#tyskland

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Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Svenolof Karlsson: "Dansk havsvindkraft nu en fråga för marknaden" (Second Opiniom, 23.4.2024)

Die dänische Regierung hat mit der Ausschreibung von sechs neuen offshore-Windparks den Versuch gestartet, das Marktinteresse durch ein Versteigerungsverfahren zu testen. Die Ausschreibung umfaßt eine installierte Kapazität von mindestens 1 GW, kann aber von den Betreibern auf bis zu 10 GW erhöht werden.

Die Konzessionen sollen über 30 Jahre reichen, wobei spätestens 2030 1 GW bereits installiert sein muß. Im Versteigerungsverfahren kommen die Angebote zum Zuge, die dem Staat am meisten bezahlen. Die Investitionskosten für 1 GW werden mit [umgerechnet 2.5 Mrd Euro] und mit 9500 Mannjahren kalkuliert. Die Investoren erhalten keine staatliche Unterstützung, und müssen den Staat überdies mit 20% beteiligen.

Die Erwartungen richten sich dahin, daß mit diesen Windparks Dänemark zu einer grünen Kraftzentrale der EU wird, und zu einem Exportland von Strom und grünem Wasserstoff wird.

Allerdings warnen Branchenorganisationen vor einer zukünftigen Instabilität des Stromnetzes durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Es seien innerhalb von 10 Jahren in West- und Nordeuropa ca 80 GW Regelleistung bereitzustellen [ca. die gesamte Kraftwerksleistung BRD]. Die dänische Regierung hat sich bis jetzt nicht zu den Auswirkungen der geplanten offshore-Windparks auf die Netzstabilität Dänemarks geäußert.

Der dänische Netzbetreiber ENERGINET warnt indessen davor, daß der Zuwachs der Erneuerbaren Energien in Dänemark die Netzstabilität gefährdet, sofern nicht die Hochspannungs-Umspannwerke und Überlandleitungen ausgebaut werden. Erfahrungsgemäß geschieht das jedoch langsamer als der Zuwachs der Erneuerbaren Energien.

Der Netzbetreiber ENERGINET weist überdies auf die wachsende Abhängigkeit des Landes von ausländischen Stromerzeugungskapazitäten, Stromimporten und Dienstleistungen für die Netzstabilisierung hin.

Das Regierungsvorhaben der Regierung wird von der Branchenorganisation "Green Power Danmarks" mit Zurückhaltung kommentiert. Das Projekt sei kompliziert, erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Akteure und setzt eine entsprechende Nachfrage nach Strom und Wasserstoff voraus. Angesichts gestiegener Kosten der offshore-WKAs seien auch keine bedeutenden Versteigerungserlöse für den Staat zu erwarten.

Ein weiterer Kritikpunkt von Seiten dieser Organisation ist, daß die Projekte Kriegers-Flak II und Hesselø in den Ausschreibungen enthalten sind, obwohl deren fehlende Rentabilität bereits festgestellt wurde.

In dem Artikel wird auch auf die geplante Wasserstoffpipeline nach Deutschland hingewiesen. Die dänische Regierung fordert, daß das Risiko für mindestens 44% der Leitungsauslastung von den Marktakteuren über den Zeitraum von 10 - 15 Jahren getragen wird.

Und schließlich weist der Autor auf die paradoxe Situation hin, daß Dänemark als Pionier der Energiewende mit einem Anteil von über 60 Prozent der Erneuerbaren trotzdem im Vergleich zu den anderen nordischen Ländern eine Umweltbelastung ist, weil noch immer 21 % des Stroms mit fossilen Quellen erzeugt wird.

#sverige #schweden #danmark #dänemark #deutschland #tyskland #energiewende #elomställning

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Svenolof Karlsson: "Danmark betalar dyrt för förnybart", (Second Opinion, 2024)

Bei der folgenden Zusammenfassung des Artikels von S. Karlsson wird für die Umrechnung Dänische Krone (DKK) der Wechselkurs nach ECB von 7.5 verwendet. Die Zahlenangaben in {..} sind die von mir auf die Größe der deutsche Bevölkerung hochgerechnen Werte.

Seit 2001 sind in Dänemark 168 Mrd DKK = 22.4 Mrd Euro {322 Mrd Euro} für die Umstellung des Energiesystems geflossen. Bis 2006 wurde auch die Fernwärme auf fosssiler Basis gefördert, danach nur erneuerbare Energien, zu denen auch Biogas und Biomasse für die Stromerzeugung gehören. Ab 2014 kam die Förderung von Biogas für die Erzeugung von Prozesswärme hinzu.

Anhand einer Tabelle werden die Subventionen für die Erneuerbaren in Dänemark seit 2015 erläutert. [Der Autor erklärt jedoch nicht den scharfen Einbruch für die Windenergie ab dem Jahr 2021. Anscheinend wurden die Förderregeln zu diesem Zeitpunkt radikal verändert, zugunsten von 'biogas til upgradering' ?=? e-fuels oder Gas für Kraftfahrzeuge].

Für die Jahre zwischen 2021 und 2035 erwartet die dänische Energiebehörde, daß Biogas und dessen Veredlung den Großteil der Subventionen erhalten wird. Zwischen 2006 und 2035 prognostiziert die Behörde dafür insgesamt 62 Mrd DKK = 8.3 Mrd Euro {118.7 Mrd Euro, entsprechend 4 Mrd Euro / Jahr}. Dazu kommen indirekte Subventionen, wie Steuerbefreiungen oder Steuererleichterungen für die Anwender von Biogas.

Die Bereitstellung der finanziellen Mittel für die Subventionen erfolgte bis 2021 über den sogenannten PSO-Tarif und die Abwälzung der Kosten auf die Stromrechnungen der Privathaushalte. Ab 2021 werden die Kosten von dem dänischen Staatshaushalt übernommen.

Der für die Energieumstellung erforderliche Netzumbau erfordert nach einer Analyse der Branchenorganisation 'Green Power' zwischen 2024-2035 voraussichtlich 30 - 38 Mrd DKK. 35 Mrd DKK = 4.7 Mrd Euro {67 Mrd Euro, bzw ca. 10 Mrd Euro / Jahr}.

Die Finanzierung der privatwirtschaftlichen Investitionen in die Energieumstellung wird erschwert durch die Tatsache, daß der Stromverbrauch in Dännemark nicht so schnell anwächst wie prognostiziert, dagegen der Ausbau der Erzeugungskapazitäten sich an den früheren Prognosen orientiert. So ist der Stromverbrauch in Dänemark zwischen 2021 und 2024 nur um 1 TWh gestiegen, entsprechend 2 % des Elektrifizierungszieles bis 2030.

[Energie-Inseln, 'energiöarna vid Bornholm och i Nordsjön' : Dänemark plant seit 2020 Windparks in der Umgebung Bornholms und in der Nordsee, mit jeweils 2 GW und 3 GW.] Die Meinung in Dänemark tendiert dahin, daß ohne masssive Subventionen, u.a. von der EU, diese Projekte äußerst schwierig zu realisieren sind.

[Die Windkraft und die Elektrolysekapazitäten sollen in Dänemark ausgebaut werden, um Wasserstoff über eine noch zu bauende Pipelene nach Deutschland verkaufen zu können] Der Autor verweist auf einen Bericht in der Zeitung 'Die Welt'. Demnach hat der dänische Minister bei einem Treffen mit R. Habeck unmißverständlich klargestellt, daß Dänemark keinesfalls gewillt ist, das gesamte finanzielle Risiko des Projektes zu tragen.

Der Autor verweist auf die Stellungnahme eines Kapitalverwalters in dem gleichen Zeitungsinterview der 'Welt'. Demnach würde die dänische Wasserstoffindustrie von Kunden in Deutschland abhängig sein, die bereit sind, fünf bis zehnmal mehr wie für Erdgas zu bezahlen. Für Anwender mit nur einem kleinen Anteil an Energiekosten ist das denkbar, aber nicht für energieintensive Industrien.

Im Vergleich zu seinen skandinavischen Nachbarn emittiert Dänemark auffallend viel CO2, trotz des Anteils der erneuerbaren Stromerzeugung von über 80 Prozent. Die restlichen ca 20 % werden überwiegend fossil erzeugt. Beachtlich sind auch die im EU-Vergleich rekordhohen Stromgebühren [Stromsteuer] für Privathaushalte.

Mit dem Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung ist in Dänemark der Aufwand für die Netzstabilisierung gewachsen. Zwischen 2020-2022 haben die finanziellen Aufwendungen sich fast verdreifacht, auf mittlerweile 4.2 Mrd. SEK(Schwedenkronen, ca 400 Mio Euro, {5.75 Mrd Euro} ). Erklärt wird das durch die Tatsache, daß nur ca 15 % der Stromerzeugungskapazitäten auf die regelbare thermische Stromerzeugung entfallen, 85 % werden durch die Erneuerbaren und Importe bereitgestellt.

#sverige #schweden #danmark #dänemark #deutschland #tyskland #el #energiewende #vätgas #wasserstoff

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Samuel Neuman Bergenwall: "Mellanösternprojektet. Israeliskt militärt tänkande: från gräsklippning och gråzonsoperationer till storkrig",(FOI,2024)

Der Autor stellt fest, daß die Region Naher Osten zunehmend in Kriege verwickelt ist: Syrien, Westbank, Iran, Israel, Irak, Jemen, inklusive die internationale Schiffahrt. Die Großmächte werden in die Auseinandersetzungen einbezogen.

Die Studie fokussiert weniger auf die innenpolitischen Triebkräfte, in der israelischen Militär- und Sicherheitspolitik, sondern vor allem auf die miltärstrategischen Überlegungen und Debatten innerhalb des "Sicherheitsetablishment" aus ideengeschichtlicher Perspektive.

Die israelische Sicherheitsdokrin baut auf vier Prinzipien auf: Abschreckung, rechtzeitige Warnung, militärische Entscheidung und Verteidigung der Heimatfront. Seit der Staatsgründung sind die folgenden Sicherheitsdoktrinen formuliert worden:

Ben-Gurion-Doktrin:
Sicherheit durch Abschreckung durch eine qualitativ militärtechnologische Überlegenheit. Akzeptiert, daß absolute Überlegenheit nicht möglich ist. Vielmehr sollte die Zeitspanne zwischen militärische Krisen / Konflikten möglichst lang sein. Bedeutung von Geheimdiensten, und Anwendung von Gewalt auf fremdem Territorium. Im Konfliktfall werden militärische Siege angestrebt. Dazu kommt die militärische Abwehr von feindlichen Angriffen, z.B durch Raketenabwehr.

Die Ben-Gurion-Doktrin entstand in den ersten Jahren nach der Staatsgründung und reflektierte, daß die geringe Staatsfläche keine ausgedehnten Bodenkämpfe auf eigenem Territorium möglich macht. Die Doktrin zielt deshalb darauf, kriegerische Auseinandersetzungen auf das Feindterritorium zu verlagern, und die Eroberung fremden Territoriums, gebenfalls als Verhandlungsmasse.

Israel entsprach dieser Doktrin durch eine allgemeine Wehrpflicht und die Idee der 'Nation unter Waffen'. Mit den Territorialgewinnen Entspannung der Lage; auch durch die veränderten Beziehungen zu einigen arabischen Staaten, und weil die Zusammenarbeiten mit westlichen Staaten ausgebaut wurde, v.a. den USA.

Begin-Doktrin:
Israel strebt das Kernwaffenmonopol in der Region an. Versuche anderer Regionalstaaten, eigene Kernwaffenfähigkeiten aufzubauen, werden durch gezielte Militäraktionen und Mordanschläge gestört. Der Besitz von Atomwaffen wird von Israel weder bestätigt, noch dementiert; gilt jedoch als fast gesichert.

Merido-Report:
Es wird vorgeschlagen, der Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure kosteneffizient durch hochtechnologische Waffen zu begegnen, entsprechend der abnehmenden Bedeutung konventioneller militärischer Bedrohungen. Aus dieser eher optimistischen Sicht wird auch der Rückzug aus Gaza und dem Südlibanon vorgeschlagen. Dahinter steht der Übergang von symmetrischen zu asymmetrischen militärischen Konflikten.

Rabin-Doktrin:
Israel sah sich wiederholt Geiselnahmen ausgesetzt, um politische Forderungen durchzusetzen. Mit der Rabin-Doktrin werden Geiselnahmen nach Möglichkeit gewaltsam beendet, ohne Rücksicht auf eigene oder fremde Opfer. Verhandlungen nur als letzter Ausweg. In der Folge kam es oft zu Geiselentführungen, wodurch die Rabin-Doktrin weitgehend ins Leere läuft.

Mabam-Operationen und 'Rasenschneiden':
Mit gezielten Militäraktionen und verdeckten Mordanschlägen auf fremdem Territorium sind die Herausforderungen durch nichtstaatliche Akteure zu begegnen. Vielfach unter Einsatz der Luftwaffe. Diese Doktrin setzt eine exzellente Geheimdienstarbeit voraus. Es wird dabei möglichst unterhalb der Schwelle zu einem Krieg agiert. In Israel wurde kritisiert, daß dabei die konventionellen Bodentruppen und deren Modernisierung vernachlässigt werden. Ein früherer israelischer Armeeschef glaubte in dieser Doktrin ein Modell für andere Staaten erkennen zu können [!!!].

Mit Mabam und 'Rasenschneiden' wird dem Erstarken von Milizen in Syrien, Irak, Libanon, Hamas, Hizbollah, globaler Jihadismus Rechnung getragen, auch vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des Iran und der waffentechnisch besseren Ausstattung der Milizen.

Dahiyad-Doktrin:
Bekämpfung nichtstaatlicher Akteure in einer zivilen Umgebung. Zerstörung ziviler Infrastruktur, auch als Abschreckung. Dörfer oder ganze Staaten, die feindlichen Kräften Unterschlupf oder Unterstützung geben, sind gemäß dieser Doktrin von Zerstörung (der Infrastrukur) bedroht. Ziel der Doktrin ist es, die Zivilbevölkerung dazu zu bringen, sich gegen die Terroristen zu stellen.

Die Dahiyad-Doktrin ist nicht offiziell. Der Name bezieht sich auf einen Vorort von Beirut, der in einem früheren Libanon-Krieg von Israel verwüstet wurde, und wo das Hizbollah-Hauptquartier lag. Der Begriff ist von Journralisten geformt. Von manchen Beobachtern wird vermutet, daß die Dahiyad-Doktrin in Gaza zur Anwendung kommt.

(strategische) Autonomie und Sicherheitszusammenarbeit: In der Anfangszeit strebte Israel militärische Autonomie an. Später kam die Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit, Geheimdienste, Waffentechnologie, Waffenkäufe hinzu. Mit den USA wurden einseitige militärische Beistandsabkommen geschlossen. Und mit moderaten arabischen Staaten Abkommen über Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten.

Mit den genannten Dokrinen paßte Israel sich über Jahrzehnte veränderten äußeren Rahmenbedingungen an. Der Studienautor weist auf die äußere und innere Legitimation hin. Die Zusammenarbeit mit (westlichen) Staaten wird von der öffentlichen Meinung und deren Sicht auf die israelischen Militäraktionen beeinflußt, besonders hinsichtlich des internationalen humanitären Rechts. In Israel selbst werden zivile und militärische Verluste ebenfalls beobachtet und beeinflussen die politische Stimmung.

Die Entstehung der Doktrinen sind vielfach von Kontroversen im israelischen Sicherheitsapparat begleitet worden, aber auch zwischen dem Sicherheitsapparat und der Politik.

Der Autor weist darauf hin, daß mit Netanyahu nach dem 7.10.24 Israel sich wieder auf eine mehr autonome Sicherheitsstrategie zurückzieht und Formen der konventionellen Kriegsführung ausbaut. Militärische Entscheidungen werden selbstständig und unabhängig von z.B. den USA getroffen. Die Wiederherstellung der Abschreckung wird vorangetrieben, die Leistungsfähigkeit der israelischen Geheimdienste vorgeführt.

Zu der veränderten Sicht auf den Einsatz von Bodentruppen in einer eher konventionellen Weise paßt auch die Ansage von B. Netanyahu, die Machtbalance im Nahen Osten für viele Jahre verändern zu wollen. Der Studienautor vermutet dabei einen Paradigmawechsel der israelischen Sicherheitspolitik.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #israel #netanyahu

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Katja Salomo, Marcel Helbig & Susanne Marquardt (28 Jul 2023): Radical right-wing support among urban voters in Germany: Disentangling the roles of immigration, immigration history, segregation, and poverty in the neighborhood, Journal of Urban Affairs.

[Im Folgenden wird für die Bezeichung 'Migrantenanteil in der Bevölkerung' aus Gründen der Platzersparnis 'Migrantenanteil verwendet.]

Die Autoren machen die Feststellung, daß AfD-Unterstützer typisch von der Gesellschaft enttäuscht sind, um ihren Status fürchten und skeptisch gegenüber der Demokratie eingestellt sind. Vor allem aber haben sie einen Groll gegenüber der Migration.

Auffällig auch die ausgeprägte Zustimmung zur AfD in Ostdeutschland. Die Autoren weisen auf Mängel in der Infrastuktur, öffentlichen Dienstleistungen und der Institutionen hin.

Die Parlamentswahl in Deutschland von 2017 zeigte, daß die AfD besonders erfolgreich war in Wahlkreisen mit hoher Arbeitslosigkeit, einem großen Migrantenanteil an der Bevölkerung, sowie in Gegenden mit viel Abwanderung und einer alternden Bevölkerung, wie es für Ostdeutschland typisch ist.

Allerdings zeigen einige Studien aus anderen europäischen Ländern die Bedeutung von lokalen Merkmalen wie Migrantenanteil oder Segregation Einheimische - Migranten auf. Positive soziale Kontakte und die Nähe zwischen Einheimischen und Migranten führen zu einem entspannten Verhältnis, was sich in einer negativen Korrelation Migrantenanteil - AfD-Zustimmung ausdrückt (Kontaktthese).

Dagegen wird von Einheimischen Migration auf der Ebene einer ganzen Stadt, Region oder auf Landesebene anders wahrgenommen. Durch Medien und die Politik wird ein Bild von der Migration vermittelt, das nicht immer konsistent mit den Erfahrungen in der eigenen Nachbarschaft ist.

In der Studie werden also Arbeitslosigkeit, Migrantenanteil, Armut, Segregation in Relation zu den Wahlergebnissen der AfD gesetzt; jeweils auf der Ebene von Wahlkreisen und Nachbarschaften. Mit der wahrgenommenen Migration sind oft auch Ängste verbunden, besonders bei steigenden Migrationszahlen.

Aus Literaturstudien ist bekannt, daß in nordeuropäischen Ländern mit einem ausgebauten Sozialstaat die Effekte von Arbeitslosigkeit auf die Zustimmung zu rechtsextemen Parteien nur minimal sind. Größeren Einfluß haben Armut - von Geringverdienern und Langzeitarbeitslosen - und die Angst vor Statusverlust.

