#klassenkampf-von-oben

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #bürgergeld #hetze #kürzungen #sanktionen #klassenkampf-von-oben #fakten #solidarität

Butter bei die Fische. Fakten hier:

Mythos »explodierende Bürgergeldkosten«

Nominal, also in absoluten Zahlen, ist zwar der Haushaltsposten für das Bürgergeld leicht gewachsen: Von 22,3 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 25,8 Milliarden Euro 2023 nach Einführung des Bürgergelds und dann auf 29,7 Milliarden Euro 2024. Eine solche nominale Betrachtung ist aber wenig aussagekräftig. Daraus geht nämlich nicht hervor, wie sich in diesem Zeitraum das Preisniveau beziehungsweise die Kaufkraft des Bürgergelds entwickelt hat, also wie viel sich Empfänger von der Leistung kaufen können. Zudem sagt es nichts darüber aus, wie sich die absolute Zahl der Bürgergeldempfänger entwickelt hat. Grundsätzlich gilt: Eine schwächere Wirtschaft führt zu mehr Arbeitslosigkeit und damit zu mehr Bürgergeldempfängern und höheren Haushaltsausgaben. Schaut man sich aber die Entwicklung des Bürgergelds im Verhältnis zum Gesamthaushalt an, entsteht ein anderes Bild als jenes, das die Bürgergeldgegner zeichnen wollen. An der Gewichtung, die die Sozialleistung im Vergleich zu anderen Bundesausgaben bekommt, hat sich nämlich gar nicht sonderlich viel geändert: Von 2022 auf 2023 ist der Anteil nur um einen Prozentpunkt, von 4,6 auf 5,6 Prozent und dann 2024 um 0,5 Prozentpunkte auf 6,1 Prozent gestiegen. 2016, wohlbemerkt als CDU und SPD gemeinsam regierten, lag der Anteil am Gesamthaushalt (damals Hartz IV) sogar noch höher, bei 6,4 und 2017 bei 6,9 Prozent....

»Die Zahlen entziehen der völlig entgleisten Debatte jegliche Grundlage. CDU, AfD und Regierung liegen falsch, wenn sie glauben, den Haushalt mit Kürzungen bei den Ärmsten sanieren zu können.« Das Gegenteil wäre richtig, meint Görke: »Ganz oben, mit dem Geld der Multimillionäre und Milliardäre ließe sich der Haushalt sanieren.«

  • Christian Görke, MdB Die Linke

Bei Bürgergeldempfängern ist von den Erhöhungen seit 2022 in Realität nicht viel angekommen. Weil der Bürgergeldsatz seit 2021 langsamer gestiegen ist als die Inflation, wurde das Bürgergeld erheblich entwertet. Bedeutet: Mit dem gleichen Geld konnte man viel weniger Waren kaufen als vorher. Laut Berechnungen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands erlitt das Bürgergeld 2021, 2022 und 2023 einen Kaufkraftverlust von jeweils 160, 445 und 407 Euro. Demnach hat ein erwerbsloser Single insgesamt also 1012 Euro weniger erhalten, als zur Sicherung des Existenzminimus nötig gewesen wäre. Aufgrund der Leistungserhöhung von 2023 wird sich das Defizit in diesem Jahr zwar verringern, liegt dann aber immer noch bei 867 Euro pro Single-Bürgergeldempfänger. Um den Verlust auszugleichen, wären also eigentlich höhere Ausgaben beim Bürgergeld nötig gewesen.....
- https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185335.sozialausgaben-mythos-explodierende-buergergeldkosten.html

torsten_torsten@opensocial.at

Es gibt einen Teil von mir, der ahnt: die aktuellen Maßnahmen des Innenministeriums zu #Grenzkontrollen sind eine Reaktion auf die #Klimakrise und die prognostizierten #Klimaflüchtlinge. Viele von uns werden nie wieder so frei sein, wie sie es in den 1990ern waren. Viele von uns werden wieder an vielen #Grenzen straucheln, womöglich tödlich.

"Uns" sage ich, weil ich diese Maßnahme als Teil des Klassenkampfs von oben wahrnehme, die sich früher oder später gegen jede und jeden von uns richten werden, die keine Millionen haben, um sich in Sicherheit zu bringen.

#NancyFaeser #FestungEuropa #FriedrichMerz #HerbertReul #bundesinnenministerium #klassenkampf-von-oben #Klassenkampf

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #soziale-frage #geflüchtete #rassismus #klassenkampf-von-oben #noafd #spdcducsufdpgrünebsw

Die soziale Frage wird rassistisch entstellt. Armut, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit sollen nicht als Verteilungsungerechtigkeit zwischen Reichen und Armen, sondern zwischen »Deutschen« und »Fremden« erscheinen. Obwohl die AfD wie keine andere Partei davon profitiert, ist diese Entwicklung nicht ihr Erfolg. Möglich wurde sie durch Bundesregierungen, die zunehmende soziale Verunsicherung konsequent mit einer Politik der Inneren Sicherheit adressiert haben. Kriminalität wurde und wird dabei immer auch kulturalisiert. Restriktive, grundgesetzwidrige Änderungen im Asylrecht werden als vermeintlich wirksame Maßnahmen gegen terroristische Bedrohungen und Kriminalität präsentiert. Und schließlich soll dem so in Gang gesetzten Rechtsruck mit Zugeständnissen an die Rechte begegnet werden, die diese noch weiter stärken. Abschiebungen »in großem Stil« und entsprechende Kooperation mit Islamisten wie den Taliban sind Geländegewinne der Rechten und werden absurderweise als Politik verkauft, die der Gefahr des Islamismus begegnet. Aber auch die Schuldenbremse und ihre kommunalen Auswirkungen bereiten dem rechten Vormarsch den Boden. Statt in Kindergärten, Schulen, Nahverkehr oder Krankenhäuser zu investieren, werden gerade die Kommunen kaputtgespart. An diese Erfahrungen knüpft die extreme Rechte an, wenn sie ihnen vermeintlich hohe Ausgaben für Geflüchtete gegenüberstellt.

Neben konkretem Schutz, breiten Bündnissen und entschlossenem Antirassismus müssen soziale Kämpfe um Wohnen, Arbeiten und Leben organisiert werden, um darin solidarische Ermächtigungserfahrungen zu ermöglichen und Perspektiven zu stärken, die gesellschaftliche Konflikte wieder als das begreifen, was sie sind: Auseinandersetzungen zwischen oben und unten.

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #klassenkampf-von-oben #arbeitsunrecht #journalismus

"Nun, welche Faulpelze könnte man denn noch produktiv einspannen, damit die Wirtschaft ins Laufen kommt? Etwa Journalisten, die so schreibfaul sind, dass sie einfach nur Bloomberg-Texte umformulieren, um Klicks zu generieren? Sollte man diese Leute mit einem Blaumann ausstatten und ans Fließband stellen oder in die Kliniken karren, damit sie dem Pflegemangel Abhilfe schaffen? Wahrscheinlich sind auch diese Schreiberlinge nicht in dem angeblich faulen »Wir« mitgemeint.

