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Schauriger Pakt

Führende US-Politiker und transatlantische Denkfabriken an der Seite der Bandera-Lobby (Von Rosa Reich)

An der Kundgebung für die Lieferung von F16-Kampfjets an die Ukraine am 25. Februar vor dem Lincoln Memorial in Washington, D. C., nahmen Vertreter der Biden-Regierung teil. Als unter anderen Samantha Power, Leiterin der Behörde für internationale Entwicklung USAID, und Karen Donfried, Vizeaußenministerin für europäische und eurasische Angelegenheiten und Expräsidentin des transatlantischen German Marshall Fund – Förderer von Annalena Baerbock –, die Rednerbühne betraten, war ein schauriger Pakt auch in der Öffentlichkeit feierlich besiegelt. Denn geladen hatten das seit Anfang der 1980er Jahre von Banderisten dominierte Ukrainian Congress Committee of America (UCCA) und die NGO US Ukrainian Activists, »einer der wichtigsten Geldbeschaffer« in den Vereinigten Staaten für ukrainische Nazimilizen, vor allem Asow und den Rechten Sektor, wie Monthly Review berichtete. Einer der Hauptakteure der Veranstaltung war der Präsident des Ukrainischen Weltkongresses, Paul Grod, der die Waffen-SS-Division Galizien und andere ukrainische Hitlerkollaborateure als »Helden« glorifiziert.

Eine Zusammenarbeit von US-Regierungen mit den Banderisten gibt es fast durchgehend seit den 1940er Jahren, als die ukrainischen Faschisten vor der Roten Armee nach Westdeutschland, Kanada und in die USA flohen. Unter Dwight D. Eisenhower, Richard Nixon, Ronald Reagan, der als ihr Türöffner ins Weiße Haus galt; auch der Bush-Clan unterhielt enge Kontakte. Nach Ende des Kalten Krieges wurden sie unter dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko (2005–2010), einem überzeugten Bandera-Anhänger und Transatlantiker, ausgebaut. Unlängst traf sich Außenminister Antony Blinken mit der ­UCCA-Führung in Chicago, die vergangenen Herbst eine Asow-Delegation eingeladen und geehrt hatte. Seit dem Maidan und der russischen Invasion 2022 laufen die Verbindungsdrähte heiß.

Ein Knotenpunkt ist das Center for US-Ukrainian Relations (CUSUR), das seit 2010 meist jährlich einen »US-Ukraine Security Dialogue« und andere Konferenzen veranstaltet, an denen auch immer wieder ranghohe Militärs, Exminister und Staatssekretäre teilnehmen, beispielsweise Victoria Nuland. Der Geschäftsführer von CUSUR ist Walter Zaryckyj, ehemals Mitglied der American Friends of Anti-Bolshevik Bloc of Nations, der 1943 von dem stellvertretenden Führer des Bandera-Flügels der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) und Vernichtungsantisemiten Jaroslaw Stezko gegründet worden war. Laut dem Investigativjournalisten Moss Robeson ist Zaryckyj heute der Führer der verdeckt agierenden OUN-B in den USA. CUSUR gehöre zu den »Fassadenstrukturen« der OUN-B, die der Vernetzung mit der hohen Politik und den einflussreichsten transatlantischen Denkfabriken und Stiftungen dienten, erklärt Robeson, der seit Jahren Intensivrecherchen zur »Bandera-Lobby« betreibt.

Als Belege für deren enorme Strahlkraft führt Robeson die Vorgänge auf der »US-Ukraine-Security Dialogue«-Konferenz zur »Herangehensweise der neuen Regierung an die drängendsten Sicherheitsfragen der Ukraine« am 3. bis 4. März 2021, rund ein Jahr vor der Eskalation des Ukraine-Kriegs, an: Neben Spitzenfunktionären des UCCA waren auch Abgeordnete der Republikaner und der Demokraten wie Andrew Levin dabei, der als wichtigster Verbindungsmann der Banderisten in den Kongress gilt. Auf der Konferenz wurde die Dringlichkeit betont, die Ukraine zu einem der engsten Verbündeten des Westens und bis 2029 – dem Jahr, in dem die OUN ihren 100. Jahrestag feiern wird – auch als NATO-Mitglied aufzurüsten.

Mykhailo Gonchar, Präsident des Kiewer Center for Global Studies und Mitglied des Strategierats der vom Rechten Sektor und anderen Nazis getragenen »Widerstandsbewegung gegen Kapitulation«, einer Initiative gegen das Minsker Friedensabkommen, forderte, »durch gemeinsame Anstrengungen der USA, Polens, der Ukraine, der baltischen Staaten und unserer Partner in Deutschland, die Nord-Stream-2-Pipeline zu stoppen«. Diese Ziele fanden sich auch im politischen Wunschleitfaden »Biden und die Ukraine: Eine Strategie für die neue Regierung« des Atlantic Council, der einen Tag nach Ende des »US-Ukraine Security Dialogue« erschien. Brisant: An der CUSUR-Konferenz haben fünf von sechs Autoren des Papiers vom Atlantic Council teilgenommen. Die überaus mächtige Denkfabrik mit dem Betriebszweck der Absicherung der US-Vorherrschaft, die zwei Monate später Annalena Baerbock als »nächste Kanzlerin von Deutschland« bewarb, ist auffallend intensiv an dieser Schnittstelle zwischen dem organisierten Krypto-Banderismus und dem US-Politikestablishment engagiert. Keine unerhebliche Rolle dürfte spielen, dass sich unter den Hauptsponsoren des Atlantic Councils die Investmentgesellschaft Blackrock und Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin – Produzent der Himars-Raketenwerfer und der von Kiew geforderten F16-Jets –, finden, die gewaltig vom Ukraine-Krieg profitieren.


Hintergrund: OUN-Netzwerke in den USA

Eine Basisstruktur des Bandera-Flügels der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) in den USA ist die 1946 von ukrainischen Nazis gegründete Organization for Defense of the Four Freedoms of Ukraine. Ihr »finanzieller Arm« ist, laut dem Journalisten Moss Robeson, die Ukrainian American Freedom Foundation. Die Stiftung ist Eigentümerin der Orioles Hall in Buffalo, New York – mutmaßliche Geburtsstätte des 1933 von deutschen Nazis gegründeten Amerikadeutschen Bunds –, Miteigentümerin des Hauptquartiergebäudes der Banderisten in Kiew und Herausgeberin der US-Ausgabe des OUN-B-Organs National Tribune. Darüber hinaus gibt es unzählige Tarnorganisationen, auch auf lokaler Ebene in vielen Städten der USA, und Initiativen der OUN-B, etwa zur Unterstützung von Donald Trump, sowie Institutionen, in die sie zumindest hineinwirken, beispielsweise das Ukrainian Institute of Modern Art in Chicago.

Neben dem Center for US-Ukrainian Relations, das Kontakte zum ehemaligen Führer des Rechten Sektors, Dmitro Jarosch, und anderen mächtigen Faschisten in der Ukraine unterhält, bilden auch neokonservative US-Denkfabriken für die OUN-B wichtige Verbindungsglieder zur herrschenden politischen Klasse der USA (vor allem wenn sie die Balkanisierung Russlands anstreben). Beispielsweise der American Foreign Policy Council, der 2018 den Mitgründer der nazistischen Sozialnationalen Partei, Andrij Parubij, als Redner eingeladen hat, die Heritage Foundation und die Jamestown Foundation. Eine bedeutende Kommunikations- und Vernetzungsplattform dürfte das von der Rüstungsindustrie und dem US-Außenministerium geförderte Center for European Policy Analysis sein, bei dem Vertreter der Asow-Brigade aufgetreten sind und das eine »absolute Niederlage des russischen Regimes« als alternativloses Ziel des Ukraine-Kriegs propagiert. (rr)
- https://www.jungewelt.de/artikel/449320.faschisten-schauriger-pakt.html

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#politik #krieg #ukraine #russland #nato #kriegsgetöse #propaganda #wut #empörung #entsetzen #angst #aufschrei #gewerkschaftslinke

Eine etwas andere Osterbotschaft:

Niemand wird diesen Krieg gewinnen! Wo sind die Feiglinge? Die Deserteure?: Die wahren Helden!…“ - Ein Aufschrei

„Ja, seid ihr denn komplett verrückt geworden? Nach den leichten, dann die schweren Waffen – nun die KAMPF-Panzer? Und dann Kampfdrohnen und Flugzeuge? Und die komplette Vasallenmann- (und Frau)schaft applaudiert. Wisst ihr überhaupt, was ihr da anrichtet, wo das sehr leicht, sehr leicht enden kann? Nein, ihr wisst es nicht mehr. Ihr wollt es nicht wissen. Ihr seid Opfer eurer Propaganda. Denn bei uns regiert nicht mehr die Politik, sondern die Propaganda. Ausgeklügelt in amerikanischen Think Tanks mit dem Ziel die Welt einzuteilen: Hier die Guten, dort die Bösen.

Eine Frau(!!) , die dem Außenministerium vorsteht, singt in Endlosschleife das Lied der Waffenlobby: Waffen retten Menschenleben! Verrückte Welt. Nervtötende Propaganda.Triefend vor Doppel-Moral und hetzerisch. Ich mute mir die Propaganda schon seit März nicht mehr zu, werde aber ständig davon infiziert, denn auch FreundInnen lobpreisen die Guten und wollen das Böse, den Hitler-Putin, den wahren Schuldigen, besiegen und mit ihm alle Iwans zur Hölle schicken.

Empörung, Wut, die zu Zorn wird. Verzweiflung. Hilflosigkeit, Entsetzen. Angst. Angst vor einer Regierung, die nicht nur dumm ist, sie ist gefährlich, lebensgefährlich. Wir befinden uns im Krieg, da hat die dummdreiste Frau schon recht. Noch fliegen bei uns keine Bomben, aber die Betonung liegt auf noch. Aber wir arbeiten daran. Täglich mehr. Wir schmieren die Bevölkerung mit Kriegspropaganda voll und rasseln schon mal mit mit den Panzerketten, Krieg?!! Wisst ihr überhaupt was das ist??

Ich bin Jahrgang 1944. Ich weiß es, es steckt mir in den Knochen, es lässt mich zittern und erstarren. Ich wache auf und rieche Brand, höre Schreie und Sirenengeheul. Ich bin traumatisiert, habe dafür gelebt; um unser Menschheitsverbrechen zu begreifen. Wie war es möglich?? Und jetzt die Retraumatisierung. Ist es wieder soweit? Wollen wir wieder den totalen Krieg? Diesmal ohne Führer aber einer dummdreisten Führung? Wir lassen die Waffen sprechen statt die Diplomaten. Pfui, Schande. Ich bin gegen jeden Krieg, ganz egal von wem angezettelt, von den Iwans, den Amis, den Tommies oder von uns Hunnen. Ihr wollt es wieder soweit kommen lassen…

Dieser Krieg fällt nicht vom Himmel, er hat eine Vorgeschichte und er ist nicht der einzige völkerrechtswidrige Krieg, es gab und gibt viele, die meisten, nicht alle, begonnen von unseren Freunden. Dreckskerle alle (was ist die weibliche Form?) , ob Amis oder Iwans, die Kriege als mögliche Lösung ins Auge fassen. Die mörderische Waffen erfinden lassen die die Profite steigern. Warum vergessen die Menschen so schnell? Warum diese soziale Amnesie?? Krieg ist in mir, so lange ich lebe. Und die Nachgeborenen? Schon alles vergessen? (…)

Wo bleibt der Protest der Aufschrei, wenn die Herrschenden uns wieder einfangen wollen? Ihr Fridays?? Seid ihr denn total geblendet?? Es geht um Eure Zukunft, Euer Überleben! Reicht nicht die Klimakatastrophe?? Jetzt aber schnell! Auf die Straße gegen diesen Krieg! Verhandlungen sofort! Niemand wird diesen Krieg gewinnen! Wo sind die Feiglinge? Die Deserteure?: Die wahren Helden! Nehmt sie auf! Nie wieder Krieg!“
- Ein Aufschrei von Christine Weber-Herfort vom 2. Februar 2023 bei Jour Fixe – Gewerkschaftslinke Hamburg
https://gewerkschaftslinke.hamburg/2023/02/02/aufschrei/

Dazu noch:

Alle Termine der Ostermärsche 2023 vom 6. bis 10. April auf einen Blick: https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2023/termine

Hilfe und Asyl für russische und ukrainische Deserteure! - LabourNet-Dossier

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#politik #moral #inhalt #einfache-antworten #kriegsgetöse #propaganda

Repräsentativitätsheuristik a.k.a. Propaganda

Alles ist fürchterlich schwierig und widerspricht in dieser Komplexität der schlichten Gut-schlecht-Dichotomie (wer nicht für ist, ist gegen) vieler Talksshows und mindestens ebenso vieler Reden, die mit „Deutsche wollen“ anfangen. Es ist wirklich nicht einfach zu wissen, was gewollt wird. Hält allerdings nur wenige davon ab, zu behaupten, sie wüssten es. Politische Handlungsfähigkeit und normative Verlässlichkeit hängen in dieser Gegenwart wesentlich davon ab, das Komplexe so lange zu reduzieren, bis alles moralisch und faktisch eineindeutig ist.

Von Walter Benjamin stammt die Erkenntnis: „Handeln lässt sich aus vorbehaltloser Bejahung heraus; denken nicht.“ Benjamin ist aber auch schon lange tot. Und gegenwärtig ist vorbehaltlose Bejahung das Gebot der Stunde. Denn es muss gehandelt werden. In dem Buch Die Vereindeutigung der Welt schrieb der Kulturanthropologe Thomas Bauer: „Viele Menschen, denen immer alles erklärt wird und denen eine Welt ohne Geheimnisse, ohne Unerklärbares und Überkomplexes vorgegaukelt wird, glauben schließlich selbst, alles zu verstehen.“ Von da bis zu der Überschrift „Deutsche wollen …“ ist es nur ein winziger Schritt, wenn die Frage: „Was wollt ihr?“ nur schlicht genug formuliert war.

