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mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

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„Im Gegensatz zur AfD braucht die Bundesregierung kein Geheimtreffen, um die massenhafte Entrechtung von Menschen zu diskutieren, sie schlägt das einfach als Gesetz vor."

Rückführungsverbesserung statt Remigration

Wenige Tage nach den Enthüllungen über die AfD verschärft die Bundesregierung erneut ihre Asylpolitik. Ein fatales Signal. (Von Kerem Schamberger)

Auch das neue Jahr begann mit erschütternden Nachrichten. Dieses Mal kamen sie aber nicht nur aus dem fernen Ausland. Ein Bericht des Recherchezentrums Correctiv deckte auf, dass im November vergangenen Jahres ein geheimes Treffen von hochrangigen AfD-Politikern mit Unternehmern, Juristen, Ärzten und CDU-Politikern stattfand, auf dem Pläne zur Vertreibung und „Remigration“ von Migrant:innen vorgestellt und diskutiert wurden. Martin Sellner, Aktivist der rechtsextremen Identitären Bewegung, referierte unter anderem über die Idee, in einen nordafrikanischen „Musterstaat“ zwei Millionen Menschen „hinzubewegen“, sprich: zu deportieren.

Wenige Tage nach der Veröffentlichung gingen und gehen in verschiedenen Städten des Landes zehntausende Menschen auf die Straße, in Berlin, Potsdam, Dresden, Leipzig, Köln und andernorts. Unter dem Motto „Demokratie verteidigen“ reagierten sie mit Besorgnis und klarer Haltung auf die in jeder Hinsicht beängstigenden Enthüllungen, die eine weitere Kampfansage an die Realität einer postmigrantischen Gesellschaft darstellen. Die Anti-AfD-Mobilisierungen sind beeindruckend und gehen hoffentlich konsequent weiter.

AfD wirkt

Die Kundgebung am vergangenen Sonntag in Potsdam war dabei von besonderer symbolischer Bedeutung, weil hier das Treffen im vergangenen Jahr stattgefunden hatte. Wohl auch deswegen reihten sich dort medienwirksam mehrere Repräsentant:innen der Bundesregierung ein und ließen sich, umringt von Personenschützern, auf dem Alten Markt fotografieren.

Es ist gut, dass sich die Bundesregierung symbolisch gegen den Rechtsruck stellt. Doch ihre Verantwortung geht darüber hinaus. Statt mit betroffener Miene zu demonstrieren, könnte sie etwas an ihrer konkreten Politik verändern, die den Rechtsruck seit Jahren ebenfalls befördert und institutionalisiert. Denn die Politik der Bundesregierung ist in Migrationsfragen bisher davon geprägt, den Ideen der AfD nichts Substantielles entgegenzusetzen, sondern in anderer Tonlage die Klaviatur der Abschottung zu spielen. Von rechts überboten werden sie dabei nicht nur von der AfD: In ihrem aktuellen Grundsatzpapierentwurf fordert die CDU, alle Geflüchtete, die in der EU einen Asylantrag stellen, in „sichere Drittstaaten“ zu überführen und dort auch nach einem positiven Bescheid zu belassen.

Zugleich wurde am gestrigen Donnerstag im Bundestag über das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ der Bundesregierung abgestimmt, das einen massiven Eingriff in die ohnehin schon eingeschränkten Grundrechte von Geflüchteten darstellt. Die Abschiebehaft soll auf 28 Tage verlängert werden, Polizist:innen dürfen auf der Suche nach Menschen, die abgeschoben werden sollen, auch andere Räumlichkeiten als das Zimmer der jeweiligen Person in Asylunterkünften betreten können. Einreise- und Aufenthaltsverbote sowie Einschränkungen bei der Wahl des Wohnsitzes sollen zukünftig sofort in Kraft treten, auch wenn die betroffene Person rechtmäßigen Widerspruch oder Klage einlegt.