In Wahrheit handelt es sich natürlich um eine Ansage an die arbeitende Bevölkerung, die seit über fünfzig Jahren keine nennenswerte Senkung der Wochenarbeitszeit erleben durfte, die derzeit mit Reallohnverlusten zu hadern hat und im vergangenen Jahr über 700 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet hat. Um das noch einmal zu wiederholen: In diesem Land werden 700 Millionen unbezahlte Überstunden in einem Jahr geleistet, und dennoch sind sich Kolumnisten nicht zu blöde, den Mangel an Arbeitsmoral zu beweinen."

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #klassenkampf-von-oben #geflüchtete #sozialleistungsempfänger #bezahlkarte #arbeitsdienst #bürgergeld

Bezahlkarte, Arbeitsdienst: Neue Ausbeutungs­methoden in der Testphase

Erst kommt die Bezahlkarte, jetzt will Christian Herrgott von der CDU Asylsuchende zu schlecht bezahlter Arbeit zwingen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis solche Methoden von den Rändern auf die ganze Gesellschaft ausgeweitet werden.

Deutschland rüstet auf – und das nicht nur militärisch, sondern auch ganz zivil. Das lässt sich derzeit an der drohenden Arbeitspflicht für Asylsuchende ablesen: Nicht nur nach außen wird mit Kriegsschiffen und Panzern ernst gemacht, auch nach innen wird der Wind rauer. Zwar lobt die bundesdeutsche Politik sich gern für ihre Liberalität, derzeit werden aber viele an den Rand gedrängte Gruppen verstärkt in die Mangel genommen – allen voran Geflüchtete.

Aber fangen wir von vorne an: Christian Herrgott, der neue CDU-Landrat im Thüringer Saale-Orla-Landkreis, der sich nur knapp gegen die Konkurrenz der AfD durchsetzen konnte, war bereits im Wahlkampf vor allem dadurch aufgefallen, dass er die AfD rechts überholen wollte. So warb er mit den Versprechen: »Bürgergeld abschaffen. Konsequent abschieben. Windkraft im Wald verhindern.«

Derartige Vorhaben kann man von zwei Seiten beleuchten: Einerseits von der Seite der Machbarkeit. Das Bürgergeld abzuschaffen, ist beispielsweise im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung quasi unmöglich. Immerhin gibt es genug Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die den Staat dabei eingeschränkt haben, Hartz-IV-Sätze künstlich kleinzurechnen oder 100-Prozent-Sanktionen zu verhängen. Und da das Bürgergeld letztlich genau dasselbe ist wie Hartz IV, nur unter anderem Namen, kann man es auch nicht so einfach abschaffen.

"...ein Staat, der geflüchteten Menschen einerseits das Recht verwehrt, einer regulären Erwerbsarbeit nachzugehen, andererseits aber eine solche Arbeitspflicht einführt, verfolgt offenkundig nicht den Zweck, zukünftige »Chancen« zu eröffnen. Stattdessen sollen Arbeitskräfte zweiter Klasse geschaffen werden, deren Schlechterstellung dem rassistischen Gerechtigkeitsideal vieler Deutschen Genüge tut"

Andererseits hat ein solches Wahlversprechen trotz seiner Undurchführbarkeit einen Nutzen, da es die Rachegelüste anspricht, die in der Bevölkerung schwelen. Die bestehenden Ressentiments gegen Arme oder Asylsuchende sollen zumindest eine rhetorische, im »besten Falle« sogar eine politische Befriedigung erfahren. Während die Abschaffung des Bürgergelds realpolitische Schwierigkeiten mit sich bringt, ist es bei Geflüchteten ungleich leichter, sie zu gängeln. Christian Herrgott hat nun vorgelegt: Menschen, die sich auf Asyl bewerben, sollen in seinem Landkreis dazu verpflichtet werden, schlecht bezahlte Arbeiten anzunehmen – für 80 Cent die Stunde dürfen sie dann etwa Hecken schneiden. In guter deutscher Tradition werden hier Menschen zu einer regelrechten Arbeitspflicht verdammt – denn wer sich weigert, diese Schikanen hinzunehmen, muss mit Kürzungen der Sozialleistungen von 180 Euro rechnen.

Geistige Fürsprecher für derartige Widerwärtigkeiten gibt es genug: Etwa in der Ökonomenzunft, wo ein Professor aus der Provinz nicht hören mag, dass es hier unfair zugeht: »Hecken schneiden eröffnet keine Chancen? Aber den ganzen Tag in der Unterkunft abhängen schon? Da kommen nicht lauter Ärzte und Ingenieure, tatsächlich wird Heckenschneiden u.ä. für viele der einzige Einstieg in den hiesigen Arbeitsmarkt sein.«

So viel geistige Verrenkung schaffen wirklich nur Vulgärökonomen: Denn ein Staat, der geflüchteten Menschen einerseits das Recht verwehrt, einer regulären Erwerbsarbeit nachzugehen, andererseits aber eine solche Arbeitspflicht einführt, verfolgt offenkundig nicht den Zweck, zukünftige »Chancen« zu eröffnen. Stattdessen sollen Arbeitskräfte zweiter Klasse geschaffen werden, deren Schlechterstellung dem rassistischen Gerechtigkeitsideal vieler Deutschen Genüge tut.

In dieselbe Kerbe schlägt auch die Bezahlkarte für Asylsuchende: Auch hier geht es um eine Schlechterstellung von Menschen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Die Freiheit, sich das Geld nach eigenem Gutdünken einzuteilen – eine Freiheit, die übrigens auch die Ärmsten in Deutschland bislang haben –, wird hier beschnitten. Dass einige in der FDP nun schon darüber nachdenken, ähnliche Konstrukte für Deutsche einzuführen, die Sozialleistungen empfangen, ist dann eigentlich nur der nächste logische Schritt:

Wenn die ärmste Gruppe – nämlich Geflüchtete und Migrantinnen – abgefrühstückt sind, dann dürfen als nächstes die hiesigen Armen die geballte Kälte des Staates spüren.

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #klassenkampf-von-oben #diskriminierung

"Die Bezahlkarten erfüllen ein rein ideologisches Bedürfnis: den Wunsch nach sozialer Grausamkeit, den pyramidalen Sadismus der Klassengesellschaft. Er basiert auf einem pervertierten Gerechtigkeitsempfinden: Mir geht es nicht gut, deswegen muss es Leute geben, denen es noch schlechter geht. Eben erst hat ein CDU-Mann Asylbewerber:innen zur Zwangsarbeit verdonnert, zum Stundenlohn unter einem Euro. Jetzt soll die Gesellschaft auch bestimmen, was diese Menschen konsumieren dürfen. Mit Bezahlkarten werden sie effektiv vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen – was man ihnen dann wieder zum Vorwurf machen kann, denn sie integrieren sich ja nicht! [...] es ist ein Instrument, das so alt ist wie der Kapitalismus: die Kriminalisierung von Bedürftigkeit, die Policierung der ohnehin Schwächsten."

