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“… Auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass zeitnah weitere zivile Spitzenposten mit Generälen besetzt werden, ist die Einrichtung des neuen Bund-Länder-Krisenstabes im Kanzleramt mit Beteiligung der Bundeswehr nur ein Vorzeichen für die Dinge, die in den nächsten Monaten und Jahren noch kommen werden. Auf der aktuell noch laufenden Innenministerkonferenz in Stuttgart wird diskutiert, einen dauerhaften Bund-Länder-Krisenstab im Kanzleramt zu installieren, der bei Bedarf aktiviert werden kann. Zudem soll der Bund laut Ampel-Koaltionsvertrag “mehr Verantwortung für den Bevölkerungsschutz übernehmen.” Ein zentrales Element ist der Ausbau des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zu einer bundesweiten Zentralstelle mit einem dort entstehenden Kompetenzzentrum, in dem alle Fäden für den Katastrophenschutz zusammenlaufen sollen. Am Tisch sitzen dann neben Vertreter*innen von Bund, Ländern, dem THW, diverser Hilfsorganisationen und der Polizei auch Soldat*innen der Bundeswehr.
Bundeswehr baut ihr Netzwerk in Inland aus: Die Bundeswehr ist parallel mit dem Umbau ihrer eigenen Strukturen für Inlandseinsätze beschäftigt. Laut dem Eckpunktepapier für die Zukunft der Bundeswehr vom Mai diesen Jahres ist ein eigenes Territorialkommando der Bundeswehr auf höchster Ebene geplant. Mit zwei Lagezentren in Bonn und Berlin sollen von dort aus künftig alle Bundeswehreinsätze in Deutschland, von der Katastrophenhilfe über Terrorabwehr und Manöverunterstützung bis zur Sicherung von Kasernen und Infrastruktur im Kriegsfall geplant werden. In die aktuellen Umbaupläne ist die Reflexion der spontan aufgestellten Führungsstrukturen für den Corona-Einsatz der Bundeswerhr im Verlauf 2020 bereits eingeflossen.
Um die Kommunikation zwischen Bundeswehr und zivilen Katastrophenschutzkräften zu vereinfachen und zugleich zu digitalisieren, arbeitet die Bundeswehr aktuell an einem IT-Vernetzungsprojekt namens Territorial Hub . In der neuen Softwareumgebung sollen alle Akteure, von THW, Feuerwehren und Rettungsdiensten über Polizei, Bundeswehr und andere in Deutschland stationierte Streitkräfte bis zu NGOs vernetzt werden. Trotz unterschiedlicher Computersysteme in den einzelnen Organisationen sollen diese mit einer Art Cloud auch geheime Daten austauschen können und soll eine gemeinsame Einsatzführungssoftware zur Verfügung stehen. Erst 2019 war die Bundeswehr für Aufgaben im Inland in das Digitalfunknetz der zivilen Sicherheitsbehörden mit eingestiegen.
Alles in allem stellt die Bundeswehr mit diesem neuen Projekt das gesamte System des Föderalismus mit der politischen Hoheit der Länder im Katastrophenschutz sowie das Prinzip der Subsidiarität (das besagt, dass die Bundeswehr nur dann im Inland zum Einsatz kommt, wenn der zivile Katastrophenschutz an seine Grenzen kommt) völlig auf den Kopf.
Mit dem Territorial Hub schafft die Bundeswehr eine digitale Infrastruktur, die das Militär dauerhaft und fest in der zivilen Krisenbewältigung verankern soll. Das Ziel dieser Vernetzung ist es allerdings nicht, immer mehr Soldat*innen in Katastrophenschutzeinsätze zu schicken. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bundeswehr versucht bereits jetzt, mehr Einfluss auf den zivilen Katastrophenschutz zu gewinnen, damit diese Strukturen im Ernstfall, im Falle eines Krieges, gut aufgestellt und mit der Bundeswehr vernetzt sind. Nur dann könnten die Zivilen der Bundeswehr und den Armeen der NATO bei ihrem Aufmarsch Richtung Osten den Rücken freihalten. Aber auch für das, was gern als hybrider Krieg bezeichnet wird – die Kriegsführung mit vermeintlich zivilen Mitteln – und die Abwehr entsprechender Angriffe ist eine enge Vernetzung mit den zivilen Sicherheits- und Rettungskräften für die Streitkräfte von großem Vorteil.
Einen General als Leiter eines Bund-Länder-Krisenstabes im Kanzleramt zu haben, der im Rahmen der Impfkampagne Kontakte in alle beteiligten Bundesbehörden, Bundesländer und Kommunen knüpft (wenn diese nicht schon aus seine vorherigen Job bestanden), ist für die Bundeswehr ein gefundenes Fressen. Die Armee wird so noch selbstverständlicher mit der Bewältigung von eigentlich zivilen Krisen verknüpft, gewinnt dabei noch an Image und kann die Militarisierung des Katastrophenschutzes in aller Ruhe fortsetzen oder sogar beschleunigen.”
- Beitrag von Martin Kirsch vom 3. Dezember 2021 als IMI-Standpunkt 2021/062
https://www.imi-online.de/2021/12/03/impfkampagne-mit-general/