Bäh: Fußball-Europasäuferschaft

Der Kaffee schmeckte genauso liebevoll wie der Kellner ihn zubereitet hatte: zu viel Milch, zu viel Zucker. Lauwarm. Doch nicht seine gastronomische Unfähigkeit würde mir heute die Laune verderben. Als Holger hatte sich dieser umfangreiche Kerl am Abend zuvor vorgestellt, und er würde mir einmal mehr seine unwillkommene Gesellschaft aufzwingen.

„Für wen bist du?“
„Mir egal.“
„Hä? Du musst doch für 'ne Mannschaft sein!“

Ach ja? Hatte die Medienkonditionierung ihn dermaßen kaputtgestrahlt, dass er sich einen Menschen ohne Interesse an Fernsehfußball nicht mehr vorstellen konnte? Er schüttelte entsetzt den Kopf und blickte wieder zur Leinwand. Offenbar wartete er auf den Anpfiff, der auch sogleich ertönte.

Statt immer gleicher Radiomusik würde ich für die nächsten zwei Stunden immer gleiche Kommentare eines Moderators anhören, der die hochkomplexen Vorgänge auf dem Spielfeld Laien wie mir zugänglich machen musste. Wie sollte ich auch sonst wissen, wo auf dem Bildschirm gerade der Ball ist? Ich nippte an meiner Tasse, als Holger mich plötzlich mit einem lauten Brüller erschreckte. Was war passiert? Nichts. Fast ein Tor.

„Pass! Mann, Pass! Kannst du nicht spielen oder was?!“ Er schimpfte und fauchte. Vielleicht war das der Grund für seinen Enthusiasmus. Immerhin gab es ihm die Gelegenheit, sich einmal selbst als hochdekorierter Fußballtrainer zu fühlen, als er seine Befehle begleitet vom Raucherhusten gegen die Leinwand keuchte. Der Bierbauch hatte ihn blind gemacht für die Ironie seiner Worte.

Und alle waren da und machten mit. Alle. Auch diejenigen, die sich normalerweise nicht für Fußball interessieren, „außer bei der EM und WM.“ Ich mag ja normalerweise auch keinen Rotkohl, aber am 29. Februar schmeckt er mir.

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