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Sanktionen sind Kriegsmittel, keine »zivile« Alternative

Sanktionen gelten als niedrigschwelliges Mittel konfrontativer Außenpolitik, sind in ihren Folgen aber oft ähnlich verheerend wie Kriege. Über Wirtschaftsblockaden und Sanktionen (Von Joachim Guilliard)

Das Thema wurde in den letzten Monaten immer brisanter: Angesichts der Mehrfachkrise – Krieg, Energiekrise, Inflation – und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen nehmen zwar auch hierzulande Protestaktionen zu. In der Linken scheiden sich dabei aber die Geister in der Frage, ob auch die Wirtschaftsblockaden gegen Russland thematisiert werden sollen oder dürfen.

Sie finden in Deutschland wie anderen europäischen Ländern weiterhin viel Zuspruch. Einer Forsa-Umfrage im Oktober zufolge glaubt zwar eine Mehrheit der Deutschen (57 Prozent der Befragten), dass die gegen Russland verhängten Embargomaßnahmen Deutschland mehr schaden als Russland. Dennoch spricht sich nur eine Minderheit von 30 Prozent für eine Lockerung (18 Prozent) oder eine völlige Aufhebung (zwölf Prozent) aus.

Angesichts der Stimmungsmache in den Medien ist dies wenig verwunderlich, wird Kritik an den Wirtschaftsblockaden doch genauso als Verrat am gemeinsamen Kampf gegen Russland oder gar als Parteinahme für Moskau diffamiert wie Kritik an Waffenlieferungen. Die Frage, ob mit den Embargomaßnahmen das Ziel überhaupt erreicht werden kann und ob die humanitären Kosten und wirtschaftlichen Schäden zu rechtfertigen sind, wird gar nicht erst gestellt.

»Recht des Stärkeren«

Embargomaßnahmen auch gegen andere Länder sind sehr umstritten. Daher muss die generelle Problematik von umfassenden Wirtschaftssanktionen erfasst werden. In erster Linie geht es um die Wirtschaftssanktionen, die eigenmächtig von einem oder mehreren Staaten gegen einen anderen Staat verhängt werden, ohne von diesem angegriffen oder auf andere Weise geschädigt worden zu sein, es sich also völkerrechtlich nicht um eine »Gegenmaßnahme« handelt.¹ In diesen Fällen ist der Begriff »Sanktionen« allerdings irreführend. Denn nichts und niemand gibt einem Staat wie den USA oder einem Staatenbündnis wie der EU in solchen Fällen das Recht, selbstherrlich Strafmaßnahmen zu verhängen. Dazu ist allein der UN-Sicherheitsrat legitimiert. In UN-Dokumenten werden sie daher als »unilaterale Zwangsmaßnahmen« bezeichnet.

Es gibt auf internationaler Ebene viele verschiedene Arten solcher Zwangsmaßnahmen – gegen gegnerische Staaten als Ganzes oder gegen einzelne Personen, Einrichtungen oder Firmen solcher Staaten. Ich werde mich im folgenden auf erhebliche, umfassende Handels-, Finanz- und Wirtschaftsblockaden konzentrieren, die sich gegen zentrale Wirtschaftsbereiche des betroffenen Landes richten.

Häufig werden die von westlichen Staaten verhängten Zwangsmaßnahmen damit begründet, Menschenrechte in den betroffenen Ländern verteidigen oder durchsetzen oder, wie im Fall des russischen Einmarschs in die Ukraine, Völkerrechtsverstöße bestrafen zu wollen. Tatsächlich verstoßen eigenmächtige Zwangsmaßnahmen jedoch meist selbst gegen internationales Recht und Menschenrechte.

Praktisch können sie nur von wirtschaftlich starken, wenn nicht dominierenden Mächten oder Bündnissen verhängt werden. Daher ist ihr Einsatz auch entsprechend selektiv. Tatsächlich werden sie auch fast ausschließlich von den USA und ihren Verbündeten verhängt – und das in wachsendem Maße. Solche Mächte können sich gleichzeitig sicher sein, dass sie selbst nie Ziel solcher Maßnahmen werden, selbst nicht bei schlimmsten eigenen Verbrechen wie den Kriegen gegen Jugoslawien, Irak oder Libyen.

