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Hartz IV heißt jetzt Twix, ansonsten ändert sich nix

Die Ampelkoalition hat sich am Dienstag mit CDU/CSU auf eine Hartz-IV-Reform verständigt; das Bürgergeld kann kommen. Geändert wird nur der Name. Vom Kernstück der Reform, geringfügigen Verbesserungen im Eingangsbereich der Hartz-IV-Hölle, ist nach der Blockade des Gesetzes durch CDU/CSU im Bundesrat am 14. November so gut wie nichts übriggeblieben.

Das Sanktionsregime soll unverändert bestehen bleiben. Die geplante »Vertrauenszeit« von einem halben Jahr, in der »nur« Terminverstöße mit zehn Prozent Kürzung bestraft werden sollten, ist vom Tisch, erklärten Regierungs- und Unionsparteien am Dienstag. Wer seine Mitwirkungspflichten verletzt, sich also nach Einschätzung des Fallmanagers im Jobcenter nicht eifrig genug um den nächstliegenden Drecksjob bemüht, soll vom ersten Tag an mit zehn Prozent Kürzung bestraft werden. Im zweiten Monat sollen ihm 20 Prozent, ab dem dritten Monat 30 Prozent gestrichen werden. Von einem Existenzminimum wohlgemerkt, das zu tief angesetzt ist. 725 Euro wären das absolute Minimum, zeigen nachprüfbare Berechnungen des Paritätischen Sozialverbands; mit dem Bürgergeld ist eine Erhöhung um 53 auf 502 Euro geplant.

Für reihenweise Hartz-IV-Bezieher wird die Einführung des Bürgergelds sogar eine Verschlechterung bedeuten. In der Coronakrise beschloss die Regierung Merkel (CDU/CSU und SPD) eine Karenzzeit für Hartz-IV-Neuankömmlinge, die zum Jahresende ausläuft. Wer Hartz IV bezieht, muss dank dieser Regelung zwei Jahre lang keinen Zwangsumzug fürchten und kann in dieser Zeit bis zu 60.000 Euro Vermögen behalten. Die Verstetigung der Karenzzeit wäre die zweite Säule des mickrigen Bürgergeld-Gesetzes gewesen, sie wurde in den Verhandlungen mit CDU/CSU noch mal auf halbe Höhe gestutzt. Bürgergeld-Bezieher werden nun also schon nach zwölf Monaten aus Wohnungen fliegen, die für unangemessen erachtet werden. Und sie dürfen auch nicht mehr zwei Jahre lang 60.000 Euro Vermögen behalten, sondern nur ein Jahr lang die Hälfte.

Die Unionsparteien waren es am Dienstag zufrieden. CDU-Chef Friedrich Merz zeigte sich überrascht, zu welch weitgehenden Kompromissen die Ampelregierung bereit gewesen sei. Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, erklärte: »Wir haben in den Verhandlungen schwere Systemfehler im Hartz-IV-Update, das ja missverständlich als Bürgergeld bezeichnet wird, also schwere Fehler im Hartz-IV-Update beseitigen können.«
Merz hatte vor der Einigung in der Pose eines rechten Arbeiterführers nach unten getreten: Jedem Bürgergeld-Bezieher müsse es noch einmal deutlich schlechter gehen als dem ärmsten Niedriglöhner, war sein Mantra. Tatsächlich haben in der Bundesrepublik seit den Hartz-Reformen vor 20 Jahren massenhaft Zeitarbeiter, Minijobber und Scheinselbständige nicht viel mehr auf der Hand als das Nicht-mal-Existenzminimum.

Bundeskanzler Olaf Scholz nahm den Bürgergeld-Kompromiss am Dienstag bei einem »Wirtschaftsgipfel« in Berlin erfreut zur Kenntnis. Man werde »jetzt eine ganz große Sozialreform beschließen«, verkündete der Sozialdemokrat. »Das ist jetzt in einer Art und Weise formuliert worden, wo#, glaube ich jedenfalls, die Regierungsparteien alle drei für sich sagen können: Sie sind damit sehr zufrieden. Ich hoffe, auch die Opposition wird das sagen, und dann ist ja alles okay.« Am Freitag soll das Bürgergeld-Gesetz im Bundesrat verabschiedet werden.
- https://www.jungewelt.de/artikel/439305.sozialpolitik-hartz-iv-hei%C3%9Ft-jetzt-twix.html

Hintergrund: Kapitalismus und Sozialstaat

Ganzheitlich betreut - Von der hohen Kunst, die Vereinbarkeit von Existenzsicherung und Zwang zur Arbeit »zukunftsweisend« und »respektvoll« zu gestalten. Über das »Bürgergeld« (Von Suitbert Cechura)
- https://www.jungewelt.de/artikel/439231.kapitalismus-und-sozialstaat-ganzheitlich-betreut.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

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"Die Ignoranz der Regierenden im Sinne der Herrschenden" oder "Die ganz große Koalition" und das Schweigen der Medien

Reiche gewinnen 649:36

Die ganz große Koalition hat zugeschlagen: 649 Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD, Grünen, FDP und AfD stimmten am vergangenen Donnerstag gegen die Einführung einer Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre. Dabei hatte die Fraktion „Die Linke“, die den entsprechenden Antrag eingebracht hatte, alles versucht, um wenigstens ein paar Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. „Einmalig“ sollte die Abgabe sein und sich an Adenauers Lastenausgleichsgesetz von 1952 orientieren. Auf Hinweise zu den Krisenursachen und zum Wirtschaftskrieg hatte man wohlweislich verzichtet. Stattdessen wurde Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit seiner Forderung zitiert, dass sich „die Gesellschaft in der Krise unterhaken muss“. Sogar die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes sollte der Bundesregierung überlassen werden. Am Ende nutzte es alles nichts: Aus dem Lager der Ampelkoalition kam keine einzige Enthaltung, nur 35 „Linke“ und ein Fraktionsloser stimmten zu.

Die Öffentlichkeit bekam von diesem Beschluss nur wenig mit. Der zaghafte Versuch der Linksfraktion, die wachsenden Vermögen der Krisengewinnler heranzuziehen, war vielen „Leitmedien“ kaum eine Zeile wert. Zu Recht? Wer soll ernsthaft über eine Debatte berichten, in der die Redner der CDU von einer „Mittelstandsvermögensabgabe“ sprachen, während Multi(!)millionäre und Milliardäre gemeint waren? Möglicherweise hat es wirklich keinen Nachrichtenwert, wenn SPD und „Grüne“ mal wieder gegen die eigenen Grundsätze verstoßen und eine Politik verteidigen, die der großen Mehrheit die Taschen plündert. Und es ist schon längst keine Neuigkeit mehr, dass fast alle Parteien im Bundestag zusammenhalten, um den Reichtum der oberen Zehntausend zu schützen.

Ein Zusammenhang wäre aber vielleicht doch noch berichtenswert: Es ist kein Zufall, dass die Ablehnung der Vermögensabgabe und das Gezerre um die kleinen Verbesserungen durch das Bürgergeld den Bundestag zum gleichen Zeitpunkt erreichten. Die Politik, die es den Reichen erlaubt, Kriege zu führen, ohne dafür zu bezahlen, braucht die Spaltung derjenigen, die darunter leiden müssen.
- https://www.unsere-zeit.de/64936-4774567/

Mehr: Bundestag lehnt Vermögens­abgabe für Milliardäre und Multi­millionäre ab @ bundestag.de