Die Datenauswertung im Rahmen der Studie behandelt die folgenden Fragestellungen: unter welchen Bedingungen stellen lokale Armut, Segregation im Wohnumfeld und ein Mangel früherer Erfahrungen im Umgang mit Migranten die Kontaktthese in Frage?

Die Auswertung von 33 größeren Städten, von denen sowohl die Wahlergebnisse, also auch Daten über Armut, Arbeitlosigkeit zwischen 2013 und 2017 vorliegen, wird auf drei Hypothesen getestet:

H1: Führt ein Anstieg des Migrantenanteils in der lokalen Nachbarschft zu besseren Wahlergebnissen der AfD?

H2: Gibt es einen kritischen Werte für den Migrantenanteil in der Vergangenheit, bei dessen Unterschreitung der Zustrom von Migranten zu kulturellen Schocks bei der einheimischen Bevölkerung führt? Solche Effekte sind aus der internationalen Literatur bekannt.

H3: Beeinflußt die zunehmende Segregation in deutschen Städten, auch vor dem Hintergrung des verstärkten Zustroms von Migranten nach 2015, die Wahlergebnisse der AfD?

Segregation wird in der Literatur in verschiedenen Aspekten betrachtet:
framing: Bewohner wohlhabender Gegenden assozieren die häufig in ärmeren Gegenden lebenden Migranten negativ, mit Stereotypen, besonders bei Minoritäten,

Halo-Effekt: Bewohner wohlhabender Gegenden mit kleinen Migrantenanteilen in der Nähe ärmerer Nachbarschaften mit hohen Migrantenanteilen fürchten u.a. um die Qualität der Schulen und die Auswirkungen auf die Immobilienpreise,

Segregation erschwert die Kontakte zwischen nahegelegenen Nachbarschaften, wodurch bei unterschiedlichen Migrantenanteilen der soziale Austausch zwischen Einheimischen und Migranten erschwert wird. Diese Form des Halo-Effektes wird durch Diskriminierung und Mangelversorgung auf dem Wohnungsmarkt verstärkt.

Die genannten Hypothesen werden mit einem statistischen Modell geprüft, das auf Seite 6 der Veröffentlichung kurz beschrieben ist.

Als Ergebnis notieren die Autoren, daß mit steigendem Migrantenanteil auf der Ebene der Nachbarschaft die Zustimmung zur extremen Rechten abnimmt, entsprechend der Kontaktthese aufgrund vielfacher sozialer Kontakte.

Weiterhin bekräftigen die Ergebnisse, daß mit einem großen Migrantenanteil auf der Ebene der Gesamtstadt und gleichzeitig einem großen Zustrom von Migranten die Zustimmung zur AfD wächst. [Also im Widerspruch zur Kontakttghese.]

Den größten Einfluß auf die Zustimmung zu rechtsextremen Parteien hat jedoch die Armutsquote. Die Autoren können keinen kritischen Schwellenwert der Armutsquote finden, ab dem der beschriebene Effekt sichtbar wird. Die Auswirkungen von ökonomischer Deprivation und der Migration sind damit unabhängig.

Das ist umso bedeutender, als in armen Nachbarschaften der Migrantenanteil nicht nur viel höher ist als in wohlhabenden Nachbarschaften, sondern überdies viel schneller wächst.

Die Daten zeigen jedoch, daß in Nachbarschaften mit einem Migrantenanteil <5% bis 2017 das Anwachsen des Migrantenateils zu einer steigenden Zustimmung zu rechtsextremen Parteien führt. Erklärt wird das von den Autoren mit dem Akkulturierungs-Stress. Solche Nachbarschaften sind im Übrigen meistens wohlhabender.

Überdies ist in Städten mit einem geringen Migrantenanteil die Verteilung stärker segregiert, die Migranten leben häufiger in Nachbarschaften mit einem großen Migrantenanteil. Wohlhabende Nachbarschaften mit einem kleinen Ausgangsmigrantenanteil in segregierten Städten neigen also zu AfD-Zustimmung.

Generell fördert Segregation Einheimische - Migranten die Zustimmung zu rechtsextremen Parteien.

Die Autoren fassen zusammen, daß in ärmeren Nachbarschaften der Grad der Armut die hauptsächliche Erklärung für die Zustimmung zu rechtsextremen Parteien ist, in wohlhabenden Gegenden ist es dagegen typsch der geringe Ausgangs-Migrantenanteil, der für die dortigen Bewohner das Risiko von einem Akkulturierung-Stress mit sich bringt.

Damit folgern sie, daß es nachteilig ist, die Last der Integration von Migranten ärmeren Nachbarschaften aufzubürden.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #afd #sverigedemokraterna #schwedendemokraten #kontaktthese

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Almahfali, M.; El-Husseini, R.:"Exploiting Sociocultural Issues in Election Campaign Discourse: The Case of Nyans in Sweden",(Societies, 2023, 13, 257)

Das Hauptthema der Studie ist die Partei NYANS, die sich als Migrantenpartei versteht. Gegründet wurde diese Partei 2019 von dem türkischstämmigen Politiker Mikail Yüksel, mit dem Fokus auf die muslimische Wählerschaft.

In Wahlbezirken mit einem hohen Migrantenanteil kam 2022 NYANS auf bis zu 30% der Wählerstimmen, besonders in segregierten, low-income Gebieten. Allerdings nur in sozialen Brennpunktgebieten, was darauf hindeutet, daß NYANS nicht dem mainstream in der migrantischen Gemeinschaft entspricht.

NYANS stellt sich als Interessenvertretung von Minoritäten hin, als Kämpfer gegen Afrophobie, Islamophobie, gegen Diskriminierung... Jedoch wird diese Partei von Journalisten enger Bindungen an Erdogan, des Islamismus, und der Konspirationstheorien verdächtigt.

Gegenwärtig ist NYANS eine von mehreren kleineren Parteien in der EU, die sich als Vertreter islamischer Minoritäten verstehen. Zum Beispiel die Islampartei in Belgien, NIDA und DENK in den Niederlanden.

In der Studie wird ausgeführt, daß die Partei NYANS sich in ihren Diskursen an die soziokulturelle Richtung der extremen Rechten anlehnt, wenngleich der ideologische Bezugspunkt im Islamismus liegt.

Von der extremen Rechten werden Themen wie Unterdrückung im Namen der Ehre, Zwangsheirat, weibliche Genitalverstümmelung, Segregation und Parallelgesellschaft in die Öffentlichkeit gebracht. NYANS auf der anderen Seite widmet sich den gleichen Themen, jedoch aus islamischer Sicht.

Bei der Gemeinsamkeit der Themen unterscheiden NYANS und die Schwedendemokraten (SD) sich hinsichtlich der Themenverwendung, der Zielgruppen und des kulturellen Kontextes. Insgesamt liefert das Thema Migration sowohl für die SD, als auch für NYANS die Kernthemen.

Bei der Analyse des Wahlkampfes von NYANS spielen die sozialen Medien eine besondere Rolle. Soziale Medien spielen bei neuen Parteien eine große Rolle. weil Neuwähler gezielt angesprochen werden können. Unter Umgehung der etablierter Medien und Politik können die Wähler sich so direkt über diese Parteien informieren.

Die Analyse von NYANS wird mit der Methode der Kritischen-Diskurs-Analyse (CDA) ausgeführt. Als Datenquelle werden die arabisch- und schwedischsprachigen socialmedia-Einträge in dem Monat vor der Parlamentswahl 2022 herangezogen.

Die CDA betont den Zusammenhang zwischen Diskursen und Macht, Ideologie, Institutionen und sozialen Identitäten. Der Fokus auf Ungleichheit und Dominanz hat seinen Ursprung in der Bearbeitung sozialer Themen.

Die Analyse von Diskursen ist notwendig, um die Realität zu erfassen; die politische Bedeutung von Institutionen, nationale Identitäten, Menschenrechtsdiskurse. Betrachtet werden strukturelle Eigenschaften sprachlicher Äußerungen, aber nicht so sehr die damit verbundenen sozialen Ideen.

Im Vordergrund steht das Interesse, die dominanten Themen herauszuarbeiten. Ziel ist es auch, Themen sichtbar zu machen, die leicht übersehen werden, manchmal auch von Entscheidungsträgern, insbesondere dann, wenn eine Dekonstruktion der pronlematischen Diskurse angebracht ist.

Neben den Versuchen politischer Parteien, die Wähler mit Aufmerksamkeit erregenden Themen zu erreichen, wird auf die Methode des framing zurück gegriffen: Exklusion und Selektion. Themen werden hervorgehoben oder versucht totzuschweigen. Das zu analysieren versucht die CDA.

Mit der Analyse der Medien ist das Thema Repräsentation verknüpft. Damit ist die Wirkmächtigkeit von Zeichen, Sprache, Bildern gemeint, um eine Sicht auf die Welt zu vermitteln. Manche politische Themen werden hervorgehoben, andere versucht tot zu schweigen. Z.B. crime und gender. Defizite bei der Repräsentation können zu aufgeregten Debatten führen, sowohl in den klassischen Medien, als auch in den sozialen Medien.

Für diese Studie ist besonders die Untersuchung der Repräsentation von Minoritäten in den Medien relvant, weil traditionell ein verengter Blick vorherrscht und die Darstellung von Minoritäten durch Stereotypen gekennzeichnet ist, mit einer verengten Perspektive und zur Generalisierung neigend.

Mit den beschriebenen Analysewerkzeugen erhalten die Studienautoren das Ergebnis, daß soziokulturelle Themen wie Koranverbrennung, angebliche Kindesentführung durch schwedische Behörden, Hijab, Beschneidung von Jungs, oder Islamophobie in der medialen Selbstdarstellung von NYANS überwiegen.

Andere Themen, wie soziale Wohlfahrt, Energieversorgung, Wirtschaft haben dagegen nur geringe Bedeutung bei NYANS in der Wahlkampgne von 2022.

Mit dem 'framing' sind Mechanismen thematischer Fokussierung und Exklusion anderer Themen verbunden. Bei der Analyse stellt sich heraus, daß NYANS sich verstärkt an konservative Muslime richtet, die von der Furcht getrieben sind, daß ihre religiösen Glaubensätze Schaden nehmen könnten.

Ein anderes Ergebnis ist, daß NYANS während der Wahlkampagne 2022 sehr deutlich den linken Parteienblock, besonders Linkspartei & Sozialdemokraten, für ihre angeblich strengere Politik gegen Migrangen und Muslime, angreift. Die extreme Rechte wurde dagegen nicht kritisiert.

Themen der anti-linken Propaganda sind z.B. Schleierverbot, Koranverbrennung, Arbeit gegen Gewalt im Namen der Ehre, Kindererziehung. Dabei spielt ersichtlich auch die Konkurrenz mit linken Parteien eine Rolle, weil traditionell Migranten vielfach diese Parteien wählen.

Die Studienautoren bemerken, daß trotz des vorgetragenen Engagement für Minoritäten, es vor allem muslimische Minoritäten sind, die adressiert werden. Die Form der Ansprache ist dabei emotionalisiert. Nach Meinung der Autoren werden vor allem arabischsprachige Migranten angesprochen, die nach 2015 Schweden erreichten.

In der Repräsentation von NYANS durch Symbole, Sprache und Bilder sind besonders verschleierte Frauen sehr hervorgehoben. Das steht im Gegensatz zu der Diversität in der muslimischen Gemeinschaft Schwedens. Damit wird zudem eine exkludierende Strategie gegenüber nicht muslimischen Minoritäten Schwedens sichtbar.

Themenwahl bei der Wahlkampagne 2022 und die inhaltlichen Positionen deuten darauf hin, daß NYANS von außen die Institutionen von Schweden in Frage stellt. Mithin nimmt NYANS den Charakter einer nichtschwedischen Partei an. Die Wähler von NYANS werden damit in eine Position gedrängt, wo sie als Individuen dem Land Schweden gegenüberstehen, jedoch nicht als schwedische Staatsbürger.

Die Autoren konstatieren Unterschiede zwischen der offiziellen programmatischen Selbstdarstellung und den Diskursen, die auf die Zielgruppenn von NYANS fokussieren. So wird offiziell die Verteidigung von allgemeinen Rechten der Minderheiten proklamiert, zielgruppenorientiert jedoch die politische Linke Schwedens attackiert. Weil der linke Block vielfach Migrationsthemen aufgreift, ähnelt somit der Auftritt von NYANS dem agieren der extremen Rechten. Die wiederum wird in den Auftritten von NYANS ignoriert, genauso wie die allgemeine, nichtmigrantische Öffentlichkeit.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #nyans #sverigedemokraterna #schwedendemokraten #afd

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Oliver Filipov Madjar & Joel Kvarnsjö: "Nyanser i partiet Nyans: en induktiv tematisk analys av partiet Nyans", (Lunds Universitet, 2022)

Die Studie behandelt die 2019 gegründete Partei NYANS. Die Partei stellte sich erstmals 2022 zur Wahl und konnte zwei Vertreter in die Kommunalvertretungen entsenden. In einigen Großstadtbezirken erhielt sie 20 % der Stimmen.

Im Gegensatz zu den rechtspopulistischen Schwedendemokraten ist NYANS die erste Parteineugründung seit langer Zeit, die sich außerhalb des bestehenden Gesellschafts- und Politiksystems positioniert.

NYANS wird kritisiert, z.B. als eine Bedrohung für die offene Gesellschaft (M. Johansson, Sozialdemokratie und sehr einflußreicher Minister bis 2022), oder als eine Bedrohung für die Demokratie (M. Malmer Stenergard, Konservative und seit 2022 Ministerin). Auch wird befürchtet, daß NYANS das Recht zur öffentlichen Meinungsäußerung gefährden könnte.

Die Studie untersucht die Beziehung NYANS zur liberalen Demokratie im Zeitraum September 2020 - 30.11.22. Es gibt viele Zeitungsartikel darüber, aber nur wenige wissenschaftliche Arbeiten. Das Thema ist für die EU relevant, weil es neben NYANS noch andere Parteigründungen gibt, z.B DENK in den Niederlanden.

NYANS ist eine der ersten Parteien, die nicht aus Autonomiebestrebungen autochthoner Minderheiten entstanden ist, sondern von Migranten der jüngeren Geschichte. NYANS zielt nicht auf Separatismus u.ä,, sondern auf Gesetzesänderungen zu Gunsten von Minoritäten.

Die Studienautoren arbeten nach den Richtlinien des schwedischen Wissenschaftsrates. Zu beachten sind "Respekt" und "Verantwortung". Beides ist nach den Autoren gegeben, weil sie nicht einzelne Personen bloßstellen, sondern auf eine theoretische Weise die Relation zur liberalen Demokratie untersuchen (Respekt); und weil ihre Forschung nicht gegen irgendetwas gerichtet ist, sondern wissenschaftliche Kenntnisse über neue Parteien in Schweden und Europa erweitern möchte.

Die Autoren folgen der Beschreibung der liberalen Demokratie durch den US-Politologen Robert Dahl. Für Dahl sind die Kriterien: Effektive Mitbestimmung, gleiches Stimmrecht, informiertes Sachverständnis[?] "upplyst förstående", Kontrolle über Sachentscheidungen, Inklusion aller Erwachsenen. Mit der effektiven Mitbestimmmung ist auch das Recht der freien Meinungsäußerung verbunden.

Der lange Arm Erdogans: Dieser Begriff ist in den Niederlanden geprägt worden und bezieht sich auf die Versuche, aktiv die Politik in Westeuropa zu beeinflussen, durch Proklamationen und Aktionen in der EU. So wird darauf hingewiesen, daß Erdogan die Islamisierung Europas fordert.

Die Autoren arbeiten mit der Methode der quantitativen Themenanalyse nach Braun & Clarke. Die Autoren haben sich für die induktive Form entschieden, um unvoreingenommen aus dem empirischen Material thematische Strukturen zu entwickeln. Zu der Entscheidung für die induktive Methode hat auch der Mangel an wissenschaftlichen Arbeiten über NYANS beigetragen, und der grundsätzlich flexiblere Umgang mit dem empirischen Material.

Bei der Durchführung der Forschung sind die Kriterien Validität und Reliabilität zu erfüllen. Die Autoren verwenden ein alternatives Konzept von Validität und Reliabilität nach Quinn, Patton, Michael, 'trustworthiness', mit den Kriterien 'Glaubwürdigkeit', 'Übertragbarkeit', 'Verläßlichkeit', ['Folgerichtigkeit'] 'bekräftelse' und 'Nachprüfbarkeit'. Erläuterungen dazu finden sich in der Studie.

Mit dem Kriterium 'Glaubwürdigkeit' sind wiederum die vier Formen der 'Triangulierung' verbunden: Theorie-T., Methoden-T., "undersöknings-T "[Community-T.], Datenquellen-T. Auch diese Begriffe werden in der Studie näher erläutert.

Resultat:
Bei der Auswertung der Einträge in den sozialen Medien fanden die Autoren drei Cluster:
1. Islamophobie, Mißtrauen gegen schwedische Institutionen, Koranverbrennungen und angebliche Islam-Feindschaft des Staates,
2. Selbstdarstellung von NYANS, um sich in der Wahrnehmung der Wähler und des Establishment als glaubwürdige und kompetente Kraft zu legitimieren,
3. Themen wie Völkermord, Rechte, Diskriminierung und Geschichte der Minoritäten, insbesondere von Minoritäten in Schweden, z.B. der Samen.

'Mißtrauen' ist nicht nur mit dem LVU-Thema verkinüpft [Behörden entführen angeblich muslimische Kinder, um sie in LVU-Heimen einzusperren], sondern auch mit der Rolle des Staates und der Polizei bei den Koranverbrennungen. NYANS fordert, Koranverbrennungen als Rassismus und Hetze gegen eine Volksgruppe unter Strafe zu stellen, im Gegensatz zu dem in Schweden gültigen Prinzip der Freiheit zur Meinungsäußerung.

Der Cluster 'Selbstdarstellung' beinhaltet nicht nur Selbstlegitimierung, sondern auch den Versuch, speziell mit den schwedischen Sozialdemokraten bei dem Thema Minderheitenrechte zu konkurrieren, und weil etliche sozialdemokratische Politiker zu NYANS gewechselt sind. Damit stellt sich NYANS als eine Alternative zu den Sozialdemokraten hin.

Der dritte Cluster 'Völkermord' beinhaltet viele Beiträge in den sozialen Netzwerken über die Geschichte des Völkermordes, besonders auch das Thema Srebenica und die Verbrechen an den Bosniern, aber auch das Thema Antisemitismus. Antisemitismus soll nach NYANS ein eigener Straftatbestand in Schweden werden.

In diesem dritten Cluster wird auch die behauptete Diskriminierung der Muslime in Schweden behandelt. Die islamischen Feiertage sollen bezahlte Feiertage werden, und Muslime zu einer staatlich anerkannten Minortätengruppe in Schweden. Weiterhin sollen religiöse Freischulen mehr Autonomie gegenüber staatlichen Kontrollen bekommen.