Daher fördern sie keineswegs die »Stärke des Rechts«, wie u. a. führende Grüne hierzulande gerne ins Feld führen, sondern setzen auch in solchen Fällen bloß das »Recht des Stärkeren« durch. Selbst in Fällen, in denen uns die Gründe berechtigt erscheinen, sind es letztlich doch Akte der Willkür.

Hinzu kommt, dass die vorgebrachten Gründe meist mehr als zweifelhaft sind und vor Doppelmoral nur so strotzen. Bei genauerem Hinsehen werden die Blockaden offensichtlich vorwiegend in Verfolgung eigener Interessen verhängt – ausnahmslos gegen Länder, die als Gegner oder Rivalen angesehen werden bzw. die den eigenen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen im Wege stehen. Auf der anderen Seite haben andere Staaten wie die Türkei oder Saudi-Arabien trotz ihrer Kriege und Menschenrechtsverletzungen keine umfassenden Blockaden zu befürchten, sondern bleiben enge Verbündete.

Die USA haben mittlerweile – allein oder zusammen mit den EU-Staaten – gegen rund 40 Länder solche eigenmächtigen Maßnahmen verhängt – faktisch gegen ein Drittel der Menschheit. Einige, wie die Wirtschaftsblockaden gegen Kuba, Iran, Venezuela, Nordkorea und Russland, sind allgemein bekannt. Die verheerenden Folgen der Blockaden gegen bereits völlig verarmte Länder wie Nicaragua, Mali, Simbabwe oder Laos hat jedoch kaum jemand auf dem Schirm.
Versorgungsmängel programmiert

Natürlich wird von westlicher Seite stets beteuert, dass ihre Maßnahmen sich allein gegen die jeweilige Regierung bzw. das jeweilige Regime richten würden. Doch selbst wenn dies tatsächlich der Fall wäre, liegt es auf der Hand, dass sie, sobald sie effektiv sind, das heißt den Handel und die Wirtschaft wirksam einschränken, stets in erster Linie die Bevölkerung treffen, vor allem deren ärmere, verletzlichsten Teile.

Kritik wegen der schädlichen Auswirkungen auf die betroffenen Menschen wird meist mit dem Hinweis zurückgewiesen, humanitäre Güter wie Nahrung und Medizin seien doch von den Blockaden ausgenommen. Das ist zwar formal richtig, in der Sache aber eine bewusste Irreführung. Tatsächlich sind Versorgungsengpässe bei umfassenden Blockaden, sobald sie wirken, stets programmiert. Handelsblockaden behindern zwangsläufig jeglichen Import und verteuern ihn. Gleichzeitig verlieren die Länder durch Wegfall ihrer Exporte auch die zum Einkauf nötigen Devisen.

Wenn betroffene Länder zusätzlich auch vom internationalen Zahlungsverkehr und vom Kreditwesen ausgeschlossen werden, können sie nicht auf übliche Weise bezahlen, auch Transportmöglichkeiten brechen weg. All dies und die Sorge, unversehens gegen eine unbekannte Bestimmung im undurchsichtigen Geflecht der Embargoregeln zu verstoßen, lassen Lieferanten abspringen oder drastische Preisaufschläge fordern.

In der Regel fallen auch immer sogenannte Dual-Use-Güter unter die Blockadebestimmungen, also Güter, die zivil und militärisch genutzt werden können. Da es eine sehr große Bandbreite von Produkten gibt, die unter Umständen auch militärisch genutzt werden können, wird dadurch die Eigenproduktion stark beeinträchtigt – von Maschinen und Ersatzteilen bis hin zu Pflanzendünger, Desinfektionsmitteln und Medikamenten.

Die heutigen Gesellschaften beruhen auf einem komplexen Netz unentbehrlicher Infrastruktur. Wenn zum Beispiel aus Mangel an Ersatzteilen immer mehr Pumpen ausfallen, kann gebietsweise die Trinkwasserversorgung zusammenbrechen oder können – durch Ausfall des Abwassersystems – ganze Stadtteile im Sumpf versinken und sich Cholera- und Typhusseuchen ausbreiten. Erhalten Bauern nicht mehr genug Saatgut und Dünger, bricht auch noch der Selbstversorgungsanteil an Lebensmitteln zusammen.