Man könnte es politisch gewünschte Repräsentativitätsheuristik nennen, also die Neigung, verständliche Erklärungen für wahrscheinlich zu halten. An vermeintlich eindeutigen, die Komplexität von Problemen außer Acht lassenden Erklärungen mangelt es nicht. Wenn man die oft genug wiederholt, kann es klappen. Und wenn man dann noch bereit ist, die „unterkomplexen“ Bürgerinnen und Bürger vorzuschieben, wie FDP-Chef Christian Linder mit der Erklärung, warum sein Verkehrsminister die Klimaziele nicht schafft – „es sind die Bürgerinnen und Bürger, die die Klimaziele nicht erreichen“ –, wird es eine Zeit lang sogar funktionieren.
- aus https://www.freitag.de/autoren/kathrin-gerlof/das-gebot-der-stunde-den-krieg-in-der-ukraine-unterstuetzen

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#politik #medien #krieg #LTI #kriegsgetöse #propaganda #nazi-sprech

»Worte können sein wie winzige Arsendosen; sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.« - Victor Klemperer

Sie sind ja ein schäbiger Lumpenpazifist!

Der »Lumpenpazifist« ist eine dieser neuen Wortschöpfungen der Zeitenwende. Der Begriff klingt alt, als sei er vom Volksgerichtshof gestohlen worden. Ist er aber nicht. Schlimm genug, dass man das aber annehmen könnte.

Clemens Wergin ist Chefkorrespondent der Außenpolitik der Tageszeitung Welt. Unlängst sprach er in einem als Meinungsbeitrag gekennzeichneten Pamphlet ganz ungeniert von »Lumpenpazifisten«. Die müssten nun kapieren, dass Putin nicht verhandeln wolle. Woher er das weiß, wo man es doch gar nicht erst versucht, könnte man sich jetzt fragen. Aber das soll nicht das Thema an dieser Stelle sein. Was hier von Belang ist: Woher kommt eigentlich dieser Begriff? Und wieso gilt es nun als völlig unbedenklich, eine derart ehrabschneidende Formulierung zu nutzen?

Entwarnung: Der Begriff entstammt nicht dem Nazi-Jargon. Erstmals augenfällig wurde er im April 2022. Damals gebrauchte Spiegel-Kampfgockel Sascha Lobo diese Komposition. Das war genauer gesagt am 20. April des letzten Jahres: Vielleicht war das ja als Reminiszenz gedacht, mal wieder einen Begriff zu erschaffen, der an alte Tage erinnert. Durchforstet man Google in der Zeit vor jenem 20. April 2022 findet man zu diesem Wortungetüm: Fast nichts. Hier und da nutzte jemand den Begriff in Foren oder Kommentarbereichen – nie aber jemand im offizielleren Rahmen. Und obgleich der Begriff sich anhört wie von einem Volksgerichtshofrichter im geiferndem Monolog hingeworfen, hat er keine Nazi-Vergangenheit. Dennoch weckt er Erinnerungen.

Entehrende Sprache

Schon vor einem Jahr, als Lobo diesen Begriff nutzte und so die Debattenunkultur um ihn bereicherte, fragte ich mich, weshalb mir der »Lumpenpazifist« so übel auffiel. Schließlich gibt es viel schlimmere Beleidigungen, dachte ich mir. Ich dachte an das Lumpenproletariat: Marx hatte jenes Wort angebracht, er bezeichnete damit Proletarier, die ganz unten angelangt sind und keiner klassischen Lohnarbeit nachgingen. Aber dieser Gebrauch war es nicht, der mich unangenehm berührte. In meiner Jugend habe ich gelegentlich gehört, dass dieser oder jener ein Lump sei. Schon damals wirkte das Wort auf mich seltsam antiquiert. Wir jungen Leute sprachen so nicht, es war der Duktus der Alten.

Es kann sein, dass Lobo den Begriff von Marx abgekupfert hat. Wobei man sich Lobo schlecht als belesenen Menschen vorstellen kann. Womöglich hat er einfach nur in jenen Kommentarspalten gewildert, in denen der Begriff selten mal gebraucht wurde. Dass sich Lobo seine Inspirationen – wenn man das so sagen kann bei seiner Person – in Foren und nicht in philosophischer Literatur holt, ist dann schon eher anzunehmen.

Marx hat den Begriff aber sicher unverfänglicher gebrauchen können als Lobo, was vor allem an einer Sache liegt: Er lebte vor Roland Freisler. Es gibt einige wenige Ton- und Bildaufnehmen jenes mörderischen Herrn, der Richter des Volksgerichtshofs war – eine jedoch hat sich mir tief ins Gedächtnis gebrannt, schwarzweißer Film, Freisler schreit einen Angeklagten an: »Sie sind ja ein schäbiger Lump!« Gerichtet waren die Worte an Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von Schwanfeld, einem Mitverschwörer des 20. Juni. Für die Deutsche Wochenschau brüllte er ihn nieder. Oft standen die Angeklagten ohne Gürtel oder mit entfernten Hosenknöpfen vor jenen Richter, damit sie im Stehen die Hose halten mussten und so besonders klein und erbärmlich wirkten.

Von Freisler zu Lobo

Natürlich ist Sascha Lobo kein Roland Freisler. Aber er hat es geschafft, dass ich an den Richter, der kurz vor Kriegsende bei einem Luftangriff von einem herabstürzenden Balken erschlagen wurde, denken musste. Lump: Eigentlich ist dieses Wort nicht die Spitzenklasse deutscher Beleidigungskultur. Aber aufgrund dieser spezifischen Geschichte ist das Wort viel ehrabschneidender als man annehmen möchte. Es degradiert den Empfänger, macht ihn zu einer kleinen niedergebrüllten Gestalt, die sich die Hose halten muss, so sie nicht nackt dastehen will.

Nach Auschwitz Gedichte zu schreiben sei barbarisch: Vielleicht meinte Adorno ja mit diesem berühmten Ausspruch genau das, was ich empfinde, wenn man heute demonstrierende Menschen als Lumpenpazifisten tituliert. Denn nach Freisler so einen Begriff zu gebrauchen: Das fühlt sich wie Barbarei an. Der Begriff des Lumpenpazifisten ist ja, oben habe ich es schon ausgeführt, keine Wortschöpfung, die man in den braunen Tagen benutzt hatte. Aber das Perfide ist ja, dass man das annehmen könnte: Es ist eine Art von simulierter Nazi-Begrifflichkeit. Ein Wort, das ein Regisseur mit wenigen bis gar keinen Geschichtskenntnissen seinem Nazi-Mimen in den Mund legen würde, um auf diese Weise seinem Nazi-Film irgendwie ein bisschen Authentizität zu verleihen.

Die entehrende Komponente diverser Begriffe aus jener Zeit damals, war in der Nachbetrachtung stets Thema: Die Welt, in der der oben genannte Clemens Wergin ganz unverkrampft von Lumpenpazifisten schrieb, hatte sich noch 2013 in einem Artikel, einer Rezension genauer gesagt, mit der Nazi-Sprache befasst. Dabei wurde unter anderem Victor Klemperer bemüht: »Worte können sein wie winzige Arsendosen; sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.« Sprache sei eine Maske der Macht, erklärte Joseph Heid, der Autor des Artikels, im weiteren Verlauf.

Die Verrohung derer, die sich milde und nachsichtig aufspielen

Die Entehrung Andersdenkender wurde seinerzeit gezielt gefördert: Untertrieben formuliert. Eine Debattenkultur sollte es ja eben gerade nicht geben: Sondern lediglich einen Hegemonialanspruch der Machthaber. Ihre Vorstellungen sollten mit keinen anderen konkurrieren müssen. Wer das gängige Weltbild hinterfragte, war eben mindestens ein schäbiger Lump. Oder etwas, das man chirurgisch vom Volkskörper abschneiden sollte: Genau deshalb wurde Komödiantchen Sarah Bosetti vor anderthalb Jahren scharf in den Netzwerken angegriffen: Sie hatte Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten, als Blinddarm bezeichnet, der zum Überleben nicht wichtig sei.

Damals konnte man die Verrohung bereits stark spüren. Später sprachen auch schon mal Mitarbeiter des Öffentlich-Rechtlichen von Ratten, Arschlöchern und Scheißhaufen und meinten damit Menschen, die nicht das Meinungsbild des deutschen Staatsfunks teilten. Es mag schon sein, dass wir offiziell keinen Krieg gegen Russland führen – aber einen im Inneren, einen gegeneinander führen wir schon längst. Wir stecken in einem Kalten Bürgerkrieg, in einer Eiszeit fest, in der die Weltanschauungen aufeinanderprallen. Und sich bekriegen. Der Feind wird nicht verschont: Man gewährt ihm keinerlei Respekt, macht ihn runter, brüllt ihn freislerhaft an: Manchem ist das offenbar ein innerer Volksgerichtshof.

Wer heute den Lumpenpazifisten im Munde führt, der führt Krieg: Gegen jene, die keinen Krieg wollen. Er behandelt dabei den Andersdenkenden nicht mit den unteilbaren »Ehrenrechten«, sondern spricht ihn mit dieser Titulierung gewissermaßen genau diese Rechte ab: Denn dass er als Bürger dieses Landes ja eine eigene Meinung haben, sie auch auf die Straße tragen darf, nimmt man ihm dadurch, dass man ihm mit diesem schmähenden Begriff belegt. Lumpen sind schließlich ehrlos, schäbige Kreaturen: Man macht sie runter, auf Augenhöhe sucht man mit solchen Subjekten ganz sicher keine Diskussion. Man überzieht sie mit einem Krieg vorverurteilender Worte: Framing genannt – was nichts anderes heißt als einen Krieg der Worte vom Zaun zu brechen.

Am Ende laufen wir alle in Lumpen

Gleichzeitig täuscht der Gebrauch dieses Unwortes über eine Tatsache hinweg: Menschen, die den Frieden anstreben, die sich selbst und andere in Frieden leben sehen wollen, gehen eher nicht in Lumpen. In Frieden ist nicht alles Reichtum, trägt man nicht feinste Linnen, wir wollen nun wirklich nichts verklären: Auch im Frieden gibt es Armut. Aber Lumpen tragen in solchen Zeiten nur wenige traurige Gestalten – freilich immer noch zu viele. Wenn etwas Lumpen am Leib generiert, dann ist das der Krieg. Im Krieg werden aus den guten Hemden und Hosen langsam speckige Fetzen. Nach dem Krieg bedeckt man seinen Körper mit Lumpen, die mal Kleider waren.

Nicht der Pazifist ist also lumpig im Sinne des Wortes. Die, die den Krieg befürworten und jede Verhandlungslösung ad hoc von sich weisen und dabei auch noch die Friedliebenden stigmatisieren, sind lumpige Gestalten: Sie sprechen sich letztlich dafür aus, dass es Lumpen für alle geben soll. Oder für die meisten, Kriegsgewinnler mal ausgenommen.

Es mag demnach also Lumpenbellizisten geben. Aber etwas wie Lumpenpazifisten gibt es nicht. Hier verdreht man die Wirklichkeiten, macht Vernunftstimmen zu Gefährdern. Denn wenn der Pazifist ein Lump ist, dann muss der Kriegsbefürworter per se das Gegenteil eines so windigen, einen so schäbigen Menschen sein: Man zieht die eigene miese Position hoch, indem man den konstruktiven Lösungsansatz niederdrückt. Wer das willentlich tut, der ist ein Lump. Ein ganz schäbiger dazu. Aber die Hosenknöpfe abtrennen, damit er seine Beinkleider haltend vor uns steht, während wir ihn abkanzeln: Das hat nicht mal so einer verdient. Denn ehrabschneidende Behandlung ist nicht die Sache der Lumpenpazifisten. Es ist die Praxis der Lumpenfaschos. Und die werden dieser Tage immer mehr.
- https://overton-magazin.de/kommentar/politik-kommentar/sie-sind-ja-ein-schaebiger-lumpenpazifist/

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #ukraine #russland #nato #kriegsgetöse #propaganda #moral #doppelmoral #werte #linksliberalala #verhandlungen

Vier tabuisierte Wahrheiten über den Ukrainekrieg

Wenn man in Talkshows oder Zeitungen die Eskalationsgefahr des Ukrainekrieges anspricht, wird man kaltgestellt. Das liegt auch daran, dass die Meinungsmacher in diesem Land linksliberal sind – ihnen geht es mehr um Moral als Realismus

Vier unbequeme Wahrheiten kennzeichnen den Krieg in der Ukraine von Anfang an.
Dazu gehört erstens: Wie jeder Krieg in der Geschichte hat auch der Ukrainekrieg eine Vorgeschichte, die nicht erst mit dem russischen Überfall auf das Nachbarland vor knapp einem Jahr beginnt, ja nicht einmal erst 2014 mit dem Anschluss der Krim an Russland.
Zweitens: Dem Krieg wohnt ein immenses Eskalationspotenzial inne. Und zwar sowohl innerhalb der Ukraine als auch über ihre Grenzen hinaus, weil er sich von einem Invasions- zu einem Stellvertreterkrieg mit internationaler Beteiligung auf beiden Seiten ausgeweitet hat, weil es sich um einen Krieg mit einer Atommacht handelt und weil sich abzeichnet, dass ohne direkte Beteiligung von NATO-Truppen der ukrainischen Seite die Soldaten ausgehen, die die aus den USA und auch aus Europa gelieferten Waffen bedienen können. Dass der Krieg seine Ursprünge in einem Bürgerkrieg hat, macht die Sachlage nur umso schwieriger.

Drittens: Dieser Krieg wird nicht mit einem Siegfrieden enden. Es gibt keinen primär militärischen Weg zu einem Ende des fürchterlichen Blutvergießens, zu einem Ende von Zerstörung, Verstümmelung, psychischer Zerrüttung, sexualisierter Gewalt und Flucht. Dies zeigt sich immer stärker jetzt, da der Krieg in eine Phase des Stellungs- und Abnutzungskriegs übergegangen ist, mit einem Blutzoll von annähernd 300.000 Toten insgesamt und bis zu 1.000 Todesopfern auf beiden Seiten jeden Tag.
Und viertens: Der Ukrainekrieg wird, so unerträglich man das findet, nicht ohne territoriale Zugeständnisse der ukrainischen Regierung enden.