Das Thema Israel und Palästina läßt sich nicht eindeutig einem Cluster zuordnen. NYANS befürwortet eine diplomatische Distanzierung sowie Boykottmaßnahmen gegenüber Israel und meint, daß Israel angesichts der Unterdrückung der Palästinenser keine echte Demokratie ist. Die doppelten Standards Schwedens und der Welt gegenüber Ukraine und Palästina werden kritisiert.

Der Vergleich der offiziellen Internetseit mit den offiziösen Beiträgen in den sozialen Medien zeigt Differenzen. Etliche Themen der Internetseite finden sich nicht in den sozialen Medien, oder sind kaum vertreten: Afrophobi, Wohnungen, EU, Wirtschaftsunternehmen, Ordnung & Sicherheit, Rente, Rentenbesteuerung, Gesundheit. Die Internetseite fungiert damit eher als Außendarstellung, und gibt nicht so sehr die interne Meinungsbildung wieder. Die Beiträge in den sozialen Medien können dagegen besser auf gesonderte Wählergruppen fokussieren.

'Erdogans langer Arm' ist in der schwedischen Internetdarstellung wenig sichtbar, allerdings gab es Versuche von NYANS, in der Türkei Wähler und Unterstützung zu mobilisieren.

Die Ausgangsfrage der Studie - das Verhältnis von NYANS zur liberalen Demokratie - beantworten die Autoren so, daß nach den Kriterien von R. Dahl keine Widersprüche zu erkennen sind.

Allerdings geben die Autoren zu bedenken, daß die Kriterien von R. Dahl möglicherweise die schwedische Demokratie nicht präzise umreissen. So ist für die schwedische Demokratie das Vertrauen in die staatlichen Behörden und das Recht auf die freie Meinungsäußerung von grundlegender Bedeutung. Gegen diese beiden Säulen der Demokratie opponiert NYANS. Die Autoren weisen auch darauf hin, daß NYANS bei der Parlaments- und Kommunalwahl Wahlfälschungen behauptet hat. Auch das ist geeignet, Vertrauen zu zerstören.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #nyans #sverigedemokraterna #schwedendemokraten #afd

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Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei herungergeladen werden):
André Nord: "Partiet Nyans ideologiska motvilja", (Linné universitet, 2023)

In der Studie wird das ideologische Profil der vor einigen Jahren gegründeten Partie "NYANS" untersucht. Der Gründer dieser Partei, Mikael Yüksel, gehörte früher der Zentrumspartei an, wurde aber der Zusammenarbeit mit den türkischen "Grauen Wölfe" verdächtigt und aus der Partei ausgeschlossen.

Die Partei NYANS bestreitet, ideologisch oder islamistisch orientiert zu sein. Beide Aussagen stehen im Widerspruch zu der öffentlichen Wahrnehmung, bzw den Zuschreibungen. Yüksel verweist auf das politwissenschaftliche Modell ideologischer Konvergenz, wonach die ideologischen Positionen der Parteien sich immer ähnlicher werden. NYANS sieht er als Versuch, der bestehenden schwedische Politik neue Nuancen zu geben.

In der Wahl 2022 war diese Partei die größte der im Landesparlament nicht vertretenen Parteien. Möglicherweise war ihr relativer Wahlerfolg der Grund, weshalb die Sozialdemokratie zusammen mit ihren Bündnispartnern die erforderliche Stimmenanzahl verfehlte. Weiterhin gelang es NYANS, drei Mandate in Kommunalvertretungen zu gewinnen.

Der Zustrom von muslimischen Migranten nach Schweden und Westeuropa führt zu einer stärkeren Aufmerksamkeit für die Rechte von Minderheiten und deren Integration. Neben NYANS wird als Beispiel DENK in den Niederlanden genannt, ebenfalls mit einem türkischen Gründer und mit einem Hintergrund in der Sozialdemokratie.

Nach Eigendarstellung sind DENK und NYANS Türkei-freundlich, antirassistisch, für Minoritäten und für eine offene, tolerante Gesellschaft. Der Erfolg von DENK wird erklärt durch die Indifferenz der alten Parteien in den NL gegen die Gruppe muslimischer Wähler, den schleichenden Rechtsruck und die säkularen Positionen dieser Parteien.

Desgleichen werden diese Wähler durch LGBTQ & Co. abgeschreckt, ohne daß für diese konservativen Wähler aus der Türkei und Marokko die konservativen Parteien mit ihrer Migrations- und Islamkritik eine Alternative wären. Umgekehrt gilt DENK als die migrationsfreudigste Partei.

In dem GAL-TAN-Schema wird DENK als überwiegend konservativ, traditionell, autoritär und nationalistisch eingestuft, im Gegensatz zu "Grün, alternativ und liberal". Auf der ökonomischen Skala dagegen eher liberal. Der Autor beklagt, daß für die schwedische NYANS keine vergleichbaren Informationen vorliegen.

Zurück nach Schweden und zu NYANS:
In der noch jungen Geschichte von NYANS wird vermerkt, daß sie 2022 zusammen mit Extremisten und Islamisten eine Desinformationskampagne gegen Schweden vorangetrieben hat. Es wurde behauptet, daß die Behörden muslimische Kinder kidnappen und in Kinderheimen einsperren. Daraus folgte eine bedrohliche Sicherheitslage in Schweden und für schwedische Auslandsvertretungen und -Einrichtungen.

Für seine Studie untersucht der Autor die seiner Meinung nach in Schweden dominanten Ideologien SOZIALISMUS, LIBERALISMUS, KONSERVATIVISMUS, NATIONALISMUS, FEMINISMUS in ihrer Beziehung zu dem Parteiprogramm von NYANS. Dazu kommen die nach seiner Meinung unbedeuterenden Ideologien ISLAMISMUS und IDENTITÄTS-POLITIK.

Jede dieser Ideologien wird durch "Dimensionen" detailliert, in denen grundlegende Fragen von der jeweiligen Ideologie geklärt werden: NATUR_DES_MENSCHEN, FREIHEIT, STAAT, MARKT, WICHTIGSTE_BAUSTEINE_GESELLSCHAFT. Allerdings gelten diese Dimensionen nur für die angegebenen dominanten Ideologien.

Für die beiden verbleibenden Ideologien Islamismus und Identitätspolitik werden die eben genannten Dimensionen ersetzt durch: (Islamismus) ISLAMISCHER_STAAT, SHARIA_GESETZE, REVOLTE_GEGEN_WESTEN, FUNDAMENTALISMUS. Und (Identitätspolitik) STÄRKUNG_GEWISSER_SOZIOKULTURELLER_GRUPPEN, GLEICHBEHANDLUNG_ANSTELLE_CHANCENGLEICHHEIT, FOKUS_MINDERHEITENRECHTE.

Der Grund für die unterschiedlichen Dimensionen der beiden Ideologie-Gruppen liegt darin begründet, daß mit ökonomischen und politikwissenschaftlichen Modellen der Islamismus und die Identitätspolitik nur unzureichend beschrieben werden kann.

Mit dieser Struktur meint der Autor, auf systematische und reproduzierbare Weise die Position von NYANS analysieren zu können.

Für die empirische Auswertungen werden die Internetseite der Partei und Interviews in Medien zu insgesamt 81 politischen Themen herangezogen. Die dort gefundenen Aussagen werden mit den Merkmalen der etablierten Ideologien verglichen, ohne daß die Partei selbst ein ideologisches Programme formuliert.

Als Resultat stellt der Autor fest, daß trotz Fehlens eines expliziten, begründeten Parteiprogramm das von ihm verwendete Analyseschema über die 81 Themenbereiche ein konsistentes Ergebnis liefert. Demnach hat NYANS ideologisch die meisten Gemeinsamkeiten mit der Identitätspolitik.

In der Studie wird noch angemerkt, daß die Einstufung von Identitätspolitik als Ideologie umstritten ist. Sie dient eher zum Verständnis von Unterdrückung und Marginalisierung. Überdies kann es Überschneidungen geben, z.B in Gestalt feministischer Identitätspolitik.

Wenn jeodch Identitätspolitik eher als Strategie, Analysemethode oder Aktivismus betrachtet wird - und nicht als Ideologie - dann liefert die Studie als Resultat, daß NYANS die engste Bindung zur Ideologie des Liberalismus hat. Deutlich bei der Betonung von Individualismus und individueller Perspektiven.

Dagegen gibt es wenig Verbindung von NYANS mit dem Staatsverständnis der sozialistischen Ideologie, der Akzeptanz von Segregation wie bei der nationalistischen Ideologie oder der Wertschätzung von Zivilgesellschaft und Kameraüberwachungen wie bei der konservativen Ideologie.

Der Autor kann nur wenige Berührungspunkte von NYANS mit der Ideologie des Islamismus entdecken, höchstens im Zusammenhang mit der Kritik der Gotteslästerung. Allerdings, so der Autor, gibt es auch Konservative, die z.B Fahnenverbrennungen ablehnen, aber trotzdem für die Meinungsfreiheit sind.

Zum Schluß wird noch das Engagement von NYANS für die Rechte von Minoritäten, besonders von muslimischen Minoritäten erwähnt. NYANS spricht sich dabei u.a. für positive Diskriminierung und Kvotierung aus. Auch soll die Selbstorganisation und Selbstrepräsentation in diesem Bereich anerkannt werden. Insgesamt erfüllt NYANS damit alle Kriterien der identitätspolitischen Ideologie.

Die Frage der Verbindungen NYANS zu den türkischen Grauen Wölfen wäre nach Meinung des Autors für zukünftige Untersuchungen interessant. Er meint, daß das Fehlen eines starken Nationalismus bei NYANS gegen die These des "Islamo-Faschismus" spricht.

Auch wäre die Untersuchung der Wählerbasis von NYANS interessant.

In der Studie werden die Positionen von NYANS zu den einzelnen Dimensionen der Ideologien skizziert. Zum Beispiel Freiheit, Markt, Staat, ... In dieser Zusammenfassung werden Ausführen darüber weggelassen.

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Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
M. M. Mohammadi: "En växande väljargrupp. En kvantitativ studie av Sverigedemokraternas sympatisörer med utländsk och utomeuropeisk bakgrund", (Uppsala Unviversitet, 2024)"

Ausgangssituation der hier zusammengefaßten Studie ist der kontinuierlich wachsende migrantische Bevölkerungsanteil in Schweden, und parallel dazu die zunehmende Akzeptanz der rechtspopulistischen Partei der Schwedendemokraten (SD), die für ihre migrationskritische Positionen bekannt ist.

In der Studie werden die Unterschiede zwischen Migranten untersucht, die Symphatien für die rechspopulischen Schwedendemokraten (SD) haben, im Vergleich zu jenen, die andere politische Parteien präferieren.

In früheren Untersuchungen werden die SD-Symphatisanten folgend charakterisiert: geringqualifiziert, einwanderungskritisch, männlich, aus der Arbeiterschicht oder arbeitslos, weiß-schwedisch, mit einer "anti-Establishment"-Haltung, oft aus ländlichen Gegenden.

Nach der Parlamentswahl 2014 kam es nicht nur zu einem sehr deutlichen Stimmenzuwachs bei den Schwedendemokraten, sodern auch zu einer Angleichung der Wählerstruktur an den Bevölkerungsdurchschnitt, allerdings weiterhin mit Überrepräsentation der Arbeiter, Unterrepräsentation von Angestellten.

Der Fortgang der Wahlerfolge der SD führte von der urspünglichen Ausgrenzungstrategie der anderen Parteien zu Formen der Kooperation bei der parlamentarischen Arbeit und Regierungsbildung. Die Wähler der SD sind jetzt keine Protestwähler mehr.

Generell gibt es die Regel, daß die schwedische Linkspartei und die Sozialdemokraten den größten außereuropäischen migrantischen Wähleranteil haben. Linkspartei und Sozialdemokraten werden von den meisten außereuropäischen Migranten gewählt.

Die Untersuchung stützt sich auf die Nachwahl-Befragungen "VALU" des schwedisch-öffentlichen Fernsehens SVT. Demnach haben 16 % der ersten Einwanderungsgeneration 2022 für SD gestimmt, bei der zweiten Generation waren es 22% [ca. Bevölkerungsdurchschnitt]. Migranten von außerhalb der EU stimmten mit ca. 14 % für die SD.

Der Studienautor betont die Bedeutung der Sozialisierung auf das Wahlverhalten. Sozialisierung durch die Eltern, gegebenfalls im Ursprungsland; (Um-)sozialisierung in Schweden durch die Lebensumgebung, Schule, Arbeitsplatz. Allerdings auch durch die Wahrnehmung von Segregation und sozioökonomischer Unterschiede.

Die Auswirkungen der Sozialisierung, die i.a. über lange Zeiträume das Wählerverhalten prägen, finden ihre Begrenzung durch kurzzeitige Verhaltensänderungen, die mit Individualismus, wechselnden Politikerpräferenzen und aktuellen Sachfragen zu zun haben.

Weiterhin spielen soziale Grenzlinien eine Rolle. Beruf-, Ausbildung-, Einkommen-, Wohnort-, Ort der Kindheit tragen zu dem politischen Wählerverhalten bei. In Schweden ist besonders ausgeprägt der Beruf. Und schließlich auch die ideologische Prägung.

Für Migranten kommt noch die Prägung durch das Ursprungsland - Werte und politisches System - sowie die Aufenthaltsdauer im Zielland hinzu.

Der Autor beschreibt, wie er zur Durchführung der Studie sich sowohl der deskriptiven Statistik, wie auch der bi- und multivariaten Regressionsanalyse bedient.

Nach seiner Definition ist für den Studienverfasser ein Ausländer eine Person, die entweder selbst im Ausland aufgewachsen ist, oder dessen beide Eltern. Damit soll dem Faktor der Sozialisierung besser Rechnung getragen werden.

Der Autor beklagt, daß für seine Untersuchung nur wenige Daten zur Verfügung stehen, besonders was außereuropäische Migranten betrifft. Dazu kommt das Problem, daß die Daten nicht zwischen der Herkunftsregion außereuropäischer Migranten unterscheiden.

In der Untersuchung wird dem gesellschaftlichen Vertrauen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Autor beschränkt sich auf das Vertrauen gegenüber Behörden, weil dort seiner Meinung nach die intensivste Beziehung zu den Bürgern vorherrscht.

Deskriptive Statistik:
Im Ergebnis wird festgestellt, daß SD-Wähler mit Migrationshintergrund weniger Vertrauen zu Politikern und Behörden haben, und sich mehr als Nationalisten und rechtsgerichtet sehen. Die Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen ist stärker als bei den Wählern anderer Parteien.

Im Wesentlichen trifft das auch für außereuropäische Wähler zu, die überdies eine etwas geringere Berufsqualifikation aufweisen. In beiden Migrantengruppen sind Arbeiter stärker vertreten als bei den Wählern der anderen Parteien. Die Kritik gegenüber der Aufnahme von Flüchtlingen ist ebenfalls beiden Gruppen gemeinsam.

Zusätzlich werden in der Studie bivariate Regressionsanaöysen für jede unabhängige Variabel durchgeführt:
Für Migranten allgemein finden sich die gleichen Ergebnisse wie mit der deskriptiven Statistik. Die Faktoren, die mit einer Wahlpräferenz für die SD korrellieren: geringes Vertrauen, politisch rechts, Nationalismus, Kritk an Flüchtlingsaufnahme, geringere Berufsqualifikation, Tätigkeit als Arbeiter. Zusätzlich wird hervorgehoben, daß niedriges Einkommen oft mit einer Wahlpräferenz für die Schwedendemokraten verbunden ist.

Die Ergebnisse für außereuropäische Migranten sind: geringes Vertrauen, Orientierung politisch nach rechts und Kritik an der Aufnahme von Flüchtlingen. Dagegen spielen Nationalismus und die Berufsqualifikation bei der Gruppe außereuropäischer Migranten keine herausgehobene Rolle.

Es wird eine Verbindung hergestellt zu dem durchgängigen Befund eines geringen Behördenvertrauens und der der Sozialisierungstheorie. Demnach haben Personen, die im Ausland aufgewachsen sind, typisch ein geringeres Vertrauen. Diese Einstellung wird oft an die zweite Generation weitergegeben.

Umgekehrt können sich durch die späteren Sozialisierungsphasen in der Schule und am Arbeitsmarkt die politischen Einstellungen und Parteipräferenzen verändern und an die übrige Gesellschaft angleichen. Allerdings machen sich dabei auch Effekte der Arbeitsmarktkonkurrenz mit Flüchtlingen bemerkbar, weil die Wähler der extremen Rechte oft einen niedrigeren ökonomischen Status haben.

Die Ergebnisse der multivarianten Regressionsanalyse modifizieren einige dieser Ergebnisse, werden aber hier nicht zusammengefaßt.

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Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Viktor Bergesen: "RÖSTAR INVANDRINGSKRITISKA INVANDRARE OCKSÅ PÅ INVANDRINGSKRITISKA PARTIER? En kvantitativ studie av personer med invandrarbakgrunds röstning invandringskritiska partier", (Göteborgs Universitet, 2023)

Seit den 1980er Jahren nimmt die Migration zu. Migrantische Gemeinschaften bekommen zunehmend politische Relevanz. Ca. 15% der Schweden haben einen außereuropäischen Hintergrund. Das Interesse an dem Politikverhalten dieser Gruppe wächst.

Gegenwärtig unterstützen ca. 10% der außereuropäischen Migranten die als rechtsextrem und migrationskritisch angesehenen Schwedendemokraten. Über die Jahre gab es fast kontinuierlich eine Zunahme der Zustimmungswerte.

Mit dem Vordringends rechtsextremer Parteien hat diese schwedische Untersuchung Relevanz auch für Deutschland, Frankreich und Italien. Allerdings ist das Forschungsgebiet gegenwärtig noch unterentwickelt.

Die Tendenz von Migranten, eher links zu wählen, wird mit dem Klassenansatz durch die Zugehörigkeit zu einer niedrigeren Klasse erklärt. Allerdings kaum treffsicher bei Migranten mit unterschiedlichem Bildungsniveau.

Es wurde gezeigt, daß gut integrierte Mitglieder der ersten / zweiten Migrantengeneration sich oft in der Ablehnung der Migration kaum von einheimischen Mitgliedern der "in-Gruppe" unterscheiden.

Es wird beobachtet, daß mit dem Wechsel aus einer Mehrheitsgruppe im Herkunftsland zum Zielland und einer Verschlechterung der sozialen / wirtschaftlichen Verhältnisse sowie einer niedrigeren Stellung in der ethno-Hierarchie sich das Wahlverhalten von rechtsextrem zu links verändert.

Ein weiteres Phänomen ist das "ethnische Absitmmungsverhalten": Es wird für Vertreter der eigenen Ethnie gestimmt. Wenn diese dem linken Spektrum zugehören, ergibt sich daraus ein allgemeines linkes Wahlverhalten in der Gruppe.