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #soziale-frage #bürgergeld #sanktionen #hetze #klassenkampf-von-oben

Schikane für Dich

Die SPD meint wohl, sie hat genug respektiert. Jetzt zückt sie die Sanktionspeitsche gegen Arbeitslose.

Mit Respekt hat die SPD Wahlkampf gemacht. Jetzt wollen sie den Arbeitslosen, die nicht den erstbesten Job annehmen, sogar das Geld zum Essen streichen. Wenn Arbeitslose das erste Jobangebot ablehnen, soll ihnen das Bürgergeld für mehrere Monate von 563 Euro auf 0 Euro gekürzt werden können. Wohnungsmiete und Heizung sollen weiter übernommen werden, Lebensmittel und Klopapier hingegen nicht. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil möchte uns das sogar als Chance für die Menschen und als Mitwirkungspflicht verkaufen. Doch das ist in allererster Linie menschenverachtend und keine Chance.

Legitimiert wird diese Politik aus einer angeblichen Finanzierungsnot der Ampel. Diese ist natürlich selbstverschuldet. Denn die Ampel muss sich nicht an die Schuldenbremse klammern, die Superreichen schützen oder Milliarden in Aufrüstung stecken – dies sind politische Entscheidungen, die sie freiwillig trifft, und keine Sachzwänge.

Aber selbst unter diesen irrsinnigen Prämissen geht es bei den Vollsanktionen um läppische 170 Millionen Euro jährlich. Das sind in Anbetracht des Gesamthaushalts von rund 450 Milliarden Euro Peanuts. Aberwitzig, dass man dafür solche menschenverachtenden Eingriffe in Kauf nimmt. Es gibt hunderte andere Reformen, die ein ähnliches Volumen gebracht hätten, ohne arbeitslose Menschen zu schikanieren.

Im Endeffekt sind von den 3,9 Millionen Menschen, die erwerbsfähig sind und Bürgergeld empfangen, nur 23.400 Personen mit Sanktionen wegen mangelnder Mitwirkung belegt. Das sind 0,6 Prozent. Und da sind auch noch Menschen bei, die psychische Störungen, Suchtkrankheiten oder andere schwere Schicksale haben. Real geht es also um wenige Tausend Menschen in einem Land von über 80 Millionen. Kein großes gesellschaftliches Problem, wie es so oft beschworen wird – doch ein umso größeres Problem für jene Betroffenen, die in Zukunft unter dieser SPD-Politik leiden werden.

Doch diese Politik hat noch einen anderen Sinn. Sie ist ein Angriff auf die gesamte Arbeiterschaft. Jene, die im Niedriglohnsektor arbeiten, sollen dazu diszipliniert werden, ihren Ausbeutungsjob trotz schlechtem Lohn und Umständen weiterzumachen. Wenn sie nicht sofort in den nächsten Ausbeutungsjob wechseln, droht ihnen ansonsten, dass sie nicht mal mehr Geld für Lebensmittel bekommen. Das zieht das ganze Lohngefüge nach unten und schwächt die Verhandlungsmacht der Arbeiterschaft, wodurch im Endeffekt die große Mehrheit der Menschen verliert und das Kapital gewinnt.

Aber ganz ehrlich: Man braucht sich nicht zu wundern. Hubertus Heil und Olaf Scholz waren Gerhard Schröders Agenda-Soldaten. Heil war Mitglied im Fraktionsvorstand der SPD, Scholz der Generalsekretär. Schröders Schüler zücken nun die Peitsche noch viel härter als ihr Lehrer.
- https://jacobin.de/artikel/spd-hubertus-heil-buergergeld-sanktionen

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #klassenkampf-von-oben #steuerflucht #kapitalismus

"Beihilfe zur Steuerflucht": Empörung nach ZDF-Enthüllung zu Superreichen

Recherchen des ZDF über eine Beamtin des Finanzministeriums, die Reichen beim Steuersparen hilft, sorgen für Empörung in Berlin. Auch das Ministerium prüft nun Konsequenzen.

Recherchen des ZDF belegen, wie eine Top-Beamtin aus dem Bundesfinanzministerium Superreichen beim Steuersparen hilft - Ministerialrätin Gerda Hofmann nahm als Rednerin bei einer Veranstaltung teil, auf der Tipps zur Steuervermeidung für sehr vermögende Menschen präsentiert wurden. Diese Enthüllungen sorgten am Dienstag für Empörung und heftige Kritik.
Das von der FDP geführte Bundesfinanzministerium prüft nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters inzwischen Konsequenzen gegen die Steuerbeamtin. Weitere Fragen des ZDF wollte das Ministerium jedoch zunächst nicht beantworten. Vertreter der Opposition im Bundestag und sogar von Regierungsparteien zeigen sich nach Veröffentlichung des Falls entrüstet und fordern Konsequenzen, ähnlich äußerten sich lobbykritische Verbände und Initiativen. ZDFheute hat die Reaktionen gesammelt.....

"Das ist Beihilfe und Anleitung zur Steuerflucht. Wie soll man einen Sumpf austrocknen, wenn die Frösche im zuständigen Ministerium sitzen?"

  • Janine Wissler, Vorsitzende der Partei Die Linke

Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/superreiche-steuern-tricks-opposition-reaktionen-100.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #geschichte #kapitalismus #konterrevolution #neoliberalismus #putsch #folter #mord #klassenkampf-von-oben #usa #wertewesten

11.9.73: Allendes letzten Worte

Radio Magallanes, 11.9.1973, 11.00 Uhr Lokalzeit

Heute am 11. September jährt sich zum 50. Mal der Putsch gegen den sozialistischen Präsident Chiles, Salvador Allende , durch faschistische Kräfte um den chilenischen General Augusto Pinochet und mit Unterstützung des CIA. Im Zuge der Machtübernahme durch das Militär starben laut Amnesty International bis zu 30.000 Menschen. Wir dokumentieren an dieser Stelle die letzte Rede Salvador Allendes, die er hielt, während faschistische Kräfte den Präsidentenpalast und die Radiostation stürmten.

Salvador Allende am 11. September 1973, 11.00 Uhr in der Radiostation Magellan:

Es ist sicherlich das letzte Mal, dass ich mich an euch wende. Die Luftstreitkräfte haben die Sendeanlagen von Radio Portales und Radio Corporacion bombardiert. Meine Worte sind nicht von Bitternis geprägt, sondern von Enttäuschung. Sie sind auch die moralische Züchtigung derjenigen, die den Eid, den sie geleistet haben, gebrochen haben: Soldaten Chiles, amtierende Oberbefehlshaber und Admiral Merino, der sich selbst ernannt hat, der verachtungswürdige General Mendoza, der noch gestern der Regierung seine Treue und Loyalität bezeugte und sich ebenfalls selbst zum Generaldirektor der Carabineros ernannt hat. Angesichts solcher Tatsachen kann ich den Werktätigen nur eines sagen: Ich werde nicht zurücktreten.

