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Klartext:
Ohrfeigen für Scholz
Bundeskanzler zu Besuch in Brasilien (Von Jörg Kronauer)
Eine »Charmeoffensive«: So hatten Politik und Medien zu Jahresbeginn das peinlich schleimige Auftreten von Frank-Walter Steinmeier beim Amtsantritt seines brasilianischen Amtskollegen schöngeredet. Der Bundespräsident habe es doch tatsächlich geschafft, noch vor den offiziellen Feierlichkeiten zur Amtseinführung einen Gesprächstermin bei Luiz Inácio Lula da Silva zu ergattern, hörte man: ein Privileg! Nach dem Treffen strahlte Steinmeier in die Kameras, tätschelte Lulas Unterarm, betonte gönnerhaft, es sei »gut zu wissen, dass Brasilien zurück ist auf der internationalen Bühne«: So sehen enge Partner aus, nicht wahr? Olaf Scholz hat am Montag nun die Berliner »Charmeoffensive« fortgeführt: »Wir freuen uns alle, dass Brasilien zurück auf der Weltbühne ist«, schnulzte der Kanzler – und seine Entourage prahlte stolz, Scholz sei der erste auswärtige Regierungschef, den Lula nach seinem Amtsantritt in Brasília empfange: Wie nahe steht man sich doch!
Enge Partner? Lula hat die schmierige Anwanzerei, neben Scholz vor der versammelten Presse stehend, mit einer doppelten Ohrfeige beantwortet. Munition für die Ukraine? Brasilien hat Geschosse für den Flugabwehrpanzer »Gepard«, seit es ihn zum Schutz seiner Stadien bei der Fußball-WM 2014 erwarb. Es ist aber nicht bereit, sich am Ukraine-Krieg zu beteiligen, und rückt die Munition deshalb nicht raus. »Brasilien ist ein Land des Friedens«, erklärte Lula – und das heißt im Umkehrschluss: Deutschland, das sich so gern als angebliche Friedensmacht inszeniert hat, ist heute ein Land des Kriegs.
Die zweite Ohrfeige? Nein, Lula lässt sich auch politisch nicht gegen Russland in Stellung bringen, im Gegenteil – er stößt eine Verhandlungsinitiative im Ukraine-Krieg an. Damit positioniert er Brasilien nicht nur zwischen der Ukraine und Russland, sondern faktisch auch zwischen Russland und dem Westen: als eigenständigen Machtpol. Dass er darüber hinaus auch noch China in die Vermittlungsbemühungen einbinden und damit Beijing eine weltpolitische Schlüsselstellung zubilligen will, ist der nächste Schlag für Berlin.
Scholz hat versucht, die Differenzen zu übertünchen und Gemeinsamkeiten zu betonen – etwa den Wunsch, das Freihandelsabkommen der EU mit dem Mercosur endlich unter Dach und Fach zu bekommen. Bislang haben einige EU-Staaten, darunter Frankreich, gebremst – im Interesse ihrer Agrar- und Fleischproduzenten, die südamerikanische Konkurrenz abwehren wollen. Inzwischen fühlt sich aber auch Argentinien stark genug, auf Nachbesserungen zum Schutz seiner schwachen Industrie gegen die Übermacht aus der EU zu dringen. Wie weiter? Der Mercosur werde »zeigen, wie flexibel wir sind«, kündigte Lula an – dies allerdings nur dann, wenn auch »die Europäer« Flexibilität an den Tag legten. Die Zeiten, in denen der Westen nicht nur Krieg und Frieden diktieren, sondern auch die Ausplünderung des globalen Südens einseitig oktroyieren konnte, sind wohl – »Charmeoffensive« hin oder her – vorbei.
- https://www.jungewelt.de/artikel/443995.ohrfeigen-f%C3%BCr-scholz.html
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