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Heute vor 90 Jahren

Dieter Süverkrüp

* 30. Mai 1934

Das gesunde Volksempfinden

Das ist unfair wie sie euch lästern
Verhöhnende, Pissende speien
Ihr seid ja nochnichtmal verboten, doch
Selbst das will euch keiner verzeihen

Sie schimpfen euch Wiederkehricht
Und nennen euch Bockwürstchen-braun
Ihr seid doch nur ganz normal
Und lasst Euch diesen Spaß
Von keinem versau'n
Jawohl!

Ihr vertretet das gesunde Volksempfinden
Das gesunde Volksempfinden ist die Basis der Demokratie
Das gesunde Volksempfinden lehnt den Bolschewismus ab
Die Homosexualität und auch die Sodomie

Das gesunde Volksempfinden wäscht sich jeden Tag die Füße
Und verabscheut die Genitalien
Das gesunde Volksempfinden hat Humor
Und lacht beim Biere gern über Nutten oder Fäkalien

Das gesunde Volksempfinden geht von dem Empfinden aus
Dass keine Macht der Welt die Welt zum Besser'n ändern kann
Das gesunde Volksempfinden weiß, die Menschen sind nicht gleich
Der Eine wird ein Herr, der Andere stirbt als kleiner Mann

Und hat sich also beschieden
Und ist im Herzen zufrieden
Und wird jedem Stinker in die ungewasch'ne Fresse schlagen
Wenn er sich dem Volksempfinden offen widersetzt

Das gesunde Volksempfinden zieht den deutschen Schäferhund
Dem Nachbarn vor
Weil Schäferhunde unselbstsüchtig sind
Das gesunde Volksempfinden kommt schon in der Schule vor
Und pflanzt sich durch Neurosen fort
Vom Lehrer auf das Kind

Das gesunde Volksempfinden wird in großen Serien gefertigt
Und mit Gewinnen vertrieben
Darum ist das Volksempfinden in den langen Nachkriegsjahren
Unversehrt und gesund geblieben

Das gesunde Volksempfinden ist durchaus analphabetisch
Darum liest die Mehrheit unsres Volks die Zeitung gern
Das gesunde Volksempfinden kann die Politik nicht leiden
Alles wäre besser, wenn die Menschen besser wär'n

Doch weil die Menschen nicht gut sind
Was alle Menschen in Wut bringt
Hofft das deutsche Volksempfinden
Dass ein großer Volksempfinder
Einestags das Gute noch zum Endsieg führen wird

Seid getrost, ihr sollt weiter erlaubt sein
Weiß der Oetker, wann man euch noch braucht
Und ein Führer lässt sich wohl schon finden
Ein Entschlossener, der nicht trinkt, nicht denkt, nicht raucht

Wer da glaubt, man solle euch verbieten
Ihr NP-demokratisch seid
Der sieht unsere saftigen Zeiten
Und denkt nicht der dünneren Zeit

Wenn eins Konjunkturen vertrocknen
Wenn die Ordnung wackelt und der Staat
Wird ein Lächeln sein im Industrieclub
Dass man euch in den Schubfächern hat

Traulich fließen dann wieder die Gelder
Nie erfährt die Geschichte woher
Und wer arbeitslos ist, kriegt dann Süppchen von euch
Was wollen Proleten noch mehr?

Wer den Hunger hat, den wird beim Essen
Die Herkunft der Suppe nicht stören
So bleiben die Quellen erhalten
Nämlich denen sie lang schon gehören

Es wird geben ein Einverständnis
Wie eine Epidemie
Das Volksempfinden ist bekanntlich
Die Basis der Demokratie

Erste Moral:
Die meisten Reaktionäre sind gar nicht reaktionär
Dazu sind sie viel zu unpolitisch
Deswegen sind sie so reaktionär

Zweite Moral:
Wer sich vor den Faschisten fürchtet
Ist den Kapitalismus nicht wert

Dritte Moral:
Er kann ja gehen, wenn's ihm hier nicht passt!

#DieterSüverkrüp #Liedermacher #Kabarett #poesie #noafd #besorgteBürger #Geburtstag #birthday

nebukadnezar@sechat.org

Erich Mühsam - Wehe der Erde

vorgetragen von Dieter Süverkrüp & Walter Andreas Schwarz
Album: Erich Mühsam - Ich lade Euch zum Requiem, 1995 (LP: pläne, 1986)
https://www.youtube.com/watch?v=JBfs1fTnF4U

Februar 1915
Die Sterne hängen tiefer denn je
und starren zur Erde in angstvoller Glut.
Sie spiegeln der Menschheit klagendes Weh.
In ihrem Widerschein flackert Blut.