Es ist bemerkenswert zu sehen, dass diese vier Wahrheiten nicht primär von Linken oder nicht zuerst oder am lautesten von Politiker:innen der Linken zu hören gewesen sind, sondern vielfach von kritischen liberal-konservativen Wissenschaftler:innen, von hohen Militärs und aus den Staatsapparaten selbst: Am Tabu der Vorgeschichte – dem ost-westlichen Zerren an der Ukraine, die das Land schließlich im Jahr 2014 zerriss – rührten in Deutschland etwa Wolfgang Ischinger, von 2008 bis 2022 Leiter der taktgebenden „Münchner Sicherheitskonferenz“, und Günther Verheugen, ehemaliger stellvertretender EU-Kommissionspräsident und EU-Kommissar für die Osterweiterung. Sie führten für den Ukrainekonflikt dabei ähnliche Ursachen an, wie dies vor ihnen bereits Henry Kissinger, der wohl einflussreichste Außenpolitik-Vordenker der USA im Kalten Krieg, der konservative Internationale-Beziehungs-Theoretiker und Politikwissenschaften-Professor an der University of Chicago, John Mearsheimer, und sogar der US-amerikanische Neocon und Vordenker des Irakkriegs, Robert Kagan, getan hatten.

Zu enger Schulterschluss mit den USA

Ischinger betonte in einem am Vorabend des Kriegs in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Beitrag, dass erst die aggressiven Versuche seitens der US-Regierung von George W. Bush, die ökonomisch, politisch, ethnisch-linguistisch gespaltene Ukraine in die NATO zu ziehen, die Entfremdung Russlands von Europa und die nationalitätenpolitische, russische Destabilisierungspolitik im Kaukasus, in der Ukraine und auch die russische Syrienpolitik begünstigt habe. Startpunkt für das westliche Gezerre an der Ukraine sei der NATO-Gipfel in Bukarest (2008) gewesen. Dabei wäre ein Eintritt des Landes in das Verteidigungsbündnis nicht nur gegen die damalige Verfassung der Ukraine gewesen, sondern entsprach auch nicht dem damaligen Mehrheitswillen in der Ukraine oder den Interessen der westeuropäischen NATO-Verbündeten.

Ähnlich kritisierte Verheugen (FDP, später SPD) vor allem die Politik seiner Nachfolger. Das 2002 vom damaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi erklärte Ziel, der EU einen „Ring von Freunden“ zu schaffen, sei gescheitert, weil man auf Russlands Bestrebungen, einer engen Partnerschaft auf Augenhöhe – mit Perspektive gar eines russischen NATO-Beitritts oder, wie damals unter dem Jubel der Europäer von Putin vorgeschlagen, gemeinsamen eurasischen Wirtschaftsraums „von Lissabon bis Wladiwostok“ – nicht eingegangen sei, sondern „die östliche Partnerschaft der EU nach 2007 ohne Beteiligung Russlands in Gang gesetzt“ habe. Und das, während sich die NATO – gegen die explizite Warnung seitens der russischen Regierung – osterweiterte.

Die Europäer hätten damit in viel zu engem Schulterschluss mit den USA agiert und letztlich gegen ihre eigenen ökonomischen, politischen und friedens- und sicherheitspolitischen Ziele verstoßen. Stattdessen hätte es einer viel unabhängigeren Position im Verhältnis zu den USA bedürft. Es sei „zwingend notwendig, die gesamte Vorgeschichte des Ukraine-Krieges zu verstehen und richtig einzuordnen“, so Verheugen. Die EU werde dann „auch bereit sein müssen, eigene Fehler aufzuarbeiten.“ Bei der Analyse der „Vorgeschichte“ des Kriegs müssten „zwei Fragen genau unter die Lupe“ genommen werden: „An wem ist das Minsker Abkommen gescheitert, und wer oder was hat die EU dazu getrieben, sich im Jahr 2013 an einer Regimechange-Operation in der Ukraine zu beteiligen?“

Dabei sprach sich Verheugen auch gegen die Tabuisierung der Vorgeschichte des Ukrainekriegs aus, die zu benennen, stets als Relativierung der russischen Kriegsschuld ausgelegt worden ist. Das Versagen aber, die „ganze Vorgeschichte (…) wirklich ernsthaft aufzuarbeiten“, würde bedeuten, „dieselben Fehler zu wiederholen.“ Es sei schon „merkwürdig, dass über Ursachen und Entwicklungen, die zum Ersten und zum Zweiten Weltkrieg führten, ganze Bibliotheken geschrieben wurden.“

Enormes Eskalationspotenzial

Die Tatsache, dass dieser Krieg ein enormes Eskalationspotenzial hat, wurde von hohen, aber von der Gehorsamspflicht befreiten Ex-Militärs benannt: darunter Brigadegeneral a.D. Helmut W. Ganser, Erich Vad, Bundeswehrgeneral a.D. und ehedem Sicherheitsberater der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel, und Harald Kujat, General a.D. der Luftwaffe, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. Es kann nicht nur in der Ukraine selbst eskalieren, wie die russischen Kriegsverbrechen mitten im kontinentalen Winter und bei einer sehr vulnerablen Bevölkerung zeigen. Auch ein Schlafwandel in einen Dritten Weltkrieg ist denkbar.

Während Kujat die Politik der Offensiv-Waffenlieferungen als hochgradig eskalativ kritisierte, hat Vad immer wieder gewarnt, dass Russland die Eskalationsdominanz besitze. Er kritisiert, dass die Waffenlieferungen ohne erkennbare Diskussion der damit verbundenen militärstrategischen Ziele erfolgten. Im vergangenen Monat trat Vad auch als politischer Akteur in Erscheinung, im Rahmen des von Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und ihm selbst initiierten „Manifests für den Frieden“, das bis heute über eine Dreiviertelmillion Menschen in Deutschland unterzeichnet haben.

Ganser wiederum sah in der Politik der Bundesregierung und der Vereinigten Staaten eine „unfassbare Nonchalance“ im Umgang mit der realen Aussicht auf einen Atomkrieg. Der UN-Generalsekretär António Guterres wiederum sorgte für Aufsehen, als er vor einem Monat vor der UN-Generalversammlung vor der Ausweitung des Ukrainekriegs warnte: „Die Aussichten auf Frieden werden immer geringer, die Aussicht auf weitere Eskalation und Blutvergießen wachsen stetig.“ Seine Angst sei nicht, dass die Welt in einen größeren Krieg schlafwandle. „Meine Angst ist, dass sie dies mit offenen Augen tut.“
Einfach Lenin lesen

Der Krieg wird nicht militärisch und nicht mit einem „Siegfrieden“ enden, wie von der herrschenden Politik – von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bis zur deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) – viel zu lange angenommen und immer noch angestrebt. Stattdessen wird es eine Verhandlungslösung geben. Diese Tatsache wurde wiederum von Personen ausgesprochen wie dem erzkonservativen Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski, der zugleich ebenfalls vor einer Eskalation des Kriegs durch eine ideologisch getriebene und gefährlich naive „westliche“ Außenpolitik warnte. Oder dem außenpolitischen Realisten und Professor der Politikwissenschaften an der Universität Halle-Wittenberg, Johannes Varwick. Auch von Kujat, der davor warnt, dass der Krieg in eine Pattsituation eingetreten sei und Waffenlieferungen Krieg und Blutvergießen jetzt ohne ein erkennbares Ziel nur verlängern würden.

Ja, selbst der höchstrangige Militär der USA, US-Generalstabschef Mark A. Milley, ein belesener, sogar die militärstrategischen Schriften von Engels, Lenin und Mao konsultierender, außenpolitischer Realist, äußerte sich so. Im November begründete er in einer Presskonferenz des Pentagon seine Zweifel an der „Wahrscheinlichkeit eines ukrainischen militärischen Sieges, definiert als die Vertreibung der Russen aus der ganzen Ukraine, einschließlich der von ihr beanspruchten Krim.“ Diese Wahrscheinlichkeit sei, „militärisch betrachtet, nicht besonders hoch.“ Und er fügte hinzu: „Politisch betrachtet, könnte es eine politische Lösung geben, bei der – politisch – die Russen sich zurückziehen.“ Das sei denkbar.

Und in einem Mitte Februar erschienenen Interview in der Financial Times sagte Milley: „Es sei im Grunde ausgeschlossen, dass Russland seine politischen Ziele mit militärischen Mitteln durchsetzen“ könne. Es sei „unwahrscheinlich, dass Russland die Ukraine überrennt. Es wird einfach nicht passieren.“ Es sei aber genauso umgekehrt der Fall und könne eigentlich nur bei einem „faktischen Kollaps des gesamten russischen Militärs“ passieren. Und auf die Frage, ob „der Moment für Diplomatie zwischen Moskau und Kiew“ vorbei sei, antwortete Milley: „Bis zum Beginn des Frühlings“, das heißt möglicher Offensiven, seien es „nur noch Wochen“, aber es gebe ein „flexibles Möglichkeitsfenster“. Für Friedensverhandlungen gebe es „zu jeder Zeit Möglichkeiten“, auch wenn beide Seiten sich „stark eingegraben“ hätten in Bezug auf „ihre Kriegsziele und den Unwillen zu verhandeln.“

Weltkriegerischer Wahnsinn

Die vierte, besonders unbequeme, Wahrheit folgt nun aus der Einsicht, dass die bisherigen ukrainischen und US-amerikanischen Kriegsziele einer „Rückeroberung“ des gesamten Donbass und auch der Krim-Halbinsel völlig unrealistisch sind. Die einzige Alternative hierzu wäre, weil der ukrainischen Regierung langsam das kriegsverwendungsfähige Personal zur Bedienung der gelieferten Waffen ausgeht, die NATO-Truppen direkt zu involvieren. Diesen weltkriegerischen Wahnsinn hat außer dem deutschen Kanzler in Wartestellung Friedrich Merz und irren WELT-Journalistinnen sowie den grünliberalen Hobby-Außenpolitiker:innen auf Twitter glücklicherweise noch niemand ernsthaft in Erwägung gezogen.

Und auch Annalena Baerbocks Aussage, der zufolge „wir“ Europäer „einen Krieg gegen Russland kämpfen“, lässt sicherlich tief blicken, aber war doch ein Versprecher, unbedacht und gefährlich, und doch wohl bloß dem Eifer des Gefechts geschuldet. Wenn die militärische Lage aber nun so ist, dann wirft das die Frage auf, ob in den an Verdun und den Ersten Weltkrieg erinnernden Abnutzungsschlachten bei Bachmut erst noch weitere Hunderttausende oder womöglich Millionen ukrainische und russische Arme verheizt werden müssen, bis diese Wahrheit den handelnden Staatschefs klar wird. Oder ob ein solches Gemetzel noch verhindert werden kann.

Sogar Stoltenberg weiß es

Die vierte Wahrheit aber, dass der Krieg nicht ohne territoriale Zugeständnisse seitens der Regierung in Kiew vonstattengehen wird, wurde von niemand anderem und dazu noch so früh ausgesprochen, wie von Jens Stoltenberg selbst. Während Annalena Baerbock dies bis heute ausschließt und sich vehement dagegen ausspricht, erinnerte der NATO-Generalsekretär schon im Juni vergangenen Jahres an den sowjetisch-finnischen Krieg (November 1939 bis März 1940) und die territorialen Konzessionen seitens der damaligen finnischen Regierungen, die aber für das Land im Ergebnis noch die beste Lösung gewesen seien: „Die Frage“ sei, so Stoltenberg, „welchen Preis ist man bereit für den Frieden zu zahlen? Wie viel Territorium? Wieviel Unabhängigkeit? Wie viel Souveränität?“ Dies sei moralisch sicherlich ein „Dilemma“, und natürlich müsse am Ende „die Ukraine“ selbst entscheiden, welche Antwort sie darauf gebe. Aber durch Stoltenbergs Äußerungen war die Frage der territorialen Zugeständnisse freilich auf dem Tisch.

Dass im Übrigen auch die Frage im Raum steht, welche Kriegsverbrechen zum Beispiel an den „Kollaborateuren“ begangen werden, sollte es der Regierung in Kiew gelingen, die abtrünnigen Gebiete in der Ostukraine und die Krim zurückzuerobern, gehört dabei zu den besonders stark tabuisierten Fragen in dieser Hinsicht. Und das, obwohl es bereits Erfahrungswerte aus den von der Regierung in Kiew zurückeroberten Cherson und Charkiw diesseits der Kontaktlinie gibt, wo im Anschluss viele Tausende Menschen aus Angst nach Russland flüchteten und andere auf der Grundlage eines Anti-Kollaborationsgesetzes vom März 2022 drastischen Verhören ausgesetzt waren. Dennoch erntete der einflussreiche Jurist und emeritierte Professor Reinhard Merkel, als er es in der FAZ wagte, infrage zu stellen, dass die Bevölkerung der Krim-Halbinsel sich militärisch „zurückerobern“ lassen wolle. Daraus leitete er eine Verpflichtung für die Ukraine ab, in – im Oktober von der Selenskyj-Regierung per Dekret verbotenen – Verhandlungen mit Russland zu treten, sofern Russland ebenfalls zu solchen gedrängt werden kann. Bereits 2014 hatte Merkel, ebenfalls in der FAZ, die Krim-Abspaltung völkerrechtlich als eine „Sezession“ (in Folge des Maidan-Regime-Changes in Kiew) und eben nicht als Annexion beurteilt und sich damit einen veritablen Shitstorm im deutschen Blätterwald eingehandelt.