Rechtsextremes Wahlverhalten.
Nach dem ethnischen Konkurrenzmodell ist die Angst vor Konkurrenz auf dem Arbeits- Wohnungs- Heiratsmarkt und staatlichen Wohlfahrtsleistungen bestimmend. Besonders gering qualifizierte Personen sind dafür anfällig; wird postuliert.

Risiko-Modell: Die Angst vor Einkommens- und Arbeitstellenverlust durch Migration. Typischerweise greift die Betroffenheit auf alle Mitglieder eines Haushalts über.

Bedrohungsmodell: Gruppen mit niedrigem sozialen Status und einer Stellung auf unteren Stufen der ethnischen Hierarchie werden als Bedrohung wahrgenommen. Begünstigt wird das durch wenige Kontakte zwischen den Gruppen.

Es gibt Anzeichen, daß rechtsextremes Wahlverhalten in Migrantengruppen durch das Konkurrenzmodell teilweise beschrieben werden kann. Oft dominieren Berufsgruppen mit niedrigen Anforderungen an Ausbildung und sozialem Kapital.

Ethnische Konkurrenz ist ein anderer Erklärungsansatz. Das Bestreben, die eigene Stellung in der ethnischen Hierarchie zu erhalten. Insgesamt bekommen traditionelle Regeln über gut-schlecht, oben-unten eine neue Komplexität. Konkurrenz, Unsicherheit und Neid.

Die Integration von Migranten in die Mehrheitsgesellschaft, beispielsweise durch gute Sprachkenntnisse, kann zu der Übernahme eines rechtsextremen Wahlverhaltens in einer migrantischen Gruppe führen.

Erfolg rechtsextremer Parteien.
Zum Beispiel durch Distanzierung von Rassismus & Radikalität. Zugang zu breiteren Wählerschichten anstelle der früher engbegrenzten rechtsradikalen Milieus. Mit der Akzeptanzverbesserung wird die Abgenzungstrategie der traditionellen Parteien erschwert und die Übernahme rechtsextremer Positionen befördert. Weitere Akzeptanzverbesserung und Etablierung eines übergreifenden rechtsextremen Diskurses.

Die Untersuchung stützt sich auf die Nachwahl-Befragung "VALU" des schwedischen öffentlichen Fernsehens SVT. Der Autor beklagt, daß die Gruppe der außereuropäischen muslimischen Wähler schwierig ist zu befragen; und den Mangel statistischen Materials.

Die Auswertung erfolgt mit der Methode der linearen Regression "OLS", und - sachlich besser angepaßt - mit der Methode der logistischen Regression. Signifikanz-Niveau ist bei den üblichen 0.05 .

Vertiefend werden bei beiden Analysemethoden der Einfluß der "Kontrollvariablen" Geschlecht, Alter, Ausbildung und Arbeitsmarktsituation mit berücksichtigt. Getestet wird auf die Hypothesen Einwanderungskritisch -> Wahl von Schwedendemokraten (H1), und außereuropäischer Hintergrund -> Wahl von Schwedendemokraten (H2).

Im Ergebnis wird festgestellt, daß bei einer kritischen Einstellung zur Einwanderung ein Migrant mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 40% für die Schwedendemokraten votiert, nahezu unabhängig von den Kontrollvariabeln.

Bei einem außereurpäischen Hintergrund ist die Wahrscheinlichkeit für die Schwedendemokraten-Option um ca 1/3 niedriger. Jedoch ist bei Berücksichtigung der Kontrollvariabeln diese Abnahme weniger eindeutig.

Die Untersuchung erfolgt vor dem Hintergrund, daß nach der schwedischen Statistikbehörde SCB ca. 10 Prozent der Einwanderer mit den Schwedendemokraten symphatisieren. [eher etwas mehr]. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die gesellschaftliche Integration von Migranten in Ländern mit einer starken Einwanderung zukünftig rechtsextreme Parteien begünstigen wird.

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Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Anna Almqvist, "Makteliten", (LO, Landsorganisationen i Sverige, 2024)

In dieser Studie werden die gesamten Einkommen der Eliten in Schweden betrachtet; nicht nur die Arbeitseinkommen, sondern auch Kapitaleinkünfte und Nebeneinkommen, z.B. durch Aufsichtsratmandate. Das Zahlenmaterial liefert die schwedische Finanz- und Steuerbehörde.

Als Argument für diese umfassendere Sicht auf die Einkommen der Eliten wird angeführt, daß hochbezahlte Tätigkeiten zu einem Vermögensaufbau beitragen können, aus dem heraus bedeutende Kapitaleinkünfte generiert werden können.

Als Vergleichsgöße für die Eliteneinkommen wird der durchschnittliche Lohn einers Industriearbeiters gewählt. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, daß langreichende Zeitreihen zur Verfügung stehen. Allerdings sind Industriearbeiter durchschnittlich besser gestellt als andere Arbeiterberufe, z.B. schlecht entlohnte Pflegekräfte.

Die höchsten Löhne finden sich in der ökonomischen Elite, d.h. bei den Vorstandsposten der Privatwirtschaft. Niedriger sind die Löhne staatlicher und teils-staatlicher Unternehmen. Allerdings gibt es seit den 1990er Jahren eine Tendenz der Angleichung der Löhne im staatlichen Bereich an die Löhne der Privatwirtschaft.

Der Studie liegt eine Auswahl von 12 gesellschaftlichen Berufsbereichen zu Grunde, z.B. Wirtschaft, Universitäten, Medien, Verbände, Kommunen. Allerdings lassen die niedrigen Fallzahlen in diesen Gruppen keine statistische Auswertung zu. Deshalb Zusammenfassung in:

Ökonomische Elite (Wirtschaft), Demokratische Elite (Gewählte Vertreter in der Politik, Verbände, Massenorganisationen), Bürokratische Elite (Angestellte "Beamte" der Behörden und auf Kommunalebene, Medien, Universitäten, staatliche Repräsentation "överhetssamhället"); aber auch die Chefs der staatlichen und kommunalen Unternehmen.

Die Einkommen in den Spitzen der ökonomischen Elite überragen bei Weitem die der beiden anderen Gruppen. Wenn man Ausreißer nach oben unberücksichtigt läßt, dann beträgt in der ökonomischen Elite das Einkommen durchschnittlich 67.2 Industriearbeiterlöhne im Jahr 2022.

Die bürokratische Elite liegt mit durchschnittlich 7.1 Industriearbeiterlöhne weit unter dem Niveau der ökonomischen Elite. Allerdings gibt es starke Unterschiede durch die hohen Einkommen von Großunternehmen der bürokratischen Elite, wie Vattenfall oder Telia (Kommunikation), PostNord mit 30 - 50 Industriearbeiterlöhnen.

Noch etwas niedriger sind die Einkommen der demokratischen Elite mit 4.2 Industriearbeiterlöhnen. Auch in dieser Gruppe gibt es eine Gruppe von Spitzenverdienern: Chef des schwedischen Wirtschaftsverbandes 17.2, und Chef der Konsumgenossenschaften 16 Industriearbeiterlöhne.

Im zeitlichen Verlauf zeigt sich in der Relation der Einkommen der Machtelite / Industriearbeiterlöhne ein Muster, das sich auch mit anderen Methoden nachweisen läßt. Anfang der 1950er Jahre hatten die Machteliten 11 Industriearbeiterlöhne, Anfang 1980er Jahre waren es 5, um 1995 war wieder der Ausgangswert von 1950 erreicht, und 2022 maximal.

Weiterhin fällt auf, daß die ekonomische Elite Einkommensteigerungen nach 1980 hatte, die nicht näherungsweise von der bürokratischen und demokratischen Elite erreicht wurde, also quasi eine Abkopplung. Die Einkommenssteigerungen der bürokratischen Elite sind allerdings größer als die der demokratischen Elite. Diagramm-2.3

Diagramm-2.4: Auch bei der bürokratischen und demokratischen Elite Einkommensminimum um 1980. Danach Einkommensverbesserungen, die bei der bürokratischen Elite ca. 5 Jahre früher einsetzte und stärker ausfielen als bei der demokratischen Elite. Ab ca 2005 Stagnation der bürokratischen Elite, gefolgt ca 5 Jahre später von der dem. Elite.

Diagramm-3.1: Ab ca. 1970 nahm der Frauenanteil in den Spitzenpositionen der demokratischen und bürokratischen Elite zu, in der demokratischen Elite ab 1980 mehr als in der bürokratischen Elite. Gegenwärtig Frauenanteil dort ca 50%, bzw. 40%. In der ökonomischen Elite Zuwachs erst ab ca 2005 auf gegenwärtig ca 18 Prozent.

Diagramm-3.2: Die Einkommensunterschiede Männer / Frauen sind in der ökonomischen Elite deutlich, Frauen verdienen in der Spitzengruppe ca 1/3 weniger. In der demokratischen und bürokratischen Elite nahezu ausgeglichene Spitzenverdienste Frauen / Männer.

Diagramm-3.4: Der Einkommensunterschied von Frauen / Männern in der Machtelite war um 1980 minimal. Mit dem deutlichen Ausbau der Einkommen in der ökonomischen Elite sind die durchschnittlichen Unterschiede in der gesamten Machtelite gewachsen, weil die demokratische / bürokratische Elite relativ niedrige Spitzenverdienste haben.

Diagramm-4.2: Spitzenverdienst der Gewerkschaftsorganisation LO. Bis 1970 eine leichte Aufwärtsentwicklung der Vergütungen, im Gegensatz zur übrigen Machtelite und auch der Wirtschaftselite. Der folgende Abwärtstrend setzte sich abgeschwächt auch nach 1990 fort, als die Wirtschafts- und übrige Machtelite steigende Spitzenverdienste erhielt. Gegenwärtig beträgt die LO-Spitzenvergütung ca 3.3 Industriearbeiterlöhne.

In dieser Studie werden die Einkommen der Machteliten im Verhältnis zu der Industriearbeiterschaft betrachtet. Vorteil: Es existieren lange Daten-Zeitreihen. Die Ergebnisse sind intuitiv und unter dem Gesichtspunkt der Ungleichheit eingängig.

Eine andere Methode, gesellschaftliche Ungleichheit zu beschreiben, fokussiert auf der Einkommensverteilung: z.B. welcher Anteil an den gesamten Einkommen hat die Gruppe der oberen 1-Prozent Topverdiener? Bei dieser Betrachtung wird nicht auf die Macht, sondern auf das Einkommen fokussiert.

Diagramm-6.1: Der zeitliche Verlauf der 1%-Einkommensverteilung hat ein Muster ähnlich dem Einkommen der Machtelite. Allerdings ist der Abfall bis 1980 schwächer ausgeprägt. Nach dem Jahr 2005 scheint das Einkommen der Machtelite stärker anzusteigen als das der 1-Prozent-Gruppe; soweit die Skalierungen im Diagramm diesen Schluß zulassen.

Eine besonders populäre Methode, die Ungleichheit zu beschreiben, liefert der GINI-Koeffizient. Gini = 0 entspricht völliger Egalität. Gini = 0.5 entspricht totaler Ungleichheit. Vorteil: Gesamtheit der individuellen Einkommen wird zusammengefaßt. Nachteil: Großer Bedarf an Datenermittlung, deshalb oft keine Zeitreihen vorhanden.

Diagramm-6.2: Die zeitliche Entwicklung der GINI-Koeffizienten. [Wenn ich es richtig begriffen habe, dann bezieht sich "ekonomisk standard" auf das verfügbare Haushaltseinkommen, faktor inkomst auf den Brutto-Verdienst]

Besonders in der unteren Kurve von Diagramm-6.2 ist zu sehen, daß um 1980 Schweden historisch gesehen eine ausgeprägte Einkommensgleichheit hatte, die danach tendenziell abnahm. In Krisenzeiten vor Corona nahm die Gleichheit zu, in boom-Zeiten nahm die Gleichheit ab. Corona war nach Diagramm die erste Krise, wo die Ungleichheit zunahm.

Als letzte Methode, die ökonomische Ungleichheit zu beschreiben, wird der Bevölkerungsanteil aufgeführt, der weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens verdient, also nach Definition arm ist.

Diagramm-6.3: Bis 1980 nahm der Anteil der Armen ab, auf ca 7 Prozent. Bis ca 1997 fluktuierte der Armenanteil auf einem geringfügig höheren Niveau, um anschließend bis ca. 2010 auf etwas über 14 Prozent anzusteigen. Danach fluktuiert dieser Wert. Während der Corona-Zeit ein leichter Rückgang.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #makteliten #machtelite

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
"Internationell jämförelse av prisutvecklingen i olika produktgrupper", (KONJUNKTURINSTITUTET, 2023)

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind in der EU inflationäre Tendenzen zu beobachten. Die Regierungen hatten durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen die private Nachfrage angeheizt, ohne daß das Warenangebot mithalten konnte. Dazu beigetragen haben Transportengpässe und gestörte Lieferketten.

Später kam die Verteuerung der Energie und der Düngemittel für die Landwirtschaft, sowie allgemein steigende Preise für Agrarprodukte hinzu, als Folge des Ukrainekriegs. Die Preissteigerungen griffen bald auf andere Produktgruppen über, die Inflation begann sich zu verselbstständigen.

Diagramm-4: Die Energiepreise erreichten in der EU ihr Maximum 2022/23. Gegenwärtig liegt Deutschland etwa 50 Punkte über der 100-Punkte Basis von 2019. In den anderen betrachteten Ländern NO, DK, FI, FR, ES liegen gegenwärtig die Energiepreise niedriger. Minimum Schweden mit ca 15 Punkte gegenüber 2019. Auffällig ist, daß die anderen Länder zeitweilig deutlich höhere Energiepreise hatten als DE.

Diagramm-5: Die Inflation erreichte 2022 ihr Maximum mit ca. 10%, sank aber bis 2023 auf ca. 5% ab; sowohl in SE als auch im Euro-Raum. Ende 2023 waren es vor allem Preiserhöhungen für Dienstleistung und Konsumgütern, die die Inflation trieben; Lebensmittel kaum noch. Die sinkenden Energiepreise dämpften die Inflation Ende 2023.

Diagramm-6: Die Preisentwicklung für Konsumgüter in Schweden und Deutschland verläuft seit 2021 sehr ähnlich und liegt höher als in den betrachteten Ländern des Euroraums. Die dramatischen Wechselkursverluste der schwedischen Währung und starke Binnennachfrage sind gewöhnlich die Erklärung für die schwedische Preisentwicklung.

Diagramm-11: Die Konsumgüternachfrage ist in DE, SE seit Ende 2022 abnehmend, in FR sogar seit Beginn der Pandemie. In DE und SE gab es in der Anfangszeit der Pandemie eine gesteigerte Konsumgüternachfrage, besonders in SE. Gegenwärtig liegt in SE die Nachfrage noch immer über dem Wert von 2019, in DE und FR dagegen darunter.

Diagramm-15: Ab Anfang 2021 gab es starke Preissteigerungen im Lebensmittelsektor, die jedoch ab Mitte 2022 stagnierten. In DE liegt das Preisniveau für Lebensmittel Ende 2023 bei fast 35 Punkten über der Basis von 2019, in Schweden sind es fast 30 Punkte. Die Preise in ES stagnieren nicht, sondern nähern sich den deutschen Werten an.

Tabelle-2: Die allgemeinen Verbraucherpreise für Lebensmittel, Energie, Dienstleistungen und Konsumgüter erhöhten sich in den betrachteten Ländern um 15 - 20 Punkte gegenüber der Basis von 2019. Deutschland liegt mit 20.6 Punkten an der Spitze. In Schweden sind es 19 Punkte, in FR 15.9 Punkte.

In Deutschland sind es vor allem die Energie- und Lebensmittelpreise, die zu der Preiserhöhung beigetragen haben. In Schweden hat dagegen die Enwicklung der Energiepreise eine eher dämpfende Wirkung auf die allgemeine Preisentwicklung. Der Verbraucherpreisanstieg ohne Energie ist in Schweden höher als in den anderen Ländern.

Tabelle-3: Der Tabelle ist zu entnehmen, daß in DE, SE, FR, DK und ES der Energieanteil an den Verbraucherausgaben insgesamt dicht bei 10% liegt, in Schweden sogar etwas höher als in DE; Frankreich und Deutschland dagegen fast gleichauf.

Essentiell für die Ausgaben der privaten Haushalte sind die Ausgaben für Energie und Lebensmittel. Tabelle-3 gibt über diese Ausgaben Auskunft: In SE sind es 26%, in DE 23%, in FR 26% und in ES 29% . [Im zeitlichen Verlauf nähert sich DE anscheinend der EU-Normalität an, was die Energie- und Lebensmittelausgaben betrifft]

Diagramm-18: (oberes Diagramm im Beitrag) Mit Ausnahme von Spanien und Deutschland sind seit den 2010er Jahren fallende Lebensmittelpreise in den betrachteten EU-Ländern zu beobachten. In der Zeit ab 2006 lagen im Maximum in DK die Lebensmittelpreise fast 50 Punkte über dem EU-Durchschnitt, in SE fast 30 Punkte, in FR ca. 15 Punkte, in DE ca 12 Punkte.

Die Lebensmittelpreise in Deutschland fielen seit ihrem Maximum ca 2010 auf das bisherige Minimum von -10 Punkten unterhalb des EU-Mittelwertes im Jahr 2018. Seitdem steigen in Deutschland die Lebensmittelpreise. Insgesamt scheinen sich die Lebensmittelpreise in den betrachteten Ländern allmählich anzugleichen.

Diagramm-20: (unteres Diagramm im Beitrag) In einem Gesamtvergleich der Lebensmittelpreise in der EU wird die Tendenz sichtbar, daß in Ländern mit einem niedrigen preislichen Ausgangsniveau im Jahr 2019 die Preise bis 2023 stärker stiegen als in Ländern mit einem höheren Ausgangsniveau. Insgesamt also eine Tendenz, daß die Preise sich EU-weit annähern.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #prisutveckling #preisentwicklung #konsumtionsutgifter #lebenshaltungskosten #eu

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet entdeckt. Der Text kann frei heruntergeladen werden:
"Löneutvecklingen i Sverige till och med november 2023", (Medlingsinstitut, 2023). Dazu die Tabellendatei: "Faktiska_loner_bransch_ar_m_23m11"

Für Deutschland gibt es die Statistikdateien vom Statistischen Bundesamt:
"statistischer-bericht-verdienste-5623601233215" und "reallohnindex-xlsx-5623209"

Im Vergleich SE - DE fällt auf, daß trotz niedrigerer öffentlicher Verschuldung die Zunahme der Reallöhne in Schweden höher war als in Deutschland. In Schweden betrug 2022 die Staatsverschuldung 33 %, in Deutschland waren es 67 %. Zu beachten wäre überdies, das in Deutschland die versteckten Schulden durch Beamtenpensionen, Staatsbeiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung um einiges höher sein dürften als in Schweden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Staatsschuldenquote

Wenn allerdings die öffentliche Verschuldung und die Verschuldung der Privathaushalte zusammengerechnet wird, dann liegen beide Länder nahezu gleich auf.

