Eine kurze Geschichte über einen Baum
Ich hatte mal eine eigene Eiche. <3
Als Kind habe ich mal bei einem Waldspaziergang eine Tüte voll Eicheln gesammelt, die dann unerwartet zuhause im Kinderzimmer in der feucht-warmen Plstiktüte auf der Heizung keimten.
Eine davon hab ich in einen Blumentopf gesteckt und die Monate danach fasziniert beobachtet, wie ein kleiner Baum entsteht.
Irgendwann wurde die Eiche zu groß für meine Fensterbank und ich habe dann meinen Vater gefragt, ob ich sie in den Garten pflanzen darf. Er stimmte sehr widerwillig zu.
(Wir lebten in einem kleinen alten Einfamilienhaus im Vorort und mein Vater war ein sehr spießiger Mensch, der seine Familie und alles drum herum immer unter voller Kontrolle behalten wollte. Da war eine ungeplante Eiche in "seinem" Garten nicht unbedingt willkommen.)
Ein paar Jahre gingen ins Land und meine Eiche war dann irgendwann so um die fünf Meter hoch geworden - nicht gerade zur Freude meines Vaters; der hätte sie an liebsten entfernt. ("Mein" großer Baum in "seinem" Garten - fast so hoch wie "seine" Tannen!)
Aber auch ich war größer geworden und in meiner rebellischen späten Teenie-Zeit, auf dem Weg zum Punk. So drohte ich meinem Vater dann böse Dinge an, falls er meinem Baum irgendetwas antun sollte.
Er schluckte es, akzeptierte die Eiche und fragte mich in den folgenden Jahren immer um Erlaubnis, wenn 'unser Gärtner' z.B. einen Rückschnitt bestimmter Äste, etc. empfohlen hatte. Ich lebte inzwischen in meiner ersten eigenen Wohnung ein paar Kilometer entfernt von meinem Elternhaus.
Weitere Jahre vergingen und mein Vater verstarb; meine Eiche blieb. Irgendwann lebte dann nur noch meine Mutter allein in diesem Haus mit dem kleinen Garten. Und auch sie fragte immer nach meiner Erlaubnis, wenn "meine" Eiche z.B. gestutzt werden sollte.
Anders als mein Vater verstand sie, daß dieser Baum wichtig für mich war, etwas was ich selber zum Leben erweckt hatte, quasi ein Kind von mir.
Nachdem ein fieser Wintersturm im Winter 2006 über das Land gezogen war, stand meine Eiche bedenklich schief im Garten. Sie wurde dann im Februar 2007 mit meiner Erlaubnis gefällt. (Der 23.2.2007 steht immer noch in meinem "Erinnerungs-Kalender" ;-) )
Auf meinen Wunsch hin wurde dabei ein ca. einen Meter langes Aststück abgesägt, das ich als Erinnerung behalten habe. Es dient seit Langem als Katzen-Kratzbaum.
25 Jahre sind wirklich kein bemerkenswertes hohes Alter für einen Baum; schon gar nicht für eine Eiche. Aber es war meine Eiche, vom kleinen Samen bis zum meterhohen Baum. Ein Viertel Jahrhundert lang.
Das finde ich schön.
Gemäß der uralten Lebensziel-Weisheit für "Männer": 'ein Kind zeugen, ein Haus bauen, einen Baum pflanzen' habe ich jetzt zwei von drei Vorgaben erfüllt.
Einen Baum habe ich gepflanzt, bisher neun Katzen und Hunde aufgenommen. Das zählt für mich beides zu "Kind". Ich muss nicht wirklich ein neues humanoides "Kind" erficken, das in seiner Lebenszeit weiter diesen Planeten zu Grunde richtet.
Es ist okay, wie es jetzt ist.
Ich hatte einen Baum.
#Baum #Eiche