Es handelt sich um weitreichende Eingriffe in das Recht auf Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht auf Privatsphäre. Und künftig könnten auch Seenotretter direkt in Deutschland wegen Beihilfe zur illegalen Einreise kriminalisiert werden – und zwar ausgerechnet dann, wenn es um die Rettung Minderjähriger geht. Zwei diese Woche veröffentlichte Gutachten kommen zu dem Schluss, dass mit dem beschlossenen Gesetzesentwurf ausgerechnet die Rettung von Kindern von einer geplanten Ausweitung der Strafbarkeit erfasst wäre.

„Im Gegensatz zur AfD braucht die Bundesregierung kein Geheimtreffen, um die massenhafte Entrechtung von Menschen zu diskutieren, sie schlägt das einfach als Gesetz vor. Die Rettung von Kindern aus Seenot und das Sichern von Grundbedürfnissen an den Grenzen mit Haft zu bedrohen ist einfach nur niederträchtig“, kommentiert Sea-Watch-Sprecher Oliver Kulikowski den Gesetzesbeschluss. Dass Anfang des Jahres auch noch der Abschiebestopp in den Iran ausgelaufen ist, stellt nur ein weiteres I-Tüpfelchen der restriktiven Asylpolitik der Ampel dar.

Abschottung ohne Ende

Erst am 20. Dezember 2023 hat die Bundesregierung die Reform des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ [GEAS] und damit einer de facto Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl mit ihrer Zustimmung ermöglicht. Neben der massenhaften Internierung von Menschen an den Außengrenzen – mit bis zu 120.000 Menschen plant die EU pro Jahr – steht das Konzept vermeintlich „sicherer Drittstaaten“ im Mittelpunkt der Reform, die nun in Form von zehn Gesetzen noch vor den Europa-Wahlen beschlossen wurde. In diese sollen Menschen, denen ein individueller Asylantrag auf europäischem Boden verwehrt wird, massenhaft abgeschoben werden. Die Kriterien, wann ein Drittstaat als sicher geltend gemacht werden kann, wurden durch die Reform massiv gesenkt. So muss nicht mehr das ganze Gebiet für Abgeschobene als sicher gelten, sondern nur Teilbereiche – etwa einzelne Städte oder Regionen. Zudem kann nun auch zwischen einzelnen Personengruppen differenziert werden, die in zum Beispiel nur für Männer sichere Gebiete abgeschoben werden können.

Die Genfer Flüchtlingskonvention muss von den zukünftigen sicheren Drittstaaten auch nicht unterschrieben sein. Die Türkei zum Beispiel, bereits im Juni 2021 von Griechenland als sicher ausgegeben und durch den EU-Türkei-Deal von März 2016 auch von der EU als Zielort von Abschiebungen geadelt, brüstete sich Ende 2022 damit, im gesamten Jahr mehr als 60.000 Afghan:innen in das vom Taliban-Regime kontrollierte Land abgeschoben zu haben, hinzu kommen tausende Syrer:innen, die gegen ihren Willen in das Bürgerkriegsland zurückgeschickt wurden.

Dazu passend wurden Tunesien, mit seinem immer autokratischer regierenden Präsidenten Kais Saied im vergangenen Jahr fast eine Milliarde Euro versprochen, um den Türsteher Europas zu spielen. Bundesinnenministerin Faeser reiste im Juni persönlich nach Tunis, um für die Zusammenarbeit zu werben. Dabei besuchte sie auch die deutsche Bundespolizei, die die tunesische Nationalgarde und Grenzpolizei in der „Bekämpfung irregulärer Migration“ ausbildet. Nur wenig später wurde bekannt, dass schwarze Geflüchtete und Migrant:innen bei mehr als 40 Grad von eben jener tunesischen Polizei in die Wüste nahe Libyen deportiert wurden. Das Bild einer am Boden liegenden verdursteten Frau und ihres Kindes gingen um die Welt.

"Deutlich wird, dass die Ideen der AfD und der Identitären Bewegung oft nur eine Radikalisierung und Überspitzung des Geistes der herrschenden Asylpolitik sind."