Die vier unbequemen Wahrheiten über den Ukrainekrieg auszusprechen gilt nun, mit Franz Josef Degenhardt gesprochen, „als äußerst unfein in diesem Land“, ja im gesamten westlichen Teil dieser Welt. Bis heute markieren sie ein Tabu, an dem zu rühren, Ächtung in den Medien der bürgerlichen Öffentlichkeit nach sich zieht – oder einen grünliberalen Shitstorm in den sozialen Medien. Wer „sich zu weit vom Mainstream entfernt“, hat kürzlich der – medial als einer der wenigen Kritiker mit regelmäßiger medialer Präsenz – Johannes Varwick bemerkt, „der wird kaltgestellt“, zumindest ins Jenseits des engen Korridors rechtmäßiger Meinungen. Denn während der Krieg in der Ukraine nun in einen grausamen Abnutzungskrieg mit täglich bis zu tausend toten Soldaten auf beiden Seiten, die auf beiden Seiten selbst zunehmend den Sinn dieses Krieges hinterfragen, sind hierzulande Kritiker:innen, die mit der Mehrheit der Bevölkerung im Rücken die einseitige Fokussierung auf die Logik des Militärischen hinterfragen und Verhandlungen fordern, als „gewissenlose Unterwerfungspazifisten“, „Lumpenpazifisten“, „Friedensschwurbler“ und sogar – aus dem ideologischen Arsenal des Kalten Kriegs schöpfend – als „fünfte Kolonne Putins“ diffamiert worden.

Linksliberaler Krieg

Auf sie wirkte und wirkt bis heute die ganze Macht einer herrschend-liberalen „Cancel Culture“. Sie findet sich in den Redaktionen der großen, meinungsmachenden Zeitungen und Zeitschriften und der Fernsehtalkshows, in denen ihre Position allenfalls vorkommt, damit drei weitere Gäste zusammen mit dem Moderator den Gegner der herrschenden Politik am Nasenring durch die Manege ziehen können. Dass die Politik im Westen dabei nicht weniger propagandistisch (und dazu doppelmoralisch mit zweierlei Maß messend) ist, darauf hat ein anderer konservativer Publizist mehrfach hingewiesen: der Rechtswissenschaftler und frühere Vorsitzende Richter des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, Thomas Fischer.

Nun stellt sich die Frage, wie es sich eigentlich erklärt, dass die vier unbequemen und tabuisierten Wahrheiten zwar immer mal wieder auch von Linken, aber eben genauso prononciert aus konservativ-liberalen Kreisen, aus den Staatsapparaten und dem Militär zu hören gewesen ist. Dies hat sicherlich damit zu tun, dass es niemals egal ist, wer etwas sagt und mit welcher Autorität. Es hat aber sicherlich auch damit zu tun, dass eine gefährlich abstrakt-moralische anstatt konkret-realistische Außenpolitik vor allem im (links-)liberalen Spektrum anschlussfähig ist beziehungsweise hier ihren Ursprung besitzt. Es ist nun einmal so, dass je weiter Politiker:innen, Journalist:innen, Twitter-Aktivist:innen vom realen Militär und auch der Verantwortung für ihr eigenes Reden entfernt sind, angesichts der schrecklichen Bilder von Tod, Leid und Zerstörung heute umso leichtfertiger in der Logik des Militärischen Zuflucht suchen, während man vor allem im Militär die Grenzen des Militärischen kennt – nicht zuletzt aus den Erfahrungen in Afghanistan, dem Irak und Mali.

Dies reicht als Erklärung aber zweifelsohne nicht aus. Zur Erklärung, warum das linksliberale Spektrum die herrschende Politik in dieser Weise unterstützt, gehört sicherlich auch, dass sie nicht von konservativen und rechten Regierungen getragen wird, sondern von den US-Demokraten und den Grünen. Zur Verunsicherung in der Linken in Bezug auf die herrschende Politik und den offensichtlichen inneren Spaltungslinien wiederum gehört, dass die russische Invasion in der Ukraine drei tief verankerte linke Gefühle anspricht: die Antikriegshaltung, den Antifaschismus und den Wunsch, mit den Schwachen und auch international solidarisch zu sein. In dieser Weise ist der Ukrainekrieg auch ein „linker“ beziehungsweise linksliberaler Krieg.

Die Suche nach Antworten, wie dieser fürchterliche Krieg und das Blutvergießen so schnell wie möglich beendet werden können, muss jedoch mit der Auseinandersetzung mit den realen Verhältnissen beginnen. Dazu gehört die Anerkennung und Enttabuisierung seiner vier unbequemen Wahrheiten. Dies sind wir denen schuldig, die diesen Krieg heute durchleiden: der ukrainischen Zivilbevölkerung, die von Russland mit diesem Krieg überzogen worden ist, den im Krieg vor allem auf russischer, aber auch ukrainischer Seite oft gegen ihren eigenen Willen verheizten Armen, den Menschen, die vor diesem Krieg fliehen mussten und Hilfe brauchen, den unteren Klassen im globalen Süden, vor allem in Afrika, die die Inflation völlig ungebremst trifft und deren Staaten in Folge dessen zu zerfallen drohen, und auch den arbeitenden Klassen in Europa und den USA, die diesen Krieg und seine Verlängerung mit massiven Realeinkommensverlusten bezahlen.

  • Ingar Solty ist Referent für Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung und war Sachverständiger im Auswärtigen und im haushaltspolitischen Ausschuss des Deutschen Bundestags

Quelle: https://www.freitag.de/autoren/ingar-solty/vier-tabuisierte-wahrheiten-ueber-den-ukrainekrieg

Weitere Leseempfehlung: Der Ukrainekrieg und die Propaganda: Eingebettete Meinungen (Eine Kolumne von Thomas Fischer)
- https://www.spiegel.de/kultur/ukraine-krieg-und-propaganda-eingebettete-meinungen-kolumne-von-thomas-fischer-a-2af4cb6d-ca9d-4073-a8f5-2e30757a7492

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #theorie #praxis #faschismus #putin #russland #ukraine #kriegsgetöse #geschichtsrevisionismus #krieg

Ein sehr guter Artikel über die Versuche Russland als faschistischen Staat darzustellen und Putin einen Bart anzukleben. Dieser ist ein konservativer, machistischer, nationalistischer (etc.) Vollpfosten. Das macht aber aus ihm keinen Faschisten. Erst recht nicht aus Russland ein Nachfolgereich des Hitlerismus. Der Rechtsnachfolger des Nazireichs ist immer noch die BRD. Genau der Staat der vor 80Jahren die Sowjetunion überfallen hat (Ergebnis: Irgendwas zwischen 26 und 28Millionen Toten) und der jetzt wieder mit Tanks und Kanonen auf Russen schiessen lässt. Die Selbstentlastung jetzt (wieder einmal) aus Russland "das Reich des Bösen" zu destilieren, von "Vernichtungskrieg" zu faseln und falsche politische und historische Verweise ins Feld zu führen geht nicht auf. Ich behaupte: Es geht eher nach hinten los.

Wie rechts ist der Kreml?

Westliche und ukrainische Ideologen werfen Russlands Führung im Kontext des Krieges »Faschismus« und Rassismus vor (Von Harald Projanski)

About Snyder:

Aus Sicht des Yale-Geschichtsprofessors Timothy Snyder ist Moskau »zum Zentrum des Faschismus der Welt geworden«. Der »russische Überfall«, so Snyder in einem Interview mit dem Tagesspiegel, sei »von Anfang an ein Vernichtungskrieg« gewesen. In einem Beitrag in der New York Times vom 19. Mai 2022 hat Snyder seine Thesen ausführlich dargelegt. Die Überschrift des Textes fasst sein Anliegen zusammen: »Wir sollten es sagen. Russland ist faschistisch.« Die Begründung: Das Land habe einen »Kult um einen einzigen Führer«, einen »Kult des Todes, organisiert um den Zweiten Weltkrieg« und einen »Mythos von einem vergangenen goldenen Zeitalter imperialer Größe«. Ohne es zu belegen, behauptet Snyder, Russland stehe für eine »Rückkehr zu traditioneller faschistischer Sprache und Praxis«.
Frieden durch Sieg

Aus seinen Thesen schlussfolgert Snyder die Notwendigkeit eines Krieges gegen das »faschistische« Russland. »Der faschistische Führer muss niedergeschlagen werden, was bedeutet, dass diejenigen, die sich dem Faschismus widersetzen, tun müssen, was notwendig ist, um ihn zu besiegen.« Denn wenn Russland in der Ukraine gewinne, wäre die Folge »eine Demoralisierung der Demokratien überall«. Der Schlusssatz des Textes in der New York Times: »Wenn die Ukraine nicht gewinnt, können wir Jahrzehnte von Dunkelheit erwarten.«

In einem Aufsatz in Foreign Affairs (6. September 2022) führte Snyder seine Gedanken weiter aus: »Frieden kann nur auf den Sieg folgen. Die Welt könnte einen Olivenzweig bekommen, aber nur, wenn die Ukrainer sich ihren Weg zurück zur See erkämpfen.« Gemeint ist offenkundig die Rückeroberung der Halbinsel Krim, die im März 2014 nach einem Referendum Russland beitrat. Was Snyder propagiert, wäre nur durch Ströme von Blut und die Zerstörung der Städte auf der Krim, darunter der 1942 von den Nazis eroberten Hafenstadt Sewastopol, zu erreichen. Die Folge wäre eine Massenvertreibung von Russen.

Snyder, der Russland Faschismus vorwirft, steht selbst für klassische Methoden der faschistischen Demagogie: die Dämonisierung des Gegners, Vernichtungswünsche, die Propagierung des totalen Krieges und die Tabuisierung jedes Gedankens an einen Kompromiss.

Der Versuch, Russland als »faschistisch« zu stigmatisieren, um damit eine Eskalation militärischer Gewalt gegen das Land und seine Verbündeten zu rechtfertigen, begann nicht erst mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine ab Ende Februar 2022. Bereits am 17. Mai 2014 behauptete Snyder in einem Interview mit der FAZ, »das heutige russische Regime« mache »kein Geheimnis daraus, dass es die internationale Rechte verkörpert«. Zugleich warf Snyder der »europäischen Linken« ein »intellektuelles Versagen« hinsichtlich der Ukrai­ne vor. Er behauptete, »dass der Protest auf dem Maidan eine linke Revolution war« und dass sich mit dem Umsturz in der Ukraine »eine große linke Revolution vollzog«. Die Äußerungen fielen einen Monat, nachdem die durch einen Putsch an die Macht gekommene neue ukrainische Regierung den Krieg gegen die Aufständischen im Donbass begonnen hatte, getarnt als »antiterroristische Operation« und mit Hilfe neofaschistischer Einheiten wie »Asow«.

Snyders Auftritte haben vor allem die Funktion, linkes und linksliberales Publikum mit antifaschistischem Wortgeklingel auf eine bedingungslose Unterstützung Kiews einzuschwören. Damit ist Snyder sehr erfolgreich. So beeinflusst und beeindruckt er seit Jahren nicht nur die »Grünen«, sondern auch Teile der Linken.

zum reaktionären Philosophen Iljin:

[...] Bei seinem Versuch, Putin des Faschismus zu überführen, stuft Timothy Snyder den Philosophen Iljin als »Faschisten« ein. Ähnlich, wenn auch etwas differenzierter argumentiert, der französische Philosoph Michel Eltchaninoff in seinem Buch »In Putins Kopf«. Eltchaninoff zitiert Iljin aus einem Artikel nach dem Machtantritt der Nazis. Darin hatte der russische Philosoph den Anhängern Hitlers »Patriotismus, Glaube an die Identität des deutschen Volkes und die Kraft des germanischen Genius« bescheinigt. Doch El­tchaninoff erwähnt auch, dass diese Sympathien Iljins »nur vorübergehend waren« und er mit dem Naziregime nicht kooperieren wollte. 1938 emi­grierte Iljin deshalb in die Schweiz. Später warf er den Nazis ihre antichristliche Ideologie und die Schaffung eines totalitären Staates vor.

Wer Iljins Schriften liest, kann feststellen, dass seine Ideen nicht im Faschismus, sondern im Zarismus und im russischen orthodoxen Christentum wurzeln. Das ist eine entscheidende Differenz zwischen dem Kreml und der Staatsmacht in Kiew. Eine Rechtfertigung und Rehabilitierung von Nazikollaborateuren ist in Russland ausgeschlossen. In der Ukraine hingegen sind die Nazikollaborateure Stepan Bandera und Roman Schuchewitsch per Präsidentendekret in den Rang von Nationalhelden erhoben worden. Dort erhielt die 10. Gebirgsjägerbrigade der Armee am 14. Februar durch ein Dekret des ukrainischen Präsidenten offiziell den Namen »Edelweiß«, den auch die 1. Gebirgsdivision der Hitler-Wehrmacht getragen hatte....

Wer Putins Reden in den vergangenen zwei Jahrzehnten aufmerksam verfolgt hat, für den ist sichtbar, dass die ultrakonservativen Ideen Iljins nur eine der vielen Quellen von Putins widersprüchlicher Weltanschauung sind. Wladimir Putin stammt aus einer sowjetisch geprägten Familie. Antikommunismus, untrennbares Element jeder rechten Ideologie, ist ihm fremd. In der »demokratischen« Ukraine hingegen ist die Kommunistische Partei verboten, im »faschistischen« Russland aber ist sie die stärkste Oppositionspartei. Der Versuch, Putin einen Hitler-Bart anzukleben, funktioniert nur bei einem Publikum, das wesentliche Teile der Wirklichkeit ausblendet.

Putin zur ukrainischen Kultur

[...] Im Kontrast zu den Thesen westlicher Propagandisten vom »faschistischen« oder »rassistischen« Charakter der russischen Politik und vom vermeintlichen »Genozid« an den Ukrainern stehen öffentliche Aussagen von Putin vom 14. Oktober 2022 zur ukrainischen Sprache. Auf einer Pressekonferenz zum Abschluss eines Arbeitsbesuchs in Kasachstan nannte er eine Geldstrafe, die ein Bürger in Moskau für das Hören ukrainischer Musik zahlen sollte, »völligen Blödsinn«. Er sagte, Ukrainisch gehöre zu einem der Subjekte der Russischen Föderation und auf der Krim zu den staatlichen Sprachen, ebenso wie das Krim-Tatarische.