In eine historische Situation gestellt, werde ich meine Loyalität gegenüber der Bevölkerung mit meinem Leben bezahlen. Und ich kann euch versichern, dass ich die Gewissheit habe, dass nichts verhindern kann, dass die von uns in das edle Gewissen von Tausenden und Abertausenden Chilenen ausgebrachte Saat aufgehen wird. Sie haben die Gewalt, sie können zur Sklaverei zurückkehren, aber man kann weder durch Verbrechen noch durch Gewalt die gesellschaftlichen Prozesse aufhalten. Die Geschichte gehört uns, es sind die Völker, die sie machen.

Werktätige meines Vaterlandes! Ich möchte euch danken für die Loyalität, die ihr immer bewiesen habt, für das Vertrauen, das ihr in einen Mann gesetzt habt, der nur der Dolmetscher der großen Bestrebungen nach Gerechtigkeit war, der sich in seinen Erklärungen verpflichtet hat, die Verfassung und das Gesetz zu respektieren, und der seiner Verpflichtung treu war. Dies sind die letzten Augenblicke, in denen ich mich an euch wenden kann, damit ihr die Lehren aus den Ereignissen ziehen könnt.

Das Auslandskapital, der mit der Reaktion verbündete Imperialismus haben ein solches Klima geschaffen, dass die Streitkräfte mit ihren Traditionen brechen, mit den Traditionen, die ihnen von General Schneider gelehrt und von Kommandant Araya bekräftigt wurden. Beide wurden Opfer derselben Gesellschaftsschicht, der gleichen Leute, die heute zu Hause sitzen in Erwartung, durch Mittelsmänner die Macht zurückzuerobern, um weiterhin ihre Profite und ihre Privilegien zu verteidigen. Ich wende mich vor allem an die bescheidene Frau unserer Erde, an die Bäuerin, die an uns glaubte, an die Arbeiterin, die mehr arbeitete, an die Mutter, die unsere Fürsorge für die Kinder kannte. Ich wende mich an die Angehörigen der freien Berufe, die eine patriotische Verhaltensweise zeigten, an diejenigen, die vor einigen Tagen gegen den Aufstand kämpften, der von den Berufsvereinigungen, den Klassenvereinigungen angeführt wurde. Auch hierbei ging es darum, die Vorteile zu verteidigen, die die kapitalistische Gesellschaft einer kleinen Anzahl der Ihrigen bietet. Ich wende mich an die Jugend, an diejenigen, die gesungen haben, die ihre Freude und ihren Kampfgeist zum Ausdruck brachten. Ich wende mich an den chilenischen Mann, an den Arbeiter, an den Bauern, an den Intellektuellen, an diejenigen, die verfolgt werden, denn der Faschismus zeigt sich bereits seit vielen Stunden in unserem Land: in den Terrorattentaten, in den Sprengungen von Brücken und Eisenbahnen, in der Zerstörung von Öl- und Gasleitungen. Angesichts des Schweigens … [von Bombendetonationen übertönt] … dem sie unterworfen waren. Die Geschichte wird über sie richten.

Radio Magallanes wird sicherlich zum Schweigen gebracht werden, und der ruhige Ton meiner Stimme wird euch nicht mehr erreichen. Das macht nichts, ihr werdet sie weiter hören, ich werde immer mit euch sein, und ich werde zumindest die Erinnerung an einen würdigen Menschen hinterlassen, der loyal war hinsichtlich der Loyalität zu den Werktätigen.

Die Bevölkerung muss sich verteidigen, aber nicht opfern. Die Bevölkerung darf sich nicht unterkriegen oder vernichten lassen, sie darf sich nicht demütigen lassen.

Werktätige meines Vaterlandes! Ich glaube an Chile und sein Schicksal. Es werden andere Chilenen kommen. In diesen düsteren und bitteren Augenblicken, in denen sich der Verrat durchsetzt, sollt ihr wissen, dass sich früher oder später, sehr bald, erneut die großen Straßen auftun werden, auf denen der würdige Mensch dem Aufbau einer besseren Gesellschaft entgegengeht. Es lebe Chile! Es lebe die Bevölkerung! Es leben die Werktätigen! Das sind meine letzten Worte, und ich habe die Gewissheit, dass mein Opfer nicht vergeblich sein wird. Ich habe die Gewissheit, dass es zumindest eine moralische Lektion sein wird, die den Treuebruch, die Feigheit und den Verrat verurteilt.

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#musik #politik #geschichte #kapitalismus #konterrevolution #neoliberalismus #putsch #folter #mord #klassenkampf-von-oben #usa #wertewesten

11.9.73: Floh de Cologne - Mumien – Kantate für Rockband

  • Floh de Cologne benennen im Oratorium »Mumien« (1974) die Hintergründe und Folgen des 11. Septembers 1973. Floh de Cologne führen Salvador Allendes letzte Rede auf. Der faschistische Putsch in Chile versetzt die fortschrittliche Welt in einen tagelangen Schockzustand und löst – nach Vietnam – eine zweite internationale Welle der Solidarität aus, die dann mit der portugiesischen Nelkenrevolution 1974 ihren vorerst letzten Höhepunkt erleben sollte.
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Die langen Wellen der Konterrevolution

Mit dem Putsch von 1973 wurde der Neoliberalismus in Chile gewaltsam installiert. Das wirkt bis heute nach (Von Frederic Schnatterer)

Im November 2021 gab sich der damalige Präsidentschaftskandidat Gabriel Boric kämpferisch. »Wenn Chile die Wiege des Neoliberalismus in Lateinamerika war, dann wird es auch sein Grab sein«, erklärte der Politiker des Frente Amplio zuversichtlich. Mit dem Slogan ließ sich zu der Zeit durchaus Wahlkampf machen. Nur etwas mehr als ein Jahr zuvor hatte sich eine überwältigende Mehrheit in einem Referendum für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung ausgesprochen, die die alte, noch aus der Militärdiktatur stammende ersetzen sollte. Im Mittelpunkt der Massenproteste von 2019 stand die Kritik an der großen Ungleichheit im Land – eine Folge des Neoliberalismus, dessen Ursache wiederum in der geltenden Verfassung gesehen wurde.

Heute ist Boric Staatschef des südamerikanischen Landes, eine Abkehr vom neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell ist allerdings nicht absehbar. Am 4. September 2022 votierten 62 Prozent der Wähler gegen einen zuvor von einem Konvent ausgearbeiteten Verfassungsentwurf, der einen deutlichen Bruch mit dem gültigen Text bedeutet hätte. Anfang Juni 2023 legte eine sogenannte Expertenkommission nach dreimonatiger Arbeit einen neuen Entwurf vor. Auf dieser Grundlage macht nun ein Verfassungsrat weiter, dessen Mitglieder im Mai gewählt worden waren. Er wird von der Rechten dominiert, allein der Partido Republicano, dessen Vorsitzender José Antonio Kast mehrfach öffentlich seine Bewunderung für den ehemaligen Diktator Augusto Pinochet ausgedrückt hat, verfügt über 22 der 51 Sitze.