Als Beatrix von Storch 2015 öffentlich darüber nachdachte, auf Flüchtlinge an der Grenze schießen zu lassen, war die Empörung noch groß. Das massenhafte Ertrinkenlassen im Mittelmeer und das Verdurstenlassen in den Wüsten Nordafrikas ist Teil einer Abschottungspolitik, an deren Brutalität sich zu viele gewöhnt haben. Es scheint, dass der an der AfD kritisierte Autoritarismus dann Zustimmung findet, wenn er in nettere Worte verpackt und vorwiegend außerhalb der EU oder in den isolierten Unterkünften und Ausländerbehörden praktiziert wird. Doch nicht nur: den Angriff auf das Staatsbürgerschaftsrecht – auf dem AfD-Geheimtreffen wurde diskutiert, das auch "nicht-assimilierte" Deutsche deportiert werden sollen – hatte es in den letzten Monaten auch aus der „Mitte“ der Politik gegeben. Vermeintlichen oder echten Antisemit:innen solle die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden, forderten nicht nur Unionspolitiker nach den Angriffen der Hamas auf Israel. Auch um sie dann leichter abschieben zu können.

Deutlich wird, dass die Ideen der AfD und der Identitären Bewegung oft nur eine Radikalisierung und Überspitzung des Geistes der herrschenden Asylpolitik sind. Zur Erinnerung: Der Bundeskanzler ließ sich erst im Oktober auf dem Spiegel-Cover mit dem Satz „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ zitieren. Und mit seiner kurzen Erklärung auf X zum Geheimtreffen der AfD und Konsorten verschlimmbesserte er es nur noch: „Wer hier lebt, hier arbeitet und sich zu den Grundwerten unserer Demokratie bekennt, gehört zu uns.“ Was mit denen ist, die arbeitslos sind oder sich nicht zur deutschen Staatsräson bekennen wollen bleibt unklar. Die „Lösungen“ dafür hat die AfD parat. Doch den „Rechtsruck bekämpft man nicht mit Rechtsruck“, wie Luisa Neubauer die Teilnahme der Bundesregierung an den Protesten kommentierte.

Es ist ein fatales Signal, dass die Bundesregierung mit ihrer jüngsten Verschärfung der Asyl- und Abschiebepolitik symbolisch belegt, dass sie auf der Seite des wachsenden Rassismus steht, anstatt sich schützend vor Migrat:innen zu stellen.
- https://www.medico.de/blog/rueckfuehrungsverbesserung-statt-remigration-19351

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

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Nur ein Auszug aus einem sehr guten Artikel über den "Extremismus der Mitte".

Völkische Vorstellungen: Kein Rechtsextremismus ohne Mitte

Die AfD greift, getragen von einem Umfragehoch nach dem anderen, nach der Macht. Und das, obwohl sie offen rechtsextreme Positionen vertritt. Gestärkt wird sie dabei durch eine Politik aus der Mitte, die völkische Vorstellungen nie überwunden hat. (Von Julian Daum)

... trotz anhaltender Warnungen und Kritik von marginalisierten Gruppen scheinen bisher weitaus weniger Menschen in Deutschland erkannt zu haben, dass sich die Parteien der sog. Mitte längst auf den Weg gemacht haben, sich den Maximalpositionen der AfD anzunähern, „die oft nur eine Radikalisierung und Überspitzung des Geistes der herrschenden Asylpolitik” sind, wie Kerem Schamberg kommentiert. Seit Monaten wird für Asylrechtsverschärfungen mobilisiert. Politiker:innen wie Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder Hubertus Heil (SPD) uvm. warnten vergangenes Jahr in monatlichen Abständen vor einer angeblichen Einwanderung in die Sozialsysteme, Bundeskanzler Olaf Scholz forderte auf dem Titel des Spiegel „endlich im großen Stil” abzuschieben und die Zustimmung der Regierung zur EU-Asylrechtsreform GEAS, nach der Asylbewerber:innen u.a. an den Außengrenzen haftähnlich interniert werden können, wurde von sämtlichen Parteien als historische Errungenschaft gefeiert. All diesen Zugeständnisse geben den Rechtsextremen Forderungen nach, die eine komplette Gruppe von Menschen vor allem als Bedrohung zeichnen, die weggeschafft werden müsse. Da klingt die Forderung Jens Spahns vom Dezember, Geflüchtete in afrikanische Drittstaaten wie Ruanda oder Ghana abzuschieben, auf einmal gar nicht mehr so weit weg vom Deportations-„Masterplan“, der ja „nur” noch etwas weiter geht. [...]

