#klimaumstellung

benedict16b@despora.de

Neulich im Internet endeckt (der Text kann frei heruntergeladen werden):
David Sundén: "Från brunt till grönt. Bedömning av satsningarna på fossilfritt stål utifrån ett teknik- och marknadsperspektiv", (Skandinaviska Policyinstitutet, 2023).

In dieser Studie geht es um die Umstellung der schwedischen Eisenerz- und Stahlproduktion auf einen fossilfreien Betrieb. Betriebs- und marktwirtschaftliche Gesichtspunkte werden mitbetrachtet.

Die Umstellung in Schweden soll nicht über den Umweg von Erdgas als Energieträger geschehen, sondern mit Strom. Es gibt bisher keine Rentabilitätsuntersuchungen dieser nie vorher gesehenen enormen Investitionen.

Weltweit arbeiten die Stahlwerke mit HEMATIT, einem billigen und relativ eisenarmen Erz. Die Hochöfen sind im Durchschnitt jung, weshalb die Umstellung der Stahlproduktion global wohl nicht vor 2070 erfolgen wird.

In Schweden soll das DRI-Verfahren (direct reduction) mit Hilfe von Wasserstoff arbeiten, "MIDREX". Dafür werden sehr eisenhaltige Erze, bzw. Pellets benötigt, die auf dem Weltmarkt nur begrenzt zur Verfügung stehen und teuer sind. Schwedische Bergwerke müßten für deren Produktion kostenaufwändig ausgebaut werden.

Weltweit sind viele DRI-Projekte in Arbeit. Die Pellets werden dabei zu Eisenschwamm verarbeitet, der in einer nächsten Stufe zu Roheisen weiterverarbeitet wird. Die Preise für die benötigten DR-Pellets werden voraussichtlich stark steigen.

Gegenwärtig basiert die Produktion von Eisenschwamm auf Erdgas. Es sind deshalb Länder mit niedrigen Erdgaspreisen, wie Iran, Algerien, USA und Rußland, in denen die Eisenschwamm-Produktion konzentriert ist. Anteil an Stahlproduktion bisher vernachlässigbar, aber bis 2050 Produktionsausweitung voraussichtlich Faktor 3.

Es ist jedoch fraglich, ob nach 2030 das Angebot hochwertigen Eisenerzes oder DR-Pellets im freien Handel der steigenden Nachfrage im Bereich Eisenschwamm folgen kann. Gegenwärtig 75% der Eisenschwammproduktion in vertikal integrierten Konzernen mit eigenen Bergwerken.

Die DRI-Verfahren erfordern große Investitionen und sind abhängig von billigem Erdgas, bzw. Wasserstoff. Es besteht die Gefahr von Durchbruchinnovationen, die diese Nachteile vermeiden: Schmelzelektrolyse (BOSTON METAL), oder Schmelzreduktion (VOEST ALPINE).

Der Vorteil der Schmelzelektrolyse besteht darin, daß minderwertige Erze verwendet werden können und sehr reines Eisen erzeugt wird, ähnlich den Cu- und Alu-Schmelzen. Der Kaptalbedarf ist gering und die Anlagen können modular aufgebaut werden. Nachteilig ist die Abhängigkeit von einer stabilen Stromversorgung. Bis 2026 hofft BOSTON METAL das Verfahren kommerzialisieren zu können.

Ein weiteres Risiken besteht in der Entwicklung der schwedischen Strompreise, die diese ambitionierten Pläne schnell unrentabel machen können. Weiterhin könnte die Verfügbarkeit von Stahlschrott ein Risiko sein. Stahlschrott soll zu bis 50% neben dem Rohstahl in den Elektroöfen verwendet werden.

Weltweit sichern sich die größten Stahlkonzerne nicht nur ihre eigene Rohstoffbasis durch Investitionen in Bergwerke, sondern auch durch den Aufkauf von Firmen, die im Stahlschrotthandel aktiv sind. Vorangetrieben wird diese Entwicklung durch die zunehmende Verbreitung von Elektroöfen.

In Schweden sind es die Unternehmen HYBRIT, eine Projektgesellschaft von Vattenfall, LKAB (staatlicher Bergbaukonzern), und SSAB (quasi-staatlicher Stahlkonzern), sowie das private Startup H2GS, die an der grünen Umstellung arbeiten.

H2GS ist wie die traditionellen Stahl- und Hüttenwerke vertikal integriert: Eisenerzverarbeitung, Eisenschwamm-Erzeugung, Rohstahl, Stahlveredlung, Stahlverarbeitung.

HYBRIT dagegen nur Rohstahlerzeugung und -Veredelung. Die vorgelagerten Stufen übernimmt der Bergbaukonzern LKAB.

