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Nur ein Auszug aus einem sehr guten Artikel über den "Extremismus der Mitte".

Völkische Vorstellungen: Kein Rechtsextremismus ohne Mitte

Die AfD greift, getragen von einem Umfragehoch nach dem anderen, nach der Macht. Und das, obwohl sie offen rechtsextreme Positionen vertritt. Gestärkt wird sie dabei durch eine Politik aus der Mitte, die völkische Vorstellungen nie überwunden hat. (Von Julian Daum)

... trotz anhaltender Warnungen und Kritik von marginalisierten Gruppen scheinen bisher weitaus weniger Menschen in Deutschland erkannt zu haben, dass sich die Parteien der sog. Mitte längst auf den Weg gemacht haben, sich den Maximalpositionen der AfD anzunähern, „die oft nur eine Radikalisierung und Überspitzung des Geistes der herrschenden Asylpolitik” sind, wie Kerem Schamberg kommentiert. Seit Monaten wird für Asylrechtsverschärfungen mobilisiert. Politiker:innen wie Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder Hubertus Heil (SPD) uvm. warnten vergangenes Jahr in monatlichen Abständen vor einer angeblichen Einwanderung in die Sozialsysteme, Bundeskanzler Olaf Scholz forderte auf dem Titel des Spiegel „endlich im großen Stil” abzuschieben und die Zustimmung der Regierung zur EU-Asylrechtsreform GEAS, nach der Asylbewerber:innen u.a. an den Außengrenzen haftähnlich interniert werden können, wurde von sämtlichen Parteien als historische Errungenschaft gefeiert. All diesen Zugeständnisse geben den Rechtsextremen Forderungen nach, die eine komplette Gruppe von Menschen vor allem als Bedrohung zeichnen, die weggeschafft werden müsse. Da klingt die Forderung Jens Spahns vom Dezember, Geflüchtete in afrikanische Drittstaaten wie Ruanda oder Ghana abzuschieben, auf einmal gar nicht mehr so weit weg vom Deportations-„Masterplan“, der ja „nur” noch etwas weiter geht. [...]

„[Die Politiker:innen] verkennen dabei, dass sie mit jedem Hinweis in der von ihnen genannten Art, mit jeder Forderung, dass bestimmten Menschen der deutsche Pass aberkannt werden müsse, dass bestimmte Menschen nicht Deutsch werden könnten, und das immer auf migrantisch gelesene Menschen gemünzt ist, völkische Vorstellungen neu aktiviert und normalisiert werden.”

Seit vergangenem Sommer gab es aus vielen Parteien heraus Forderungen, bestimmten Menschen bei Vergehen die Staatsangehörigkeit zu entziehen. Gemeinsam ist den davon betroffenen Menschen eine Abstammung, die auf eine Einwanderungsgeschichte hindeutet. Sie ermöglicht es rechtlich, auch als Deutsche noch anders behandelt zu werden als Deutsche mit deutschen Vorfahren. Eine Tatsache, die auch mit dem Deportations-„Masterplan“ ausgenutzt werden soll.

Deutscher Abstammungsfetisch

Auf Abstammung zielte auch die Vornamenabfrage der Berliner CDU beim Berliner Senat, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die meisten Tatverdächtigen der Silvesternacht 2022/23 Deutsche waren. Auch für CDU-Chef Friedrich Merz ein Anlass, die Verantwortung der Ausschreitungen damals ausschließlich „kleinen Paschas“, also Jugendlichen mit arabischer Einwanderungsgeschichte, zuzuschieben. Gegen Ende des Jahres forderte dann FDP-Vize Wolfgang Kubicki eine Begrenzung des „Migrantenanteils“ auf 25 Prozent in Stadtvierteln, woraufhin CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann eine Migrantenquote von 35 Prozent in Schulen vorschlug.

Abstammung zog sich als gemeinsamer Nenner politischer Forderungen durch das gesamte Jahr 2023. Besonders deutlich wurde dies nach den Terroranschlägen der Hamas in Israel am 7. Oktober. Zahlreiche Politiker:innen, darunter Markus Söder forderten einen Passentzug in Fällen von Antisemitismus unter Migrant:innen. Muslim:innen und Menschen mit arabischer Einwanderungsgeschichte wurden in zahlreichen Reden gesondert und ausschließlich dazu aufgefordert, sich von der Hamas und Antisemitismus zu distanzieren, während viele Demonstrationen, die das Leid auf palästinensischer Seite in den Blick nehmen wollten pauschal und präventiv verboten wurden. Obwohl Teil Deutschlands, hatten viele das Gefühl, dass ihnen kein Raum für ihre Trauer zugestanden würde.

All das lässt in Deutschland – bei aller wortreichen Distanzierung von Rassismus – immer noch eine besondere Fokussierung auf und Unterscheidung nach Abstammung erkennen, die einst vom Völkischen zum Fetisch gemacht und von den Nazis als Götze verehrt wurde. All diesen Forderungen ist gemeinsam, dass sie sich ausschließlich an jene Deutschen richten, die eine jüngere Einwanderungsgeschichte aufweisen. In all diesen Forderungen und Aussagen schwingt – mehr oder weniger explizit – die Auffassung mit, dass man richtig deutsch nur sein und nicht werden kann.

[...] Noch immer scheinen viele Politiker:innen und Menschen, die von sich selbst bürgerliche Mitte sprechen würden, nicht begriffen zu haben, wie ernst die Lage ist, wenn sie noch immer rechtsextreme Positionen übernehmen, normalisieren oder verharmlosen – trotz einer so reichen Geschichte, die andere Schlüsse zulassen sollte.

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