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Das Ende des postkolonialen Imperiums scheint eingeläutet
Munich Security Report: Der Globale Süden beginnt, sich westlicher Kontrolle zu entziehen
Die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz plädieren für eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des Globalen Südens (Von German Foreign Policy)
Wie es im Munich Security Report heißt, der am 13. Februar veröffentlicht wurde, müsse man sich endlich der Tatsache stellen, dass immer noch kein einziges Land Afrikas und Lateinamerikas – sowie kaum ein Land Asiens – die westliche Sanktionspolitik gegen Russland unterstütze. Wolle man ernste Rückschläge im globalen Machtkampf gegen Russland und China langfristig vermeiden, müsse man wenigstens einige der Länder im Globalen Süden zurückgewinnen....
"Postkoloniale Dominanz"
Besonderes Gewicht messen die Autoren des Munich Security Report dem Globalen Süden bei. Die Motive dafür sind nicht etwa Armut sowie schwierige Lebensverhältnisse in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, sondern die Tatsache, dass die Staaten des Globalen Südens zwar mehrheitlich den russischen Überfall auf die Ukraine als einen Bruch des internationalen Rechts kritisieren, sich aber nicht am Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland oder gar an der Hochrüstung der Ukraine beteiligen.
Hieß es bisher in öffentlichen Stellungnahmen aus Politik und Denkfabriken wie auch im medialen Echo stets nebulös, eine höchst diffuse "internationale Gemeinschaft" bestrafe Moskau für den Krieg mit Sanktionen, so stellt der Munich Security Report erstmals in dieser Offenheit fest: "Kein einziger Staat Afrikas oder Lateinamerikas ist Teil der lockeren Koalition, die Sanktionen gegen Russland verhängt hat."2 Auch in Asien beteiligen sich nur drei Staaten3 plus die chinesische Insel Taiwan an der Sanktionspolitik – und damit am Bestreben, die alte, vom Westen dominierte Weltordnung zu stabilisieren.
Der Munich Security Report räumt ein, die "vom Westen geführte Ordnung" sei für viele Staaten im Süden durch "postkoloniale Dominanz, doppelte Standards und Vernachlässigung der Anliegen von Entwicklungsländern" charakterisiert. "In weiten Teilen der Welt" gebe es daher Sympathien für eine multipolare, "nachwestliche" Weltordnung....
...Konkret und eher hilflos plädiert der Munich Security Report für eine wirkungsvolle Entwicklungshilfe und dafür, dass "Europa und die USA ihre Versprechen erfüllen, globale öffentliche Güter bereitzustellen". Zugleich müssten sie vom "Geber-Empfänger-Verhältnis" loskommen sowie "Kooperation auf Augenhöhe" ermöglichen. Allerdings gehört etwa Letzteres seit Jahren zu den offiziell stets stolz vorgetragenen Zielen der deutschen Außenpolitik, ohne dass es jemals praktisch realisiert worden wäre.5 Dass die ehemaligen Kolonien den Aufstieg auf gleiche Augenhöhe mit den Ex-Kolonialmächten schaffen, lag in der Tat noch nie im Interesse westlicher Politik.
Der Süden opponiert
Während es im Munich Security Report heißt, man müsse den Globalen Süden einbinden, beginnen dortige Schwellenländer nicht nur passiv – durch die Verweigerung von Russland-Sanktionen –, sondern auch aktiv gegen die transatlantische Politik im Ukraine-Krieg zu opponieren. So hat Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva anlässlich seines Besuchs in Washington am 10. Februar bekräftigt, er arbeite weiterhin daran, gemeinsam mit anderen Staaten jenseits des alten Westens eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg zu erreichen.6 Als Kooperationspartner komme dabei China in Frage. Lula hat angekündigt, in wenigen Wochen nach Beijing zu reisen und mit seinem dortigen Amtskollegen Xi Jinping Gespräche zu führen.
Chinas Regierung sei "eine der wenigen auf der internationalen Bühne, die Moskau nicht ignorieren kann", räumte gestern Wolfgang Ischinger, ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, ein: "Allein oder mit anderen wäre China vielleicht imstande, einen Friedensvorschlag zu machen."7 Ischinger wies allerdings zugleich darauf hin, das werde "in den USA vermutlich nicht größte Freude auslösen". In der Tat wäre ein von China mit erzielter Verhandlungserfolg bloß ein weiterer Beleg für den historischen Abstieg des Westens, den dieser verhindern will – mit allen Mitteln.
- vollständiger Artikel: https://amerika21.de/analyse/262782/der-zusammenbruch-der-alten-ordnung
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