Wenn mehrere solche Faktoren zusammenwirken, entstehen schnell lebensbedrohliche Notlagen. Richtig mörderisch wird es, wenn die USA ihre dominierende Stellung in Wirtschaft und Finanzwesen zu nutzen suchen, um Gegner durch vollständige Blockaden völlig zu strangulieren, indem sie Drittländer durch Androhung von sogenannten sekundären oder extraterritorialen Sanktionen zwingen, sich den Embargomaßnahmen anzuschließen.²

Da eine solche Ausweitung des Erpressungsregimes das Risiko von Banken, Reedereien, Industrieunternehmen etc., unversehens in dessen Mühlen zu geraten, noch mal enorm verschärft, führt dies auch zu schweren Engpässen dort, wo die blockierenden Mächte Ausnahmen aus humanitären Gründen explizit eingeräumt haben. Dieses Problem der »Übererfüllung« von Zwangsmaßnahmen erschwert durch seine unkontrollierte Streuwirkung vor allem auch die Arbeit von Hilfsorganisationen vor Ort ganz erheblich.

Der »stille Tod«

Andauernde Wirtschaftskriege können auf diese Weise mehr Opfer fordern als militärische. So kostete das umfassende Embargo gegen den Irak von 1990 bis 2003 mehr als eine Million Iraker das Leben, darunter ca. 500.000 Kinder.³ Dass solche Todesopfer offenbar einkalkuliert sind, belegt das berühmt-berüchtigte »Ja« der damaligen Außenministerin der USA, Madeleine Albright, als sie gefragt wurde, ob diese 500.000 toten Kinder »den Preis wert waren« – den Preis dafür, die unbotmäßige einstige Regionalmacht am Boden zu halten.

Die aktuellen Handels- und Finanzblockaden gegen Länder wie Syrien, Venezuela oder Kuba wirken sicherlich nicht so verheerend wie das Irak-Embargo. Doch töten ohne Zweifel auch sie. So forderten die US- und EU-Sanktionen gegen Venezuela nach Schätzungen des Washingtoner Forschungsinstituts Centre for Economic and Policy Research (CEPR) bereits zwischen 2017 und 2018 ca. 40.000 Menschenleben.⁴ Die Situation hat sich nach dem jüngsten Bericht von Alena Douhan, der aktuellen UN-Sonderberichterstatterin über negative Folgen eigenmächtiger Zwangsmaßnahmen, noch verschlechtert.

Selbst in einem Land wie dem Iran, der die Lage noch recht gut im Griff hat, führen die von Trump wieder verschärften Blockademaßnahmen zu beträchtlichen Versorgungsengpässen. So können mangels der dafür notwendigen spezifischen und teuren Medikamente diverse lebensrettende Therapien nicht weiter durchgeführt werden. Früher stellte das Land 95 Prozent seiner Medikamente selbst her. Es mangelt aber zusehends an den nötigen hochwertigen Rohstoffen, Technologien und Ersatzteilen. Für viele Patienten sind die Sanktionen, wie die renommierte US-Zeitschrift Foreign Policy schon 2019 berichtete, tödlich.⁵

Kuba, das seit mehr als 60 Jahren mit einer Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der USA konfrontiert ist, hat deswegen immer wieder mit schweren Versorgungsengpässen zu kämpfen. Das kubanische Gesellschaftssystem sorgt zwar dafür, dass niemand hungert, das Land wird aber durch das Embargo erheblich in seiner Entwicklung gehemmt, insbesondere da sich aufgrund der Androhung »extraterritorialer Sanktionen« auch Unternehmen aus der EU und anderen Staaten der Blockadepolitik unterwerfen.

Die Situation in Syrien ist noch dramatischer. Schon im Mai 2019 berichtete der damalige UN-Sonderberichterstatter, Idriss Jazairy, dass die Auswirkungen der Wirtschaftsblockaden der USA und der EU auf die Bevölkerung in den vergangenen Jahren verheerender wirkten als die des Krieges. Ihre Opfer würden nun »einen stillen Tod« sterben.⁶ Seine Nachfolgerin, Alena Douhan, hat nach ihrer Syrien-Reise Anfang November erneut dringend die Aufhebung der Sanktionen gefordert. Sie hätten eine vernichtende Wirkung auf die syrische Zivilbevölkerung und verhinderten nach elf Jahren Krieg den Wiederaufbau des Landes und damit auch die Rückkehr von Millionen Flüchtlingen.⁷

»Mittelalterliche Belagerungen«

Die schädlichen Auswirkungen auf die Bevölkerungen der angegriffenen Länder sind aber keineswegs nur ein unerwünschter Nebeneffekt, sondern gehören – entgegen allen Beteuerungen – zum Kalkül. Schließlich soll durch die negativen Auswirkungen auf die Bürger des betroffenen Landes öffentlicher Druck auf die Regierung aufbaut werden, den Forderungen der blockierenden Mächte nachzugeben.