„[Die Politiker:innen] verkennen dabei, dass sie mit jedem Hinweis in der von ihnen genannten Art, mit jeder Forderung, dass bestimmten Menschen der deutsche Pass aberkannt werden müsse, dass bestimmte Menschen nicht Deutsch werden könnten, und das immer auf migrantisch gelesene Menschen gemünzt ist, völkische Vorstellungen neu aktiviert und normalisiert werden.”

Seit vergangenem Sommer gab es aus vielen Parteien heraus Forderungen, bestimmten Menschen bei Vergehen die Staatsangehörigkeit zu entziehen. Gemeinsam ist den davon betroffenen Menschen eine Abstammung, die auf eine Einwanderungsgeschichte hindeutet. Sie ermöglicht es rechtlich, auch als Deutsche noch anders behandelt zu werden als Deutsche mit deutschen Vorfahren. Eine Tatsache, die auch mit dem Deportations-„Masterplan“ ausgenutzt werden soll.

Deutscher Abstammungsfetisch

Auf Abstammung zielte auch die Vornamenabfrage der Berliner CDU beim Berliner Senat, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die meisten Tatverdächtigen der Silvesternacht 2022/23 Deutsche waren. Auch für CDU-Chef Friedrich Merz ein Anlass, die Verantwortung der Ausschreitungen damals ausschließlich „kleinen Paschas“, also Jugendlichen mit arabischer Einwanderungsgeschichte, zuzuschieben. Gegen Ende des Jahres forderte dann FDP-Vize Wolfgang Kubicki eine Begrenzung des „Migrantenanteils“ auf 25 Prozent in Stadtvierteln, woraufhin CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann eine Migrantenquote von 35 Prozent in Schulen vorschlug.

Abstammung zog sich als gemeinsamer Nenner politischer Forderungen durch das gesamte Jahr 2023. Besonders deutlich wurde dies nach den Terroranschlägen der Hamas in Israel am 7. Oktober. Zahlreiche Politiker:innen, darunter Markus Söder forderten einen Passentzug in Fällen von Antisemitismus unter Migrant:innen. Muslim:innen und Menschen mit arabischer Einwanderungsgeschichte wurden in zahlreichen Reden gesondert und ausschließlich dazu aufgefordert, sich von der Hamas und Antisemitismus zu distanzieren, während viele Demonstrationen, die das Leid auf palästinensischer Seite in den Blick nehmen wollten pauschal und präventiv verboten wurden. Obwohl Teil Deutschlands, hatten viele das Gefühl, dass ihnen kein Raum für ihre Trauer zugestanden würde.

All das lässt in Deutschland – bei aller wortreichen Distanzierung von Rassismus – immer noch eine besondere Fokussierung auf und Unterscheidung nach Abstammung erkennen, die einst vom Völkischen zum Fetisch gemacht und von den Nazis als Götze verehrt wurde. All diesen Forderungen ist gemeinsam, dass sie sich ausschließlich an jene Deutschen richten, die eine jüngere Einwanderungsgeschichte aufweisen. In all diesen Forderungen und Aussagen schwingt – mehr oder weniger explizit – die Auffassung mit, dass man richtig deutsch nur sein und nicht werden kann.

[...] Noch immer scheinen viele Politiker:innen und Menschen, die von sich selbst bürgerliche Mitte sprechen würden, nicht begriffen zu haben, wie ernst die Lage ist, wenn sie noch immer rechtsextreme Positionen übernehmen, normalisieren oder verharmlosen – trotz einer so reichen Geschichte, die andere Schlüsse zulassen sollte.