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Gedicht im Krieg

  • Von Thomas Gsella

Nach Auschwitz je noch ein Gedicht zu schreiben,
Sei Barbarei: Adornos Diktum steht.
Die Dichter:innen ließen es nicht bleiben.
Als hätt’ die Welt ihr Ende überlebt.

*
Doch was soll ein Gedicht, wenn Städte brennen?
Die Antikriegsgedichte gibt es schon.
Was soll es bringen, Schuldige zu nennen?
Die Namen kennt längst jedes Megaphon.

*
Man könnte über Apfelbäume sprechen
Und wie sich ihr Geäst im Mai verzweigt.
Doch Brecht hat recht: Dies wär fast ein Verbrechen,
Weil es so viele Untaten verschweigt.

*
Man könnte Menschenretter sein statt Reimer:
Die Flüchtenden, sie brauchen Brot und Haus.
Man schmeißt die Tastaturen in den Eimer
Und schaltet den Computer lange aus.

*
Seit Kästner liegt die Wahrheit auf den Tischen:
Das Gute gibt es nur, wenn wir es tun.
Man könnt sich unter die Aktiven mischen
Und dafür sorgen, dass Gehetzte ruhn.

*
All dies wär möglich. Lasst uns den vertreiben,
Der auf die Kunst ja pfeift: Krieg reimt sich nicht.
Man könnte all dies tun! – Und dies zu schreiben,
Nein, dafür braucht man wahrlich kein Gedicht.

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