#elektroenergie

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet entdeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
Christoph Hank, Marius Holst, Connor Thelen, Christoph Kost, Sven Längle, Achim Schaadt, Tom Smolinka: "Site-specific, comparative analysis
for suitable Power-to-X pathways and products in developing and emerging countries ", (Fraunhofer-ISE, 2023).

Im Folgenden eine Zusammenfassung bis Seite 92. Die Themen Methanol- und Kerosin-Synthese und CO2-Gewinnung aus Luft (DAC) werden in der Zusammenfassung ausgeklämmert.

Mit einer eigenentwickelten Simulationssoftware wird eine Prognose für die Kosten der Produktion von grünem Wasserstoff außerhalb Deutschland für das Jahr 2030 gemacht. In die Kostenberechnungen geht die Stromerzeugung durch Windkraft und Photovoltaik ein, aber auch die Kosten für Netzleitungen im Quelland, Elektrolyseure, Tiefkühlung und Zwischenlagerung, Ammoniaksynthese, Transport nach Deutschland. Betrachtet werden auch die Investitions- und Kapitalkosten. Die in Deutschland anfallenden Kosten für Regasifizierung oder Reformierung von Ammoniak, Distribution ... werden dagegen ausgeklämmert.

Die für die Daten notwendigen Daten über die Wind- und Solarverhältnisse an den Standorten werden in der Studie dem OpenSource-Programm Ninja entnommen, das solche Daten für jeden Erdpunkt auf der Basis von Satellitenbeobachtungen bereitstellt.

Im Ergebnis kommen die Autoren für H2 auf Gesamtkosten von 17 -22 Cent / KWh, entsprechend 5.70 - 7.23 Euro / Kg. Für Ammoniak sind es 17 Cent / KWh. Das gilt für die kostengünstigsten Standorte, die in Brasilien und Australien liegen. Für die Jahre nach 2030 hoffen die Autoren auf niedrigere Preise, ohne dies jedoch zu begründen. Die Autoren glauben, daß die insgesamt hohen Kosten für grünen Wasserstoff und Ammoniak zukünftig relativiert werden durch steil ansteigende Preise fossiler Energie.

Die Autoren betonen, daß trotz oft günstiger Wind- und Sonnenstrahlungsverhältnisse große Landesteile in den betrachteten Ländern für PtX-Projekte nicht genutzt werden können, weil Naturschutz und militärische Belange dem entgegenstehen, oder auch weil fehlende Infrastuktur und Arbeitskräftemangel dies nicht sinnvoll machen.
Als geeignet werden Landschaften angesehen mit einer Bevölkerungsdichte < 150 / qKm. Urbane Gebiete, Farmland, Wälder und Sumpfland werden nicht berücksichtigt. Berücksichtigt werden nur Gebiete, wo die Länge des zu bauenden Stromnetzes und der zu bauenden Überlandstraßen kleiner 100 Km sind.

Die Anlagen für die Elektrolyse, Verflüssigung, Synthese, Zwischenlagerung werden in der Nähe der Häfen oder am Endpunkt der Pipelines angenommen. Zu bauen sind deshalb oft lange Stromnetze von den Stromerzeugungseinheiten, sowie Überlandstraßen. Die Verfügbarkeit von Landflächen zu akzeptablen Preisen und ausreichend viele lokale Arbeitskräfte sind ebenfalls Voraussetzung. Auch ist ein zumindestens rudimentäres lokales Stromnetz als BackUp-Netz erforderlich. Die Häfen müssen oft noch vom Container-Betrieb zu Tankschiffhäfen umgebaut werden.

Weiterhin wird auf lange Planungs- und Ausführungszeiträume hingewiesen, die bei dem Bau der PtX-Anlagen zu erwarten sind. Um in 10 Jahren in Deutschland über PtX-Importe im 1 TWh-Bereich verfügen zu können, müßte bereits jetzt der Bau der PtX-Anlagen in Angriff genommen werden. Das Fehlen großer Tankschiffe für verflüssigten, tiefgekühlten Wasserstoff ist ein weiteres Problem. Für diese Schiffe müssen erst noch Regularien entwickelt werden, bevor sie auf den Werften gebaut werden können. Die Autoren weisen darauf hin, daß in ihrem Szenario 160 kT Wasserstoff pro Jahr produziert wird. Das entspricht ca. der gegenwärtigen Weltproduktion. Für Nordafrika und Spanien bietet sich der Transport von Wasserstoff via Pipeline an. Diese Pipelines müssen jedoch erst noch gebaut werden. Innerhalb von Europa wäre ein dediziert deutsches Pipelinenetz sehr teuer. Mit einem gesamteuropäischen Wasserstoff-Pipelinenetz auf der Basis europäischer Zusammenarbeit wären die Kosten weitaus niedriger.

