Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Almahfali, M.; El-Husseini, R.:"Exploiting Sociocultural Issues in Election Campaign Discourse: The Case of Nyans in Sweden",(Societies, 2023, 13, 257)
Das Hauptthema der Studie ist die Partei NYANS, die sich als Migrantenpartei versteht. Gegründet wurde diese Partei 2019 von dem türkischstämmigen Politiker Mikail Yüksel, mit dem Fokus auf die muslimische Wählerschaft.
In Wahlbezirken mit einem hohen Migrantenanteil kam 2022 NYANS auf bis zu 30% der Wählerstimmen, besonders in segregierten, low-income Gebieten. Allerdings nur in sozialen Brennpunktgebieten, was darauf hindeutet, daß NYANS nicht dem mainstream in der migrantischen Gemeinschaft entspricht.
NYANS stellt sich als Interessenvertretung von Minoritäten hin, als Kämpfer gegen Afrophobie, Islamophobie, gegen Diskriminierung... Jedoch wird diese Partei von Journalisten enger Bindungen an Erdogan, des Islamismus, und der Konspirationstheorien verdächtigt.
Gegenwärtig ist NYANS eine von mehreren kleineren Parteien in der EU, die sich als Vertreter islamischer Minoritäten verstehen. Zum Beispiel die Islampartei in Belgien, NIDA und DENK in den Niederlanden.
In der Studie wird ausgeführt, daß die Partei NYANS sich in ihren Diskursen an die soziokulturelle Richtung der extremen Rechten anlehnt, wenngleich der ideologische Bezugspunkt im Islamismus liegt.
Von der extremen Rechten werden Themen wie Unterdrückung im Namen der Ehre, Zwangsheirat, weibliche Genitalverstümmelung, Segregation und Parallelgesellschaft in die Öffentlichkeit gebracht. NYANS auf der anderen Seite widmet sich den gleichen Themen, jedoch aus islamischer Sicht.
Bei der Gemeinsamkeit der Themen unterscheiden NYANS und die Schwedendemokraten (SD) sich hinsichtlich der Themenverwendung, der Zielgruppen und des kulturellen Kontextes. Insgesamt liefert das Thema Migration sowohl für die SD, als auch für NYANS die Kernthemen.
Bei der Analyse des Wahlkampfes von NYANS spielen die sozialen Medien eine besondere Rolle. Soziale Medien spielen bei neuen Parteien eine große Rolle. weil Neuwähler gezielt angesprochen werden können. Unter Umgehung der etablierter Medien und Politik können die Wähler sich so direkt über diese Parteien informieren.
Die Analyse von NYANS wird mit der Methode der Kritischen-Diskurs-Analyse (CDA) ausgeführt. Als Datenquelle werden die arabisch- und schwedischsprachigen socialmedia-Einträge in dem Monat vor der Parlamentswahl 2022 herangezogen.
Die CDA betont den Zusammenhang zwischen Diskursen und Macht, Ideologie, Institutionen und sozialen Identitäten. Der Fokus auf Ungleichheit und Dominanz hat seinen Ursprung in der Bearbeitung sozialer Themen.
Die Analyse von Diskursen ist notwendig, um die Realität zu erfassen; die politische Bedeutung von Institutionen, nationale Identitäten, Menschenrechtsdiskurse. Betrachtet werden strukturelle Eigenschaften sprachlicher Äußerungen, aber nicht so sehr die damit verbundenen sozialen Ideen.
Im Vordergrund steht das Interesse, die dominanten Themen herauszuarbeiten. Ziel ist es auch, Themen sichtbar zu machen, die leicht übersehen werden, manchmal auch von Entscheidungsträgern, insbesondere dann, wenn eine Dekonstruktion der pronlematischen Diskurse angebracht ist.
Neben den Versuchen politischer Parteien, die Wähler mit Aufmerksamkeit erregenden Themen zu erreichen, wird auf die Methode des framing zurück gegriffen: Exklusion und Selektion. Themen werden hervorgehoben oder versucht totzuschweigen. Das zu analysieren versucht die CDA.
