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Sonderbare Kriegsdiskurse

Eine Polemik als Einladung zur Debatte (von Sabine Schiffer)

Der russische Krieg in der Ukraine ist genauso grausam wie die Erkenntnis, dass er nichts Besonderes ist. Angesichts des Zeitenwende-Diskurses und der sichtbar werdenden Kriegsgräuel vor unserer Haustür ist es besonders erschütternd, einsehen zu müssen, dass der Krieg keine Ausnahme darstellt, sondern wie jeder Krieg vernichtend ist. Neben den üblichen Kollateralschäden entfesselten Hasses, wie Vergewaltigungen und willkürlichen Tötungen von Zivilisten, zieht die Umstrukturierung der Wirtschaft in eine Kriegswirtschaft weite Kreise über die Ukraine und die Jetzt-Zeit hinaus. Der Diskurs um eine Einzigartigkeit dieses Krieges ermöglicht es jedoch, damit Politik zu machen und für diese Politik PR.

Natürlich gehört zum Krieg stets die Propaganda. Neben der russischen auch die ukrainische und auch die europäische und auch die US-amerikanische, sowie die der NATO und Deutschlands. Während man mit dem Begriff „Desinformation“ versucht, die russische Propaganda als irgendwie besonders und völlig anders als die anderer zu labeln, kann man ihr vor allem Plumpheit attestieren. Nein, der „Kampf gegen Faschisten“ ist nicht glaubwürdig, wenn man an anderer Stelle gut mit Faschisten zusammen arbeitet, und die Übernahme der Bush-Doktrin auch nicht.

Die PR der Ukraine ist besser. Nicht nur ist der Staatspräsident ein Medienprofi, zur Unterstützung des angegriffenen Landes hat sich ein internationales Unterstützer-Netzwerk um den umtriebigen David Gallagher gebildet. Dessen Aktivitäten kann man unter dem Hashtag Ukraine Communications Support leicht im Internet finden. Die Reden Selenskyis dürften aus Edelfedern von Kommunikationsprofis stammen, die historischen Bezüge im jeweiligen Nationalframe der angesprochenen Unterstützerländer setzen einiges an Wissen und Recherche voraus. So berechtigt die Anliegen der ukrainischen Regierung im Krieg auch sind, man sollte es den Medien nachtun, Propaganda auch von ukrainischer Seite aufzudecken – denn die Aufgabe des Journalismus ist ja die Berichterstattung und nicht Aktivismus als Kriegspartei.

Und nein, es ist keine Relativierung auf diese Fakten hinzuweisen. Auch nicht auf die langjährige Hinführung zum Krieg, bei der ein EU-Assoziierungsabkommen keine unwesentliche Rollte spielte. Im Gegenteil. Es ist Relativierung, wenn bestimmte – ein Narrativ störende – Fakten systematisch ausgeblendet werden. Dann ist es eben nicht mehr Berichterstattung, sondern Gesinnungsaktivismus; was manche mit Haltungsjournalismus verwechseln mögen.

Relativierung des Begriffs Relativierung

Wie aber gelingt es, dass Kritik am feststellbaren Doppelmaß als „Relativierung“ diffamiert wird und nicht die Relativierung selbst?

Dies ist auf eine perfide Diskursstrategie zurück zu führen. Denn ganz offensichtlich arbeiten doch alle mit den gleichen sprachlichen Mitteln. Putins Versuch, den Krieg als „Sonderoperation“ schönzureden, ist schon rein sprachlich nicht so weit entfernt von Wordings wie „Stabilisierungsmission“ der Bundeswehr in Mali oder dem sogenannten „Sondervermögen“ fürs Militär – eine militarisierte Außenpolitik also, die auf Schulden basiert. Und eine solche Politik kann natürlich keine feministische sein, weshalb es diese Behauptung besonders oft zu wiederholen gilt – denn aus der PR-Forschung ist bekannt: Wiederholen ist Überzeugen.

Tatsächlich hat Überzeugung weniger mit Erkenntnis und Wahrheit zu tun. Anders lässt es sich nicht erklären, dass man die Parallelen in der strategischen Kommunikation nicht erkennen will und Unterschiede dort ausmacht, wo keine sind. Es ist also im ureigensten Interesse auch unserer Machteliten, dass Verwirrung herrscht über die so viel beschworenen Werte, bis hin zur Verdrehung der Tatsachen.