Die Verfassung, die ersetzt werden soll, stammt aus dem Jahr 1980. Trotz Veränderungen, die in den Jahren 1989 und 2005 vorgenommen worden waren, hat sich ihr grundsätzlicher Charakter bis heute nicht geändert. Ihre Geschichte reicht jedoch weit vor das Jahr 1980 zurück und ist untrennbar mit dem Militärputsch gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende am 11. September 1973 verbunden. Zwar war der Staatsstreich kein Teil eines neoliberalen Masterplans. Trotzdem schuf er die Voraussetzungen für die Implementierung des heutigen chilenischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells.

Im September 1970 hatte Allende als Kandidat des Linksbündnisses Unidad Popular (UP) mit 36,6 Prozent einen knappen Vorsprung bei den Präsidentschaftswahlen erlangt und war dann vom Parlament gewählt worden. Sein Versprechen eines »demokratischen Wegs zum Sozialismus« umfasste die Vertiefung dreier Kernvorhaben, die bereits von vorherigen Regierungen angestoßen worden waren. So sollten Schlüsselindustrien verstaatlicht, die unter seinem Vorgänger Eduardo Frei begonnene Landreform vertieft und mittels Sozialprogrammen der gesellschaftliche Reichtum umverteilt werden. Diese Maßnahmen sollten mit einer Umgestaltung des Staates hin zu einem »Estado Popular« einhergehen – einer Gesellschaft, in der die Macht tatsächlich vom Volke ausgeht.

Chicago Boys und Staatsterror

Kapitaleigner und Großgrundbesitzer setzten seit Tag eins der Regierung Allende auf deren Destabilisierung. Dabei konnten sie auf die tatkräftige Unterstützung Washingtons zählen. Bereits 1970 hatte US-Präsident Richard Nixon die CIA angewiesen, die chilenische Wirtschaft »zum Schreien zu bringen«, wie aus lange unter Verschluss gehaltenen Geheimdokumenten hervorgeht. Auf Druck der USA wurde die Allende-Regierung von der Kreditvergabe der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank ausgeschlossen. Zudem blockierte die Nixon-Administration die Umschuldung von chilenischen Verbindlichkeiten im Ausland. So wurden die Produktivität gedrosselt, Investitionen erschwert und die chilenische Wirtschaft von den internationalen Märkten abgeschnitten. Die Folge: eine schwere Wirtschaftskrise, die 1973 ihren Höhepunkt erreichte.

Für die chilenische Rechte wurden mit dem Amtsantritt von Allende und dessen Unidad Popular die schlimmsten Alpträume wahr. Sie begann sich zu radikalisieren. Bei immer größeren Teilen der Bourgeoisie sowie rechtskonservativer Kreise bildete sich die Überzeugung heraus, ein »radikaler Bruch« mit der Regierung sei notwendig – worunter immer häufiger auch ein Militärputsch verstanden wurde. Zum »radikalen Bruch« gehörte ebenfalls mehr und mehr der Wunsch, die Wirtschaft wie die gesamte chilenische Gesellschaft konterrevolutionär umzugestalten.

Diese sich bei den Mächtigen langsam durchsetzende Haltung schuf für eine Gruppe chilenischer Ökonomen – die sogenannten Chicago Boys – beste Voraussetzungen für ihre Überzeugungsarbeit. Sie konnten so ihren Einfluss in wichtige Kreise der chilenischen Gesellschaft ausdehnen. 1956 hatte die School of Economics der Chicago University eine Kooperationsvereinbarung mit der Pontificia Universidad Católica de Chile (PUC) abgeschlossen. Die beinhaltete unter anderem ein Austauschprogramm für Professoren sowie ein Stipendienprogramm für chilenische Studenten, die an die US-Hochschule geschickt wurden. Die Universität in Chicago, an der seit 1946 Milton Friedman lehrte, galt bereits damals als führend für das globale neoliberale Projekt.

Finanziert wurde die Vereinbarung über Umwege von der US-Regierung, die den zu der Zeit in Chile vorherrschenden strukturalistisch bis marxistisch geprägten Wirtschaftswissenschaften eine Ideologie des freien Marktes entgegenstellen wollte. Anfangs beschränkte sich ihr Einfluss jedoch auf die recht unbedeutende Wirtschaftsfakultät der PUC sowie einige wenige Unternehmer. Das änderte sich erst mit dem Amtsantritt von Allende, als die von den Chicago Boys vorgeschlagenen »Korrekturmaßnahmen« allmählich in immer größeren Kreisen der Rechten opportun erschienen. Ihrer antikommunistischen Hoffnung entsprechend sollte mit den Maßnahmen nicht nur die UP-Regierung gestürzt, sondern es sollten auch sozialistische Ideale schnell und endgültig ausgerottet werden – eine Konterrevolution des Kapitals.

Bereits direkt mit dem Putsch am 11. September 1973 bauten die neoliberalen Wirtschaftsideologen der Chicago Boys enge Beziehungen zum Militäregime auf. Am 14. September berief Marineadmiral José Toribio Merino, der nach dem Staatsstreich der Junta angehörte, Sergio de Castro zum Berater des Wirtschaftsministers. Der führende Chicago Boy sollte später selbst das Wirtschafts- sowie das Finanzministerium unter Pinochet leiten. Schon am 12. September, nur einen Tag nach dem Putsch, hatte die Gruppe der Junta ihre Studie »El Ladrillo« (Backstein) ausgehändigt. Die Aufsatzsammlung gilt als Grundlage vieler wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die während der Militärdiktatur in die Realität umgesetzt wurden.

Zur Rechtfertigung des Staatsstreichs diente die Legende, Chile müsse vor den »sozialistischen Experimenten« der Unidad Popular gerettet werden. So wiederum wurden alle folgenden Verbrechen und Verletzungen der Menschenrechte als »notwendige Übel« legitimiert. Eine wirtschaftliche Modernisierung des Landes wurde als dringend geboten dargestellt, eine Ablehnung jeglicher staatlicher Regulierungsmaßnahmen mit einbegriffen. Über ein klar definiertes Wirtschaftsprogramm verfügten die Putschisten nach dem Staatsstreich allerdings zunächst nicht. Ziel war vorerst, »das Fortschrittsniveau wiederzuerlangen, das unser Land hatte und das von der marxistischen Regierung von Allende drei Jahre lang gestoppt und untergraben worden ist«, wie Pinochet selbst erklärte.