Mit der Analyse der Medien ist das Thema Repräsentation verknüpft. Damit ist die Wirkmächtigkeit von Zeichen, Sprache, Bildern gemeint, um eine Sicht auf die Welt zu vermitteln. Manche politische Themen werden hervorgehoben, andere versucht tot zu schweigen. Z.B. crime und gender. Defizite bei der Repräsentation können zu aufgeregten Debatten führen, sowohl in den klassischen Medien, als auch in den sozialen Medien.
Für diese Studie ist besonders die Untersuchung der Repräsentation von Minoritäten in den Medien relvant, weil traditionell ein verengter Blick vorherrscht und die Darstellung von Minoritäten durch Stereotypen gekennzeichnet ist, mit einer verengten Perspektive und zur Generalisierung neigend.
Mit den beschriebenen Analysewerkzeugen erhalten die Studienautoren das Ergebnis, daß soziokulturelle Themen wie Koranverbrennung, angebliche Kindesentführung durch schwedische Behörden, Hijab, Beschneidung von Jungs, oder Islamophobie in der medialen Selbstdarstellung von NYANS überwiegen.
Andere Themen, wie soziale Wohlfahrt, Energieversorgung, Wirtschaft haben dagegen nur geringe Bedeutung bei NYANS in der Wahlkampgne von 2022.
Mit dem 'framing' sind Mechanismen thematischer Fokussierung und Exklusion anderer Themen verbunden. Bei der Analyse stellt sich heraus, daß NYANS sich verstärkt an konservative Muslime richtet, die von der Furcht getrieben sind, daß ihre religiösen Glaubensätze Schaden nehmen könnten.
Ein anderes Ergebnis ist, daß NYANS während der Wahlkampagne 2022 sehr deutlich den linken Parteienblock, besonders Linkspartei & Sozialdemokraten, für ihre angeblich strengere Politik gegen Migrangen und Muslime, angreift. Die extreme Rechte wurde dagegen nicht kritisiert.
Themen der anti-linken Propaganda sind z.B. Schleierverbot, Koranverbrennung, Arbeit gegen Gewalt im Namen der Ehre, Kindererziehung. Dabei spielt ersichtlich auch die Konkurrenz mit linken Parteien eine Rolle, weil traditionell Migranten vielfach diese Parteien wählen.
Die Studienautoren bemerken, daß trotz des vorgetragenen Engagement für Minoritäten, es vor allem muslimische Minoritäten sind, die adressiert werden. Die Form der Ansprache ist dabei emotionalisiert. Nach Meinung der Autoren werden vor allem arabischsprachige Migranten angesprochen, die nach 2015 Schweden erreichten.
In der Repräsentation von NYANS durch Symbole, Sprache und Bilder sind besonders verschleierte Frauen sehr hervorgehoben. Das steht im Gegensatz zu der Diversität in der muslimischen Gemeinschaft Schwedens. Damit wird zudem eine exkludierende Strategie gegenüber nicht muslimischen Minoritäten Schwedens sichtbar.
Themenwahl bei der Wahlkampagne 2022 und die inhaltlichen Positionen deuten darauf hin, daß NYANS von außen die Institutionen von Schweden in Frage stellt. Mithin nimmt NYANS den Charakter einer nichtschwedischen Partei an. Die Wähler von NYANS werden damit in eine Position gedrängt, wo sie als Individuen dem Land Schweden gegenüberstehen, jedoch nicht als schwedische Staatsbürger.
Die Autoren konstatieren Unterschiede zwischen der offiziellen programmatischen Selbstdarstellung und den Diskursen, die auf die Zielgruppenn von NYANS fokussieren. So wird offiziell die Verteidigung von allgemeinen Rechten der Minderheiten proklamiert, zielgruppenorientiert jedoch die politische Linke Schwedens attackiert. Weil der linke Block vielfach Migrationsthemen aufgreift, ähnelt somit der Auftritt von NYANS dem agieren der extremen Rechten. Die wiederum wird in den Auftritten von NYANS ignoriert, genauso wie die allgemeine, nichtmigrantische Öffentlichkeit.
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