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Haushaltsverschuldung

Den beiden Diagrammen kann entnommen werden, daß Ende 2023 die Reallöhne in SE und DE ungefähr auf das Niveau von 2014 zurück gefallen sind. In dem schwedischen Diagramm wird die Unterscheidung gemacht zwischen Berücksichtigung der allgemeinen Kerninflation (KPI) und der Kerninflation ohne Kapitalmarktzinsen (KPIF). Die große Verschuldung der Privathaushalte für Wohnungskredite macht das sinnvoll.

Für Schweden beträgt der Rückgang der Reallöhne ca 15, bzw. 20 Prozentpunkte, für Deutschland sind es ca. 10 Prozentpunkte, entsprechend dem Anstieg der Reallöhne von 2014 bis zur Corona-Zeit.

Zwischen 2014 und 2021 betrug die durchschnittliche Reallohnzunahme in Schweden 2 - 3 Prozent / Jahr. In Deutschland waren es in diesem Zeitraum durchschnittlich ca. 1.5% / a . Die Behauptung, daß Staatschulden das Wirtschaftswachstum beflügeln, scheint also nicht allgemein gültig zu sein. Schweden verfolgt nicht eine Politik der "schwarzen Null", sondern erzielt sein längerem echte Haushaltsüberschüsse, mit Ausnahme der Corona-Krise.

https://www.ekonomifakta.se/Fakta/offentlig-ekonomi/Statsbudget/Statsbudgetens-saldo/

Eine Übersicht über die Staatsschulden und Budgetbilanzen in der EU findet sich unter dem folgenden link. Auch mit diesen Informationen ist es zweifelhaft, daß ein Budgetunterschuß für Wirtschaftswachstum sorgt.

https://www.europaportalen.se/2023/04/statsskulderna-i-eu-fortsatter-minska

Während der Corona-Zeit gab es die Erwartung, daß die Wirtschaft quasi kurzzeitig die Luft anhält, um nach Ende der Pandemie wieder vom Vor-Corona-Niveau aus fortzusetzen. Die Diagramme für die Lohnentwicklung zeigen, daß diese Hoffnung sich nicht erfüllt hat.

Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt stark zeitverzögert - wenn überhaupt - und scheint sich eher an den Zuwachsraten der Vor-Corona-Zeit zu orientieren, wie das Diagramm für Schweden zeigt. Demnach könnte es also bis Anfang der 2030er Jahre dauern, bis in diesen beiden Ländern das Niveau unmittelbar vor der Corona-Zeit erreicht ist.

Zu bedenken wären auch die Auswirkungen der "Zeitenwende":

  • Vergreisung der Gesellschaft. Arbeitsmarktengpässe,

  • Umstrukturierung des Arbeitsmarktes, Stärkung der Branchen für Gesundheit- und Pflege, bei gleichzeitiger Schwächung von Industrie und Handwerk,

  • mit der Umstrukturierung des Arbeitsmarktes Veränderung der Lohnstruktur, begleitet von Verteilungskämpfen,

  • die Arbeitsmarktsituation treibt tendenziell die Inflation. Gleichzeitig stagniert oder sinkt die Wirtschaftsleistung,

  • ein großer Bedarf an Ersatzinvestitionen, wodurch allerdings keine zusätzlichen Erträge generiert werden; etwa nach der Art "Betonbrücken statt Butter",

  • die Kosten der Migration,

  • Bedeutungszuwachs des öffentlichen Sektors, ohne das der finanzielle Mehrbedarf gesichert ist,

  • besonders in Deutschland der teure und ineffiziente Umbau des Energiesystems; mit der Tendenz der Umverteilung von unten nach oben,

  • Veränderungen der Lieferketten, Exportmärkte, Rohstoff- und Energiemärkte, technologische Konkurrenz.

Angesichts dieser Belastungen sind die Rufe nach mehr Staatsschulden verständlich durch das Bestreben der Mittelschicht, sich die eigene finanzielle Handlungsfähigkeit zu bewahren. Gerne für Statuskonsum, Aktien- und Immobilienspekulationen. Und immer wieder gerne unter dem Vorwand "für unsere Kinder".

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #statskuld #staatsverschuldung #reallöner #reallöhne

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Pär Holmberg, Thomas P. Tangerås: "En teknikneutral elmarknad – med en effektiv elmarknadsdesign och nättariffstruktur", (SNS, 2023)

Vorgeschlagen wird, daß Produzenten und Verbraucher Störungen, u.a. durch Fluktuationen in Verbrauch und Produktion verursacht, bezahlen sollen. Produzenten von Stabilierungsleistungen sollten dagegen bezahlt werden. Ein Plädoyer für Technikneutralität: keine Bevorzugung oder Benachteiligung von Technologien aus ideologischen Gründen.

Mit den Erneuerbaren nimmt der Anteil fluktuierender Stromerzeugung zu, was zunehmend ein Problem für den Ausgleich Produktion - Verbrauch ist. Die Erneuerbaren stellen gegenwertig keine Blindenergie zur Stabilisierung bereit. Deshalb sollte ein Markt für Blindenergie geschaffen werden.

Die Hauptstromrichtung verlagert sich von Nord/Süd nach West/Ost, weshalb ein Netzausbau erforderlich ist. Es wird zunehmend schwieriger, die EU-Regel zu erfüllen, wonach mindestens 70% des Stroms über die Börse gehandelt werden soll. Besonders Großstädte sind von Netzengpässen betroffen.

Mit dem Ausbau der Erneuerbaren wächst das Interesse an der Produktion von Blindleistung. Neben der klassischen Lösung über die rotierenden Wellen großer Kraftwerke gibt es noch die Verfahren Synchronkompensatoren, STATCOM und SVC. Durch eine geringe Leistungsreduktion könnten WKAs möglicherweise billig genügend Blindleistung erzeugen. S. Qvist schätzt, daß 240 TWh erneuerbare Stromproduktion für 900 Mio Euro mit der erforderlichen Blindleistung versehen werden könnte.

In Tabelle 1 finden sich Angaben über die Zyklusverluste und Ansprechzeiten der Energiespeicher: Schwungmasse 1ms, Lithium 1s, beide Wirkungsgrad ca 90%. Wasserstoff-Brennstoffzelle 10 - 600 s, Wasserstoff-Gasturbine 1000s. Beide 30 - 35% Wirkungsgrad. Batteriespeicher könnten eine billige, zeitweilige Alternative für Netzausbau sein.

Nach Schätzungen würde die komplette Umstellung auf e-Mobilität Speicher über 114 TWh zur Verfügung stellen, was theoretisch den Landesbedarf über einige Stunden decken würde. Problem dabei die Steuerung & Vernetzung der Ladeeinrichtungen.

Wasserstoffspeicher können über längere Zeit speichern, jedoch mit bescheidenem Wirkungsgrad. Für die Industrie ist Wasserstoff essentiell. Die Nachfrageflexibilität kann ebenfalls zur Netzstabilisierung genutzt werden, ca 20 - 25%, setzt jedoch erhebliche finanzielle Anreize voraus, etwa mit Strompreisen aus dem Krisenjahr 2022.

Die Verbrauchsflexibilität könnte durch frequenzgesteuerte Verbrauchsgeräte, wie Kühlschränke oder Ladeeinrichtungen erhöht werden. Um das zu unterstützen, könnten solche Geräte subventioniert werden. Oder auch durch die Nutzung von zeitlich hochauflösenden Stromzählern, um auf Preissignale reagieren zu können.

Strompreiszonen: In Norwegen, Schweden, Dänemark, Italien. Nachteil: Die Absicherung von Strompreisen durch Finanzunternehmen wird durch die eingeschränkte Liquidität im Tarifgebiet erschwert. Eine Lösung wäre, daß Tarifgebiete mit Über- und Unterschuß vernetzt, und in beiden Gebieten die Strompreise abgesichert werden.

Innerhalb zu großer Tarifgebiete kann es zu Gegenden mit Unter- und Überproduktion kommen. "mothandel" [Gegenstromhandel?]: Der Netzbetreiber versucht eine Ausgleichsstrategie, indem im Gebiet mit Unterversorgung den Produzenten Prämien zuzüglich des Börsenpreises gezahlt wird; und in Gegenden mit Überschuß wird Strom gekauft.

Problem mit "mothandel": Produzenten nutzen einen Arbitrage-Effekt, indem sie Strom gegen Prämie teuer verkaufen, und anschließend billig zurückkaufen. Lösung: kleinere Tarifgebiete. Autoren schlagen alternativ vor, das Tarifgebiet durch Ausweitung der Prämien auf bereits gelieferten Strom zu differenzieren.

Bei einer gebietsinternen Netzüberlastung sollte eine variable Komponente auf den Strompreis aufgeschlagen werden, um damit die Netzentlastung zu finanzieren und Arbitrage-Probleme zu vermeiden.

In den USA gibt es großes Interesse an diesen Arbitage-Gewinnen. Deshalb beziehen sich dort die Strombörsen häufig nicht auf Tarifgebiete, sondern auf Netzknoten.

Mit dem Stromtransport über Tarifzonen hinweg werden Strukturproblem des Stromsystems sichtbar. Die Börsenstromdifferenz zwischen Tarifgebieten fällt nach den EU-Regeln dem Netzbetreiber zu, der diese Einnahmen zur Stabilisierung und zum Netzausbau verwenden soll. Bei zu großen Tarifgebiete werden Netzengpässe unsichtbar gemacht.

Die Strombörsen arbeiten gegenwärtig weltweit fast ausschließlich nach dem Prinzip der Grenzkosten. Nachteil: Bei mangelndem Angebot schießen die Preise nach oben. Vorteil: auch kleinere Anbieter können mit ihren operativen Kosten in den Markt eintreten. Die Handelsspanne der nordischen Börse liegt bei gechätzt 4%.

Akteure des Strommarktes müssen bei Verletzung ihrer vertraglichen Pflichen die entstehenden Kosten für die Bereitstellung der Regelenergie tragen, mFFR. Die Kosten für andere, kurzzeitige Störungen, FFR, FCR, aFFR, und der Netzfrequenz werden pauschalisiert den verantwortlichen Akteuren aufgeschlagen. Von den Autoren wird jedoch angeregt, daß im Interesse der Technikneutralität eine zielgenaue Zuordnung zu den Verursachern angestrebt werden sollte.

Durch den Ausfall großer Produktionseinheiten, z.B AKW, können schwerwiegende Störungen entstehen. Es werden deshalb Reservekapazitäten vorgehalten, die den Ausfall der größten Einheit noch ausgleichen können.

In Schweden wird tagsüber in der Winterzeit eine Zusatznetzgebühr erhoben, die sich an der Produktionsleistung orientiert. Für die Bereitstellung von Blindleistung sollte ebenfalls eine Gebühr erhoben werden.

Symmetrische Stromtarife könnten vorteilhaft sein. Wenn Verbraucher mit variablen Tarifen zeitweilig mehr bezahlen, dann sollte der Produzent davon profitieren. Dadurch werden Anreize beseitigt, an der Strombörse vorbei zu handeln oder unsinnige Investitionen in Speichertechnik zu unternehmen.

Die Absicherung von Strompreisen verbessert die Planungssicherheit. Der Staat sollte seinen Strombedarf über einige Jahre absichern, um damit die Erwartungen über die zukünftige Preisentwicklung transparent zu machen. Schweinezyklen im Stromsystem könnten damit vermieden werden. Auch wird dadurch das Risiko von temporär krisenhaft überhöhten Strompreisen gemindert, und Panikreaktionen, v.a. des Staates, vermieden.

Kapazitätsmarkt: Die Produzenten erhalten neben den Erlösen durch Stromverkäufe zusätzlich Geld für die Bereitstellung der Erzeugungskapazität. Nachteil: der Staat neigt dazu, zu viel Kapazität auszuschreiben und überschätzt die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher, unterschätzt dagegen die Möglichkeit von Stromimporten und Marktflexibilität

Kapazitätsmärkte profitieren von einem unflexiblen, prognostizierbaren Verbrauch und einer planbaren Produktion. Jedoch gibt es die Tendenz, daß zu Krisenzeiten die vorgesehenen Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen, und daß bei schwacher Konkurrenz die Kapzitäten bei den Ausschreibungen zu überhöhten Preisen gehandelt werden.

Weitere Nachteile eines Kapazitätsmarktes ist der große Bürokratieaufwand und das Risiko, daß die Einnahmen der Netzbetreiber gefährdet werden, die normalerweise durch den Stromtransport zwischen den Tarifgebieten generiert werden.

Ein "energy-only-market" [nur verkaufter Strom bringt Geld] hat dagegen den Vorteil, daß bei Stromengpässen und hohen Preisen die Produzenten interessiert sind, mit ihrer Produktion Geld zu verdienen. Zusätzliche Option: Reservekraftwerke, die normalerweise nicht produzieren und so den "energy-only-market" auch nicht stören.

Die Autoren plädieren dafür, daß der Staat nicht aus ideologischen oder fiskalischen Gründen bestimmte Technologien bevorzugt oder behindert. Technikneutraltät wird so verstanden, daß die marktmäßigen Stärken verschiedener Technologie genutzt werden sollten, um eine optimale Ressourcenallocation herbeizuführen.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #el #strommarkt #klimatomställning #energiewende

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet endeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
David Sundén: "Från brunt till grönt. Bedömning av satsningarna på fossilfritt stål utifrån ett teknik- och marknadsperspektiv", (Skandinaviska Policyinstitutet, 2023).

In dieser Studie geht es um die Umstellung der schwedischen Eisenerz- und Stahlproduktion auf einen fossilfreien Betrieb. Betriebs- und marktwirtschaftliche Gesichtspunkte werden mitbetrachtet.

Die Umstellung in Schweden soll nicht über den Umweg von Erdgas als Energieträger geschehen, sondern mit Strom. Es gibt bisher keine Rentabilitätsuntersuchungen dieser nie vorher gesehenen enormen Investitionen.

Weltweit arbeiten die Stahlwerke mit HEMATIT, einem billigen und relativ eisenarmen Erz. Die Hochöfen sind im Durchschnitt jung, weshalb die Umstellung der Stahlproduktion global wohl nicht vor 2070 erfolgen wird.

In Schweden soll das DRI-Verfahren (direct reduction) mit Hilfe von Wasserstoff arbeiten, "MIDREX". Dafür werden sehr eisenhaltige Erze, bzw. Pellets benötigt, die auf dem Weltmarkt nur begrenzt zur Verfügung stehen und teuer sind. Schwedische Bergwerke müßten für deren Produktion kostenaufwändig ausgebaut werden.

Weltweit sind viele DRI-Projekte in Arbeit. Die Pellets werden dabei zu Eisenschwamm verarbeitet, der in einer nächsten Stufe zu Roheisen weiterverarbeitet wird. Die Preise für die benötigten DR-Pellets werden voraussichtlich stark steigen.

Gegenwärtig basiert die Produktion von Eisenschwamm auf Erdgas. Es sind deshalb Länder mit niedrigen Erdgaspreisen, wie Iran, Algerien, USA und Rußland, in denen die Eisenschwamm-Produktion konzentriert ist. Anteil an Stahlproduktion bisher vernachlässigbar, aber bis 2050 Produktionsausweitung voraussichtlich Faktor 3.

Es ist jedoch fraglich, ob nach 2030 das Angebot hochwertigen Eisenerzes oder DR-Pellets im freien Handel der steigenden Nachfrage im Bereich Eisenschwamm folgen kann. Gegenwärtig 75% der Eisenschwammproduktion in vertikal integrierten Konzernen mit eigenen Bergwerken.

Die DRI-Verfahren erfordern große Investitionen und sind abhängig von billigem Erdgas, bzw. Wasserstoff. Es besteht die Gefahr von Durchbruchinnovationen, die diese Nachteile vermeiden: Schmelzelektrolyse (BOSTON METAL), oder Schmelzreduktion (VOEST ALPINE).

Der Vorteil der Schmelzelektrolyse besteht darin, daß minderwertige Erze verwendet werden können und sehr reines Eisen erzeugt wird, ähnlich den Cu- und Alu-Schmelzen. Der Kaptalbedarf ist gering und die Anlagen können modular aufgebaut werden. Nachteilig ist die Abhängigkeit von einer stabilen Stromversorgung. Bis 2026 hofft BOSTON METAL das Verfahren kommerzialisieren zu können.

Ein weiteres Risiken besteht in der Entwicklung der schwedischen Strompreise, die diese ambitionierten Pläne schnell unrentabel machen können. Weiterhin könnte die Verfügbarkeit von Stahlschrott ein Risiko sein. Stahlschrott soll zu bis 50% neben dem Rohstahl in den Elektroöfen verwendet werden.

Weltweit sichern sich die größten Stahlkonzerne nicht nur ihre eigene Rohstoffbasis durch Investitionen in Bergwerke, sondern auch durch den Aufkauf von Firmen, die im Stahlschrotthandel aktiv sind. Vorangetrieben wird diese Entwicklung durch die zunehmende Verbreitung von Elektroöfen.

In Schweden sind es die Unternehmen HYBRIT, eine Projektgesellschaft von Vattenfall, LKAB (staatlicher Bergbaukonzern), und SSAB (quasi-staatlicher Stahlkonzern), sowie das private Startup H2GS, die an der grünen Umstellung arbeiten.

H2GS ist wie die traditionellen Stahl- und Hüttenwerke vertikal integriert: Eisenerzverarbeitung, Eisenschwamm-Erzeugung, Rohstahl, Stahlveredlung, Stahlverarbeitung.

HYBRIT dagegen nur Rohstahlerzeugung und -Veredelung. Die vorgelagerten Stufen übernimmt der Bergbaukonzern LKAB.

H2GS ist dadurch auf die Zugänglichkeit von hochwertigem Eisenerz (durch LKAB) angewiesen. Andernfalls müßten die DR-Pellets teuer aus Brasilien oder Kanada importiert werden. [Auch ein Problem der deutschen Stahlkonzerne bei der Umstellung]

Der Autor folgert, daß die enormen Investitionen in den beschriebenen zwei Projekten politisch motiviert sind. Eine verbesserte Konkurrenzfähigkeit oder verbesserte Stahlqualitäten sind nicht zu erwarten. Jedoch werden durch den enormen Kapitaleinsatz andere techn. Entwicklungspfade ausgeschlossen.

Der Autor erwartet auch nicht, daß grüner Stahl dauerhaft Premiumpreise erzielen kann. Weltweit arbeiten viele Firmen an der Umstellung. Weiterhin wird aus den Schwellenländern mit ihren jungen Hochöfen zukünftig ein Überangebot von braunem Stahl auf den Weltmarkt gelangen.