Durch Euphemismen, die Fortschritt und Emanzipation suggerieren, lässt sich der Rückschritt in längst überwunden geglaubte Zeiten kaschieren. Für „Frauenemanzipation“ wurde schon in Afghanistan in den Krieg gezogen und „Kriegskredite“ sind schon lange kein ausschließlich historisches Thema mehr. Dass das wohl klingende „(Sonder-)Vermögen“ hier nichts anderes als „Schulden“ bedeutet, erwähnt immerhin der Deutschlandfunk hin und wieder. Dass der wohlklingende Begriff, der Haben (statt Soll) suggeriert, ein Spin ist, der uns in Zustimmung manipulieren soll, wird aber nicht in gleichem Maße skandalisiert, wie die russischen Versuche die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Wie gelingt das? Das unterscheidungsrelevante Merkmal scheint mir zu sein, ob Kriege und Kriegsverbrechen von „unseren“ Freunden oder Feinden begangen werden. Selbst Saudi-Arabien, aus dem 15 der 19 Terrorverdächtigen des Anschlags vom 11. September 2001 eingereist sind und das mit seiner Teilnahme am Stellvertreterkrieg im Jemen die Absatzsteigerung der deutschen Waffenindustrie befeuert, gilt weiterhin als „Stabilitätsfaktor im Nahen Osten“. Und nie gab es vergleichbare Forderungen gegen das Völkermorden im Irak, man vermisst bis heute eine breite Front für die Initiative, die Kriegsverbrecher Bush und Blair vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. Allgemeine Großzügigkeit also, solange die USA der Aggressor sind? Bei Terrormilizen war man schon etwas strenger. Und ja, die Opfer mögen auch eine Rolle spielen. Was kratzt einen schon der Tod von Arabern, Afrikanern, Asiaten, Lateinamerikanern?

Aber Vorsicht! Bei Osteuropäern ist nicht sicher, dass sie immer als „zu uns gehörig“ eingestuft werden – für Serben und Ungarn beispielsweise gilt das nicht. Und die aktuelle Solidarität mit den Ukrainern ist auch nicht in ewigen Stein gemeißelt, sondern könnte sich als instrumentelle Rhetorik erweisen, wenn die geopolitischen Interessen weiter ziehen. So spielen die Jesidinnen im Irak, eine immer noch verfolgte Minderheit, nach dem Durchsetzen deutscher Waffenlieferungen an die Peschmerga auch keine diskursive Rolle mehr.

Wer die vergleichbaren Kriegsverbrechen anderswo ausblendet, relativiert die russischen. Nur der Verfall ins Doppelmaß kann suggerieren, dass der Krieg in der Ukraine ein völlig anderer wäre, als alle anderen Kriege. Das ist Relativierung. Und natürlich müssen die Spin-Doktoren daran arbeiten, den Begriff wertlos zu machen oder bestenfalls umzudrehen. Scheint zu klappen, wenn man sich die unzähligen Versuche ansieht, die es etwa im deutschen Medienwald gegeben hat, um den seriös Berichtenden und Einordnenden und natürlich der Friedensbewegung „Whataboutism“ zu attestieren. Ein neuer Kampfbegriff am Sternenhimmel der Propaganda, ja der Kriegspropaganda und Cancel Culture. Denn am Ende des Tages bedeutet das Sprechverbot in Bezug auf die Hinführung zum Krieg gleichzeitig, dass die Lösungsmöglichkeiten ausgeblendet werden.

Diese liegen, wie Johan Galtung nicht müde wird zu betonen, in „solving the underlying conflict“ (vgl. Debatte zum Konzept des Friedensjournalismus von Sigrun Rottmann). Das bedeutet, dass eine eingehende Analyse des zugrunde liegenden Konflikts geschehen muss, der auf Russland-NATO Ebene liegen könnte, bevor man mit vermeintlichen Lösungskonzepten um die Ecke kommt. Hierin liegt vielleicht der Unterschied zwischen ad-hoc Friedensinitiativen von Wunschdenkenden und den Vorschlägen, die auf der Basis eingehender Analysen beruhen. Tatsächlich könnte man für letzteres die Publikationen der Friedensbewegung heranziehen, wenn man denn seriösen Journalismus betreiben und nicht den Pazifismus per se denunzieren wollte – also etwa die Bände der Jahreskonferenzen des Friedensratschlags in Kassel (s. Jahresbände unter der Herausgeberschaft von Lühr Henken) oder die Analysen der Informationsstelle Militarisierung aus Tübingen. Die Fehlentscheidungen der diese Erkenntnisse ignorierenden Politik lassen sich nur mut- und böswillig den Ignorierten zuweisen.