H2GS ist dadurch auf die Zugänglichkeit von hochwertigem Eisenerz (durch LKAB) angewiesen. Andernfalls müßten die DR-Pellets teuer aus Brasilien oder Kanada importiert werden. [Auch ein Problem der deutschen Stahlkonzerne bei der Umstellung]

Der Autor folgert, daß die enormen Investitionen in den beschriebenen zwei Projekten politisch motiviert sind. Eine verbesserte Konkurrenzfähigkeit oder verbesserte Stahlqualitäten sind nicht zu erwarten. Jedoch werden durch den enormen Kapitaleinsatz andere techn. Entwicklungspfade ausgeschlossen.

Der Autor erwartet auch nicht, daß grüner Stahl dauerhaft Premiumpreise erzielen kann. Weltweit arbeiten viele Firmen an der Umstellung. Weiterhin wird aus den Schwellenländern mit ihren jungen Hochöfen zukünftig ein Überangebot von braunem Stahl auf den Weltmarkt gelangen.

Dazu trägt bei, daß Stahl oft in standardisierten Qualitäten gehandelt wird, also im globalen Handel austauschbar ist - im Gegensatz zum Eisenerz. Dementsprechend hart ist die Konkurrenz. Aus (oft miltitär-) strategischen Gründen versuchen kleinere Produzentenländer die heimische Produktion zu bewahren.

Mit dem Ausbau des HYBRIT-Projektes steigt der Strombedarf, voraussichtlich auf 5 TWh, emtsprechend ca. 1.2 t Rohstahl, 75% davon für die Wasserstoffproduktion. SSAB will neben HYBRIT ebenfalls ausbauen: nochmals 5 TWh in Schweden und Finnland.

Desgleichen der Bergbaukonzern LKAB: bis 2030 sollen es 20 TWh für die Eisenschwammherstellung sein, 2040 40TWh, 2050 70 TWh, hauptsächlich für Wasserstoff. Über die Speicherung von Wasserstoff ist noch nicht entschieden. Es geht dabei um Investitionen von 12.6 Mrd Euro bis 2030.

Desgleichen das neugegründete Unternehmen H2GS. Bis 2026 2.5 Mio t Stahl und 10 TWh Strombedarf. Bis 2030 5 Mio t Stahl und 13 -17 TWh Strombedarf.

LKAB benötigt für die geplante Produktion von 5.4 Mio t Eisenschwamm ca 300 000 t Wasserstoff jährlich. Die gegenwärtig größten Elektrolyseure haben eine Jahrekapazität von 3000 t Wasserstoff. Um die Schwankungen des Strommarktes nutzen zu können, wäre eine Überdimensionierung der Wasserstoffproduktion und -speicherung notwendig.

Der stark anwachsende Strombedarf der genannten Firmen, besonders von LKAB mit bis zu 70 TWh, wird zu völlig veränderten Verhältnissen auf dem nordischen Strommarkt führen, mit der Gefahr steigender Preise und der Kannibalisierung. Für HYBRIT und H2GS wäre damit die Rentabilität stark gefährdet.

Der Autor erwartet intensive Forschungsanstrengungen der großen Stahlkonzerne zur CO2-Abscheidung an den klassischen Hochöfen, weil diese Hochöfen durchschnittlich noch weit vom normalen Lebensdauerende entfernt sind. Durch diese Anlagen wird voraussichtlich der zukünftige Stahlpreis bestimmt.

Für europäische Hersteller mit ihren Anlagen oft am Ende der Lebensdauer gibt es dann wohl nur die Chance, ihre Investitionen in den grünen Stahl durch herausragende Qualität oder extrem CO2-freie Produktionsweisen hereinzuholen.

Jedoch Gefahr, daß z.B durch Schmelzelektrolyse die bisherigen Strukturen sich grundlegend verändern können. Beispielsweise könnten diese modulare Anlagen und der niedrige Kapitalbedarf dazu führen, daß die Stahlproduktion sich in unmittelbare Nähe zu den Abnehmerunternehmen verlagert, z.B. Autoindustrie.

Ein Risiko für das private Unternehmen H2GS besteht darin, daß LKAB mit seiner Eisenschwammproduktion SSAB priorisiert. Damit wäre H2GS auf teure außereuropäsche Importe angewiesen, oder müßte durch Einsatz von mehr Schrott oder minderwertigen Pellets Qualitätseinbußen hinnehmen.

Voraussichtlich werden die Stahlhersteller SSAB und H2GS durch die begrenzte Verfügbarkeit von Eisenschwamm limitiert. Sie wären damit gezwungen, vermehrt Schrott einzusetzen, mit entsprechenden Qualitätseinbußen. Dazu kommt die begrenzte Schrott-Verfügbarkeit durch die Beherrschung des Marktes durch globale Konzerne.

Im Vergleich zu den schwedischen Firmen LKAB, SSAB, HYBRIT, H2GS haben die weltgrößten Stahlhersteller die finanziellen Möglichkeiten, eine Risikostreuung zu erreichen, indem sie in verschiedene Technologien der grünen Umstellung investieren.

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