Dazu trägt bei, daß Stahl oft in standardisierten Qualitäten gehandelt wird, also im globalen Handel austauschbar ist - im Gegensatz zum Eisenerz. Dementsprechend hart ist die Konkurrenz. Aus (oft miltitär-) strategischen Gründen versuchen kleinere Produzentenländer die heimische Produktion zu bewahren.

Mit dem Ausbau des HYBRIT-Projektes steigt der Strombedarf, voraussichtlich auf 5 TWh, emtsprechend ca. 1.2 t Rohstahl, 75% davon für die Wasserstoffproduktion. SSAB will neben HYBRIT ebenfalls ausbauen: nochmals 5 TWh in Schweden und Finnland.

Desgleichen der Bergbaukonzern LKAB: bis 2030 sollen es 20 TWh für die Eisenschwammherstellung sein, 2040 40TWh, 2050 70 TWh, hauptsächlich für Wasserstoff. Über die Speicherung von Wasserstoff ist noch nicht entschieden. Es geht dabei um Investitionen von 12.6 Mrd Euro bis 2030.

Desgleichen das neugegründete Unternehmen H2GS. Bis 2026 2.5 Mio t Stahl und 10 TWh Strombedarf. Bis 2030 5 Mio t Stahl und 13 -17 TWh Strombedarf.

LKAB benötigt für die geplante Produktion von 5.4 Mio t Eisenschwamm ca 300 000 t Wasserstoff jährlich. Die gegenwärtig größten Elektrolyseure haben eine Jahrekapazität von 3000 t Wasserstoff. Um die Schwankungen des Strommarktes nutzen zu können, wäre eine Überdimensionierung der Wasserstoffproduktion und -speicherung notwendig.

Der stark anwachsende Strombedarf der genannten Firmen, besonders von LKAB mit bis zu 70 TWh, wird zu völlig veränderten Verhältnissen auf dem nordischen Strommarkt führen, mit der Gefahr steigender Preise und der Kannibalisierung. Für HYBRIT und H2GS wäre damit die Rentabilität stark gefährdet.

Der Autor erwartet intensive Forschungsanstrengungen der großen Stahlkonzerne zur CO2-Abscheidung an den klassischen Hochöfen, weil diese Hochöfen durchschnittlich noch weit vom normalen Lebensdauerende entfernt sind. Durch diese Anlagen wird voraussichtlich der zukünftige Stahlpreis bestimmt.

Für europäische Hersteller mit ihren Anlagen oft am Ende der Lebensdauer gibt es dann wohl nur die Chance, ihre Investitionen in den grünen Stahl durch herausragende Qualität oder extrem CO2-freie Produktionsweisen hereinzuholen.

Jedoch Gefahr, daß z.B durch Schmelzelektrolyse die bisherigen Strukturen sich grundlegend verändern können. Beispielsweise könnten diese modulare Anlagen und der niedrige Kapitalbedarf dazu führen, daß die Stahlproduktion sich in unmittelbare Nähe zu den Abnehmerunternehmen verlagert, z.B. Autoindustrie.

Ein Risiko für das private Unternehmen H2GS besteht darin, daß LKAB mit seiner Eisenschwammproduktion SSAB priorisiert. Damit wäre H2GS auf teure außereuropäsche Importe angewiesen, oder müßte durch Einsatz von mehr Schrott oder minderwertigen Pellets Qualitätseinbußen hinnehmen.

Voraussichtlich werden die Stahlhersteller SSAB und H2GS durch die begrenzte Verfügbarkeit von Eisenschwamm limitiert. Sie wären damit gezwungen, vermehrt Schrott einzusetzen, mit entsprechenden Qualitätseinbußen. Dazu kommt die begrenzte Schrott-Verfügbarkeit durch die Beherrschung des Marktes durch globale Konzerne.

Im Vergleich zu den schwedischen Firmen LKAB, SSAB, HYBRIT, H2GS haben die weltgrößten Stahlhersteller die finanziellen Möglichkeiten, eine Risikostreuung zu erreichen, indem sie in verschiedene Technologien der grünen Umstellung investieren.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #klimatomställning #klimaumstellung #stål #stahl

benedict16b@despora.de

Kürzlich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
"EN NY ERA FÖR ELMARKNADEN & ENERGIPOLITIKEN", (ELS, 2023)

Mit der Energiewende machen sich negative Erscheinungen wie volatile Preise und Stromerzeugung, Marktungleichgewichte bemerkbar. Hinzu kommen steigende Strompreise in der Folge des Ukrainenekriegs ...

Die Rahmenbedingung für die Energiewende in Europa ergibt sich aus dem stetigen Wirtschaftswachstum der Schwellenländer, einem abnehmendem Wirtschaftswachstum Europas. Damit sind Fragen der Ressourcen- zugänglichkeit für die Energiewende und der globalen Energiemärkte verbunden, aber auch die der Selbstversorgung.

Verschärft wird die Situation durch Chinas starke Stellung in Technologie und Produktion bei Solar- und Windkraft. Desgleichen Kerntechnik. Für Europa bedeutet das, eine Balance zu finden zwischen den Kosten der Energiewende, und einer daraus entstehenden Importabhängigkeit.

Aus dem Diagramm Seite 23 (pdf), S. 18 (Papier) ist zu ersehen, daß bis 2020 eine deutliche Preissenkung chinesischer Solarpanele stattgefunden hat, die jedoch danach stagniert. Zwischen 2020 und 2021 gab es deutliche Preissenkungen für chin. WKAs, die in abgeschwächter Form sich auch danach fortsetzten. Europäische WKAs werden jedoch teurer. Der Preis von chin. WKAs liegt gegenwärtig bei ca. 45% der europäischen WKAs.

Der Bau von Atomkraftwerken hat sich nach Asien verlagert. Seit 2017 sind 31 Projekte begonnen worden, davon allerdings nur 4 von Herstellern außerhalb von Rußland und China. Die meisten Reaktoren werden gegenwärtig in China und Südkorea gebaut. Einige aber auch in der Türkei, Indien, Rußland und UK.

Die Solarenergie dominiert global beim Zuwachs. Der Zuwachs von WKAs hat dagegen 2022 an Anteil verloren, 50%, vor allem durch Probleme bei der offshore-Windkraft. Grundsätzlich besteht eine starke Abhängigkeit der Investitionen in diesem Bereich von den politischen Vorgaben.

Bei den CO2-freien Energie-Investitionen liegt China etwa gleichauf mit den entwickelten Ländern. Bei der Kernenergie etwa um 25% niedriger.

Der große Kapitalbedarf bei Kernenergie-Investitionen und offshore-WKAs wird durch die langen Kapitalbindungszeiten verschärft. Für private Investoren ist es schwierig, die damit verbundenen Risiken zu tragen. Staat und Markt müssen dabei kooperieren.

Mit der Corona-Zeit gab es, mit Ausnahme von 2021, einen kontinuierlichen Verbrauchsrückgang elektrischer Energie - im Gegensatz zur übrigen Welt. Besonders deutlich bei stromintensiven Industrien und mit entsprechenden Produktionsrückgängen: Chemie, Zellstoff-Papier-Pappe, Stahl, Aluminium.

Die Klimaumstellung überfordert marktwirtschaftliche Akteure, auch wegen unzureichender Preissignale. Gefordert ist ein proaktiver Staat, der sich die Risiken mit privaten Investoren teilt: Planung, Implementierung, Projektverfolgung. Effizenz und Sinnhaftigkeit der Investitionen sind damit gefährdet.

Nach Meinung der Autoren ist eine zügige Klimaumstellung ein Standortvorteil, weil sich daraus Planungssicherheit für die Investoren ergibt. Damit Vorteile bei der Konkurrenz um Investitionen und Kapital.

Es wird konstatiert, daß nahezu alle Regierungen verbindliche internationale Abkommen über die Klimaumstellung geschlossen haben. Diese müssen in nationale Regelwerke umgesetzt werden. Damit Begünstigung zentralisierter Entscheidungsstrukturen. Tendeziell werden Regionen und Kommunen zu Transmissionsriemen.

In der Abbildung auf S. 41(pdf), S. 36(papier) werden Prognosen für die Kosten der verschiedenen CO2-freien Energiequellen zusammengestellt. Demnach weisen alle Quellen fallende Kosten auf. Besonders ausgeprägt ist das bei schwimmenden offshore-WKAs, weniger stark ausgeprägt bei konventionellen offshore-WKAs. Die teuerste Energiequelle nach Diagramm ist die konventionelle Atomkraft, gefolgt von den SMRs. Die billigste Quelle ist die Photovoltaik, gefolgt von onshore-WKAs. Der Strompreis wird marktmäßig bis 2030 geringfügig sinken, um dann wieder auf das Niveau von 2023 zu steigen. Erst um 2040 werden die Produktionskosten für die offshore-WKAs auf das Niveau des nordischen Marktpreises für Strom gefallen sein.

Besonders in Deutschland Subventionierung der Erneuerbaren Energien u.a. durch Abschreibungsregeln. Nach Meinung der Autoren werden dadurch die Subventionen im Steuersystem versteckt und öffentlichen Debatten entzogen.

In Schweden werden el-Zertifikate auf der Ebene der Stromversorger zur Unterstützung der Erneuerbaren verwendet. Der Vorteil: marktwirtschaftliche Mechanismen beim Zertifikatehandel führen zu Effizienz.

Preisbasierte Systeme:
FiT (Feed-in-tariffs): Subvention für erzeugte Einheit über vorbestimmte Zeit. Unflexibel, fördert nicht Effizienz und ist teuer für den Staat.
PPA (PowerPurchaseAgreements): Lieferverträge Stromerzeuger / Abnehmer. Kann Preisentwicklung am Markt nicht dauerhaft kontern. Besonders, wenn die Eigenkosten nicht eingespielt werden können, oder die Marktpreise dauerhaft hoch sind.
FiP (Feed-in-Premiums) Produzent verkauft zu Markpreisen und erhält zusätzlich variable oder feste Förderung für jede produzierte Einheit.
CfD (Contracts-of-Difference) Z.B. garantiert der Staat einen Mindestpreis, gleicht also die Differenz zum Marktpreis aus, wenn der Marktpreis zu niedrig ist.

Der Marktpreis orientiert sich an den kurzfristigen Marginalkosten, den Kosten für eine zusätzliche
Produktionseinheit. Anscheinend nicht an den jährlichen Selbstkosten. Deshalb Kannibalisierung der WKAs.

Nach Meinung der Autoren ist ein konkurrenzgetriebener Markt für Reservekapazitäten und Stabilisierungsdienstleistungen vorteilhafter gegenüber einem Ausschreibungs-System, da bei letzterem fossile Kraftwerke bevorzugt werden. Bis zum Ukrainekrieg beabsichtigte die EU, Reservekraftwerke nicht mehr zuzulassen.

Die Rotationsenergie der Kraftwerke, v.a. auch der AKWs, liefert wertvolle Beiträge zur Netzstabilisierung. Mit einem Markt für solche Dienstleistungen könnten beträchtliche Einnahmen erzielt werden.

Mit der RED-III-Direktive der EU haben sich viele Länder verpflichtet, 42.5% Erneuerbare bei der Strom- produktion bis 2030 zu erreichen. Es gibt die Möglichkeit, gegen finanziellen Ausgleich sich die Quote anderer Länder anrechnen zu lassen. Frankreich versucht, seine CO2-freie Stromproduktion sich anzurechnen.

Die EU-Kommission sieht die Bedeutung von Preissignalen auf dem Strommarkt. Künstlich beeinflußte Preise / Stromdeckel werden kritisch gesehen, weil dadurch neuen Akteuren der Marktzugang erschwert wird und Nachfrage / Angebot aus dem Gleichgewicht geraten kann. Aus sozialen Gründen kann das jedoch zulässig sein.

Eine Übersicht auf S. 74(Papier), bzw. S. 79(pdf) über administrative Maßnahmen der Stromwende. Deutschland und Frankreich liegen fast gleichauf und an der Spitze der betrachteten Länder. Schweden und Niederlande dagegen fast gleichauf an letzter Stelle. Niederlande arbeitet auf die Speicherung von Wasserstoff hin.

Schweden und UK liegen in der Energiepolitik nahe beisammen, weil beide Länder marktnahe Lösungen bevorzugen.

Dänemark: Zentral festgelegte Ziele. Dezentrale Umsetzung. One-stop-shop für offshore-WKA. Subventionen für Solar- Biogenergie- onshore-WKA soll zwischen 2022 - 2024 auslaufen, und wird für offshore-WKAs angestrebt.

Finnland: Förderung von Solar- Wind- und Bioenergie ist 2017 - 2019 ausgelaufen. Vorhandene Anlagen werden noch über 12 Jahre gefördert. Investitionen häufig im MANKALA-Modell: nicht gewinnorientierte Genossenschaften von Stromerzeugern, Kommunen und stromintensiver Industrie. Besonders im AKW-Bereich.

Frankreich: 2017 wurde ein Kapazitätsmarkt eingerichtet. Verkürzte Genehmigungsverfahren für Wind- & Solarkraft, sowie Wasserstoff. Für Wind- und Solarkraft gibt es ein CfD-System, für Wasserstoff ein Auktionssystem. Ziel ist, bis 2026 ca. 1GW Wasserstoff, gefördert mit 4 Mrd Euro. Erzeugung, Distribution und Lagerung von grünem Wasserstoff soll bis 2023 mit 175 Mio Euro gefördert werden. Geplant 6 neue AKWs, für die ein CfD-System vorgesehen ist.

Deutschland: 2015 wurde die Option eines Kapazitätsmarktes verworfen. Allerdings existieren Reservekraftwerke. Der BDEW (Branchenorganisation der Stromerzeuger) plädiert jedoch für einen Kapazitätsmarkt bis 2030. Nach Abschaltung der letzten AKWs plant die Regierung die Einrichtung von 25GW
Reservekraftwerken. Der BDEW und die Studienautoren bezweifeln, daß Kosteneffizienz, Versorgungssicherheit und Integration der Erneuerbaren gesichert sind. Weiterhin scheint der Ausbau der Stromerzeugungskapazität fraglich.

Niederlande: CO2-freie Stromerzeugung bis 2035. Zentrale Festlegung der Ziele. Die Realisierung wird den Regionen überlassen. 4 GW Solar- und onshore-WKA bis 2030. 8 GW bis 2032. Offshore-WKA 49 GW bis 2030.

Großbritanien: Führte 2014 einen Kapazitätsmarkt ein, der von der EU abgelehnt wurde. 2019 jedoch Genehmigung mit einem Auktionsverfahren. RAB-Modell nach Rückzug von Investoren aus den AKW-Projekten. Dabei wird, ähnlich zu den früheren Gas- Wasser- Strommonopolen, von den Verbrauchern eine staatlich genehmigte Gebühr erhoben, die Kosten und Rendite der Investoren abdecken sollen. Mit der dezentralisierten Genehmigung von onshore-WKAs ist ein Rückgang des Neubaus zu beobachten. Lokaler Widerstand gegen die Projekte, aber auch Überforderung der lokalen Behörden beim notwendigen Netzausbau sind die Gründe dafür.

Schweden:
Ausbau der Wasserkraft in den 1920 / 30 Jahren, u.a. als Teil der Arbeitsmarktpolitik. Die Elektrifizierung des ländlichen Raumes war ein Anliegen des schwedischen Volksheims; Interessenausgleich Stadt - Land. Der Staat unterstützte die Entwicklung mit Krediten, Subventionen und Kreditgarantien. Das Risiko wurde von Kommunen, stromerzeugenden Unternehmen und den industriellen Stromverbrauchern gemeinsam getragen. In Krisenzeiten arbeits- und sozialpolitisch motiviert.

Kernenergie war bis in die 1970er-Jahre eine politische Frage. Bedeutungswandel mit der Ölkrise. Daneben entwickelte sich die Umweltbewegung. In der Folge kam es zu einem stop & go-Betrieb.

Mit der EU-Mitgliedschaft gab der Staat seine Rolle als Eigentümer und Stromerzeuger zugunsten von Marktüberwachung und Regelsetzung auf.

Förderung der Windkraft anfangs, ab 1991, mit einem 25%-Investitionszuschuß. Ab 2003 el-Zertifikate, wodurch Investitionen in die Windkraft vorangetrieben wurden. Mit dem Ausbau der WKAs wurde die Quote für die Stromversorger jedoch nicht angepaßt. Damit erreichte der Zuwachs 2015 - 2017 ein Plateau.

Das PPA-Konzept ist wenig geeignet als ein Geschäftsmodell für große Kapitalinvestitionen. Die langfristigen Kapitalkosten übersteigen oft die Zahlungsbereitschaft der Kunden. Die volatile Produktion von Windkraft und die volatilen Marktverhältnissen erschweren die Stromproduktionen. In Schweden sind die PPAs etabliert.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #el #stromproduktion #klimatomställning #energiewende

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden. Zusammenfassung bis S. 76):
" Rapport 2022:02 . Elektrifiering och europeisering: En samhällsekonomisk konsekvensanalys med fokus på elintensiv verksamhet", (Myndigheten för tillväxtpolitiska utvärderingar och analyser, 2022)

Betrachtet wird die Wechselwirkung Strommarkt, Europasierung und Ökonomie. In den Simulationen am Ende der Studie wird angenommen, daß im Jahr die Klimaumstellung in Schweden plangemäß durchgeführt wurde. Der historische Standortvorteil niedriger Strompreise ist durch den europäischen Stromverbund gefährdet.

In Erwartung steigender Strompreise prognostizieren die Autoren eine Verlagerung von Kapital, Arbei von der stromintensiven Industrie zu der expandierenden stromerzeugenden Industrie. Die Volatitilät der Strompreise wird zunehmen, die Zuverlässigkeit der Stromversorgung wird abnehmen.

Stromsubventionen exportorientierter Unternehmen sind fragwürdig. Die Subventionen führen oft zur Benachteiligung anderer Unternehmen. Das Beispiel der Rechenzentren der Internetkonzerne zeigt, daß politisch prestigevolle Projekte zu keinen adäquaten Steuereinnahmen führen.

Die Ausbreitungseffekte von gezielten (Steuer-)Subventionen, z.B. für Rechenzenter oder Batteriefabriken) werden oft überschätzt. Das Umfeld profitiert oft weniger als gedacht. Schweden untersützt wie andere Länder seine Industrie durch Stromsteuersubventionen.

Die Energiewende hat weniger mit finanziellen Fragen zu tun, sondern eher mit Entscheidungen über die Verwendung knapper Ressourcen. Preise geben Anhaltspunkte über die Ressourcenverfügbarkeit. Die Autoren weisen auf das Kaldor-Hicks-Kriterium hin (-> WIKI) für ökonomische Transformationen.

Der heutige Wohlstand Schwedens beruht historisch zu einem großen Teil auf seinen niedrigen Stromkosten, was durch gezielte staatliche Förderung entsprechender Industriebranchen verstärkt wurde. Die in Schweden vorhandene Industriestruktur ist ein Relikt dieser Vergangenheit.