Wenn das Doppelmaß zum Standard wird …

Wer aber eine Befriedung nicht will, muss die Kritiker von Kriegslogik und Militarisierungspolitik – flankiert durch auffällig waffenfreundliche Mediendiskurse – angreifen. Ein altbewährtes Mittel der Rhetorik: Kannst Du die Botschaft nicht delegitimieren, verunglimpfe den Überbringer der Nachricht – damit man ihm möglichst gar nicht zuhört und seine Argumente nicht am Ende noch verfangen in der öffentlichen Meinung. Das effektivste Mittel ist natürlich das komplette Ausblenden wichtiger Meinungsäußerungen. So geschehen beispielsweise am 2. Juli 2022 in Berlin, als von der gut besuchten Demonstration „Wir zahlen nicht für Eure Kriege!“ nichts in den Medien, nicht einmal in der Lokalberichterstattung des rbb – trotz seines öffentlich-rechtlichen Auftrags – zu vernehmen war. Ein paar Eindrücke gibt es hier.

Das alt bewährte Mittel der ad-hominem Angriffe auf Kritiker – etwa, indem man ihnen publizistisch Personas non Gratas zuordnet, sie versucht lächerlich zu machen oder sonstwie zu diskreditieren (durch Labels wie „Lumpenpazifist“ bspw.) – hilft dabei, der inhaltlich-kritischen Auseinandersetzung auszuweichen. Das zunehmende Arbeiten mit Labels und eine Art Kontaktschuldjournalismus kann aber nur erfolgreich sein, wenn man sich auf einen solchen Diskurs einlässt, auf eine relativ aussichtslose Verteidigungsdebatte hereinfällt und nicht bei der Sache bleibt. Das ist leichter gesagt, als getan, denn es gibt mächtige Verbündete für die subtileren Zensurversuche unserer neuen Medienkultur; nicht zuletzt Google oder neuerdings Medienlabel à la NewsGuard tragen dazu bei.

.... Wer traut sich, in dieser Stimmungslage, an die wöchentlich unterzeichnete Kill-List für Drohnentötungen auf Verdacht durch Barack Obama zu erinnern? Oder gar die Frage zu stellen, ob die Verleihung des Friedensnobelpreises an den außerhalb der Rechtsnorm handelnden US-Präsidenten ein Fehler war. Doch, einige taten es. Aber im aktuellen Kontext scheint das verboten oder zumindest nicht opportun. Wer hätte gefordert, mit ihm nicht zu sprechen, ihn gar von internationalen Treffen auszuladen wegen der Menschen- und Völkerrechtsverstöße? George W. Bush vielleicht schon eher? Nein, nicht einmal Donald Trump wurde vergleichbar ausgegrenzt wie der russische Präsident Putin. Hält man das für eine Basis, den Krieg in der Ukraine zu beenden und zur Verhandlung gegenseitiger Sicherheitsgarantien zu kommen? Und wenn nicht, will man das überhaupt?

Letztere Frage richtet sich in der öffentlichen Debatte auffällig nur an Putin, der mit seinen Äußerungen immer wieder verbales Öl ins Feuer gießt. Nein, gute PR-Strategen sind die Russen nicht. Aber wie lässt sich die neue Parole vom „ukrainischen Sieg über Russland“ erklären, den es nach Auskunft namhafter Militärstrategen nicht geben kann? Sprich: Wir reden also nonchalant über eine Verlängerung des Krieges mit allen möglichen Ausweitungspotentialen – in Europa.