Putin sprach davon, dass in Russland »etwa drei Millionen Ukrainer« lebten. Er stellte die Frage: »Wie können wir etwa ihre Sprache und Kultur verbieten? So etwas kommt uns nicht in den Kopf.« Der russische Präsident fügte hinzu, »in vielen unserer Familien kennt, hört und liebt man ukrainische Lieder, die ukrainische Kultur. Schon in der Sowjetunion waren Hits in ukrainischer Sprache sehr beliebt«. Im Konflikt mit der »gegenwärtigen Führung der Ukraine«, so Putin, »geht es überhaupt nicht um Kultur«. Russland wende sich gegen »Fackelzüge« von Neonazis und gegen »Leute, die mit nazistischer Symbolik herumlaufen«. Dies aber, so Putin, habe »mit der ukrainischen Kultur direkt nichts zu tun«.

Am besten aber vollständig lesen: https://www.jungewelt.de/artikel/446745.russland-wie-rechts-ist-der-kreml.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #medien #krieg #kriegsgetöse #tagesschau #uno

Deutsche Medien: Isoliert in der Welt

Russland wolle laut tagesschau ständig belegen, dass es nicht isoliert sei. Was bei dieser Betrachtung zum Vorschein kommt: Die Isolation der tagesschau.

Neulich erklärte Stephan Laack der tagesschau-Leserschaft, worum es Russland und seinem Außenminister Lawrow wirklich gehe: Man wolle der Welt aufzeigen, dass das Land gar nicht isoliert sei in der Welt. Dass dieser Umstand selbstverständlich so nicht stimme, wisse man gemeinhin: Schließlich berichtet die tagesschau häufig von diesen russischen Bemühungen. Und das freilich so zuverlässig, wie man das von einem Qualitätsmedium erwarten darf – als Gebührenzahler zumal.

Lawrow sprach letzte Woche erneut von einer Weltmehrheit, die nicht den Kurs des »kollektiven Westens«, wie er es nennt, teile und sich daher nicht von Russland abgewandt habe. Laack schreibt in seinem Bericht »Weltmehrheit« in Anführungszeichen. Als sei sie eine Spinnerei Lawrows. Die Mehrheit sei schließlich die NATO. Nur eine kleine Zahlenspielerei: Die Einwohnerzahl aller NATO-Mitgliedsländer liegt bei etwa 950 Millionen Menschen – bei einer Weltbevölkerung von bald 8,1 Milliarden Seelen, rekrutiert sich der Mehrheitsanspruch des Westens aus einem Achtel aller Menschen hienieden.

Whatsaboutism – unsere verdammte Doppelmoral

Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich. Dennoch rücken auch hinkende Zahlenspiele zuweilen etwas in den Fokus, relativieren die an sich so unumstößlichen »Wahrheiten« des Augenblicks – hier zum Beispiel, dass die Isolation, die sich in qualitätsmedialen Formaten wie der tagesschau stets mit dem Hinweis auf die NATO erklärt, nicht ganz so eindrucksvoll sein kann.

Laack schreibt für das Flaggschiff deutscher Berichterstattung weiter: »Lawrow geht darüber hinweg, dass bei der jüngsten UN-Vollversammlung mit 141 Ländern die überwältigende Mehrheit Russland zum sofortigen, vollständigen und bedingungslosen Abzug aus der Ukraine aufgefordert hatte.« Was der Berichterstatter dabei geflissentlich nicht erzählt: Nur 38 Länder haben im Juli 2022 Sanktionen gegen Russland verabschiedet – in Relation: 38 von 191 UN-Mitgliedsstaaten.

Das hat damals tagesschau und Kollegen nicht dazu gebracht, die Parole vom isolierten Russland zu unterlassen. Im Gegenteil: Diese aus westlicher Sicht schlechten Zahlen wurden mit immer lauteren Schreien, Russland und Putin seien isoliert wie nie, übertüncht. Kai Ambos berichtet darüber übrigens in seinem Buch »Doppelmoral. Der Westen und die Ukraine«: Der Titel nimmt eine Diagnose vorweg.

Solche Vergleiche werden gemeinhin als Whatsaboutism gekennzeichnet: Sie gelten heute als wenig schicklich. Deswegen sind sie aber noch lange nicht zu unterlassen. Es sei denn, man möchte verschleiern und verschleppen.

Dating mit Baerbock

Eine kleine Meldung, die bezeichnenderweise nur etwas umfangreicher in der »jungen Welt« Raum einnahm, könnte man noch nachschieben, ohne sich dieses Whatsaboutismus schuldig zu machen: Annalena Baerbock, Außenministerin von des Bildungsdefizits Gnaden, hat auf der UN-Vollversammlung versucht, eine Verurteilung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zu erreichen. Das gelang ihr nicht. Was blieb war die recht unverbindliche Forderung von 141 Ländern, Russland möge abziehen, von der oben schon die Rede war.

Solche Forderungen sind doch Folklore. Man stimmt ihnen zu, weil es niemanden wehtut, weil man damit der Symbolik der Stunde gerecht wird – am Ende der Geschichte muss man ja irgendwie Rechenschaft ablegen. Ein Wink auf eine solche Forderung von dazumal passt dann gut ins Portfolio.

Am Wochenende zuvor, so berichtet die jw, habe sich Frau Baerbock auf der Münchner Verunsicherungskonferenz mal eben um 360 Grad gedreht und in alle Richtungen »diplomatisches Speeddating« betrieben – wobei laut Duden das Wort »Diplomatie« nicht im direkten Zusammenhang mit dem Wort »Baerbock« stehen darf, ohne dass man damit die Syntax des Satzes sprenge. Dennoch scheinen die Dates mit Körben erwidert worden zu sein. So richtig doll isoliert scheint dieses Russland also dann doch nicht zu sein. Besser ist es, dass die Deutschen davon nicht zu viel lesen, denn Teile dieser Wahrheit könnten doch arg verunsichern.

Es ist ja bei all dem dennoch nicht von der Hand zu weisen, dass auch Russland versucht ist, sich möglichst proper darzustellen. Und ja, nennen wir diese Selbstdarstellung durchaus mal beim Namen: Es ist eben auch Propaganda. Nur sollte man nicht den Fehler begehen, Propaganda als eine rein einseitige Geschichte zu betrachten.

Auslandskorrespondent in Köln (ARD Studio Moskau zzt. Köln)

An sich erstaunlich ist, dass der Bericht eines Stephan Laack, immerhin Teil des ARD Studio Moskau, nicht etwas mehr Exklusiveres bietet. Außenkorrespondenten hält man sich doch in der eigentlichen Absicht, weil man glaubt, dass die räumliche Nähe Informationen zutage fördert, die man als heimischer Schreibtischreporter nie erarbeiten könnte.

Laack muss, wie so viele Korrespondenten im Ausland, in irgendeiner Blase leben, in einem Stadtteil, wo man die Auslandspresse unterbringt und wo durch diese räumliche Nähe ein Mikrokosmos entsteht, der mit dem eigentlichen Gastland nichts mehr zu tun hat. In dieser Diaspora entstehen keine exklusiven Eindrücke mehr, man vollzieht eine Abschottung, die an eine Parallelvergesellschaftung erinnern lassen – und gemeinhin auch eine sind.

Aber einen kurzen Moment, die tagesschau stellt Herrn Laack als Daheimgeblieben vor: ARD Studio Moskau zzt. Köln – sibirische Verbannung am Rhein? Kann man da noch vom Moskauer Studio sprechen? Kein Wunder, dass der Mann klingt wie einer, der tausende Kilometer entfernt an seinem Schreibpult lümmelt: Denn genau das tut er ja auch. Womöglich guckt er tagesschau, um Eindrücke vermittelt zu bekommen, die er exklusiv verbrät. Also im Grunde ist es wie in Moskau, wo es sich westliche Auslandskorrespondenten gemütlich machen, um mit dem Gastland nicht zu viel zu tun haben zu müssen.

Isolation ist also eines der großen Themen dieses Krieges. Ob Russland isoliert ist, darf man zumindest ja mal in Frage stellen. Wer aber wirklich isoliert scheint, das ist die tagesschau. Sie nimmt immer weniger wahr, weist Lücken in der Berichterstattung auf und tut genau das, was sie Lawrow unterstellt: So tun, als sei man bestens vernetzt – und eben nicht isoliert.
- https://overton-magazin.de/kommentar/politik-kommentar/deutsche-medien-isoliert-in-der-welt/

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #ukraine #russland #nato #wertewesten #moral #medien #kriegsgetöse

Frieden? Kein Interesse

Der "Krieg gegen Russland", der kollektive Westen und die Grünen

.... Jenseits der deutschen Grenzen besteht offensichtlich ein feineres Sensorium für die Gefahr, dass aus einem »Stellvertreterkrieg« ein direkter Krieg werden könnte, bei dem nicht nur die Ukraine das Schlachtfeld wäre. Der kroatische Präsident Zoran Milanovic, ein Sozialdemokrat, erwog einen NATO-Austritt und konterte ironisch: Wenn Deutschland sich im Krieg mit Russland befinden sollte, wünsche er »viel Glück, und dass es diesmal besser ausgeht (…)«.

Nach wie vor herrscht hierzulande und anderswo eine seltsame Entschlossenheit, weiterzumachen: mit mehr und schwereren Waffen. Inzwischen wird die Lieferung von Kampfjets in Betracht gezogen. Während in großen Teilen der Bevölkerung Skepsis verbreitet ist, wenn auch kaum berücksichtigt von der veröffentlichten Meinung, schreitet die grüne »Friedenspartei«, als die sie ihre beiden Vorsitzenden immer noch stoisch verkaufen möchten, weiter voran. Ihre Klientel ist mittlerweile zum wichtigsten Rückhalt der militarisierten Heimatfront mutiert.

»Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist weitgehend ein Sprachorgan der Grünen geworden«, vermerkte der Freitag Ende Januar. Der allergrößte Teil der Mainstreammedien – wenige Zeitungen und wenige Stimmen der Vernunft ausgenommen – versteht es blendend, Öl ins Feuer zu gießen, geißelt den Kanzler als zauderhaft, wenn er aus ihrer Sicht nicht schnell genug den durchgedrehten Scharfmachern folgt. Annalena Baerbock gleicht derweil programmatisch ihrem großen Vorbild Joseph Fischer. Sie bekennt freimütig, dass sie 2004 den Grünen beigetreten sei, als Fischer »die EU-Osterweiterung mit seinem polnischen Kollegen feierte«. Wie schon der alte Außenminister, ein treuer Follower der damaligen Amtskollegin Madeleine Albright, präsentierte sich Baerbock zum Antrittsbesuch bei ihrem Pendant Antony Blinken in Washington auffällig anbiedernd. Es entstehe der Eindruck, dass »kein Stück Papier zwischen sie passe«, wollte denn auch die Nachrichtenagentur dpa (5.1.2022) beobachtet haben.

Über die Transformation der Grünen von einer alternativen politischen Kraft zur unverzichtbaren Stütze des kapitalistischen Systems wurde bereits manches geschrieben; über die Hintergründe, wie und mit welchen Mitteln es den USA unter Präsident Biden konkret gelingen konnte, die Grünen fest an ihrer Seite zu plazieren, ebenfalls. Klärungsbedarf besteht dennoch: Immerhin ist das Umschalten auf einen klaren antirussischen Kurs in Europa nicht unerheblich mit der jeweiligen Regierung in Berlin verknüpft. Der Regierungswechsel ermöglichte erst, die seit langem infrage gestellte globale Führungsrolle der USA wieder anzuerkennen und in einen transatlantischen Solidaritätsrausch zu verfallen.

Die Zeit wird weitere Details ans Licht bringen, doch lässt sich jetzt schon sagen: Die Gründe für den politischen Kurswandel, der eine erhebliche Schwächung der EU als Global Player mit sich bringt, gehen auf die wirtschaftliche und militärische Potenz und das entsprechende Erpressungspotential der USA wie auf psychologische und ideologische Motive zurück. Dazu gehören – für das Gebiet der alten BRD und für Westberlin – die Russophobie und die ziemlich fest verankerte Legende von der Großartigkeit des »American Way of Life«.

»Demokratie« und »Freiheit« sind abstrakte Worthülsen geworden. Die Ukraine wird als Bastion der »westlichen Werte« präsentiert – in Position gegen die »autoritären Regime« in Moskau und Beijing. Im Zweifelsfall werden die bestehenden Beziehungen, etwa zu den Golfstaaten, schöngeredet und bleiben letztlich doch als Makel des »doppelten Maßstabs« kleben, der nicht wegzureden ist, sondern lediglich durch die Argumentation mit gegebenen, also »putin-bedingten«, Zwängen relativiert wird. Vizekanzler Robert Habeck über seinen Bückling in Katar: »Als Regierung mussten wir in einer sich ständig verändernden und zuspitzenden Krise agieren.« (Der Spiegel, 3/2023)

Im Spiegel-Interview erläutert er weiter: »Es ist mein Job«. Seine Arbeit als Politiker ist es, die Leute, die ihm zuhören – und das sind viele – von dummen Entscheidungen zu überzeugen und einzuwickeln. Er agiert dabei als eine Art »Hobby-Freud« (Wolf Maahn), appelliert an Gemeinschaft und Solidarität, wenn er den allgemeinen Verzicht unter Einsatz von Waschlappen und Kurzzeitduschen propagiert, und benutzt schon mal Zuckerbrot und Peitsche. »Es scheint gerade Lust am Untergang zu geben«, tut er die Kritik an seiner Politik ab und lobt zugleich seine Klientel, die sich klaglos in die politische Linie der Grünen fügt. »Menschen sind bereit, sich mit weniger zufriedenzugeben, damit wir als Land gut durchkommen« (Der Spiegel, 3/2023).

