Fluchtursachen bekämpfen, nicht Geflüchtete. Mit Grundeinkommen!
In der Linkspartei wird kontrovers über die Ausrichtung der Migrationspolitik diskutiert. Dabei wird die Forderung nach offenen Grenzen, beziehungsweise die damit verbundene Freizügigkeit infrage gestellt.
Warum ich das für einen Fehler halte und wir uns stattdessen darauf konzentrieren sollten, ein (globales) Grundeinkommen zu fordern, möchte ich hier erläutern.
„Wir können nicht alle aufnehmen“ wie es #Wagenknecht & Co neuerdings immer wieder betonen, ist die netter klingende Variante von „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt“.
Solche Aussagen sind in vielerlei Hinsicht falsch, und zudem kontraproduktiv für #DIELINKE:
- Wird damit suggeriert, dass „alle“ versuchen würden nach Deutschland zu kommen, obwohl jede/r in der Realität sehen kann, dass nur ein winziger Bruchteil an Geflüchteten und MigrantInnen überhaupt versucht Europa zu erreichen. Diese Suggestion ist eindeutig ein rechtes Narrativ das ein Bedrohungsszenario aufbauen soll, um Rassismus den Boden zu bereiten.
- Wird damit suggeriert, dass Menschen die hierher kommen prinzipiell Sozialschmarotzer sind, oder diese so unterqualifiziert sind, dass sie nicht zur Wertschöpfung beitragen können. Das ist ebenso ein falsches, rechtes Narrativ, und bedient zudem noch die neoliberale Vorstellung, Menschen nach ihrer Verwertbarkeit für den profitorientierten Markt einzuteilen. Dass diese Logik einer linken Partei unwürdig ist, ist eigentlich selbstverständlich.
- Fühlen sich Menschen, die auf diese rechte Propaganda reingefallen sind, dadurch in ihrer ausländerfeindlichen Haltung bestätigt, und wählen lieber gleich das Original. Das zeigt sich übrigens deutlich an vielen Aussagen von AfD-Fans, Frau Wagenknecht habe Recht, sei aber in der falschen Partei. Wer so viel Beifall von rechts bekommt, sollte als VertreterIn linker Politik eigentlich selbst auf die Idee kommen, dass solche Aussagen der Linkspartei schaden und Linke-WählerInnen verunsichert, oder gar vergrault.
- Wird unterschlagen, dass unser Wohlstand wesentlich darauf beruht, dass ärmere Länder für uns das „Sozialamt“ waren und sind, weil wir deren Arbeitskraft & Ressourcen ausbeuteten und weiter ausbeuten.
- Wird unterschlagen, dass wir seit dem Höhepunkt der Zuwanderung in 2015, gar keinen negativen Trend in der Haushaltslage beobachten können. Im Gegenteil ist die Arbeitslosigkeit auf einem Rekordtief, sodass Sozialkassen & Staatshaushalt hohe Überschüsse generieren. Die Zugewanderten haben keineswegs zu mehr Konkurrenz im Niedriglohnbereich geführt, sondern zu öffentlichen Investitionen, von denen v.a. ansässige kleine & mittelständische Unternehmen profitierten.
Des Weiteren wird von jenen, die sich gegen offene Grenzen für alle aussprechen, mit dem so genannten „Braindrain“ argumentiert. Hoch qualifizierte kämen zu uns, wodurch Kompetenzen aus ärmeren Regionen abgezogen würden.
Das ist tatsächlich ein Problem, jedoch hat dies wenig mit offenen Grenzen zu tun, vielmehr mit fehlenden Perspektiven im Herkunftsland. Zuwanderung von Hochqualifizierten gibt es auch in Ländern mit strengen Einwanderungsgesetzen, dafür braucht es keine offenen Grenzen! Wenn wir diese nicht mehr aufnehmen würden, würden sie woanders hingehen, aber nicht zu Hause bleiben!
Außerdem wird hier nicht berücksichtigt, dass solche „ArbeitsmigrantInnen“ auch Gelder in ihre Herkunftsländer schicken, wodurch die Wirtschaftskraft vor Ort gestärkt wird. Oder sie gehen, beispielsweise nach erfolgreicher Aus- oder Weiterbildung, selbst wieder zurück und bauen sich dort eine eigene Existenz auf. Dies entspricht im Prinzip einer Entwicklungshilfe, weil damit Kaufkraft, also Geld zum wirtschaften in die Region kommt. Wären MigrantInnen die Arbeit suchen einfach zu Hause geblieben, hätten sie dort oft einfach keine Arbeit gehabt und hätten nicht zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen können. Weder hier noch dort.