Gary Hufbauer, einer der führenden US-amerikanischen Experten für Sanktionen, vergleicht ihre Wirkung mit Flächenbombardements, die sehr viele Menschen treffen, aber keinerlei Einfluss auf die Politik ihres Landes haben.⁸

Oft, wie im Falle Kubas, Syriens, Irans oder Venezuelas, werden mit ihnen auch offen »Regime-Changes« angestrebt, indem versucht wird, die Bevölkerung durch eine drastische Verschlechterung der Lebensbedingungen zum Aufstand zu nötigen. Alle Bürger der betroffenen Länder werden so als Geiseln genommen.

Dies stößt seit langem auf vernichtende Kritik von Menschen- und Völkerrechtlern. So konstatierte der belgische Völkerrechtler Marc Bossuyt bereits im August 2000 in einem Gutachten für die UN-Menschenrechtskommission: »Die ›Theorie‹ hinter Wirtschaftssanktionen ist, dass ökonomischer Druck auf die Zivilbevölkerung in Druck auf die Regierung übersetzt wird, ihre Politik zu ändern. Diese Theorie ist bankrott, sowohl rechtlich wie praktisch.«⁹

»Praktisch bankrott« ist diese Theorie nicht nur aufgrund ihrer schädlichen humanitären Auswirkungen, sondern auch weil Wirtschaftssanktionen bisher kaum positive Erfolge brachten. Wie eine größere Zahl von Studien belegt, zeigten umfassenden Zwangsmaßnahmen generell meist wenig Wirkung. Noch nie konnten sie einen Krieg beenden, und nur selten konnten sie auch, wie eigentlich zumindest inoffiziell angestrebt, die Bevölkerung zu einer erfolgreichen Revolte gegen ihre Machthaber anstacheln und gegnerische Regierungen zu Fall bringen.

Statt dessen haben, so Wissenschaftler, die solchen Zielen durchaus positiv gegenüberstehen, Wirtschaftssanktionen die Position der herrschenden Eliten eher gefestigt als geschwächt, da der Angriff von außen die Mehrheit der Bevölkerung dazu veranlasste, enger mit der politischen Führung zusammenzurücken (»Rally-’round-the-Flag-Effect«). Gleichzeitig erhöht sich zwangsweise der Druck auf oppositionelle Kräfte, die leicht der Subversion und Unterstützung des Feindes beschuldigt werden können. Statt, wie offiziell oft behauptet, durch Sanktionen eine Demokratisierung zu erzwingen, schränken sie die Möglichkeiten fortschrittlicher Kräfte, demokratische oder soziale Verbesserungen durchzusetzen, drastisch ein – in einer belagerten Burg gedeiht keine Demokratie.

Der einstige Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrates für Lateinamerika, Alfred De Zayas, brachte die grundsätzliche Problematik der vom Westen betriebenen Sanktionspolitik sehr gut auf den Punkt: Grundsätzlich seien Wirtschaftssanktionen vergleichbar mit »mittelalterlichen Belagerungen von Städten«, die zur Kapitulation gezwungen werden sollten. »Die Sanktionen des 21. Jahrhunderts versuchen aber nicht nur eine Stadt, sondern souveräne Länder in die Knie zu zwingen.« Im Unterschied zum Mittelalter würden die Blockaden des 21. Jahrhunderts »von der Manipulation der öffentlichen Meinung durch ›Fake News‹, einer aggressiven PR-Arbeit sowie einer Pseudomenschenrechtsrhetorik begleitet werden, um den Eindruck zu erwecken, dass das ›Ziel‹ der Menschenrechte kriminelle Mittel rechtfertigt«.¹⁰