Und über die Ausweitung der Einflusssphären anderer Despoten, die nun hofiert werden dürfen vom „Wertewesten“ angesichts der übergeordneten Parole der „Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas“ – also auch in Zeiten der Klimakatastrophe nicht die „Unabhängigkeit von Öl und Gas“ generell. Während man nun auf der einen Seite schon jedes Telefonat mit Putin als Quasi-Verrat an der solidarischen Sache inkriminiert, nimmt man gerne das lange unverkäufliche und umweltschädliche Fracking-Gas aus den USA ab, baut umweltprüfungsfrei lange umstrittene LNG-Terminals aus und verhandelt mit derzeit noch genehmen Diktatoren auf der arabischen Halbinsel und in Aserbaidschan über letztendlich wieder russische Gaslieferungen, denn das ist nicht selten deren Bezugsquelle. Anstrich Whitewashing, die Mühe des Greenwashings macht man sich dabei nicht einmal – auch wenn mit dem Begriff „Brückentechnologie“ dies ansatzweise versucht wurde.

Der Verrat an der Friedenspflicht

… wird tatsächlich nicht nur von Putin allein betrieben, obwohl schon lange mit allen sprachlichen und bildlichen Mitteln versucht wird, ihn als Ausnahmeparia darzustellen. Das ist legitim in Zeiten der Propaganda. Aber es ist dann eben Propaganda und nicht etwa Berichterstattung (vgl. Ponsonby). Und ermöglicht der Politik, den Grundsatz „Nie wieder Krieg!“ endgültig zu verbannen und auf den Umbau hin zu einer Kriegswirtschaft zu setzen. Das hat in dem strukturellen Ausmaß nicht einmal die Zeitenwende der Bundeswehrentsendung ins Ausland 1999 vermocht.

Die deutsche Politik, allen voran die transatlantischen Grünen, überschlagen sich in Kriegsrhetorik. Aber auch viele Medien durchbrechen nicht die Kriegstreiberei. Teils sogar im Gegenteil: So wurde in der ersten Solidaritätswelle für die Ukraine kaum eine Debatte ermöglicht, was denn alles zur Solidarität beitragen würde, was gut, was eventuell kontraproduktiv ist, was es alles für verschiedene Handlungsmöglichkeiten gibt – vielmehr wurde die Solidaritätsfrage auf die von Waffenlieferungen Ja oder Nein eingeschränkt; eine Entscheidungsfrage, die über Mitreden- und Nichtmitredendürfen entschied. In Interviews, Presseclub und Talk-Shows trieben nicht selten Journalisten die Gefragten zum Bekenntnis für mehr und schwerere Waffen vor sich her, um sie nicht der fehlenden Solidarität bezichtigen zu müssen, oder luden gleich mehrere Vertreter einer (transatlantischen) Ausrichtung – etwa des Zentrums Liberale Moderne – ein, ohne dies kenntlich zu machen. Der Ruf nach mehr Krieg war damit garantiert.

Tatsächlich aber gibt es eine Friedenspflicht für Medien und Journalismus. So hat die UNO entsprechende Wünsche und Pflichten formuliert, aber auch im Rahmen deutscher Rechtsnormen wird beispielsweise die Bewerbung von Angriffskriegen abgelehnt, wie es Udo Branahl in seinem Aufsatz „Recht und Moral im Journalismus“ 1992 erörtert (s. Haller/Holzhey: Medien-Ethik, S. 224f). Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine kann den Medien nicht unterstellt werden, sie würden zu einem Angriffskrieg aufrufen. Aber dienen die Aufrufe zu mehr Waffen der Kriegsbeendigung oder der Kriegserweiterung? Das ist im Moment noch unklar und bedarf eines Debattenraums zur Klärung – und zwar jenseits dramaturgisch durchgeplanter Talks, die ja die Show im Namen tragen.

Mit Blick auf andere Kriege der jüngeren Vergangenheit hat sich im Nachhinein immer ein anderes Bild ergeben als zu Beginn. So warb etwa die US-Administration für einen präventiven Krieg gegen den Irak mit dem Verweis auf die Existenz von Massenvernichtungswaffen, die uns bedrohten. Dies war konstruiert, man fand diesen offiziellen Kriegsgrund nie – hat aber vor dem Krieg Waffeninspekteuren, wie Scott Ritter, die nicht das Narrativ vom gefährlichen Irak bedienten, ausgegrenzt und diffamiert. Dass Ritter am Ende recht behielt, ist der eine Skandal, dass man seither nicht vorsichtiger ist in der Parteinahme (für mehr Krieg), ist der andere Skandal – denn im Nachgang und mit mehr Fakten sieht die Lageeinschätzung höchst wahrscheinlich immer anders aus. So musst auch im Nachgang zum Krieg in Jugoslawien das Narrativ von der mutwilligen serbischen Aggressionkorrigiert werden.