O, schaut nicht nieder auf unsre Schmach,
so ihr von göttlichem Lichte seid.
Des Menschengestirnes Glanz zerbrach,
und unser Göttliches wimmert in Leid.

Krieg heult in die Welt. Es rast der Tod.
Der Schrecken wütet. Die Erde brennt.
Entmenschte Gebete flehn Gott in den Kot…
O Scham vor den Sternen am Firmament!

#ErichMühsam #DieterSüverkrüp #WalterAndreasSchwarz #nowar #nohate

nebukadnezar@sechat.org

Dieter Süverkrüp - Es ritten zwei Herren

Album: Lied eines heiseren Kindes, 1983
https://www.youtube.com/watch?v=DK0n1Otx3qg

Es ritten zwei Herren durch Wald und durch Feld,
zwei Herren von Stande und Einfluß und Geld.
Der eine in Erdöl und Raffinerie,
der andre in Siemens und Kernenergie.
Und kamen beim goldenen Abendschein
wohl in ein liebliches Tal hinein.
Und siehe, stolz wie ein Kaiserdom stund
ein Kraftwerk dort im blühenden Grund.
Da seufzte der Siemensaktionär:
»Fürwahr, es schmerzet mich gar zu sehr,
daß sich die Leut' nur an Kraftwerken störn
und demonstriern und aufbegehrn.
Atomsprengköpfe lagern zuhauf
landauf, landab. Das regt niemanden auf.
Auch gegen die Zeitbombe der Chemie,
die längst schon tickt, demonstrieren die nie.«
Der Herr von Erdöl sprach unbewegt:
»Die Sprengköpfe sind ja in Bunkern versteckt.
Und Gift ist nur selten mit Augen zu sehn,
derweilen die Kraftwerke offen rumstehn.
Der ganze Atomkrach übrigens tut
den Erdölgeschäften recht angenehm gut.
Das hat uns schon hübsche Sümmchen gebracht.
Die Presse hat großartig mitgemacht.«
Das traf den Herrn Siemensaktionär
nun sintemalen besonders schwer.
Drum wies er mit grimmigem Hintersinn
auf die drohende Energiekrise hin.
Und sagte: »Das ist doch verantwortungslos!
Die Ölreserven sind nicht so groß,
als daß man sie einfach verfeuern könnt'.
Sonst sind wir in zwanzig Jahren am End'!«
Doch diesen Vorwurf hinwiederum
nahm Herr von Erdöl erheblich krumm.
Er rief: »Wie Sie mit Kernkraft umgehn,
ist noch viel entsetzlicher mit anzusehn!
Sie scherzen damit - so ungefähr,
als ob es ein Großraumflugzeug wär
oder der Weltfrieden. Alles nur
wegen der Gunst der Konjunktur.
Sie wollen, was unsereins menschlich versteht,
Gewinne erbrüten, so schnell es geht.
Doch unser Geschäft als Ganzes ist
mitgefährdet durch Ihren Mist.
Wir wollen von unserem Lande hier
noch länger was haben, Sie und wir.
Doch ist es mal erst aus Geldgier verseucht...«
Er schluchzte, es ward das Auge ihm feucht.
»Na, na!« rief der Siemensaktionär,
»Wo nehmen Sie Ihre Aufmüpfigkeit her?
Das klingt ja beinahe schon radikal.
Das war doch bei Ihnen nicht immer der Fall.
Jahrzehntelang haben Sie unentwegt
Zechen um Zechen stillgelegt
und stiegen heimlich auf Erdöl um.
Doch auch nur aus Geldgier. - Oder warum?
Im Öl war die beßre Rendite drin!
Was anderes hatten doch Sie nicht im Sinn!
Dabei war schon damals den Fachleuten klar:
die Energie im Lande wird rar!« -
So redeten sie einander in Wut.
Der eine erhitzte des anderen Blut.
Und beinahe hätten sie sich verkracht.
Doch plötzlich haben sie laut losgelacht.
Sie riefen: »Was soll denn der alberne Zwist?
Wir wissen ja nun, daß Krise ist.
Bei etwas Gegenseitigkeit kann
jeder von uns was verdienen daran.« -
Sie boxten sich in die Rippen zum Spaß
und jauchzten: »Wir sind schon 'ne Klasse, was?«

#DieterSüverkrüp #Liedermacher #Atomkraft #Energiekrise