Eine notwendige Voraussetzung dafür war der organisierte Staatsterror, der gegen Anhänger der UP-Regierung, andere Linke und insgesamt die organisierte Arbeiterschaft vom Zaun gebrochen wurde. Er erst ermöglichte, dass Chile zum »Labor des Neoliberalismus« wurde. 1975 nahm die Junta den »Plan de Recuperación Económica« (Plan zur wirtschaftlichen Erholung) an – die »Schocktherapie«, die Friedman für Chile gefordert hatte. Fast zwei Jahrzehnte nach Beginn des Austauschprogramms zwischen der Pontificia Universidad Católica und der Chicago University bot sich nun die Möglichkeit, nicht nur mit den unter der Unidad Popular gemachten Fortschritten aufzuräumen, sondern sogleich die seit Jahrzehnten im Land wirksamen Beschränkungen für die Wirtschaft aus dem Weg zu räumen. Dank der Diktatur war keinerlei Gegenwehr von Arbeiterorganisationen zu befürchten.

Die neoliberalen Vorgaben – Privatisierungen, Deregulierungen und drastische Einschnitte bei Staats- und insbesondere Sozialausgaben – wurden in die Praxis umgesetzt. Zu den Maßnahmen gehörten die Privatisierung praktisch aller zuvor staatlichen Unternehmen, Banken und Versorgungseinrichtungen, die radikale Reduzierung von Zöllen sowie die brutale Kürzung öffentlicher Ausgaben. Zwischen 1973 und 1979 strich die Junta ihre Ausgaben von 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 26 Prozent zusammen. Große Teile des Bildungs-, des Renten- sowie des Gesundheitssystems wurden privatisiert – und sind es bis heute. Im Jahr 1980 befanden sich von 400 Unternehmen, die zum Zeitpunkt des Putsches staatlich gewesen waren, nur noch 15 in öffentlicher Hand. Die an den Schaltstellen in zahlreichen Ministerien sitzenden Chicago Boys hatten freie Hand.

Die Pinochet-Verfassung

Nur wenige Tage nach dem Staatsstreich erhielt der rechtskonservative Jurist Jaime Guzmán, ebenfalls von der PUC, den Auftrag, eine Verfassung für die Militärjunta auszuarbeiten. Später wurde eine Kommission gegründet, der weitere ultrarechte Intellektuelle und Politiker angehörten. Nach fünfjähriger Arbeit präsentierten die Mitglieder der sogenannten Comisión Ortúzar am 17. Oktober 1978 einen ersten Verfassungsentwurf. Nach weiterer Revision durch die Militärjunta wurde die Konstitution am 11. September 1980 in einer keineswegs freien Volksabstimmung angenommen.

Die Pinochet-Verfassung bildet die Grundlage des bis heute in Chile herrschenden neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells. Sie legt fest, dass die Rolle des Staates auf ein Minimum reduziert ist und garantiert Kapitalinteressen Vorrang gegenüber sozialen Grundrechten. So wie das Individuum in nahezu allen Lebensbereichen auf seine Rolle als Wirtschaftsakteur reduziert wurde, »atomisierte« sich die chilenische Gesellschaft. Darüber hinaus bestand die Funktion der Verfassung von 1980 auch darin, den Bestand der nach 1973 eingeführten Ordnung auch über das formale Ende der Diktatur hinaus zu garantieren. So setzt sie demokratischen Veränderungsmöglichkeiten enge Grenzen. Sie schuf Institutionen und Mechanismen, die es Diktaturanhängern und anderen Rechten ermöglichen, grundlegendere Reformen des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu blockieren. Hierin liegt ihr bis heute wirkmächtiges Erbe: Die Verfassung zementiert das neoliberale Politikverständnis, das allen demokratischen Mechanismen grundsätzlich misstraut.

Auch wenn die internationale Rechte die Auswirkungen des neoliberalen Umbaus Chiles in höchsten Tönen lobte: Von einem »ökonomischen Wunder« – den Begriff prägte Friedman in bezug auf die chilenische Entwicklung am 25. Januar 1982 in seiner Kolumne in Newsweek – kann keine Rede sein. Mit der Wirtschaftsleistung des Landes ging es bergab. Leidtragende waren die Beschäftigten, Frauen und Kleinbauern. Zwischen 1973 und 1980 sank der Durchschnittslohn eines Arbeiters um 17 Prozent. Die Erwerbslosenquote stieg rapide an und erreichte 1982 fast 30 Prozent. Als Chile 1990 formal zur bürgerlichen Demokratie zurückkehrte, lebten selbst nach offiziellen Angaben rund 45 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Die reichsten zehn Prozent hatten ihr Vermögen während der Militärdiktatur indes fast verdoppeln können.

Massenverarmung und stetig wachsende Ungleichheit führten zu immer mehr Protesten, insbesondere infolge der Schuldenkrise 1982, die auch Chile hart traf. Die Verfassung von 1980 sah die Möglichkeit vor, 1988 mittels eines Referendums darüber abstimmen zu lassen, ob Pinochet weitere acht Jahre an der Macht bleiben solle. Trotz des eindeutigen »Nein« im Plebiszit und des Sieges einer »Mitte-links«-Koalition – der sogenannten Concertación – bei den Wahlen im folgenden Jahr blieben grundsätzliche Veränderungen am neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell aus. Vielmehr passten die folgenden Concertación-Regierungen nach 1990 das vorherrschende Modell an den neuen institutionellen Rahmen an. Manche Beobachter sprechen daher davon, dass es so gefestigt wurde.

Das Erbe der Junta

Das Ende der Pinochet-Diktatur wurde auf einem von der Militärjunta selbst konzipierten Wege erreicht. Auch deswegen geriet ihr Erbe in den Folgejahren nie ernsthaft in Gefahr – trotz vereinzelter größerer Mobilisierungen beispielsweise von Studierenden oder der Bewegung gegen das private Rentenversicherungssystem AFP. Das änderte sich erst mit der »sozialen Revolte« von 2019, als innerhalb weniger Wochen Hunderttausende auf die Straßen gingen, sich in Stadtteilkomitees organisierten und über alternative Gesellschaftsentwürfe diskutierten. Sie hatten das neoliberale Modell als Ursache für die extremen sozialen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in Chile erkannt. Plötzlich schien es, als stünde der Neoliberalismus in Chile unmittelbar vor seinem Ende.

Das böse Erwachen kam mit dem eindeutigen Nein zum ausgearbeiteten Verfassungsentwurf am 4. September 2022. Chiles Staatspräsident Boric, der gemeinsam mit der Kommunistischen Partei regiert, ist heute weit davon entfernt, den Neoliberalismus zu Grabe zu tragen. Zwar wird die Verfassung von 1980 durch eine neue ersetzt werden. Dass sich die neue Konstitution allerdings grundlegend vom aktuell gültigen Text aus der Pinochet-Diktatur unterscheiden wird, ist unwahrscheinlich. Angesichts der im Konvent herrschenden Dominanz rechter Abgeordneter ist es sogar gut möglich, dass die Chileninnen und Chilenen am 17. Dezember über einen noch reaktionäreren Entwurf abstimmen müssen. Die Konterrevolution, die die Allende-Regierung stürzte, ist heute noch nicht beendet.