Alle in einem Boot: Die Menschen seien fähig zur Solidarität, befindet Habeck und ruft dazu auf, den Gürtel enger zu schnallen: »Und wenn jemand sagt, ich helfe nur, wenn ich noch mal 50 Euro krieg’, würd’ ich sagen: Die kriegst du nicht, Alter!« Gefragt nach der »frohen Botschaft für die Deutschen« antwortet er: »Sie lautet: Wenn wir uns zusammen anstrengen, dann können wir Erstaunliches erreichen. Das ist die Lehre aus dem vergangenen Jahr.« (Der Spiegel 3/2023) Er war einer der ersten aus der grünen Aufsteigergarde der vorgeblichen Waffenexportgegner, die die Aufrüstung der Ukraine verlangten: »Es war ein langer Weg von keinen Waffen zu ersten Panzerfäusten zu Panzerhaubitzen 2000, jetzt zu den Mardern. Das zeigt, dass wir die Unterstützung immer wieder anpassen.«

Opportunisten durch und durch

Eine Biegsamkeit von Positionen gilt durchweg für den inzwischen vollständig etablierten Typus grünen Spitzenpersonals. Es zeichnet sich mit Nuancen einheitlich dadurch aus, auswechselbar zu sein – zumindest was die politischen Positionen betrifft. Oppositionelle Meinungen – das war irgendwann gestern. Alle wie einer, eine wie alle, und mittlerweile fällt die ehemalige Sprecherin der Grünen Jugend und heutige Parteivorsitzende, Ricarda Lang, die »unangepasste Frau vom linken Flügel«, dadurch auf, dass selbst ihre Kleidung »jetzt zu der seriösen Politikerin, die sie sein will«, passt. »Nur wer sich den Realitäten anpasst, könnte nach oben und bleibt dort«, und sie habe halt, so der Spiegel (33/2022), »ein ausgeprägtes Talent für Machtfragen«.
- vollständiger Text: https://www.jungewelt.de/artikel/444842.militarismus-2023-frieden-kein-interesse.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #ukraine #russland #nato #kriegsgetöse #moral #analyse #verhandlungen #uno

Der Text ist zwar vom letzten September, aber immer noch aktuell. Die Zeitstrecke vom Herbst letzten Jahres und die Zahl der Toten in dieser Auseinandersetzung bis jetzt unterstreicht nur die Notwendigkeit endlich die Notbremse zu ziehen

Verhandlungen statt Siegfrieden

Auch wenn die ukrainische Armee zuletzt Teilerfolge erzielen konnte, ist sie von einem militärischen Sieg weit entfernt. Solidarität mit der Ukraine heißt daher zuallererst sich dafür einzusetzen, dass das Töten aufhört.

Nach mehr als sechs Monaten Ukrainekrieg mehren sich zwar die Stimmen für Verhandlungen. Doch bei den machtpolitisch wichtigsten Akteuren scheinen die Zeichen auf Fortsetzung auf ungewisse Zeit zu stehen. Washington und sein europäisches Gefolge steigern erneut die Waffenlieferungen an Kiew, der Wirtschaftskrieg nimmt immer drastischere Formen an und in den großen Medien gelten Verhandlungsangebote nicht nur als unrealistisch, sondern sogar als unmoralisch. Wenn sie überhaupt einmal in Tagesschau oder FAZ & TAZ vorkommen, werden sie als Lumpenpazifismus beleidigt und mit Nazi-Vergleichen eingedeckt. „Defätisten“ wollten „einen Waffenstillstand von Putins Gnaden herbeireden,“ so die FAZ am 5. September (S. 9), ein wahrer Propagandasound aus Blut und Eisen. Die moralische Diskreditierung von Kritik am offiziellen Kurs soll einschüchtern und ist nicht völlig wirkungslos. Selbst bis in Teile der gesellschaftlichen Linken und der Friedensbewegung ist sie spürbar.

Allerdings scheint der zwischen politischer Klasse und Medien inszenierte Konsens zur Fortsetzung des Krieges in der Bevölkerung nicht so recht zu funktionieren. Eine Studie der Friedrich Ebert Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass die sog. Zeitenwende „Deutschland nicht in ein vollkommen anderes Land verwandelt, denn die öffentliche Meinung hält weiter an Pragmatismus und Pazifismus fest. Die Skepsis gegenüber militärischen Mitteln hat sich seit Beginn des Krieges sogar verstärkt.“ So waren bei einer Umfrage im Mai 49 Prozent der Meinung: „Das Wichtigste ist, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, auch wenn das bedeutet, dass die Ukraine die Kontrolle über Gebiete an Russland abgibt.“ Nur 19 Prozent meinen, man müsse „Russland für seine Aggression bestrafen, auch wenn dies bedeutet, dass mehr Ukrainer*innen getötet und vertrieben werden.“

Auch nach einer FORSA-Umfrage von Ende August wollen 77 Prozent der Deutschen, dass der Westen Verhandlungen aufnimmt. Nur 32 Prozent befürworten die Lieferung schwerer Waffen, 62 Prozent sind dagegen. Bei aller Skepsis gegenüber Umfragen, es gibt zumindest eine starke Minderheit, die den offiziellen Kurs nicht mitträgt. Und das, während das Wetter noch recht mild ist und die toxische Mischung aus Krieg, Energiekrise, Inflation, Corona und sozialer Krise noch kaum spürbar.

All das zeigt, dass die Forderung nach sofortigen Verhandlungen keineswegs auf so verlorenem Posten steht, wie es an der medialen Heimatfront verkündet wird. Es gibt ein bedeutendes Potenzial, das von der Friedensbewegung und auch von 4,9-Prozent-Parteien in politischen Druck transformiert werden kann. Dafür muss man sich freilich auch offensiv mit dem bellizistischen Narrativ auseinandersetzen sowie die Überzeugungskraft der diplomatischen Alternative plastisch sichtbar machen.

Der Tod der anderen

Die moralische Sicht auf diesen Krieg hat dabei für ihre User durchaus Vorteile, denn sie vereinfacht die Dinge sehr. Moral analysiert nicht, sondern urteilt und verurteilt. Dabei muss man mit nur zwei Variablen arbeiten: Gut und Böse. Komplexe Probleme, deren Verständnis und Lösung eine gewisse intellektuelle Anstrengung und Differenzierungsvermögen erfordern, erscheinen dann plötzlich ganz einfach. Eine Analyse der strukturellen und historischen Zusammenhänge, aus denen heraus der Krieg entstand ­­­̶ eigentlich eine Selbstverständlichkeit für aufgeklärtes und erst recht gesellschaftskritisches Denken ­­­ ­­­̶ , ist dann überflüssig.

Moral hat aber auch einen großen Nachteil: Sie ist unteilbar. Wer selber immer mal wieder andere Länder überfällt, wie das Deutschland 1999 im Verein mit der NATO gegen Jugoslawien tat, oder die Ukraine, die 2003 das sechstgrößte Truppenkontingent (von 36) in George W. Bushs Koalition der Willigen bei dem Krieg gegen den Irak stellte, wird moralisch unglaubwürdig, wenn er das Böse nur bei den anderen sieht. Aus Moral wird dann Doppelmoral.

Dabei geht es nicht darum, Moral prinzipiell in Frage zu stellen. Als normative Orientierung, als Kompass für die Richtung praktischen Handelns ist sie nicht nur legitim, sondern notwendig. Allerdings lässt sie sich nicht bruchlos in Alltagspraxis übertragen, und schon gar nicht in die komplizierten Zusammenhänge der internationalen Beziehungen.

Max Weber hat versucht das Problem zu lösen, indem er zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik unterschied. Wie sinnvoll das ist, sei dahingestellt. Aber für den Krieg in der Ukraine ist den Anhänger*innen der militärischen Lösungen weder das eine noch das andere zuzubilligen. Denn ihr Kriegsziel – sei es ein militärischer Sieg der Ukraine, oder auch nur die militärische Durchsetzung einer starken Verhandlungsposition – ist weder moralisch noch verantwortungsvoll.

Denn es ist moralisch inakzeptabel, auf unkalkulierbare Zeit eine unkalkulierbare Zahl von Menschen in den Tod zu schicken. Baerbock & Co. können sich nicht um die Frage drücken, ob sie zehntausend, fünfzigtausend, hunderttausend oder mehr tote Soldaten und Zivilisten akzeptieren, um ihr Kriegsziel zu erreichen. Um sie am Ende dann doch nicht zu erreichen.

Der Tod der anderen, von dem Anführer, Könige, Herrschende schon immer meinten, dass sie das Recht hätten, ihn einfordern zu können, ist moralisch verwerflich. Umgekehrt liegt hier die wichtigste moralische Legitimation für glaubwürdige Friedenspolitik. In einer wertebasierten Außenpolitik, die diesen Namen verdient, steht Frieden an erster Stelle, so wie er auch der Zentralbegriff des Völkerrechts ist. Gleiches gilt für die Menschenrechte. In der Menschenrechtserklärung der UNO von 1948 steht an der Spitze aller Rechte nicht zufällig das Recht auf Leben.

Solidarität mit der Ukraine heißt daher zuallererst sich dafür einzusetzen, dass das Töten aufhört. Aber auch aus moralischer Verantwortung gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber den armen Ländern, ist ein baldiger Stopp des Krieges erforderlich. Der Wirtschaftskrieg nimmt die Zunahme von Armut, Hunger und Tod im globalen Süden und die Verschärfung des Chaos‘ in der Weltwirtschaft als Kollateralschaden in Kauf. Die Verantwortung dafür liegt bei denen, die über diese Waffe verfügen. Und schließlich absorbiert der Krieg die politischen und materiellen Ressourcen für die Bekämpfung des Klimawandels, des Artensterbens und der anderen Umweltprobleme.

Realismus?

Aber Verhandlungen seien doch völlig unrealistisch, zumindest solange nicht eine der Kriegsparteien erschöpft sei. Dass die herrschende Propaganda ihre Interessen in ein neues TINA-Prinzip ­­­̶ there is no alternative to Waffenlieferungen und Sanktionen – einwickelt, ist normal. Aber für die Linke, deren Programmatik zu 50 Prozent aus utopischen Zukunftsvorstellung und zu 45 Prozent aus derzeit nicht erreichbaren Einzelforderungen besteht, sollte das kein Grund sein, den Gang der Geschichte als mechanisches Räderwerk zu verstehen, dessen Lauf man sich fatalistisch anpassen müsste. Zumindest Sand im Getriebe, und nicht linkes Schmiermittel für die NATO sollte man sein.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Anhänger*innen von Waffenlieferungen mit völlig unrealistischen Spekulationen arbeiten. Russland hat seit dem 24. Februar ein Terrain von ca. 100 .000 Quadratkilometern besetzt. Das entspricht fast der Fläche der Niederlande, Belgiens und der Schweiz zusammen. Nimmt man die Krim dazu, die Kiew zurückholen will, ist das ein Territorium in der Größenordnung Englands. All das gegen einen Gegner, der noch lange nicht erschöpf ist, militärisch zu erobern, und obwohl Angriff in der Regel dreimal mehr Ressourcen erfordert als Verteidigung, ist pure Illusion.

Die von Selenskij angekündigte Großoffensive zur Rückeroberung der Großstadt Cherson im Süden ist dann auch inzwischen zu einer Operation mit taktischer Reichweite im Gebiet Charkiw im Osten mutiert. Es handelt sich um Territorium außerhalb des Gebiets Lugansk im Donbass, und seine Eroberung gehört daher nicht zum Kern der russischen Kriegsziele. Es ist nicht das erste Mal, dass russische Truppen sich zurückziehen. Der Abzug aus der Region Kiew in der Anfangsphase des Krieges oder von der Schlangeninsel im Schwarzen Meer im Juli sind frühere Beispiele. An der strategischen Gesamtlage hat sich dadurch nichts geändert. Allerdings werden solche begrenzten Teilerfolge dann als Beleg für ukrainische Siegchancen überschätzt und erzeugen trügerische Hoffnungen, wie die Frontberichterstattung in unseren Medien dieser Tage demonstriert. Sie dient dazu, die Kampfmoral an der Heimatfront aufrecht zu erhalten und die Forderung nach Lieferung moderner Kampfpanzer zu rechtfertigen. Am Ende würde das zu einer militärischen Eskalation führen, den Blutzoll erhöhen und Verhandlungen noch mehr erschweren.

Zudem ist die Behauptung, keine Seite wolle verhandeln, so nicht richtig. Moskau signalisiert immer mal wieder, dass es zu Verhandlungen bereit wäre, so Außenminister Lawrow wieder am 11. September - ganz im Gegensatz zu Selenskij. Selbst wenn man meint, dies seien nur Worte im Propagandakrieg, müsste eine Regierung mit Friedenswillen versuchen, sie auf ihre Ernsthaftigkeit zu testen. Schließlich war Moskau im Getreidedeal zu Verhandlungen bereit, ebenso wie bei der Vereinbarung mit der Internationalen Atomenergiebehörde zum AKW Saporoschje.

Doch in der EU hat anscheinend niemand die Courage, eine diplomatische Initiative zu ergreifen. Es ist bezeichnend, dass zwar Macron und Scholz noch manchmal mit Putin telefonieren, Joe Biden aber seit Beginn des Krieges kein einziges Mal zum Hörer gegriffen hat. In Moskau geht man zurecht davon aus, dass Paris und Berlin in der Sache nichts zu melden haben. Denn ein Effekt dieses Krieges ist, dass der Traum von der strategischen Autonomie der EU vorerst ausgeträumt ist.

Wir haben es längst mit einem „proxy war with NATO“, einem Stellvertreterkrieg zu tun, wie Hal Brands, Mitarbeiter im US-Außenministerium, schreibt. Sein lesenswerter Artikel trägt den Titel Why Superpower Crises Are a Good Thing (Warum Krisen zwischen Supermächten eine gute Sache sind). Darin werden die Chancen aufgezeigt, die der Krieg für Washington bietet. Tatsächlich ist die Stellvertreterdimension inzwischen der dominante Treiber des Krieges. Und das Oberkommando des westlichen Lagers sitzt in Washington. Die Internationalisierung führt allerdings dazu, dass die Komplexität des Konflikts und die damit verbundenen Risiken um Größenordnungen größer werden. Damit wird auch das Argument obsolet, wir dürften der Ukraine nicht von außen vorschreiben, was sie zu tun habe. Es gibt kein Außen mehr.