In einem geschichtlichen Rückblick wird beschrieben, daß um 1900 die Elektrifiziering Schwedens fast ausschließlich Beleuchtungszwecken diente. Bis 1960 erreichte der Ausbau der Wasserkraft nahezu seinen Abschluß. Ab 1963 und in den 1980er Jahren wurde die Atomkraft ausgebaut, fast 50% Stromproduktion. Ab ca 2010 kam die Windkraft hinzu, begleitet von einem (politisch gewollten) Rückgang der Kernenergie.

Vor 2011 war Schweden wechselnd Stromimporteur und Stromexporteur. Danach fast durchgehend Nettostromexporte als Folge abnehmenden Stromverbrauchs der Industrie und einer gesteigerten Stromproduktion durch die Windkraft. Das System der el-Zertifikate hat das begünstigt.

Mit der Atomenergie stieg die Stromproduktion und der private Verbrauch nahm zu: 1980 entfielen auf die Industrie ca 50% des Stromverbrauchs. Wohnen & Service ca. 35%. Im Jahr 2019 war die Situation umgekehrt: 35% Industrie, 50% Wohnen & Services.

Systempreis bezieht sich auf den Preis ohne Transporthindernisse. In den 00er-Jahren entwickelten sich die Strompreise Haushalte / Idustrie auseinander. Von früher ca. pari zu einem Preisverhältnis von ca. 3:1 durch unterschiedliche Netzabgaben und Steuern.

Die Strombörse Nordpool umfaßt den skandinavischen Strommarkt, Schweden & Norwegen seit 1996, Finnland 1998, Dänemark 2000 . Der Stromhandel erfolgt nach dem Merit-of-Order-System. Maßgebend sind meist die operativen Kosten der Anbieter, nicht die Selbstkosten.

Die Netzanschlußmöglichkeiten hinken in Schweden dem Bevölkerungswachstum und der expandierenden Industrie hinterher. Wohnsiedlungen und Betriebe konnten deshalb oft nicht gebaut werden. Der Ausbau der Wasserkraft fraglich, weil Umweltschutzgesichtspunkte und EU-Regeln dem entgegenstehen.

In Fig_3.16, S. 46(Papier), S. 47(pdf) sind die EU-Industriestrompreise für stromintentensive Unternehmen im Jahr 2020 dargestellt. Deutschland hat mit über 140 Cent / KWh ca. doppelt so hohe Preise wie Schweden oder Frankreich. Die höchsten Strompreise finden sich in Dänemark, mehr als 220 Cent / KWh. Allerdings vermuten die Autoren, daß durch geheimgehaltene Stromsteuersubventionen die Preise EU-weit für die stromintensive Industrie ähnlich sind.

Grundstoffindustrie in Schweden: im Wesentlichen Stahl- und Eisen, Bergbau, Zellstoff / Papier / Pappe. Beschäftigtenanteil ca. 3.5% insgesamt, 22% der Industrie. Faktor 2.9 Jobs außerhalb. Direkte und indirekte Wertschöpfung der Grundstoffindustrie in Schweden 4.5% insgesamt, 23% Wertschöpfung der Industrie. Multiplikatorfaktor der Wertschöpfung 2.4, dh für jede Krone direkt werden zusätzlich 1.4 extra geschaffen. 90% davon in Export. Damit 20% der schwedischen Exporte. (2018)

Forstindustrie umfaßt Holzverarbeitung, Papier / Pappe / Zellulose, Waldwirtschaft. Gegenwärtig die am meisten stromintensive Industrie Schwedens. Beschäftigtenanteil ca. 2%. Multiplikatorfaktor Beschäftigten ca. 2.5 , vor allem durch die vielen Vorprodukte und Transportanforderungen in der massa-Industrie. Wertschöpfung ca. 2.5% gesamt an der schwedischen Wertschöpfung. Multifaktor Wertschöpfung ca. 2.5 . Exportanteil der Branche ca 85%, entsprechend 10% der schwedischen Exporte.

Stahl- und Metallindustrie: Beschäftigtenanteil ca. 1.5%, Multifaktor 2.9 . Die meisten indirekten Jobs jedoch im Bereich Recycling und Sanierung. Wertschöpfungsanteil insgesamt 1.3%, Multifaktor 2.7 . Exportanteil der Stahl- Eisenindustrie 96% , entsprechend 7% der gesamten schwedischen Exporte. Der Energieverbrauch der massa-Industrie beträgt 50 TWh, davon 2 TWh fossil, der Rest Holz, Rinde und Lauge. Die massa-Industrie liefert 35 TWh Biobrennstoffe aus Holz, Rinde, Restholz (GROT). Stromverbrauch massa-Industrie ca 2018 ca 11 TWh, Stahl- und Eisenindustrie ca 4 TWh, Chemieindustrie ca 3.5 ThWh.

Die Stromintensität, Wertschöpfung / Stromverbrauch, hat in Schweden abgenommen. Industrieweit zwischen 2004 - 2016 um ca 40 %, Stahlindustrie ca 52%. Stahlindustrie relativ unempfindlich gegen Strompreiserhöhungen, schlechte Substituierbarkeit Strom - Kapital & Arbeit. Chemieindustrie etwas stärker beeinflußt.

Zur Beschreibung der Belastungen durch Stromausfälle gibt es zwei Kriterien: VoLL, Value-of-Lost_load, Kosten für eine ausgefallene KWh. Wird oft verwendet, um Rangordnungen bei Lastabwürfen zu bestimmen. Und CpH, Cost-per-Hour, die Kosten für eine Stunde Stromausfall. CpH nimmt mit Betriebsgröße meist zu, anscheinend aber relativ konstant pro Angestellter. CpH liegt oft Investitionsentscheidungen zugrunde.

Mit der gesteigerten Energieeffizienz haben die VoLL-Werte der Industrie i.a. zugenommen. Die höchtsten VoLL-Werte haben die Elektronik- und die Maschinenindustrie. Stromintensive Industrien haben meist einen geringeren VoLL.

Mit der Klimaumstellung wächst der Stromverbrauch durch Substition fossiler Energien und durch neue Anwendungen. Die Autoren halten die neuen Anwendungen für derzeitig nicht rentabel, es gibt nicht genügend Daten über die Kosten.

Für die Simulation von Angebots- und Nachfrageszenarien verwenden die Autoren ein CGE-CERE-Modell. Der Strommarkt gehorcht einem "Kupferplatten"-Modell, d.h. die Elektronen bewegen sich quasi ungehindert durch die EU. Simuliert werden auch die Import- und Exportmärkte. Das 40%-Reduktionsziel für Schweden ist 2030 bereits erreicht, desgleichen die 25% für die EU, entsprechend Fit-for-55.

Die Autoren gehen davon aus, daß die USA und der Rest der Welt der europäischen Klimaumstellung hinterherhinken. Bedingt durch die Kostenbelastungen werden in der EU die ökonomischen Aktivitäten [Binnenachfrage?] abnehmen und die Exporte nach den USA und den Rest zunehmen.

Die Handelsbeziehungen werden in zwei Alternativen simuliert: SOE, kleine-offene-Ökonomie. Die Preise sind durch den internationalen Markt gesetzt und können nicht von Schweden beeinflußt werde. MRT, multi-regionaler-Handel. Kostenerhöhungen können auf Verkaufspreise übergewälzt werden. Für Schweden wird ein Nachfragerückgang im 1/10 %-Bereich prognostiziert. Im SOE ca doppelt so hoch wie im MRT. Für Deutschland führt die fossile Abhängigkeit zu Werten weit über EU-Durchschnitt.

Die Belastung der Industrie durch hohe Strompreise hängt davon ab, inwieweit die Kostensteigerungen auf die Preise übergewälzt werden können. Haushalte mit niedrigem Einkommen sind durch hohe Strompreise besonders betroffen. Jedoch wäre das in Schweden mit steigenden Stromexporten verbunden. Der damit entstandene Wohlfahrtsgewinn könnte zur Kompensation besonders betroffener Haushalte verwendet werden -> Kaldor-Hicks-Kriterium. Ein verlangsamter Ausbau der transnationalen Stromnetze würde einkommensschwachen Haushalte in Schweden zugute kommen.

Die Investitionen der Klimaumstellung werden zum großen Teil durch öffentliche Mittel finanziert. Es sollten deshalb der Öffentlichkeit auf eine transparente Weise Daten über die Rentabilität zur Verfügung gestellt werden. Auch sollte eine "second-opinion" institutionalisiert werden, um die betriebswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Investitionen zu beleuchten.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland # el #energiewende #klimatomställning

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
" Rapport 2023:11 . Näringspolitik, konkurrenskraft och elpriser: Elintensiv industri i Sverige och Tyskland", (tillväxtanalys, 2023).

Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Schwedens mit einer ähnlichenn Industriestruktur. In der Studie wird verglichen, wie die Industrie gegen zu hohe Stromkosten geschützt wird. Das auch unter dem Gesichtspunkt, wie die Konkurrenzfähigkeit und der Wohlstand Schwedens durch steigende Strompreise beeinflußt wird.

Generell hat Deutschland deutlich höhere Strompreise als Schweden, hat aber trotzdem in der Vergangenheit die Konkurrenzfähigkeit seiner Industrie bewahren können. Begünstigt wird Deutschland durch seinen größeren Binnenmarkt und durch Skaleneffekte einer großvolumigen, aber relativ anspruchsloser Massenproduktion.

Schweden außer hat dagegen außer den niedrigeren Strompreisen den Vorteil einer besseren Rohstoffbasis bei Erzen und Zellulose-Vorprodukten. Zudem hat Schweden sich besonders im Bereich Eisen / Stahl auf eine höherwertige Produktion mit niedervolumigen Nieschenprodukten spezialisiert.

Deutschland hat zum Schutz seiner Industrie ein System mit einer Vielzahl von Ausnahmeregelungen und wirtschaftspolitischen Spezialregeln aufgebaut.

In Schweden dagegen hat man sich für allgemeine Steuererleichterungen entschieden, verbunden mit dem System der el-Zertifikate und Subventionen. Für die stromintensiven Branchen wird versucht, die Stromsteuersätze möglichst niedrig zu halten.

Das deutsche System mit anlagenspezifischen Unterstützungsmaßnahmen war in der Vergangenheit auch in Schweden gebräuchlich, wurde aber zugunsten des jetzigen, durch seine Effizienz mehr vorteilhafteren Systems aufgegeben.

In Deutschland gibt es nach Meinung der Autoren mit dem jetzigen System mehr Variationen im Strompreis zwischen den verschiedenen stromintensiven Industrien als in Schweden. Jedoch hat dieses System den Vorteil der präziseren Zielsetzung, auch in Hinblick auf Verteilungseffekte.

In Schweden wurde früher versucht, die Klimaumstellung voranzutreiben durch Umschichtung der Steuern von Arbeit auf CO2-Ausstoß. Das hat sich nicht bewährt, weil durch zahlreiche Ausnahmeregeln die begünstigten Unternehmen ihre Produktion und damit den CO2-Ausstoß erhöhen konnten.

In Deutschland wird die Energiewende durch ein komplexes System von Abgaben für Unternehmen und Privathaushalte finanziert. Die Belastungen der Unternehmen bestimmen sich nach verschiedenen Faktoren, z.B. Größe des Stromverbrauchs. Auch gibt es eine Liste mit Sektoren, gestaffelt nach der Neigung, ins Ausland zu verlagern. Auch diese Unternehmen genießen allerlei Privilegien bei der Befreiung von Abgaben zur Energiewende.

Verschiedene Unternehmen können sich so deutlich in ihren Abgabenlasten unterscheiden. Zudem hat Deutschland der EU-Kommission die Erlaubnis für ein 27.5 Mrd. Euro Subventionspaket für industrielle Großstromverbraucher abgerungen.

Die Autoren erklären sich für außerstande, das deutsche System der Ausnahmeregeln in seiner Gesamtheit durchschauen zu können. Klar ist, daß Großverbraucher von den Abgaben freigestellt werden. Die Begründung ist nicht immer klar, weil Konkurrenzfähigkeit von vielerlei Faktoren abhängig ist. Die Kosten der Energiewende werden somit in Deutschland vor allem Gewerbeunternehmen und Privathaushalten aufbebürdet.

Schweden hat sich dagegen für ein einheitliches Besteuerungssystem der stromintensiven Industriebranchen entschieden. Der Vorteil ist eine höhere Transparenz, mehr Effizienz, und daß die Unternehmen die Orientierung erleichtert wird.

Damit unterscheiden sich Deutschland und Schweden dadurch, daß für schwedische Unternehmen im Wesentlichen der Preis an der Strombörse maßgeblich ist, deutsche Unternehmen dagegen werden durch die zahlreichen und schwer durchschaubaren staatlichen Regeln bestimmt. Zudem ist mit dem deutschen System ein enormer administrativer Aufwand verbunden.

Direkte staatliche Subventionen waren in den 1970 / 80er Jahren ein Mittel, krisenbedrohten Unternehmen zu helfen, z.B Stahl, Werften, Bergbau, Forstwirtschaft. Darauf entfielen in Schweden zeitweilig 1% des BNP, allerdings wurden die Mittel oft zur finanziellen Rekonstruktion verwendet, z.B zur Unternehmensentschuldung.

Mit der Globalisierung und Klimaumstellung werden Unternehmen und Wirtschaftsprojekte unter mehr strategischen Gesichtspunkten gesehen, um die nationale Konkurrenzfähigkeit
im globalen Zusammenhang zu stärken. Beispiel Grüner Wasserstoff oder die US-Initiative IRA. Damit Abkehr von der ursprünglich nationalen Fokussierung auf Krisen.

Es ist schwierig Konkurrenzfähigkeit zu definieren, weil dadurch strukturelle Veränderungen der Wirtschaft schlecht erfaßt werden. Beispielsweise können Wohlfahrtsgewinne entstehen, wenn Ressourcen von Krisenbranchen auf Zukunftsbranchen übertragen werden. Die Autoren plädieren auch aus diesem Grund für den Ausbau von Forschung & Entwicklung.

Gegenwärtig sind nach den EU-Marktregeln direkte Unterstützungsmaßnahmen für einzelne Unternehmen nicht mehr zulässig, jedoch bemerken die Autoren zahlreiche Ausnahmen. Als Beispiel für die flexiblere Sich auf Subventionen wird der Versuch von R. Habeck angeführt, einen 6-Cent Industriestrompreis einzuführen; kaum konsistent mit EU-Regeln.

Zusammenfassend stellen die Autoren fest, daß die Übernahme des deutschen Modells für Schweden keine Effizienzvorteile hat. Vielmehr sollte Schweden das jetzige System weiter ausbauen und transparente, zielführende Steuerregelungen einführen.

Mit den steigenden Strompreisen bemerken schwedische Unternehmen immer mehr, wie ausländische Regierungen für vergleichbare Unternehmen in ihren eigenem Staatsbereich "gute
Rahmenbedingungen" zu schaffen versuchen, dh. durch Sondervorteile diesen Unternehmen Vorteile zuzuschanzen. Beispiel "elprisgaranti", also Strompreisbremse in Deutschland.

Voraussichtlich werden die Strompreise in der EU sich angleichen. Schweden verliert damit den Standortvorteil niedriger Strompreise. Die Veredelung des schwedischen Stroms in der Industrie wird weniger, der Stromexport dagegen mehr lukrativ. Es wird auf die historische Bedeutung des Außenhandels für den wirtschaflichen Fortschritt Schwedens hingewiesen.

Die Studienautoren haben versucht, die Anteile einiger Industrienbranchen an der gesamten industriellen Wertschöpfung in Schweden und Deutschland zu vergleichen.

Die Ergebnisse sind in Diagramm Figur_4.1 dargestellt, S. 32. Desgleichen die Kostenanteile für Elektroenergie in den ausgewählten Industriesektoren in Diagramm Figur_4.2, S. 33. Desgleichen die Kostenanteile für Arbeit in den ausgewählten Industriesektoren in Diagramm Figur 4.3 auf Seite 34. Die hellen horizontalen Striche in den dunkelen Boxen symbolisieren die Medianwerte, die Länge der dünn ausgezogenen vertikalen Balken die Variation über den Zeitraum 2007 - 2020.

Im Ergebnis sind die Industriebranchen Fahrzeuge, Chemie, Lebensmittel, Metallverarbeitung, Holzverarbeitung im Bereich 0.5% - 4%. Höhere Kostenanteile für Elekroenenergie weisen die Branchen Zellstoff, Papier & Pappe, Eisen & Stahl auf, ca. 8 -10 Prozent. Die Branche Basismetalle erreicht in Deutschland ungefähr 5 % . Die Ausgaben in Deutschland für den Strom sind in den meisten Branchen höher als in Schweden, aber typisch < +33%, bezogen auf den schwedischen Kostenanteil.

Der Anteil der Arbeitskosten variert weniger über die Zeit als die Elektrokosten. Weiterhin unterscheiden sich die Werte für Schweden und Deutschland weniger als diejenigen für die Elektrokosten.

In Diagramm Figur 4_4 auf S. 35 werden die Industriestrompreise für Schweden, Deutschland und durchschnittlich EU dargestellt. Es zeigt sich, der Industriestrompreis in Schweden über den Beobachtungszeitraum immer niedriger ist als der EU-Mittelwert, der deutsche Wert dagegen immer über dem EU-Mittelwert liegt. Ab etwa 2021 nähert sich der deutsche Industriestrompreis dem EU-Wert an, bei beiden gibt es rasante Preiserhöhungen.

In Diagramm Figur 4.5 wird exemplarisch für Schweden und Deutschland die Wertschöpfung in der Eisen / Stahlindustrie sowie der Basismetallindustrie dargestellt. Die Wertschöpfung pro Beschäftigter ist in Schweden durchgängig höher als in Deutschland. Die Autoren nehmen das als Plausibilitätsnachweis für ihre These, daß die deutsche Industrie durch die hohen Stromkosten in eine großvolumige Massenproduktion abgedrängt wurde, um durch Skaleneffekte die hohen Stromkosten kompensieren zu können. Dadurch wiederum ist die deutsche Industrie durch ansteigende Stromkosten besonders gefährdet.

In den letzten Abschnitten der Studie wird mit Hilfe ökonomischer Modelle und Computersimulationen untersucht, welche Auswirkungen es auf die Wohlfahrt hat, wenn der Export billigen schwedischen Stroms begrenzt wird, um Preissteigerungen im Inland zu vermeiden. Oder die Perspektiven, durch Lohn- oder Produktsubventionen Preissteigerungen im Strommarkt durch ungehinderten Stromexport zu kompensieren.

