nach 1980 hatte, die nicht näherungsweise von der bürokratischen und demokratischen Elite erreicht wurde, also quasi eine Abkopplung. Die Einkommenssteigerungen der bürokratischen Elite sind allerdings größer als die der demokratischen Elite. Diagramm-2.3

Diagramm-2.4: Auch bei der bürokratischen und demokratischen Elite Einkommensminimum um 1980. Danach Einkommensverbesserungen, die bei der bürokratischen Elite ca. 5 Jahre früher einsetzte und stärker ausfielen als bei der demokratischen Elite. Ab ca 2005 Stagnation der bürokratischen Elite, gefolgt ca 5 Jahre später von der dem. Elite.

Diagramm-3.1: Ab ca. 1970 nahm der Frauenanteil in den Spitzenpositionen der demokratischen und bürokratischen Elite zu, in der demokratischen Elite ab 1980 mehr als in der bürokratischen Elite. Gegenwärtig Frauenanteil dort ca 50%, bzw. 40%. In der ökonomischen Elite Zuwachs erst ab ca 2005 auf gegenwärtig ca 18 Prozent.

Diagramm-3.2: Die Einkommensunterschiede Männer / Frauen sind in der ökonomischen Elite deutlich, Frauen verdienen in der Spitzengruppe ca 1/3 weniger. In der demokratischen und bürokratischen Elite nahezu ausgeglichene Spitzenverdienste Frauen / Männer.

Diagramm-3.4: Der Einkommensunterschied von Frauen / Männern in der Machtelite war um 1980 minimal. Mit dem deutlichen Ausbau der Einkommen in der ökonomischen Elite sind die durchschnittlichen Unterschiede in der gesamten Machtelite gewachsen, weil die demokratische / bürokratische Elite relativ niedrige Spitzenverdienste haben.

Diagramm-4.2: Spitzenverdienst der Gewerkschaftsorganisation LO. Bis 1970 eine leichte Aufwärtsentwicklung der Vergütungen, im Gegensatz zur übrigen Machtelite und auch der Wirtschaftselite. Der folgende Abwärtstrend setzte sich abgeschwächt auch nach 1990 fort, als die Wirtschafts- und übrige Machtelite steigende Spitzenverdienste erhielt. Gegenwärtig beträgt die LO-Spitzenvergütung ca 3.3 Industriearbeiterlöhne.

In dieser Studie werden die Einkommen der Machteliten im Verhältnis zu der Industriearbeiterschaft betrachtet. Vorteil: Es existieren lange Daten-Zeitreihen. Die Ergebnisse sind intuitiv und unter dem Gesichtspunkt der Ungleichheit eingängig.

Eine andere Methode, gesellschaftliche Ungleichheit zu beschreiben, fokussiert auf der Einkommensverteilung: z.B. welcher Anteil an den gesamten Einkommen hat die Gruppe der oberen 1-Prozent Topverdiener? Bei dieser Betrachtung wird nicht auf die Macht, sondern auf das Einkommen fokussiert.

Diagramm-6.1: Der zeitliche Verlauf der 1%-Einkommensverteilung hat ein Muster ähnlich dem Einkommen der Machtelite. Allerdings ist der Abfall bis 1980 schwächer ausgeprägt. Nach dem Jahr 2005 scheint das Einkommen der Machtelite stärker anzusteigen als das der 1-Prozent-Gruppe; soweit die Skalierungen im Diagramm diesen Schluß zulassen.

Eine besonders populäre Methode, die Ungleichheit zu beschreiben, liefert der GINI-Koeffizient. Gini = 0 entspricht völliger Egalität. Gini = 0.5 entspricht totaler Ungleichheit. Vorteil: Gesamtheit der individuellen Einkommen wird zusammengefaßt. Nachteil: Großer Bedarf an Datenermittlung, deshalb oft keine Zeitreihen vorhanden.

Diagramm-6.2: Die zeitliche Entwicklung der GINI-Koeffizienten. [Wenn ich es richtig begriffen habe, dann bezieht sich "ekonomisk standard" auf das verfügbare Haushaltseinkommen, faktor inkomst auf den Brutto-Verdienst]

Besonders in der unteren Kurve von Diagramm-6.2 ist zu sehen, daß um 1980 Schweden historisch gesehen eine ausgeprägte Einkommensgleichheit hatte, die danach tendenziell abnahm. In Krisenzeiten vor Corona nahm die Gleichheit zu, in boom-Zeiten nahm die Gleichheit ab. Corona war nach Diagramm die erste Krise, wo die Ungleichheit zunahm.

Als letzte Methode, die ökonomische Ungleichheit zu beschreiben, wird der Bevölkerungsanteil aufgeführt, der weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens verdient, also nach Definition arm ist.

Diagramm-6.3: Bis 1980 nahm der Anteil der Armen ab, auf ca 7 Prozent. Bis ca 1997 fluktuierte der Armenanteil auf einem geringfügig höheren Niveau, um anschließend bis ca. 2010 auf etwas über 14 Prozent anzusteigen. Danach fluktuiert dieser Wert. Während der Corona-Zeit ein leichter Rückgang.

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