In den letzten Jahren bekam die asiatische Photovoltaik-Industrie global gesehen eine dominierende Bedeutung. Eine ähnliche Entwicklung, so die Autoren, zeichnet sich derzeitig bei den Windkraftanlagen ab. Daneben bestehen weitere Abhängigkeiten von Asien, so auf dem Gebiet industrieller Zulieferteile und Rohstoffe wie Seltene Erden. Deshalb sollte Europa versuchen, zumindestens die Produktion von Elektrolyseuren in der Region zu sichern. Es besteht das Risiko, daß mit dem Ausbau der Infrastruktur für grünen Wasserstoff die Abhängigkeit von Asien verstärkt wird.

Auf Seite 32, Tabelle 5.1 sind die ökonomischen Eckwerte für Solarkraft und Windkraft aufgelistet, Investitionskosten (CAPEX), Betriebsaufwendungen (OPEX), Kosten des Kapitals, z.B. Zinsen oder Gewinnausschüttungen (WACC). Die Investitionskosten liegen durchweg höher als in den letzten Beiträgen, die
auf schwedischen Studien beruhen. Photovoltaik: CAPAX 550 - 650 Euro / KW_peak, OPEX 11- 13 Euro über Lebensdauer von 30 Jahre, WACC 6 - 8 % . Windkraft 1200 - 1500 Euro / KW, OPEX 1.5 - 1.7 Cent / KWh, WACC 6 - 8 % , Lebensdauer 25 Jahre.

Als Elektrolyseverfahren wird in der Studie das PEM-Verfahren zu Grunde gelegt. Mit diesem Verfahren kann noch bei 10% der Nennleistung der Betrieb aufrecht erhalten werden. CAPEX: 750 Euro / KW_ac , OPEX 15 Euro / (KW_ac * Jahr), Lebensdauer 30 Jahre. Benötigt werden 15 Liter Wasser / Kg_wasserstoff. Die Kosten für
Entsalzung und Aufbereitung werden mit 2 Euro / cbm_wasser veranschlagt. Bei der Wasserstoffverflüssigung oder auch den Synthesprozessen ist die eingeschränkte Modulationsfähigkeit zu beachten, im Vergleich zu den Elektrolyseuren. Es sind deshalb Zwischenspeicher erforderlich, voraussichtlich mit teuren oberirdischen Tanks. Billiger wären unterirdische Kavernenspeicher, die jedoch derzeitig nicht erforscht sind.

In Fig.-5.2 sind die Investitionskosten für die Anlagen zur Wasserstoffverflüssigung, der Ammoniak- und Methanol- und Kerosinsynthese dargestellt. Für die Wasserstoffverflüssigung werden 1600 bis 1200 Euro / KWh veranschlagt, für Ammoniak 700 - 1300 Euro / KWh, jeweils abhängig von der Anlagengröße.

Die Transportkosten per Schiff sind nicht direkt abhängig von der Entfernung und betragen nach Diagramm Figure-6.5 geschätzt ca 5% der Gesamtkosten frei Deutschland.
Die Alternative zu Schifftransporten für Wasserstoff sind Pipelines, die Algerien und Marokko mit Europa und Deutschland verbinden könnten. Attraktiv ist aus Kostengründen die Nutzung des im Rahmen der "European Hydrogen Backbone Initiative" geplanten Pipelinenetzes. Hier werden Transportkosten von 11 - 21 Cent / Kg_H2
avisiert. [Bei einem Energieinhalt von ca. 40 KWh / Kg_H2 entspricht das also ca. 0.25 - 0.5 Cent / (1000Km*KWh)]. Ein dediziertes Pipelinenetz nur für den deutschen Bedarf wäre dagegen wesentlich teurer und unwirtschaftlich.

In den Graphiken Figure-6.1 und Figure-6.2 werden die Selbstkosten für onshore-Windkraft und Photovoltaik an den jeweiligen Standorten dargestellt. Zu betonen ist, daß es sich dabei nicht um die Kosten von grünem Wasserstoff handelt, geliefert nach Deutschland, sondern um die Stromkosten an den jeweiligen Stromerzeugungsanlagen. Für Photovoltaik streuen die Kosten zwischen 3 - 4 Cent / KWh. Die Selbstkosten für die onshore-Windkraft streut zwischen 4 - 6 Cent, liegt aber an einigen Standorten auch bei weit über 10 Cent / KWh.

In Figure-6.3 finden sich Angaben über die Selbstkosten für Energie, geliefert nach Deutschland. Für grünen Wasserstoff aus Algerien, Marokko, Tunesien, Spanien ist mit Selbstkosten von 14 - 15 Cent / KWh zu rechnen, wobei diese Länder den Vorteil niedriger Transportkosten durch geographische Nähe und Pipelines haben. Für
die anderen Länder sind wesentlich höhere Selbskosten, mehr als 17 Cent / KWh, zu erwarten, z.B für Namibia 24 -27 Cent / KWh. Für Ammoniak streuen die Werte stark, bewegen sich an den meisten Standorten um die 20 Cent / KWh.