Die Kräfteverhältnisse in diesem Krieg können jedoch nicht auf die militärischen reduziert werden. Auch wenn die Sanktionen durchaus Schaden in der russischen Wirtschaft anrichten und der IWF ein Schrumpfen des BIP um 8,5 Prozent prognostiziert, so wird gleichzeitig für die Ukraine ein Minus von 35 Prozent vorausgesagt. Die sozialen Konsequenzen für die Bevölkerung sind schon jetzt dramatisch und werden in den Wintermonaten noch drastischere Formen annehmen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die militärische Lage und die politische Stimmung. Auf Dauer machen die in solchen Situationen üblichen Phrasen der Führung von Heldentum und sicherem Endsieg nicht satt.

Friedenspolitische Alternativen als politische Produktivkraft

Richtig ist freilich, dass diejenigen, die Verhandlungen fordern, auf die militärische und ökonomische Entwicklung (noch) keinen Einfluss haben. Das heißt aber nicht, völlig machtlos zu sein. Ihr Terrain ist die Beeinflussung des Meinungsklimas bei uns. Verhandlungen als Alternative zum Krieg in der innenpolitischen Debatte stark zu machen, ist eine politische Produktivkraft, mit der Druck von unten, aus der Gesellschaft entstehen kann. Kräfteverhältnisse sind nicht statisch, sie können durch Eingreifen von unten verändert werden. Dabei kann man sich u.a. auf Kriegsmüdigkeit stützen, die schon immer ein Verbündeter von Friedenskräften war. So wurde der Vietnam-Krieg nicht etwa durch die militärische Schwäche der USA beendet, sondern durch den Verlust der innenpolitischen Unterstützung.

Aber auch die im engeren Sinne sicherheits- und friedenspolitischen Alternativen müssen anschaulich gemacht werden, selbst wenn sie nicht sofort realisierbar sind. Wie bei anderen Themen ist das Aufzeigen von Alternativen eine Produktivkraft, die Motivation und politisches Engagement erzeugt. Es geht zunächst darum, das Meinungsmonopol des militärischen Narrativs zu brechen.

In der Vielzahl der inzwischen vorliegenden Vorschläge zur Beendigung des Ukrainekriegs kristallisieren sich als Kern folgende Punkte heraus:
- als erstes muss ein Waffenstillstand zustande kommen;
- dazu wird es Vermittler bedürfen. In Frage kommen dafür die UNO und neutrale Staaten, ggf. in Kombination;
- der Waffenstillstand könnte Ausgangspunkt für die Bildung einer entmilitarisierten Zone werden, in der UNO-Blauhelme stationiert werden;
- die Ukraine braucht Sicherheitsgarantien. Die könnten durch Garantiemächte gewährleistet werden, am besten durch solche, die nicht Konfliktpartei sind, wie Indien, die Türkei oder Südafrika, ggf. aber auch gemischt mit Partnern beider Seiten;
- für die russischen Interessen ist zentral, dass die Ukraine nicht zum militärischen Brückenkopf von USA/NATO vor der russischen Haustür wird;
- für die Lösung der Territorialfragen könnten nach einigen Jahren Volksabstimmungen unter internationaler Aufsicht durchgeführt werden. Modell könnte das Saarland sein, dass nach dem Krieg zehn Jahre unter französischer Verwaltung stand. 1955 entschieden sich 67,7 Prozent der Saarländer für den Beitritt zur Bundesrepublik. Die unterlegene Minderheit muss die Option zum Wechsel in das andere Land haben, flankiert durch soziale Unterstützung;
- als positive Anreize ist ein internationales Wiederaufbauprogramm für alle vom Krieg betroffenen Regionen aufzulegen, auch der unter russischer Kontrolle;
- die Sanktionen werden Zug um Zug abgebaut;
- als weiterer Anreiz für Russland werden Verhandlungen zur strategischen Rüstungskontrolle gestartet;
- als längerfristige Perspektive beginnt eine Konferenz über eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur.

So oder so ähnlich sähe die Agenda einer Friedenskonferenz aus. Sie wäre schwierig und würde mit Rückschlägen zu kämpfen haben. Und natürlich würden alle Seiten Kröten schlucken und Maximalpositionen aufgeben müssen. Das gehört nun mal zum Wesen des Kompromisses. Aber so sieht moralisch integre und zugleich realistische Politik aus.
- von Peter Wahl (Publizist und Vorstandsvorsitzender der Nichtregierungsorganisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED) sowie Gründungsmitglied von Attac Deutschland.)

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #medien #tagesschau #faktenchecker #fakten #moral #gesinnungsjournalismus #kriegsgetöse

"...wissen Tagesschau-Journalisten eigentlich, was ein Faktencheck ist? Das ist ein Vorgang, bei dem die Fakten gecheckt werden, ob sie sich belegen lassen oder nicht. Das ist keine Gefühlsergeherei, bei der anonyme Meinungshabende eine Plattform bekommen. Um Fakten zu checken, muss man allerdings die Fakten tatsächlich kennen und nicht bloß mutmaßen. Mir kommen die Faktchecker inzwischen vor wie Leute, die Musikkritiker werden, weil sie zum Musikmachen zu untalentiert sind."

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #militarismus #kriegsgetöse #blah

"Die Deutschen leiden unter einer Krankheit, die man als Eskalationsphobie bezeichnen muss."

  • Joachim Krause, Direktor des »Instituts für Sicherheitspolitik« an der Universtität Kiel, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Dienstag über Sorgen angesichts der Entwicklung im Ukraine-Krieg
mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #kriegsgetöse #usa #china #spionage #venezuela #doppelte-standards

Washingtons Doppelmoral

Venezuela kritisiert Eindringen von US-Spionageflugzeugen in Luftraum (Von Volker Hermsdorf)

Heuchelei bleibt das Markenzeichen der US-Außenpolitik. Während Außenminister Antony Blinken den Abschuss eines unbemannten chinesischen Luftschiffs mit der Begründung rechtfertigte, der Aufenthalt im US-amerikanischen Luftraum sei »ein Verstoß gegen internationales Recht«, hat Venezuela am Wochenende das mehrfache Eindringen von US-Spionageflugzeugen in seinen Luftraum gemeldet.

Wie die spanische Nachrichtenagentur Efe berichtete, bestätigte der Leiter des strategischen Operationskommandos der Bolivarischen Nationalen Streitkräfte Venezuelas (FANB), Domingo Hernández Lárez, am Sonntag (Ortszeit), dass nicht autorisierte US-Flugzeuge seit Anfang des Jahres systematisch die Hoheitsrechte des Landes verletzten. »In den vergangenen 30 Tagen wurde das Fluginformationsgebiet (FIR) des internationalen Flughafens Maiquetia bei nicht weniger als vier Gelegenheiten von US-Spionageflugzeugen verletzt«, schrieb der hochrangige Militär beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Verteidigungsminister Vladímir Padrino López warf Washington doppelte Standards vor. »Die USA sprechen von der Achtung ihres Luftraums? Venezuela ist Opfer systematischer Provokationen und Verletzungen unserer Souveränität durch US-amerikanische Luft- und Seefahrzeuge geworden, die uns zwingen, sie abzufangen und zu vertreiben. Welch ein Zynismus«, schrieb der Politiker ebenfalls bei Twitter. Die Vorfälle seien »imperialistische Aktionen, die gegen alle internationalen Konventionen verstoßen«, hieß es auf der Homepage des TV-Programms »Con el Mazo Dando«.

Washingtons Spionageaktivitäten erfolgten zu einem Zeitpunkt, als die Regierungen Venezuelas und des Iran über bilaterale Abkommen in verschiedenen Bereichen (Wirtschaft, Energie, Wissenschaft, Öl, Verteidigung und Kultur) berieten. Zum Abschluss der Verhandlungen hatte Präsident Nicolás Maduro am Freitag den iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian in Caracas im Miraflores-Palast empfangen.

Verteidigungsminister Padrino López hatte seine Beschwerde über die wiederholten Verletzungen des venezolanischen Luftraums durch US-Spionageflugzeuge vorgetragen, nachdem die USA am Sonnabend einen chinesischen Ballon abgeschossen hatten, der seit mehreren Tagen in großer Höhe über den USA schwebte. Das Außenministerium in Caracas kritisierte am Sonntag, dass Washington, anstatt ernsthaft und verantwortungsbewusst mit der Situation umzugehen, erneut zur Anwendung von Gewalt gegriffen haben. »Die venezolanische Regierung lehnt den Angriff der Vereinigten Staaten auf ein unbemanntes chinesisches Fluggerät zivilen Ursprungs ab, das einen technischen Defekt aufwies und keine militärische oder physische Bedrohung für die Menschen am Boden darstellte«, heißt es in der auf Twitter veröffentlichten Erklärung des venezolanischen Ministeriums.

Die Regierung in Beijing hatte am Freitag bestätigt, dass der Ballon aus China stammt, zugleich aber erklärt, es handele sich um »ein ziviles Luftschiff, das vor allem in der Meteorologie zu Forschungszwecken eingesetzt« werde. Venezuela verurteilte den Angriff und forderte zugleich von Washington, dass »jede Kontroverse verantwortungsvoll und in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht gelöst werden muss«. Wie das Portal tagesschau.de am Montag meldete, hatten mehrere US-Politiker und Militärs nach dem Abschuss des Ballons erklärt, dass sie »einen dritten Weltkrieg mit China« noch in diesem Jahrzehnt für möglich hielten.
- https://www.jungewelt.de/artikel/444382.us-imperialismus-washingtons-doppelmoral.html

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#politik #medien #geschichte #krieg #faschismus #russland #ukraine #waffenlieferungen #kriegsgetöse #vernichtungsphantasien #geschichtsrevisionismus

Ich kann vieles nachvollziehen. Die Verurteilung der russischen Föderation für die Intervention in die Ukraine, die Kritik an der autoritären russischen Führung, auch einige der Polemiken gegen Putin....
aber die Geschichtsvergessenheit die sich in Sprache und handeln der Regierenden und großer Teile der Medien offenbart, gepaart mit dem Zurechtlügen historischer Fakten (siehe Holodomor) keineswegs.

Wer heute heraustrompetet mit deutschen Tanks den (End-)Sieg gegen Russland erreichen zu wollen und für die Lieferung dieser schweren Waffen alle medialen und politischen Hebel in Bewegung setzt, scheint ein Problem zu haben. Will da die Enkel*innengeneration die Demütigung ihrer Wehrmachts- und SS-Opas rächen, oder ist da Leuten das "Wir sind wieder wer" der 90er so zu Kopfe gestiegen, dass man jede auf den historischen Realitäten basierende Demut wie einen abgetragenen Mantel abstreift? "Serbien muss Sterbien" war scheinbar erst der erste Streich. Nun geht es wieder gegen den russischen.....

Meiner Meinung müssen da Psycholog*innen ran. Politische und ökonomische Erklärungsmuster versagen meistens ab dem Punkt an dem klar wird, das vieles was nicht getan wurde (Insistieren auf Minsker Abkommen) und was heute getan wird (inkonsequentes und fehlgeleitetes Sanktionsregime, Lieferung schwerer Waffen) sich gegen die eigenen Interessen richtet.

Remember Stalingrad

... und alle Verbrechen, die im Rahmen des "Unternehmens Barbarossa", auch unter tätiger Mithilfe ukrainischer Kriegsverbrecher, die in der heutigen Ukraine als Helden gefeiert werden begangen wurden. Zur Erinnerung: 26 Millionen Sowjetbürger*innen verschiedenster Nationalitäten fielen dem deutschen Vernichtungswahn zu Opfer.

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#politik #medien #kriegsgetöse #ukraine #russland #nato #bellizismus #wertewesten

"Militärische Fachleute – die wissen, was unter den Geheimdiensten läuft, wie es vor Ort aussieht und was Krieg wirklich bedeutet – werden weitestgehend aus dem Diskurs ausgeschlossen. Sie passen nicht zur medialen Meinungsbildung. Wir erleben weitgehend eine Gleichschaltung der Medien, wie ich sie so in der Bundesrepublik noch nie erlebt habe. Das ist pure Meinungsmache. Und zwar nicht im staatlichen Auftrag, wie es aus totalitären Regimen bekannt ist, sondern aus reiner Selbstermächtigung."

  • Erich Vad (Ex-Brigade-General. Von 2006 bis 2013 war er der militärpolitische Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel)
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#politik #krieg #ukraine #russland #nato #usa #kriegsgetöse #wertewesten #zeitenwende #frieren

Frieren für den Sieg: Habeck klingt fast wie Goebbels

  • Von Knut Mellenthin

... In Deutschland sollen angeblich sogar 25 Prozent des Gasverbrauchs »eingespart« worden seien. Hauptmittel waren offenbar Verordnungen über eine zwangsweise Reduzierung der Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden einschließlich der Arbeitsplätze und die Propagierung des Heizverzichts in den Wohnungen. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen bedanke sich am Mittwoch während eines Interviews mit dem Sender RTL bei den »Bürgerinnen und Bürgern«, dass sie weniger heizen. »Die innere Haltung der meisten Deutschen« sei so, »dass sie wissen, was die Stunde geschlagen hat«. Das klang fast so wie die Sportpalastrede des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda nach der Kriegswende in Stalingrad im Winter 1943. Gleichzeitig wird eine außergewöhnlich hohe Welle sogenannter Erkältungskrankheiten gemeldet, die Arztpraxen und Krankenhäuser ans Limit bringt. Der Zusammenhang mit der pauschalen, beratungsfreien Propaganda für unzureichendes Heizen liegt auf der Hand: Zwar werden die Erkrankungen nicht durch mangelnde Wärme ausgelöst, wohl aber durch die damit verbundene Schwächung des Immunsystems. Betroffen sind, auch das ist längst bekannt und gut dokumentiert, in erster Linie alte Menschen und kleine Kinder. Was passieren wird, wenn es im weiteren Verlauf des Winters zu Zwangseinsparungen beim Heizen kommen sollte, ist berechenbar.
- https://www.jungewelt.de/artikel/441464.energiepolitik-frieren-f%C3%BCr-den-sieg.html

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#politik #krieg #ukraine #russland #nato #usa #kriegsgetöse #wertewesten #zeitenwende #waffen #waffen #waffen

Jahresendglühen

Dieser Besuch dient der Eskalation und der Verlängerung des Krieges, er richtet sich gegen jede Friedensbemühung. Und ist überflüssig. Der Chef im Weißen Haus, den schon sein Vorgesetzter Barack Obama während Bidens Vizepräsidentschaft mit »Mr. Ukraine« ansprach, nutzt die letzten Tage des ablaufenden Jahres, um noch soviel wie möglich an Geld und Waffen Richtung Kiew zu schicken. Das kann er voraussichtlich ab Januar nicht mehr, wenn die Republikaner das Repräsentantenhaus kontrollieren. Das Jahresendklotzen umfasst 45 Milliarden US-Dollar plus fast zwei Milliarden Dollar für die Bereitstellung von »Patriot«-Raketen und gelenkten Präzisionsbomben. Der Rest ist propagandistischer Budenzauber, garniert mit Weihnachtskitsch nach Art des Hauses. Die Manipulation der eigenen Bevölkerung und der europäischen Verbündeten bedarf noch immer der Frömmelei [...]

