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Das Ende der Welt auf der A100 aussitzen: Warum Klima-Aktivismus gegen die pendelnden Umweltsäue nichts bringt

Eigentlich ist die Sache offenkundig und in den antikapitalistischen Kreisen der Klimabewegung längst common sense: Der Kapitalismus ist nicht in der Lage, das Mensch-Natur-Verhältnis auf eine Grundlage zu stellen, die das Überleben der Menschheit gewährleistet. Er kann es nicht, weil sein Imperativ Kapital zu akkumulieren, nur aufgeht, indem er die zwei Springquellen des Reichtums, den Arbeiter und die Natur, ausbeutet. Und weil die Akkumulation maß- und schrankenlos ist, kann ein Planet mit endlichen Ressourcen an ihr nur zugrunde gehen. Es ist irrelevant, welche Technologien angeblich eine „grüne Wende“ im Kapitalismus einleiten sollen, sie werden sofort in den Imperativ der Kapitalakkumulation eingebettet und die Sache geht weiter in Richtung Abgrund. Es gibt keine „nachhaltige Zähmung“ dieses Monsters und alle Daten aus vorherigen mit viel PR-Gedöns vorgetragenen Ansätzen dazu stützen diese Auffassung.

Individualisierung der Umweltkrise

Weil die Sache so einfach ist, müssen von denjenigen, die an der Erhaltung eben dieses Kapitalismus interessiert sind, Ideologien in Umlauf gebracht werden, die sie verschleiern. Die Individualisierung der Umweltkrise ist eine der wichtigsten Säulen der Erhaltung des Status Quo. Es ist ein alter Hut, dass die Popularisierung des personalisierten „carbon foot print“ auf die Kappe von PR-Agenturen ging, die von multinationalen Konzernen beauftragt wurden. Vermittelt werden sollte: Wir sind alle im selben Boot und ihr, die Konsument:innen, seid ja am Ende Schuld dran, dass so viel Dreck produziert wird.

Die These, die dahinter steht, ist – auch bei denen, die gerne die auswendig gelernten Phrasen von „strukturellen Ursachen“ bemühen -, dass letztlich ohne Revolution und im Kapitalismus die Sache noch irgendwie gewuchtet werden könne, wenn „wir“ uns nur „alle“ einschränken. Da das „wir“ klassenneutral gedacht ist – also den auf Mindestlohn darbenden LKW-Fahrer genauso einschließt wie den Vorstandsvorsitzenden von BMW -, ist es einfacher sich an denen abzuarbeiten, die ohnehin schon nichts mehr haben. Den anderen läuft man selten über den Weg. Die anonyme Masse, die sich vermeintlich oder tatsächlich weigert, sich „einzuschränken“, ist die treibende Kraft hinter der Zerstörung der Natur. Der Bockwurst fressende, Stinke-Auto fahrende Pendelproll, der einmal jährlich nach Malle fliegt, ist, eingestanden oder nicht, die Zielfigur dieser Politik. Der muss bestraft werden, indem man ihn beschämt oder sich eben am Freitag nachmittag vor sein Auto setzt, auf dass er demnächst mit dem Fahrrad zur Arbeit radle. Der Unternehmensberater aus Stuttgart tut ja schon alles, er hat sogar Solarzellen auf seinem Eigenheim, was soll man an ihm noch ändern?

Wen erreichen?

Der letztlich liberale Aktivismus, der aus der Analyse entspringt, dass „wir alle“ jetzt sofort „unseren Lebensstil“ ändern müssen, hat mehrere Probleme. Das systematische ist, dass er die Ursachen für die vom Kapitalismus gemachte Klimakrise verkennt und sich deshalb an Symptomen abarbeiten muss. Die zweifellos notwendige Veränderung des Konsumverhaltens wird von ihrer Voraussetzung – der Änderung der Produktionsweise – getrennt und läuft ins Leere

Dass Aktivist:innen überhaupt etwas tun, sich selbst in die Waagschale werfen, ist anzuerkennen. Einer liberalen Ideologie aufzusitzen, die Tag für Tag durch die Leitmedien, die Think Tanks, die PR-Agenturen der Unternehmen und die auf ökologisches Marketing setzenden Parteien in die Köpfe gedrückt wird, ist auch keine moralische Schuld. Völlig nachvollziehbar ist, dass angesichts der Größe der Krise viele das Gefühl haben, jetzt schnell etwas tun zu müssen – was auch durchaus eine richtige Einschätzung der Lage ist.

Ohne Massen keine Lösung

Nur leider führt „irgendwas tun“ in den seltensten Fällen zu dem Ziel, das man sich gesetzt hat, manchmal auch einfach davon weg. Und die Sache an der Klima-Krise ist eben, dass sie von den anderen multiplen Krisen des Kapitalismus nicht zu trennen ist: Nicht von der imperialistischen Produktionsweise, die vom Outsourcing und Offshoring der arbeitsintensiven und umweltschädlichen Produktionsteile in den Trikont lebt; nicht von Krieg und Hochrüstung; und nicht von der Klassenspaltung. Man muss Klima-Krise und diese anderen Aspekte des Kapitalismus nicht äußerlich „zusammendenken“, man kann sie nur trennen um den Preis, in liberale Irrwege abzurutschen.

Ohne die Vergesellschaftung der Produktion und die Aneignung der Macht durch die organisierte Gesellschaft gibt es nicht einmal die Möglichkeit, die Katastrophe noch abzuwenden. Das aber geht nicht ohne Massenbewegung. Wer das teilt, kann aber Aktionen weder nur zum Appell an die Eliten, noch zur Selbstbestätigung machen. Das Gefühl „ich tue ja was, die dumme Mehrheit aber nicht“ mag über die Wintermelancholie retten, vor dem Untergang der Menschheit rettet es nicht. Auch wenn es „5 nach 12“ ist, führt an dem langen Weg zum Ziel, zumindest eine handlungsfähige Mehrheit der Gesellschaft gegen den Kapitalismus und seinen Staat in Stellung zu bringen, kein Weg vorbei. Auf Autobahnen sitzen oder das Abdrehen der Heizung zu romantisieren, bis es 10 nach 12 ist, bringt diesem Ziel keinen Schritt näher.