Die Autoren plädieren für den Freihandel mit Elektroenergie. Ihrer Meinung ist das die vorteilhafteste Variante unter dem Gesichtpunkt der Wohlfahrtssteigerung. Auch empfehlen sie, die Energiesteuern generell abzuschaffen, um das System der Ausnahmeregelungen zu beenden. Klimaneutralität kann auch durch CO2-Abgaben auf EU-Ebene erreicht werden.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #el #stromerzeugung

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Christoph Hank, Marius Holst, Connor Thelen, Christoph Kost, Sven Längle, Achim Schaadt, Tom Smolinka: "Site-specific, comparative analysis
for suitable Power-to-X pathways and products in developing and emerging countries ", (Fraunhofer-ISE, 2023).

Im Folgenden eine Zusammenfassung bis Seite 92. Die Themen Methanol- und Kerosin-Synthese und CO2-Gewinnung aus Luft (DAC) werden in der Zusammenfassung ausgeklämmert.

Mit einer eigenentwickelten Simulationssoftware wird eine Prognose für die Kosten der Produktion von grünem Wasserstoff außerhalb Deutschland für das Jahr 2030 gemacht. In die Kostenberechnungen geht die Stromerzeugung durch Windkraft und Photovoltaik ein, aber auch die Kosten für Netzleitungen im Quelland, Elektrolyseure, Tiefkühlung und Zwischenlagerung, Ammoniaksynthese, Transport nach Deutschland. Betrachtet werden auch die Investitions- und Kapitalkosten. Die in Deutschland anfallenden Kosten für Regasifizierung oder Reformierung von Ammoniak, Distribution ... werden dagegen ausgeklämmert.

Die für die Daten notwendigen Daten über die Wind- und Solarverhältnisse an den Standorten werden in der Studie dem OpenSource-Programm Ninja entnommen, das solche Daten für jeden Erdpunkt auf der Basis von Satellitenbeobachtungen bereitstellt.

Im Ergebnis kommen die Autoren für H2 auf Gesamtkosten von 17 -22 Cent / KWh, entsprechend 5.70 - 7.23 Euro / Kg. Für Ammoniak sind es 17 Cent / KWh. Das gilt für die kostengünstigsten Standorte, die in Brasilien und Australien liegen. Für die Jahre nach 2030 hoffen die Autoren auf niedrigere Preise, ohne dies jedoch zu begründen. Die Autoren glauben, daß die insgesamt hohen Kosten für grünen Wasserstoff und Ammoniak zukünftig relativiert werden durch steil ansteigende Preise fossiler Energie.

Die Autoren betonen, daß trotz oft günstiger Wind- und Sonnenstrahlungsverhältnisse große Landesteile in den betrachteten Ländern für PtX-Projekte nicht genutzt werden können, weil Naturschutz und militärische Belange dem entgegenstehen, oder auch weil fehlende Infrastuktur und Arbeitskräftemangel dies nicht sinnvoll machen.
Als geeignet werden Landschaften angesehen mit einer Bevölkerungsdichte < 150 / qKm. Urbane Gebiete, Farmland, Wälder und Sumpfland werden nicht berücksichtigt. Berücksichtigt werden nur Gebiete, wo die Länge des zu bauenden Stromnetzes und der zu bauenden Überlandstraßen kleiner 100 Km sind.

Die Anlagen für die Elektrolyse, Verflüssigung, Synthese, Zwischenlagerung werden in der Nähe der Häfen oder am Endpunkt der Pipelines angenommen. Zu bauen sind deshalb oft lange Stromnetze von den Stromerzeugungseinheiten, sowie Überlandstraßen. Die Verfügbarkeit von Landflächen zu akzeptablen Preisen und ausreichend viele lokale Arbeitskräfte sind ebenfalls Voraussetzung. Auch ist ein zumindestens rudimentäres lokales Stromnetz als BackUp-Netz erforderlich. Die Häfen müssen oft noch vom Container-Betrieb zu Tankschiffhäfen umgebaut werden.

Weiterhin wird auf lange Planungs- und Ausführungszeiträume hingewiesen, die bei dem Bau der PtX-Anlagen zu erwarten sind. Um in 10 Jahren in Deutschland über PtX-Importe im 1 TWh-Bereich verfügen zu können, müßte bereits jetzt der Bau der PtX-Anlagen in Angriff genommen werden. Das Fehlen großer Tankschiffe für verflüssigten, tiefgekühlten Wasserstoff ist ein weiteres Problem. Für diese Schiffe müssen erst noch Regularien entwickelt werden, bevor sie auf den Werften gebaut werden können. Die Autoren weisen darauf hin, daß in ihrem Szenario 160 kT Wasserstoff pro Jahr produziert wird. Das entspricht ca. der gegenwärtigen Weltproduktion. Für Nordafrika und Spanien bietet sich der Transport von Wasserstoff via Pipeline an. Diese Pipelines müssen jedoch erst noch gebaut werden. Innerhalb von Europa wäre ein dediziert deutsches Pipelinenetz sehr teuer. Mit einem gesamteuropäischen Wasserstoff-Pipelinenetz auf der Basis europäischer Zusammenarbeit wären die Kosten weitaus niedriger.

In den letzten Jahren bekam die asiatische Photovoltaik-Industrie global gesehen eine dominierende Bedeutung. Eine ähnliche Entwicklung, so die Autoren, zeichnet sich derzeitig bei den Windkraftanlagen ab. Daneben bestehen weitere Abhängigkeiten von Asien, so auf dem Gebiet industrieller Zulieferteile und Rohstoffe wie Seltene Erden. Deshalb sollte Europa versuchen, zumindestens die Produktion von Elektrolyseuren in der Region zu sichern. Es besteht das Risiko, daß mit dem Ausbau der Infrastruktur für grünen Wasserstoff die Abhängigkeit von Asien verstärkt wird.

Auf Seite 32, Tabelle 5.1 sind die ökonomischen Eckwerte für Solarkraft und Windkraft aufgelistet, Investitionskosten (CAPEX), Betriebsaufwendungen (OPEX), Kosten des Kapitals, z.B. Zinsen oder Gewinnausschüttungen (WACC). Die Investitionskosten liegen durchweg höher als in den letzten Beiträgen, die
auf schwedischen Studien beruhen. Photovoltaik: CAPAX 550 - 650 Euro / KW_peak, OPEX 11- 13 Euro über Lebensdauer von 30 Jahre, WACC 6 - 8 % . Windkraft 1200 - 1500 Euro / KW, OPEX 1.5 - 1.7 Cent / KWh, WACC 6 - 8 % , Lebensdauer 25 Jahre.

Als Elektrolyseverfahren wird in der Studie das PEM-Verfahren zu Grunde gelegt. Mit diesem Verfahren kann noch bei 10% der Nennleistung der Betrieb aufrecht erhalten werden. CAPEX: 750 Euro / KW_ac , OPEX 15 Euro / (KW_ac * Jahr), Lebensdauer 30 Jahre. Benötigt werden 15 Liter Wasser / Kg_wasserstoff. Die Kosten für
Entsalzung und Aufbereitung werden mit 2 Euro / cbm_wasser veranschlagt. Bei der Wasserstoffverflüssigung oder auch den Synthesprozessen ist die eingeschränkte Modulationsfähigkeit zu beachten, im Vergleich zu den Elektrolyseuren. Es sind deshalb Zwischenspeicher erforderlich, voraussichtlich mit teuren oberirdischen Tanks. Billiger wären unterirdische Kavernenspeicher, die jedoch derzeitig nicht erforscht sind.

In Fig.-5.2 sind die Investitionskosten für die Anlagen zur Wasserstoffverflüssigung, der Ammoniak- und Methanol- und Kerosinsynthese dargestellt. Für die Wasserstoffverflüssigung werden 1600 bis 1200 Euro / KWh veranschlagt, für Ammoniak 700 - 1300 Euro / KWh, jeweils abhängig von der Anlagengröße.

Die Transportkosten per Schiff sind nicht direkt abhängig von der Entfernung und betragen nach Diagramm Figure-6.5 geschätzt ca 5% der Gesamtkosten frei Deutschland.
Die Alternative zu Schifftransporten für Wasserstoff sind Pipelines, die Algerien und Marokko mit Europa und Deutschland verbinden könnten. Attraktiv ist aus Kostengründen die Nutzung des im Rahmen der "European Hydrogen Backbone Initiative" geplanten Pipelinenetzes. Hier werden Transportkosten von 11 - 21 Cent / Kg_H2
avisiert. [Bei einem Energieinhalt von ca. 40 KWh / Kg_H2 entspricht das also ca. 0.25 - 0.5 Cent / (1000Km*KWh)]. Ein dediziertes Pipelinenetz nur für den deutschen Bedarf wäre dagegen wesentlich teurer und unwirtschaftlich.

In den Graphiken Figure-6.1 und Figure-6.2 werden die Selbstkosten für onshore-Windkraft und Photovoltaik an den jeweiligen Standorten dargestellt. Zu betonen ist, daß es sich dabei nicht um die Kosten von grünem Wasserstoff handelt, geliefert nach Deutschland, sondern um die Stromkosten an den jeweiligen Stromerzeugungsanlagen. Für Photovoltaik streuen die Kosten zwischen 3 - 4 Cent / KWh. Die Selbstkosten für die onshore-Windkraft streut zwischen 4 - 6 Cent, liegt aber an einigen Standorten auch bei weit über 10 Cent / KWh.

In Figure-6.3 finden sich Angaben über die Selbstkosten für Energie, geliefert nach Deutschland. Für grünen Wasserstoff aus Algerien, Marokko, Tunesien, Spanien ist mit Selbstkosten von 14 - 15 Cent / KWh zu rechnen, wobei diese Länder den Vorteil niedriger Transportkosten durch geographische Nähe und Pipelines haben. Für
die anderen Länder sind wesentlich höhere Selbskosten, mehr als 17 Cent / KWh, zu erwarten, z.B für Namibia 24 -27 Cent / KWh. Für Ammoniak streuen die Werte stark, bewegen sich an den meisten Standorten um die 20 Cent / KWh.

Die Lieferkapazität über alle betrachteten Regionen wird mit 82 TWh grüner Wasserstoff abgeschätzt [eigene Abschätzung Diagramm Figure-6.4 ] [Bei Ammoniak sind es nach eigener Abschätzung ca 75 TWh, nach Diagramm Figure-6.6]

Die Selbstkosten für den Import grünen Wasserstoffs durch eine gesamteuropäische Pipeline betragen ca 16 Cent / KWh, durch eine dedizierte deutsche Pipeline sind es ca 20 Cent / KWh. Nach eigener Abschätzung Figure-6.10 sind auf diese Weise 66 TWh beschaffbar. Diese Mengen addieren sich nicht zu den Mengen, die per Tankschiffe zu beschaffen sind.

Energetischer Wirkungsgrad H2 beträgt ca. 55% in der Kette Stromerzeugung bis Verlüssigung, derjenige von Ammoniak ca. 50%.

Windkraft und Photovoltaik unterscheiden sich durch ihre Fluktuationen in ihrer Verwendbarkeit für die H2- und Ammoniakproduktion. Weil Ammoniaksynthese weniger teillastfähig ist, braucht es mehr H2-Zwischenspeicher. oder eine gleichmäßigere Stromversorgung. Das spricht für Windkraft. Standorte mit dominierender Photovoltaik
sind also nicht besonders geeignet für die Ammoniakproduktion.

Die Autoren weisen ausdrücklich darauf hin, daß sie in ihrer Studie nicht die "at-gate hydrogen" generation cost betrachten. Mit diesem Begriff sind die Kosten gemeint, die ohne Transport, Tiefkühlung und Zwischenspeicherung anfallen. Für die aussichtsreichsten Regionen Brasilien, Kolumbien und Australien geben die Autoren 9.6 - 10.8 Cent / KWh als lokale Kosten an. Die Kosten für alle in der Studie betrachteten Regionen liegen für grünen Wasserstoff im Bereich 9.6 - 16 Cent / KWh. [Insgesamt liegen also
die Kosten für grünen Wasserstoff frei Deutschland also ca Faktor 1.5 höher als die lokalen Kosten]

Weiterhin weisen die Autoren auf den Unterschied zwischen Selbstkosten und Preisen hin. Die Preise orientieren sich an den Selbstkosten, wie sie hier in der Studie kalkuliert werden. Dazu kommen Profit, Risikoaufschläge, Forschung & Entwicklung, Distribution ... Für das Jahr 2030 existieren bereits weitere Studien oder Entwicklungspläne. Unter der Überschrift "Published target values of national roadmaps and international price projections and scenarios for hydrogen in 2030." finden sich in Tabelle table-6.8 folgende Angaben (Preise hier pro KG H2, und anscheinend lokale Kosten):
This study: 3.21-5.33 EUR (costs)
Hydrogen Council: 1.40-2.30 USD
European Council: 1.10-2.40 Euro
IEA: 1.50-3.50 USD
IRENA: 1.40-2.00 USD
Die Kostenangaben dieser Studie liegen also im Vergleich zu den anderen Angaben mit Abstand an der Spitze.
Der Unterschied beträgt mehr als Faktor 2.

Für die meisten Regionen ist die Produktion von Ammoniak günstiger als die von grünem Wasserstoff. Wenn Ammoniak nicht als Grundlage für Düngemittel oder als chemischer Grundstoff für die Chemieindustrie verwendet wird, sondern als Träger für grünen Wasserstoff, dann sollte bedacht werden, daß die Reformierung von Ammoniak energieaufwändig und technologisch nicht fortgeschritten ist.

Die Autoren schlußfolgern, daß es bei der Kostenermittlung unumgänglich ist, das Zusammenspiel von Photovoltaik, Windkraft, sowie anderer Faktoren wie administrative, topographische und infrastrukturelle Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Transportentfernungen haben sicherlich einen größeren Einfluß auf die Kosten, sind aber nicht entscheidend. Weiterhin ist ein ausbalanziertes Verhältnis zwischen Photovoltaik und Windkraft oft vorteilhafter als besonders gute Bedingungen für nur eine dieser Stromquellen. Und schließlich sind die Kapitalkosten für den Erfolg der Produktion von grünem Wasserstoff entscheidend.

Der Aufbau einer Produktion von grünem Wasserstoff außerhalb von Deutschland setzt zumindestens in der Anfangszeit bilaterale Handelsabkommen voraus. Später wird sich ein globaler Markt für grünen Wasserstoff entwickelt haben. In jedem Fall wird der Aufbau der Produktion von grünem Wasserstoff viele Jahre beanspruchen. Stabile politische und ökonomische Verhältnisse sind dafür essentiell.

#deutschland #tyskland #schweden #sverige #el #elektroenergie #wasserstoff #vätgas

benedict16b@despora.de

Daniel Lind: "Svensk industris konkurrenskraft", (Arena-ide, 2022)
Daniel Lind: "Svensk teknikindustris konkurrenskraft – Vad har hänt sedan krisen på 1990-talet?" (Arena-ide, 2022)

Der Autor dieser beiden frei herunterladbaren Texte betrachtet die globalen Lieferketten und Wertschöpfungsprozesse der Industrie. Als Maß für die Konkurrenzfähigkeit eines Landes oder eines Wirtschaftsbereichs wird der Anteil der Wertschöpfung herangezogen, ausgedrückt in Löhnen und Unternehmensgewinnen. Ein Diagramm sagt oft mehr als tausend Worte - die Serie an Diagrammen in den beiden Studien ist fast selbsterklärend, auch ohne besondere Schwedischkenntnisse. Der Beobachtungszeitraum geht von 1995 bis 2018, also ab dem Höhepunkt einer schweren Wirtschaftskrise in Schweden.

Die Bedeutung der Industrie nahm bis Anfang der 2000er Jahre ab, danach stagnierte die Entwicklung aufgrund der Weiterentwicklung Chinas. Neben der Industrie wird die "Technikindustrie" von dem Autor betrachtet, die hier die Branchen Metallbearbeitung, Maschinen & Ausrüstung, Fahrzeuge, andere Verkehrstechnik, Elektronik & Computer, elektrische Ausrüstung umfaßt. Die so definierte Technikindustrie hat einen Anteil von ca 45% an der globalen Industrie. Die Industrie selbst hatte 2018 einen Anteil von ca. 21% am globalen BNP. Ansonsten haben die Statistiken die Tendenz, den Industriebereich zu unterschätzen, weil dort die Preisentwicklung langsamer als in anderen Wirtschaftbereichen verläuft.

Die Zeit der Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges liegt außerhalb des Beobachtungszeitraums. Allerdings sind die Auswirkungen der Finanzkrise 2008 deutlich in den Diagrammen abgebildet. Damit liefern diese beiden Studien möglicherweise Material über das grundsätzliche Verlaufsmuster von "Zeitenwende". Um diesen plakativen, politisch aufgeladenen Begriff zu durchleuchten, einige Gedanken von meiner Seite dazu:

  • die vorhergende "Zeitenwende" in Gestalt der Finanzkrise 2008 nahmn ihren Ausgangspunkt spätestens mit dem 11. September, die industrielle Bedeutung der USA nahm kontinuierlich ab,

  • Schweden und Deutschland holten die Entwicklung der USA mit der Finanzkrise 2008 nach,

  • die beiden Krisen - Finanzkrise & 11. September - setzten überdeutlich sichtbar Energien frei, die sich über lange Zeit aufgestaut hatten, v.a. in der Folge des Aufstiegs Asiens,

  • unterschiedliches Reaktionsmuster: weiche Landung über langen Zeitraum (USA), harte Landung mit abrupter Veränderung (Deutschland und Schweden),

  • die Reaktion der USA, bzw. DE & SE, zeigt sich in einem verringerten Anteil an der globalen Wertschöpfung in den genannten fünf Technikindustrie-Branchen,

  • der Anteil an der globalen Wertschöpfung wird hier als Maß der Konkurrenzfähigkeit gelesen. Damit hat sich die Konkurrenzfähigkeit von DE und SE quasi über Nacht abrupt verändert - entgegen der Vorstellung von der Trägheit bei Veränderungen der Konkurrenzfähigkeit,

  • es sind nicht isolierte Krisen oder globale Großereignisse, die ursächlich für solche Veränderungen sind - sie machen langanhaltende Veränderungen nur sichtbar,

  • die Reaktion in den USA, SE, DE führte nicht zu einem totalen Wirtschaftszusammenbruch, Massenarbeitslosigkeit oder Massenelend. Es sind also nur Teilbereiche, die zunächst betroffen sind. Desgleichen ist die Reaktion nicht synchron, wie der Vergleich USA mit DE & SE zeigt. Weiterhin entspricht dieser Typ der "Zeitenwende" keineswegs einer globalen Krise, auch Angesichts des Aufstiegs Asiens und Chinas.

Weitere Anmerkung: Gelegentlich wurde vermutet, daß China als mächtige Industrie- und Handelsnation seine Corona-Politik mit dem Versuch verband, die internationalen Lieferketten [und Wertschöpfungsketten] neu zu justieren, d.h. an eine neue Realität anzupassen. Das wäre dann tatsächlich die "Zeitenwende" der 2020er Jahre.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #kina #china