Mut zur Vision, statt zur Reaktion
Statt sich auf rechte Panikmache & reaktionäre Denkmuster einzulassen, die fremde Menschen als gesellschaftliche Belastung sieht, oder auf Lohndrückerei zu verweisen, die mithilfe von Migrant*innen erleichtert würde, muss DIE LINKE diesen Ängsten mit einer Mut machenden Alternative begegnen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir die aktuellen & zukünftigen globalen Herausforderungen am allerbesten mithilfe des Grundeinkommens lösen können. Fluchtursachen bekämpfen, und gleichzeitig für eine Welt ohne Grenzen zu kämpfen, das ist kein Widerspruch!
Für die meisten Linken gilt die Prämisse: Jeder soll da leben, wo er/sie glücklich wird und niemand soll gezwungen sein, seine Heimat zu verlassen.
Mit einem Grundeinkommen in den ärmsten Ländern, ließen sich viele Fluchtgründe wie Hunger, #Armut und Klimaveränderungen effektiver bekämpfen oder abmildern. Mit einem BGE in hochtechnisierten Ländern wie Deutschland, würden Existenzängste erheblich reduziert, und damit der Fremdenfeidlichkeit eine wichtige Grundlage entzogen werden.
Dafür braucht es natürlich Grundeinkommen in einer Höhe die Teilhabe sichert und den Reichtum wieder von oben nach unten zurück verteilt. Gegner*innen des #BGE argumentieren gerne, dass solch ein linkes, emanzipatorisches BGE unrealistisch sei. Obwohl sich regelmäßig eine Mehrheit in Deutschland sowohl für ein BGE ausspricht, als auch dafür, dass dieses über 1000€ betragen sollte.
Wem diese Forderung angesichts solcher gesellschaftlichen Mehrheiten im Hintergrund zu unrealistisch ist, soll bitte erklären, warum DIE LINKE sich dennoch für den demokratischen Sozialismus ausspricht, obwohl der Rückhalt in der Bevölkerung dafür (bedauerlicherweise) wesentlich geringer sein dürfte, als bei der Frage nach einem Grundeinkommen!
Ich halte es dagegen für viel realistischer den demokratischen #Sozialismus in einer Welt zu verwirklichen, in der Menschen nicht mehr von Lohnarbeit, und damit von Konzernen und Unternehmen abhängig sind. Einer Welt, in der sie eben nicht jeden Job annehmen müssen, sei er noch so schlecht bezahlt oder ethisch-moralisch bedenklich.
BGE in Industrienationen schrittweise Einführen
Ein weiteres Argument gegen das #Grundeinkommen ist häufig, das damit verbundene Risiko für die Volkswirtschaft. In der Tat muss eine Einführung wohl überlegt sein, damit es nicht zu allzu großen Verwerfungen kommt, und mögliche, negative Effekte wie erhöhte Inflation oder fallende Löhne, vermieden werden können. Mit einer schrittweisen Einführung in hochtechnisierten Ländern wie Deutschland bleibt Zeit, um Sozialsysteme umzubauen und auf negative Effekte zu reagieren. Hier bietet sich ein Zeitraum von 10-20 Jahren an.
