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Deutsche Medien: Isoliert in der Welt

Russland wolle laut tagesschau ständig belegen, dass es nicht isoliert sei. Was bei dieser Betrachtung zum Vorschein kommt: Die Isolation der tagesschau.

Neulich erklärte Stephan Laack der tagesschau-Leserschaft, worum es Russland und seinem Außenminister Lawrow wirklich gehe: Man wolle der Welt aufzeigen, dass das Land gar nicht isoliert sei in der Welt. Dass dieser Umstand selbstverständlich so nicht stimme, wisse man gemeinhin: Schließlich berichtet die tagesschau häufig von diesen russischen Bemühungen. Und das freilich so zuverlässig, wie man das von einem Qualitätsmedium erwarten darf – als Gebührenzahler zumal.

Lawrow sprach letzte Woche erneut von einer Weltmehrheit, die nicht den Kurs des »kollektiven Westens«, wie er es nennt, teile und sich daher nicht von Russland abgewandt habe. Laack schreibt in seinem Bericht »Weltmehrheit« in Anführungszeichen. Als sei sie eine Spinnerei Lawrows. Die Mehrheit sei schließlich die NATO. Nur eine kleine Zahlenspielerei: Die Einwohnerzahl aller NATO-Mitgliedsländer liegt bei etwa 950 Millionen Menschen – bei einer Weltbevölkerung von bald 8,1 Milliarden Seelen, rekrutiert sich der Mehrheitsanspruch des Westens aus einem Achtel aller Menschen hienieden.

Whatsaboutism – unsere verdammte Doppelmoral

Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich. Dennoch rücken auch hinkende Zahlenspiele zuweilen etwas in den Fokus, relativieren die an sich so unumstößlichen »Wahrheiten« des Augenblicks – hier zum Beispiel, dass die Isolation, die sich in qualitätsmedialen Formaten wie der tagesschau stets mit dem Hinweis auf die NATO erklärt, nicht ganz so eindrucksvoll sein kann.

Laack schreibt für das Flaggschiff deutscher Berichterstattung weiter: »Lawrow geht darüber hinweg, dass bei der jüngsten UN-Vollversammlung mit 141 Ländern die überwältigende Mehrheit Russland zum sofortigen, vollständigen und bedingungslosen Abzug aus der Ukraine aufgefordert hatte.« Was der Berichterstatter dabei geflissentlich nicht erzählt: Nur 38 Länder haben im Juli 2022 Sanktionen gegen Russland verabschiedet – in Relation: 38 von 191 UN-Mitgliedsstaaten.

Das hat damals tagesschau und Kollegen nicht dazu gebracht, die Parole vom isolierten Russland zu unterlassen. Im Gegenteil: Diese aus westlicher Sicht schlechten Zahlen wurden mit immer lauteren Schreien, Russland und Putin seien isoliert wie nie, übertüncht. Kai Ambos berichtet darüber übrigens in seinem Buch »Doppelmoral. Der Westen und die Ukraine«: Der Titel nimmt eine Diagnose vorweg.

Solche Vergleiche werden gemeinhin als Whatsaboutism gekennzeichnet: Sie gelten heute als wenig schicklich. Deswegen sind sie aber noch lange nicht zu unterlassen. Es sei denn, man möchte verschleiern und verschleppen.

Dating mit Baerbock

Eine kleine Meldung, die bezeichnenderweise nur etwas umfangreicher in der »jungen Welt« Raum einnahm, könnte man noch nachschieben, ohne sich dieses Whatsaboutismus schuldig zu machen: Annalena Baerbock, Außenministerin von des Bildungsdefizits Gnaden, hat auf der UN-Vollversammlung versucht, eine Verurteilung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zu erreichen. Das gelang ihr nicht. Was blieb war die recht unverbindliche Forderung von 141 Ländern, Russland möge abziehen, von der oben schon die Rede war.

Solche Forderungen sind doch Folklore. Man stimmt ihnen zu, weil es niemanden wehtut, weil man damit der Symbolik der Stunde gerecht wird – am Ende der Geschichte muss man ja irgendwie Rechenschaft ablegen. Ein Wink auf eine solche Forderung von dazumal passt dann gut ins Portfolio.

Am Wochenende zuvor, so berichtet die jw, habe sich Frau Baerbock auf der Münchner Verunsicherungskonferenz mal eben um 360 Grad gedreht und in alle Richtungen »diplomatisches Speeddating« betrieben – wobei laut Duden das Wort »Diplomatie« nicht im direkten Zusammenhang mit dem Wort »Baerbock« stehen darf, ohne dass man damit die Syntax des Satzes sprenge. Dennoch scheinen die Dates mit Körben erwidert worden zu sein. So richtig doll isoliert scheint dieses Russland also dann doch nicht zu sein. Besser ist es, dass die Deutschen davon nicht zu viel lesen, denn Teile dieser Wahrheit könnten doch arg verunsichern.

Es ist ja bei all dem dennoch nicht von der Hand zu weisen, dass auch Russland versucht ist, sich möglichst proper darzustellen. Und ja, nennen wir diese Selbstdarstellung durchaus mal beim Namen: Es ist eben auch Propaganda. Nur sollte man nicht den Fehler begehen, Propaganda als eine rein einseitige Geschichte zu betrachten.

Auslandskorrespondent in Köln (ARD Studio Moskau zzt. Köln)

An sich erstaunlich ist, dass der Bericht eines Stephan Laack, immerhin Teil des ARD Studio Moskau, nicht etwas mehr Exklusiveres bietet. Außenkorrespondenten hält man sich doch in der eigentlichen Absicht, weil man glaubt, dass die räumliche Nähe Informationen zutage fördert, die man als heimischer Schreibtischreporter nie erarbeiten könnte.

Laack muss, wie so viele Korrespondenten im Ausland, in irgendeiner Blase leben, in einem Stadtteil, wo man die Auslandspresse unterbringt und wo durch diese räumliche Nähe ein Mikrokosmos entsteht, der mit dem eigentlichen Gastland nichts mehr zu tun hat. In dieser Diaspora entstehen keine exklusiven Eindrücke mehr, man vollzieht eine Abschottung, die an eine Parallelvergesellschaftung erinnern lassen – und gemeinhin auch eine sind.

Aber einen kurzen Moment, die tagesschau stellt Herrn Laack als Daheimgeblieben vor: ARD Studio Moskau zzt. Köln – sibirische Verbannung am Rhein? Kann man da noch vom Moskauer Studio sprechen? Kein Wunder, dass der Mann klingt wie einer, der tausende Kilometer entfernt an seinem Schreibpult lümmelt: Denn genau das tut er ja auch. Womöglich guckt er tagesschau, um Eindrücke vermittelt zu bekommen, die er exklusiv verbrät. Also im Grunde ist es wie in Moskau, wo es sich westliche Auslandskorrespondenten gemütlich machen, um mit dem Gastland nicht zu viel zu tun haben zu müssen.

Isolation ist also eines der großen Themen dieses Krieges. Ob Russland isoliert ist, darf man zumindest ja mal in Frage stellen. Wer aber wirklich isoliert scheint, das ist die tagesschau. Sie nimmt immer weniger wahr, weist Lücken in der Berichterstattung auf und tut genau das, was sie Lawrow unterstellt: So tun, als sei man bestens vernetzt – und eben nicht isoliert.
- https://overton-magazin.de/kommentar/politik-kommentar/deutsche-medien-isoliert-in-der-welt/

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