Jeder US-Präsident ist eine Gefahr für den Weltfrieden....

...., aber der amtierende übertrifft sogar den »wiedergeborenen« Alkoholiker George W. Bush an Horror. Bush hinterließ in Afghanistan und im Irak in herbeigelogenen Feldzügen wahrscheinlich weit über eine Million Tote. Klar: Die Leichenzahlen außerhalb der USA interessieren dort seit jeher niemanden, es sei denn, US-Bürger sind darunter, und der Chauvinismus kocht über. Zudem läuft bei den Vasallen alles gut, ist sich doch das deutsche Außenministerium fast sicher, dass etwa der Irak-Krieg 2003 vom Völkerrecht gedeckt war. So sieht knapp 20 Jahre nach dem Spukauftritt von US-Außenminister Colin Powell im UN-Sicherheitsrat und der Behauptung Antony Blairs im britischen Unterhaus, Bagdad könne seine Massenvernichtungswaffen innerhalb von 45 Minuten aktivieren, regelbasierte feministische Außenpolitik aus. Annalena Baerbock lässt wahrscheinlich auch heute nach den irakischen Massenvernichtungswaffen suchen. Der Tip, dass es die gab, kam damals von einem BND-Agenten.
Insofern ist es folgerichtig, dass auch die jetzige Bundesregierung die Geld- und Waffenübergabe in Washington offiziell für ein »hoffnungsvolles Zeichen« hält. Wo ein US-Krieg stattfindet, herrschte schon zu Bonner Zeiten Zuversicht. Man war stets auf der richtigen, der stärkeren Seite – von den Völkermorden in Korea und Vietnam bis zu den verschwundenen Biowaffencontainern Saddam Husseins oder der Zerstörung Libyens und ganz Westafrikas. So kann es mit den Helden der »Zeitenwende« weitergehen, bis wieder einmal alles in Scherben fällt.
- aus https://www.jungewelt.de/artikel/441391.jahresendgl%C3%BChen.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #gewalterfahrung #traumatisierung #geschichte #gegenwart #kriegsgetöse #propaganda #wertewesten

Ukraine-Krieg: Es gibt heute erst recht keine Gnade der späten Geburt

Aus der sicheren Distanz ihrer Bundestagsbüros propagieren Politiker, ohne jegliche militärische Gewalterfahrung, Gewaltlösungen. Dabei vergessen sie, dass Gewalterfahrung Gesellschaften so prägen kann, dass sie lange davon gezeichnet sind (von Ingar Solty)

(Anm.meinerseits: Das gilt ebenso für Schreibtischtäter:innen - ob es nun professionelle sind oder normale Vertreter:innen der Netzgemeinde mit ihrem Gratismut sind -, die mit ihren digitalen Endgeräten Waffenlieferungsforderungen und Endsieglosungen veröffentlichen.)

Sowohl Russland als auch die Ukraine foltern Kriegsgefangene, teilt das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte mit. Wer dazu die Nachricht über die grauenhafte Ermordung des durch einen Gefangenenaustausch ausgelieferten russischen Deserteurs Jewgenij Nuschin liest, ist erschüttert. Der weiß zugleich um die peinigende Wahrheit: Das ist der verdammte Krieg! Der ahnt vielleicht auch: Menschen, die nur das Kriegshandwerk gelernt haben und die vom Krieg leben, wie Bertolt Brechts Mutter Courage im Dreißigjährigen Krieg, verschwinden nicht einfach, sobald die Kampfhandlungen vorbei sind. Sie leben weiter vom Krieg.

[...] Dabei tragen Kombattanten dieses Typs ihre Traumata und Brutalität nicht selten als Misanthropie und Misogynie, psychischen Defekt, als Kriminalität und sexualisierte Gewalt zurück in ihre Gesellschaft und Familien. Die Kriegs- und Gewaltforschung kann dies im Grunde allen Nachkriegsgesellschaften bescheinigen.

Nicht nur solcherart Kriegsversehrte sind latent vorhanden. Gleiches gilt für die Waffen, mit denen man diese armen Seelen für das gegenseitige Töten und Verstümmeln ausgerüstet hat. Sie versagen nach dem Ende von Kampfhandlungen nicht einfach – wie von Geisterhand gesteuert – ihren Dienst. Das zeigt beispielsweise der Verbleib deutscher Waffen, die 2014 an die Peschmerga in der nordirakischen Kurden-Region geliefert wurden und irgendwann IS-Verbänden in die Hände fielen. Tötungsinstrumente werden zu Zwecken verwendet, die der ursprüngliche Lieferant nicht mehr kontrollieren kann und lieber nicht mehr kontrollieren will. Sie dienen dazu, menschenverachtenden Ideologien Geltung zu verschaffen, sie begünstigen nicht selten sexuelle Gewalt. Wer Nachrichten über Formen der Sklaverei liest, wie sie in Libyen gestrandeten Migranten aus Afrika widerfährt, der denke zugleich an deutsche Waffenhersteller wie Heckler & Koch.

Die deutsche Ukraine-Politik prägt eine Generation, die den Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hat, die nie durch Ruinen und Lumpen sammelnde oder Leierkasten spielende Kriegsversehrte daran erinnert wurde. Eine Generation, die in einer zivilisierten Gesellschaft aufwuchs, aus der Gewalt weitgehend verbannt wurde. Zum Glück wird heute niemand mehr, wie das vor 1945 geschehen konnte, bei Streiks oder Demonstrationen von der Polizei erschossen. Umso mehr kann man es nur paradox nennen, dass ausgerechnet Vertreter dieser Generation so nonchalant Gewaltlösungen aus der sicheren Distanz ihrer Schreibtische und Bundestagsbüros propagieren, weil sie offenbar nie erfahren oder verdrängt haben, was Gewalt ist und wie sie funktioniert.

[...] Eine grassierende Geschichtsvergessenheit in Bezug auf das, was Krieg aus Menschen macht, das Fehlen einer Debatte über die möglichen Konsequenzen und Dilemmata des eigenen Handelns, der teilweise demonstrative Unwille, den Ukrainekrieg vom Ende her zu denken, all das ist – selbst wenn man die herrschende Politik in ihrer Grundausrichtung für richtig hält, was der Autor nicht tut – erschreckend und lässt für die Zukunft nichts Gutes ahnen.
- vollständiger Artikel: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-ukraine-krieg-zeigt-es-gibt-heute-erst-recht-keine-gnade-der-spaeten-geburt

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #kapitalismus #fäulnis #kriegsgetöse #medien #propaganda #heimatfront #wertewesten #faschismus

Noch etwas von Karl-Heinz Dellwo:

Beschleunigte Zerstörung - Eine gleichgültige Classe politique tritt den Marsch in den Abgrund an.

Über den Krieg in der Ukraine, über Bellizismus und die Zukunft des Kapitalismus

Diese Schnelligkeit, mit der hier altnazistische Parolen aktiviert werden und mit der eine politisch mehr oder weniger unbeleckte neue Politik- und Medienkaste, die gerade noch das Loblied des »grünen Kapitalismus« sang, in den Kriegsmodus schalten konnte, verweist auf eine historische Fäulnis des Bisherigen und weckt seltsame Assoziationen zur Vorkriegszeit und zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Als der 1914 begann, öffneten sich alle gesellschaftlichen Schleusen. Schnell waren alle politischen Unterschiede eingeebnet: Bis auf eine marginale Minderheit wollte sich jeder am Krieg beteiligen. Die Sozialdemokraten liefen zum Kaisertum über (und haben sich von diesem Verrat inhaltlich nie wieder erholt). Der Kaiser kannte bekanntlich keine Parteien mehr, sondern nur noch deutsche Vaterlandsverteidiger. Die Jugend orientierte sich an der national-idealistisch mystifizierten Schlacht in Langemarck im November 1914, eine vom deutschen Heer militärisch dümmlich organisierte Kriegsaktion ohne jede Relation zu den erreichbaren Zielen, aber mit großen Opfern – Futter für den verlogenen Patriotismus.

Die 20 Jahre vor Beginn des Ersten Weltkrieges erinnern an die 20 Jahre vor Beginn des neuen Bellizismus heute. Der imperialistische Kaiserstaat dümpelte vor sich hin, die Gesellschaft war öde, eingemottet. Eine Antwort auf die Frage, wie sich die Zukunft gestalten ließe, gab es nicht, da eine Änderung des auf der Dreifaltigkeit von Gott, Kaiser und Vaterland beruhenden Systems hin zu einem modernen Kapitalismus ausgeschlossen schien und sich keine Akteure fanden, um diese umzusetzen. Der Ausbruch des Krieges war das Resultat eines längst vorangeschrittenen Zerfalls. Mariupol ist nur geographisch von Langemarck in Belgisch-Flandern entfernt. Bezogen auf die verlogene Mystifizierung, diesmal nicht durch eine Oberste Heeresleitung, sondern eine NATO-affine Journalistenbrigade in der Etappe, liegen die Orte fast deckungsgleich aufeinander, wobei es gar nicht so leicht ist, aus den Bandera-Faschisten und den aus verschiedenen Ländern hinzugeströmten Rechtsradikalen und Neofaschisten eine politisch-moralisch ansehnliche Kampfgruppe zu machen....
- vollständiger Text: https://www.jungewelt.de/artikel/437750.kaputter-kapitalismus-beschleunigte-zerst%C3%B6rung.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#kultur #politik #literatur #kriegsgetöse #propaganda #geschichtsrevisionismus #faschismus

Und noch etwas zur Kriegspreisverleihung des doitschen Buchhandels. Wieder aus einem Kommunistenblatt:
"Erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt sich wieder eine Bevölkerungsmehrheit offen kriegseuphorisch. Man spricht wieder von »den Russen«, entmenschlichtem Soldatenmaterial im Osten. Die Deutschen sind wieder für den Krieg, aber dieses Mal mit der Gewissheit, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen."

Serhij Zhadan: Ausschwitz, Butscha und die moralisch richtige Kriegseuphorie der deutschen Kulturnation

....»Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frisst auch die Erkenntnis an, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben«, notierte Theodor W. Adorno 1949. »Natürlich ist Dichtung nach Butscha und Isjum weiterhin möglich«, räumte Zhadan in seiner Preisrede ein. Taktil geht der Dichter vor, der Mann der Worte weiß, was er tut. Durch die Betonung der vermeintlichen Differenz stellt er erst seinen Vergleich an: Butscha ist ihm das Auschwitz dieser Tage.

Es sind den Worten kaum Grenzen gesetzt, auch nicht denen aus einer verständlichen Verzweiflung erwachsenen. Und sicher – man muss den Putin’schen Krieg anklagen, seine Beendigung einfordern, jedes einzelne Verbrechen verurteilen, jeden im Kampf begangenen Mord als solchen benennen. Aber die grausamen Massaker in den ukrainischen Ortschaften, die wohl Hunderte Todesopfer gefordert haben, sind nicht wie die Taten in den deutschen Todeslagern. Wir alle wissen, dass ein Krieg nicht ohne zivile Opfer auskommt. Das ist nur ein Kennzeichen seiner spezifischen Barbarei. Aber der industrielle Massenmord durch die deutschen Faschisten beschreibt ein anderes Ausmaß. Er nahm dem zufälligen Sterben im Krieg jene Zufälligkeit, er ließ es planmäßig werden. Die Chiffre Auschwitz steht für einen ungekannten Vernichtungsapparat.

Zhadan ruft das Auschwitz-Gleichnis auf, denn er weiß, was er will: kämpfen, weil er, wie er sagt, den ungerechten Frieden fürchtet. Er möchte nicht über Politik sprechen, er appelliert an die Gefühlswelt seines Publikums. Wer würde Auschwitz nicht verhindern wollen, auch wenn es heute Butscha heißt? Wer würde den Wunsch nach Waffenlieferungen ausschlagen, wenn er von denen geäußert würde, die »ihr Auschwitz« rächen wollen? Wir sind im Reich der Poesie, einer Dichtung, die den Krieg einfordert.

Warum erheben sich die Anwesenden zum Applaus, darunter die Grünen-Politikerinnen Claudia Roth und Kathrin Göring-Eckhardt? Erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt sich wieder eine Bevölkerungsmehrheit offen kriegseuphorisch. Man spricht wieder von »den Russen«, entmenschlichtem Soldatenmaterial im Osten. Die Deutschen sind wieder für den Krieg, aber dieses Mal mit der Gewissheit, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen.
- https://www.nd-aktuell.de/artikel/1167952.serhij-zhadan-geschichte-schreiben-nach-auschwitz.html

Mehr über den Kriegspreisträger, seine Sympathie für die Asows & Co @ https://pod.geraspora.de/posts/15645420