Die Lieferkapazität über alle betrachteten Regionen wird mit 82 TWh grüner Wasserstoff abgeschätzt [eigene Abschätzung Diagramm Figure-6.4 ] [Bei Ammoniak sind es nach eigener Abschätzung ca 75 TWh, nach Diagramm Figure-6.6]

Die Selbstkosten für den Import grünen Wasserstoffs durch eine gesamteuropäische Pipeline betragen ca 16 Cent / KWh, durch eine dedizierte deutsche Pipeline sind es ca 20 Cent / KWh. Nach eigener Abschätzung Figure-6.10 sind auf diese Weise 66 TWh beschaffbar. Diese Mengen addieren sich nicht zu den Mengen, die per Tankschiffe zu beschaffen sind.

Energetischer Wirkungsgrad H2 beträgt ca. 55% in der Kette Stromerzeugung bis Verlüssigung, derjenige von Ammoniak ca. 50%.

Windkraft und Photovoltaik unterscheiden sich durch ihre Fluktuationen in ihrer Verwendbarkeit für die H2- und Ammoniakproduktion. Weil Ammoniaksynthese weniger teillastfähig ist, braucht es mehr H2-Zwischenspeicher. oder eine gleichmäßigere Stromversorgung. Das spricht für Windkraft. Standorte mit dominierender Photovoltaik
sind also nicht besonders geeignet für die Ammoniakproduktion.

Die Autoren weisen ausdrücklich darauf hin, daß sie in ihrer Studie nicht die "at-gate hydrogen" generation cost betrachten. Mit diesem Begriff sind die Kosten gemeint, die ohne Transport, Tiefkühlung und Zwischenspeicherung anfallen. Für die aussichtsreichsten Regionen Brasilien, Kolumbien und Australien geben die Autoren 9.6 - 10.8 Cent / KWh als lokale Kosten an. Die Kosten für alle in der Studie betrachteten Regionen liegen für grünen Wasserstoff im Bereich 9.6 - 16 Cent / KWh. [Insgesamt liegen also
die Kosten für grünen Wasserstoff frei Deutschland also ca Faktor 1.5 höher als die lokalen Kosten]

Weiterhin weisen die Autoren auf den Unterschied zwischen Selbstkosten und Preisen hin. Die Preise orientieren sich an den Selbstkosten, wie sie hier in der Studie kalkuliert werden. Dazu kommen Profit, Risikoaufschläge, Forschung & Entwicklung, Distribution ... Für das Jahr 2030 existieren bereits weitere Studien oder Entwicklungspläne. Unter der Überschrift "Published target values of national roadmaps and international price projections and scenarios for hydrogen in 2030." finden sich in Tabelle table-6.8 folgende Angaben (Preise hier pro KG H2, und anscheinend lokale Kosten):
This study: 3.21-5.33 EUR (costs)
Hydrogen Council: 1.40-2.30 USD
European Council: 1.10-2.40 Euro
IEA: 1.50-3.50 USD
IRENA: 1.40-2.00 USD
Die Kostenangaben dieser Studie liegen also im Vergleich zu den anderen Angaben mit Abstand an der Spitze.
Der Unterschied beträgt mehr als Faktor 2.

Für die meisten Regionen ist die Produktion von Ammoniak günstiger als die von grünem Wasserstoff. Wenn Ammoniak nicht als Grundlage für Düngemittel oder als chemischer Grundstoff für die Chemieindustrie verwendet wird, sondern als Träger für grünen Wasserstoff, dann sollte bedacht werden, daß die Reformierung von Ammoniak energieaufwändig und technologisch nicht fortgeschritten ist.

Die Autoren schlußfolgern, daß es bei der Kostenermittlung unumgänglich ist, das Zusammenspiel von Photovoltaik, Windkraft, sowie anderer Faktoren wie administrative, topographische und infrastrukturelle Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Transportentfernungen haben sicherlich einen größeren Einfluß auf die Kosten, sind aber nicht entscheidend. Weiterhin ist ein ausbalanziertes Verhältnis zwischen Photovoltaik und Windkraft oft vorteilhafter als besonders gute Bedingungen für nur eine dieser Stromquellen. Und schließlich sind die Kapitalkosten für den Erfolg der Produktion von grünem Wasserstoff entscheidend.

Der Aufbau einer Produktion von grünem Wasserstoff außerhalb von Deutschland setzt zumindestens in der Anfangszeit bilaterale Handelsabkommen voraus. Später wird sich ein globaler Markt für grünen Wasserstoff entwickelt haben. In jedem Fall wird der Aufbau der Produktion von grünem Wasserstoff viele Jahre beanspruchen. Stabile politische und ökonomische Verhältnisse sind dafür essentiell.

#deutschland #tyskland #schweden #sverige #el #elektroenergie #wasserstoff #vätgas