Wirtschaftskriege werden von US-Politkern auch offen als günstigere Alternative zu militärischen Interventionen gepriesen, da sie wesentlich geringere Risiken und Nebenwirkungen für die Angreifer bergen – besonders nach den Desastern im Irak und in Afghanistan. Doch auch diese Kriege sind zerstörerisch und können in den betroffenen Ländern Jahrzehnte des Fortschritts in den Bereichen Gesundheitsversorgung, sanitäre Einrichtungen, Wohnungsbau, Basisinfrastruktur und industrieller Entwicklung zunichte machen. Sie bergen zudem, wie die Geschichte zeigt, stets die Gefahr, in eine offene militärische Konfrontation zu eskalieren. »Die übermäßige Anwendung von Sanktionen«, so der US-amerikanische Historiker Nicholas Mulder, »ist zu einer Hauptquelle internationaler Instabilität geworden. Anstatt die internationalen Rivalitäten zu dämpfen, verschärfen Sanktionen sie jetzt noch.«¹¹

Gegen Völkerrecht und UN-Mehrheit

Schon aufgrund ihrer zwangsläufigen negativen Folgen lehnt die überwiegende Mehrheit der UN-Mitgliedstaaten eigenmächtige Blockaden grundsätzlich ab. Dies schlägt sich auch seit langem in regelmäßigen Resolutionen sowohl der UN-Vollversammlung als auch des UN-Menschenrechtsrats nieder.¹² Bereits 1991 forderte die UN-Generalversammlung, »dringend wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Anwendung einseitiger wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen gegen Entwicklungsländer durch einige Industrieländer zu unterbinden, die das Ziel haben, direkt oder indirekt Zwang auf die souveränen Entscheidungen der von diesen Maßnahmen betroffenen Länder auszuüben«.¹³

Eigenmächtige, nicht von UN-Organen autorisierte Zwangsmaßnahmen, so der Tenor aller späteren Resolutionen, widersprechen den Normen und Grundsätzen für friedliche Beziehungen zwischen Staaten. Sie stellen, wie es zum Beispiel in der UN-Resolution vom Dezember 2013 heißt, »eine eklatante Verletzung der Prinzipien des Völkerrechts sowie der Prinzipien des multilateralen Handelssystems dar«.

Sobald die Blockade des Außenhandels eines Landes das Leben der Bevölkerung als Ganzes bedroht, sind umfassende ökonomische Blockaden zudem auch schwere Menschenrechtsverletzungen. Dies gilt selbst im Fall von Sanktionen, die vom UN-Sicherheitsrat verhängt wurden.

Sie verstoßen dann unter anderem gegen die in der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« von 1948 fixierten Rechte. Zu diesen zählen das Recht auf Leben, auf angemessene Ernährung und Gesundheitsversorgung sowie auf soziale Sicherheit. Sie verstoßen auch offensichtlich gegen die verbindlichen Bestimmungen des »Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte« von 1966, den alle westlichen Staaten unterzeichnet haben. Dort heißt es schon zu Beginn, in Artikel 1: »In keinem Fall darf ein Volk seiner eigenen Existenzmittel beraubt werden.« Sobald Blockaden die Versorgung erheblich beeinträchtigen, wie in Afghanistan oder in Syrien, verstoßen sie zudem nach Ansicht vieler Völkerrechtler auch gegen die Genfer Konvention, die das Aushungern der Zivilbevölkerung verbietet. Schließlich sind Blockaden auch eine Form kollektiver Bestrafung, die generell in völligem Gegensatz zu den Grundprinzipien des Rechts steht.

Die UN-Sonderberichterstatterin Alena Douhan geht davon aus, »dass etwa 98 Prozent der heute verhängten einseitigen Sanktionen gegen die internationalen Verpflichtungen der Staaten verstoßen«.¹⁴ Obwohl sie »meist im Namen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verhängt« werden, würden sie »genau diese Grundsätze, Werte und Normen untergraben«. Die Anwendung einseitiger Zwangsmaßnahmen beeinträchtige »das Recht auf Entwicklung« und verhindere »die Erreichung jedes einzelnen nachhaltigen Entwicklungsziels«. Unter all ihren negativen Auswirkungen, so Douhan weiter, werde besonders das Recht auf Gesundheit beeinträchtigt, insbesondere während der Covid-19-Pandemie, wie sie bei ihren jüngsten Besuchen in Venezuela und anderen Ländern beobachtet habe.

Umfassende Wirtschaftsblockaden sind somit alles andere als zivile, gewaltfreie Alternativen zu militärischen Interventionen. Sie sind schon aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen genauso abzulehnen wie militärische Gewalt.
- https://www.jungewelt.de/artikel/442322.kriegsmittel-keine-zivile-alternative.html

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