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #geschichte #kapitalismus #konterrevolution #neoliberalismus #putsch #folter #mord #klassenkampf-von-oben #usa #wertewesten

11.9.73: Globale Konterrevolution

Verdichtung von Raum und Zeit. Zur Bedeutung des Putsches in Chile (Von Daniel Bratanovic)

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mussten die Zeitgenossen durchaus den Eindruck haben, dass sich nicht der Kapitalismus, sondern der Sozialismus in der Offensive befindet. Genossen hierzulande berichten, wie sie auf Weltkarten, die in den Parteibüros hingen, alle jene Länder mit roten Fähnchen markierten, die sich zu einem sozialistischen Entwicklungsweg bekannten. Es wurden ihrer immer mehr.

Ein erheblicher Teil der nachkolonialen Staaten Afrikas, viele Länder des arabischen Raums und nicht wenige Nationen Asiens schlugen diese Richtung ein. In Kuba hatten 1959 Guerilleros mit Fidel Castro und Che Guevara an der Spitze den mit Washington verbündeten Diktator Fulgencio Batista verjagt und alsbald begonnen, die Niederlassungen von US-amerikanischen Unternehmen zu verstaatlichen. Nachdem 1970 Salvador Allende, der Kandidat des Volksfrontbündnisses Unidad Popular, zum Präsidenten gewählt worden war, stellte die neue Regierung in Chile ebenfalls die Eigentumsfrage, nationalisierte die Kupferminen und enteignete chilenische Unternehmen in der Hand von US-Konzernen.

Die Beseitigung der sozialistischen Regierung in Chile am 11. September 1973 und der Aufbau eines faschistischen Terrorapparats – übrigens mit Unterstützung alter Nazis, die nach 1945 entkommen waren –, der Oppositionelle gnadenlos jagte und ermordete, waren ein schwerer Schock für das Lager der Fortschrittsleute, aber in der zeitgenössischen Wahrnehmung noch lange nicht das Ende. Kein Jahr später machten progressive Offiziere unter dem Jubel der Massen Schluss mit der Salazar-Diktatur. Portugals Nelkenrevolution im April 1974 entließ dann rasch Guinea-Bissau, Angola und Mosambik aus der kolonialen Beherrschung. Die dortigen antikolonialen Befreiungsbewegungen optierten für eine sozialistische Orientierung. 1978 eroberte die Demokratische Volkspartei in Afghanistan die Macht, 1979 stürzte in Nicaragua die Sandinistische Befreiungsfront den Diktator Somoza, im gleichen Jahr übernahm eine nationalrevolutionäre Partei die Macht im karibischen Inselstaat Grenada.

Noch bis zum Ende des Jahrzehnts konnten die Genossen also weitere Fähnchen auf ihre Weltkarten stecken und schienen begründeten Anlass zu den schönsten Hoffnungen auf einen Planeten ohne Ausbeutung zu haben. Was sie damals kaum wissen konnten: Die Welle revolutionärer Erschütterungen brach genau zu jener Zeit. Der real existierende Sozialismus war auf eine abschüssige Bahn geraten, seine Krise jedoch anfangs, zu Beginn der 70er Jahre, lediglich latent und daher nur schwer erkennbar.

Das Jahr 1973 markierte mit der Zerstörung des 1944 geschaffenen Weltwährungssystems, der Durchsetzung marktradikaler Strategien bzw. einer Zurückdrängung des staatlichen Einflusses auf die Wirtschaft einen epochalen Wendepunkt, eine neue Periode in der Geschichte des Kapitalismus wurde eingeleitet.

Der Putsch in Chile und seine Folgen allerdings erweisen sich in der Rückschau von einem halben Jahrhundert als sehr viel bedeutungsschwerer denn als bloßer Dämpfer für eine Welt auf dem Weg zum Sozialismus. Das Jahr 1973 markierte mit der Zerstörung des 1944 geschaffenen Weltwährungssystems, der Durchsetzung marktradikaler Strategien bzw. einer Zurückdrängung des staatlichen Einflusses auf die Wirtschaft einen epochalen Wendepunkt, eine neue Periode in der Geschichte des Kapitalismus wurde eingeleitet. Vor dem Hintergrund der damals gerade in Gang gesetzten »dritten industriellen Revolution« in der Informationstechnologie hob ein Zeitalter an, das bisweilen – ungenau genug – neoliberale Globalisierung genannt wird.

Was auch immer sonst damit bezeichnet ist, diese Wende bedeutete eine Zurückdrängung der Macht der Lohnabhängigen in der gesamten kapitalistischen Welt, und in dieses Zeitalter fällt auch der Untergang der sozialistischen Staaten. Dieser Umschlag im Weltmaßstab verdichtet sich zu einem Tag an einem Ort: dem 11. September 1973 in Santiago. Das Terrorregime der Militärjunta in Chile schuf die Voraussetzung, gleichsam unter Laborbedingungen neoliberale Wirtschaftskonzepte zu probieren, die bald auch andernorts Anwendung finden sollten. Insofern steht dieser Tag nicht nur für das gewaltsame Ende des Versuchs, in Chile eine Ökonomie der Gleichheit und Gerechtigkeit aufzubauen, sondern auch für eine globale Konterrevolution.
- https://www.jungewelt.de/beilage/art/458297

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#politik #gesellschaft #bürger:innen #liberalismus #einfalt #ignoranz #herrschaftsverhältnisse #klassenkampf-von-oben

Das "Eure-Armut-Kotzt-Mich-An"-Klientel übt den Volksaufstand

Facepalm der Woche: Reaktionen zur Elterngeldkürzung

Sobald die Umverteilung nach oben punktuell etwas gedämpft werden soll, springt das Bürgertum im Dreieck. »Entsetzen über Elterngeld-Kürzung« titelte das Handelsblatt am Mittwoch unter dem Foto einer innig lächelnden Familie. Gestrichen werden soll der Zuschuss Paaren, die mehr als 150.000 Euro im Jahr verdienen. Das sind 12.500 Euro im Monat auf die Hand (plus allem, was sich von der Steuer absetzen lässt). Weil auch der Vater zwei Monate Auszeit nehmen muss, damit die Sozialleistung in voller Höhe ausgezahlt wird, buchen solche Paare gern acht Wochen Neuseeland. Sie müssen das nun womöglich überdenken.

»Fataler Rückschritt«, hieß es bei Zeit online. Bei Spiegel online war »Die Lage am Abend« (so heißt ein Newsletter) noch verhältnismäßig ruhig. Als die Kappungsgrenze im Herbst 2021 »ohne viel Aufhebens« von 500.000 auf 300.000 Euro abgesenkt wurde, habe die Merkel-Regierung das Elterngeld als »unerheblich« für die Entscheidung reicher Paare zur Kinderbetreuung bezeichnet. Das gelte so auch für die neuerliche Absenkung. Über Nacht aber wendete sich das Blatt bei Spiegel online. Die Betroffenen zahlten »oft hohe Mieten« und hätten »bei ihrer Familienplanung nun mal mit dem Elterngeld kalkuliert«, hieß es im Newsletter »Die Lage am Morgen«. Nun war vom »Verrat durch den Staat« die Rede.