„Wenn sich die gesamtwirtschaftliche Produktion durch eine hohe Kapital- und Technologieintensität auszeichnet, benötigt die Volkswirtschaft relativ wenig Arbeit und könnte daher einen Rückgang des Arbeitsangebots durch den vermehrten Kapital- und Technologeinsatz kompensieren. Es könnte jedoch noch zwei Jahrzehnte oder sogar länger dauern, bis eine entwickelte Volkswirtschaft wie Deutschland diesen Zustand erreicht.“
Schreibt Thieß Petersen, Senior Advisor der Bertelsmann Stiftung im Projekt „Global Economic Dynamics“ in der Zeitschrift „Wirtschaftsdienst“. Er meint damit nichts anderes, als dass die Automatisierung dazu führen wird, dass ein BGE mit weniger Risiko eingeführt werden kann, weil sich das BGE mehr aus den Umsätzen finanziert die durch Maschinen generiert werden, und weniger durch menschliche Arbeit. Die Einführung eines BGE, das zum Beispiel vorerst nur EmpfängerInnen von Transferleistungen gezahlt werden könnte, sollte sogar dazu führen, dass die Digitalisierung und Automatisierung beschleunigt wird. Viele ArbeitgeberInnen verzichten nämlich derzeit auf Automatisierung, weil sie Ihre ArbeitnehmerInnen - aus einem Gefühl der sozialen Verantwortung heraus - nicht entlassen wollen. Das ist durchaus löblich, ökonomisch und menschlich gesehen aber unsinnig. Besonders von stupider, eintöniger, und körperlich belastender Arbeit, sollte der Mensch so schnell wie möglich befreit werden! Der Mensch lebt nämlich nicht von der Erwerbsarbeit, sondern von den Produkten dieser. Wenn dies immer mehr von Robotern übernommen wird, ist das keineswegs ein Nachteil. Im Gegenteil könnte Arbeit besser verteilt werden, und die Arbeitszeit für alle reduziert werden. Das sollte uns eigentlich doch alle freuen, dass wir weniger Arbeiten müssen! Die Glorifizierung von Erwerbsarbeit als Lebenssinn bzw. wesentliches sinnstiftendes Element, wie es manche Linke immer noch vertreten, kann ich insofern nicht nachvollziehen. Wir brauchen in einer hochtechnisierten Welt erfreulicherweise nicht mehr in erster Linie ein Recht auf Arbeit, sondern primär ein Recht auf Einkommen!
Dar Argument, dass Arbeitgeber aus ihrer sozialen Verantwortung entlassen werden würden, wird gerne von linken Grundeinkommens-GegnerInnen angeführt. Mit einem neoliberalen BGE-Modell wäre das auch so, weil Menschen ohne Sorge entlassen werden könnten, und dann mit einem Satz, der auf Hartz4-Niveau liegen dürfte abgespeist werden könnten.
Bei einem emanzipatorischen Grundeinkommen wie es DIE LINKE fordert, würden Unternehmen & Reiche jedoch viel stärker in die gesellschaftliche Verantwortung genommen als heute, weil sie anteilig mehr abgeben müssten, um das BGE, in Teilhabe-sichernder Höhe, für alle zu finanzieren. Da sich eine Mehrheit in Deutschland eben für ein existenzsicherndes Grundeinkommen ausspricht, wird es für uns wesentlich einfacher sein, Konzerne & (Super-)Reiche durch die Einführung eines Grundeinkommens stärker in die soziale Verantwortung zu nehmen, als dies durch klassisch linke Argumente zu erreichen wäre. Eine Mehrheit will das BGE, und wir haben das sozialste Konzept dafür! Wir müssen die BefürworterInnen nur noch davon überzeugen. Eine Mehrheit davon zu überzeugen, uns wegen der Forderung nach dem demokratischen Sozialismus zu wählen, sollte sich hingegen als wesentlich schwieriger erweisen!
Entwicklungshilfe als Grundeinkommen auszahlen
Anders ist die Situation in den ärmsten, bzw. am wenigsten wirtschaftlich entwickelten Ländern. Hier muss die Wirtschaft vorerst weiter aufgebaut werden, was seit Jahrzehnten - u.a. aufgrund neoliberal geprägter Entwicklungspolitik – mehr schlecht als recht funktioniert. Nun setzt sich international langsam die Erkenntnis durch, dass es ökonomisch sinnvoller ist, Entwicklungshilfe direkt an Betroffene auszuzahlen, statt es Regierungen und Konzernen zu geben, die damit Arbeit schaffen sollten. Mit der jährlichen Summe von 150 Mrd. $, die bereits als Entwicklungshilfe gezahlt wird, könnte jedem der rund 700 Mio. extrem armen Menschen ein existenzsicherndes Grundeinkommen ausgezahlt werden. So werden Menschen in die Lage versetzt, sich effektiv selbst zu helfen, und die eigene Wirtschaft aufzubauen, statt als Lohnsklaven für die Profite westlicher Konzerne schuften zu müssen, oder dauerhaft auf Lebensmittel- & Sachspenden angewiesen zu sein.
Solange DIE LINKE nicht glaubhaft deutlich macht, wie sich #Fluchtursachen effektiv bekämpfen lassen, bleibt dies für viele nur eine Floskel, der sich mittlerweile fast alle Parteien bedienen. Die einfachste und naheliegende Lösung, Fluchtursachen mit einem BGE zu bekämpfen, wird allerdings von keiner Partei offensiv vertreten. Warum eigentlich nicht?
Dieser Artikel steht unter CC BY-ND Lizenz
#Flucht #Migration #Asyl #refugeeswelcome #Linke #Politik #Klimawandel
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