Wie aber sieht die Friedenspflicht im Journalismus im Falle eines Verteidigungskrieges aus? Im Rundfunkgesetz des WDR von 1954 heißt es ja explizit: „Der Westdeutsche Rundfunk soll die internationale Verständigung fördern, zum Frieden und zur sozialen Gerechtigkeit mahnen, die demokratischen Freiheiten verteidigen und nur der Wahrheit verpflichtet sein.“ (zit. nach Becker 2016: Medien im Krieg, S. 10/s.u.). Erfüllen unsere Medien diese Aufgabe? Die ja nicht aus der Zeit gefallen sein kann, weil diese Fragen ja immer im Raum stehen. Und übrigens im Nachgang zum Jugoslawienkrieg auch selbstkritisch in Medien debattiert wurde. Aber ist eine solche Debatte schon während des Krieges möglich? Oder einfach nötig? Wäre demnach der normale Journalismus dem Friedensjournalismus verpflichtet? Was leisten unsere Medien im Kriegskontext und was nicht?

Tatsächlich diagnostiziert der Kommunikationswissenschaftler Jörg Becker in seiner Buch-gewordenen Abrechnung mit der Medienleistung in und um Kriege „Medien im Krieg – Krieg in den Medien“ und darüber hinaus folgende Anhaltspunkte, die einer Polemik durchaus würdig sind:

■ Massenmedien übernehmen häufig ungeprüft an sie weitergegebene Informationen von staatlichen Stellen.

■ In vielen Massenmedien wird gelogen.

■ Massenmedien spiegeln eher den parlamentarischen Konsens, als dass sie ihrer verfassungsmäßigen Wächteraufgabe nachkommen.

■ Massenmedien zeigen eher Beharrungs- und Verstärkungstendenz, als dass sie Motor von Veränderung und gesellschaftlichen Alternativen sind. Meist sind sie also affirmativ, nicht kritisch.

■ Massenmedien konstruieren eine ihnen eigene Realität. Oft haben ihre Informationen und Berichte wenig mit dem zu tun, was man gemeinhin Wirklichkeit nennt.

■ Massenmedien neigen zu einer Vermischung von Meinung und Nachricht, von Politik und Unterhaltung, von Aufklärung und Kommerz.

■ Massenmedien sind gerade im Bereich der internationalen Beziehungen ein Substitut für eigene und persönliche Erfahrung. (Becker 2016 Medien im Krieg, S. 12).

Die hier benannten geballten Fehlleistungen von Medienmachenden, die in ihrer Pauschalität natürlich zugespitzt sind, aber auch zum Nachdenken und zur Debatte anregen wollen – sowie zur Lektüre des ganzen Buches – sollen zu einer Grundsatzdebatte überleiten, die sich um die Grenzziehung zwischen Haltung im Journalismus und Gesinnungskommunikation bemüht (s.o.).

Die bisweilen in der Öffentlichkeit leicht formulierte Forderung nach Neutralität im Journalismus führt in ihrer Umsetzung zu komplexen Fragen rund um den Idealtypus der Objektivität, der Wahrheitssuche, des Agenda-Setting und Agenda-Cutting, der konstruierten Wirklichkeitsvorstellungen durch Auswahlentscheidungen. Wäre Objektivitätsstreben schon genug? Oder welche ethischen Leitlinien kommen in Krieg und Krise besonders zum Tragen?

In der Wissenschaft wird die Debatte geführt, die Beteiligung von Medienmachenden ist geboten und die Teilnahme der breiten Öffentlichkeit ist auf die mediale Vermittlung angewiesen. Hier ist Medienverantwortung gefordert.

Zugabe: Interview mit Jörg Becker (Experte für Kommunikations- und Propagandaforschung) über die politische Rolle von Medien und PR-Arbeit sowie das alte russische Feindbild

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