Auch die Taz vom Mittwoch nannte die Streichung »fatal«, weil gerade männliche Schwerverdiener auf das Geld angewiesen seien – »finanziell (...) gewiss nicht. Als in Euro ausgedrückte gesellschaftliche Anerkennung (ihrer Kinderbetreuung) aber um so mehr«. Dass viele Neumütter aktuell mit zum Beispiel 804 Euro Elterngeld über den Monat kommen sollen, weil ihr Einkommen als Teilzeit-Fachkraft vor der Geburt bei 1.200 Euro netto lag, war nirgends eine Silbe wert.
- https://www.jungewelt.de/artikel/454189.sozialk%C3%BCrzung-des-tages-neuseeland-urlaub.html

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#politik #armut #heizen #klima #wohnen #klassenfrage #klientelpolitik #grüne #fdp #spd #soziale-frage #klassenkampf-von-oben

Armutsbetroffen: Die Heizungsdebatte macht mir Angst

Vielen Armutsbetroffenen in Deutschland liegt Klimaschutz am Herzen. Doch es ist schwer, mit wenig Geld klimabewusst zu leben. Mit der Debatte um die Heizungsmodernisierung gibt es neue Sorgen

Wir Armutsbetroffenen sind für Klima- und Umweltschutz. Leider ist dieses Thema eines, das man nur mit Geld lösen kann – und bei dem wir nur beschränkt handeln können. Die „Heizungsdebatte“ macht mir Angst, weil hier über Summen geredet wird, die ich mir nicht mal ansatzweise vorstellen kann. Natürlich habe ich kein eigenes Häuschen, aber ich wohne zur Miete, und die Mietkosten werden vom Jobcenter übernommen – aber nur bis zu einer bestimmten Höhe. Es gibt auch viele Armutsbetroffene, die ihre Miete gerade noch selbst zahlen können. Werden die Vermieter die Kosten für eine Heizungsmodernisierung auf die Mietkosten aufschlagen? Wie stark steigen die Mieten dadurch?

Wie sieht eine sozialverträgliche Lösung der Heizwende für uns 14,1 Million Armutsbetroffene aus? Denn diese brauchen nicht nur wir Armen, sondern auch die, die die „arbeitende Mitte“ sind.

Allein aus Selbstschutz lese ich so wenig wie möglich darüber, weil mich die ganzen Wahrscheinlichkeiten und Kosten noch mehr beunruhigen. Dabei liegt mir der Klimaschutz sehr am Herzen.

Ich will kein Umweltschwein sein!

Ich bin Vegetarierin seit meinem sechzehnten Lebensjahr. Ich wurde das, bevor Essensphilosophien zum Politikum wurden. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe Tiertötungen miterlebt und mich entschieden, nie wieder Fleisch zu essen. Dass ich damit nun einen umweltgerechten Ernährungsstil habe, wäre mir früher nicht in den Sinn gekommen. Ernährungsgewohnheiten sind für mich immer etwas Privates gewesen. Jetzt leiste ich damit einen politisch korrekten Beitrag zu Umweltschutz. Mittlerweile haben die meisten Armutsbetroffenen ihren Fleischkonsum verringert, da Fleisch und Fisch zum Luxusgut geworden sind. Wenn es nach den klimabewussten Armen gehen würde, würden diese wirklich gerne qualitativ hochwertigere Nahrung konsumieren, dazu gehört Bio – oder die Möglichkeit, sich vegan ernähren zu können. Aber wirklich klimabewusste Ernährung scheitert bei uns am Geldbeutel. Haben Sie sich schonmal von 174,19 Euro im Monat ernährt?

Ich greife also auf billiges Obst und Gemüse zurück und fühle mich dabei wie ein Umweltschwein. Im Angebot: Beeren aus Marokko, die weite Transportwege hinter sich haben. Aber ich möchte mein Kind nicht ohne Obst groß werden lassen, da muss ich mein Klimagewissen ausblenden, sonst würde ich mir noch mehr Vorwürfe machen. Ich habe keinen Garten zum Selbstversorgen. Jeder Armutsbetroffene, der die Möglichkeit hat, einen Garten zu bewirtschaften, nutzt diesen zum Sparen.

Auch bei unseren Haushaltsgeräten sind wir Armutsbetroffenen nicht in der Position, wählen zu können. Ein energieeffizienter Kühlschrank kostet sehr viel Geld, und wenn ich ein Darlehen von Jobcenter aufnehme, zahle ich dieses über Jahre ab. Der Bürgergeldsatz ist unter dem Existenzminimum. Wenn ich die Wahl habe zwischen vielfältigem Essen und/oder Medikamenten oder einem neuen Kühlschrank, sind nun mal das Essen und die Medikamente wichtiger. Nicht jedes Amt gewährt übrigens ein Darlehen, Armutsbetroffenen werden gerne mal menschenverachtende Tipps gegeben, wie im Winter die Lebensmittel doch einfach draußen zu lagern, dafür bräuchte man keinen Kühlschrank. Klar ist das dann klimafreundlich. Aber wurde Ihnen das schonmal geraten?

Heizung: Hier ist der Sozialstaat gefragt!

Und nun zur Energie. Meine Gastherme ist ein altes, energiefressendes Gerät, das zu meiner Wohnung gehört. Vermieter sparen, besonders an Wohnungen, in denen Armutsbetroffene wohnen – da kommt ja auch nicht so viel Miete rein. Umbau ist teuer, also tummeln sich in Altbauten Boiler, Thermen und Geräte, die schon vor zehn Jahren hätten ausgetauscht werden können und sollen. Diesbezüglich habe ich der Umwelt gegenüber auch ein schlechtes Gewissen, aber ich habe nun mal nicht das Geld, um diese Geräte auszutauschen.

Eine Möglichkeit für mich war der Verzicht auf einen Gefrierschrank. Ich habe seit Jahren keinen Tiefkühler mehr, die Stromkosten des Gerätes waren zu hoch. Aber all das, was ich einsparen konnte, wurde mir durch die hohen Energiekosten wieder genommen, was mich frustriert zurücklässt.

Es gäbe natürlich eine Politik, die uns Armutsbetroffenen bei Veränderungen die Angst nehmen könnte. Sie nennt sich: sozial. Wenn der Staat dafür sorgt, dass die Kosten nicht bei denen landen, die sie nicht stemmen können – und da nehme ich nicht nur Armutsbetroffene mit rein, sondern auch die arbeitende Mitte –, dann wäre so eine Heizpumpe sicher eine gute Sache: Weniger Heizkosten würde viele von uns entlasten! Aber wenn die Modernisierungskosten einfach auf uns abgewälzt werden, kann das niemand mehr tragen. Es gibt einen Punkt, an dem ich einfach nicht mehr sparen kann – und den haben wir Armutsbetroffenen längst erreicht.

  • Janina Lütt ist armutsbetroffen, sie bestreitet ihre Leben für sich und ihre Tochter mit Erwerbsminderungsrente auf Bürgergeld-Niveau. In ihrer regelmäßigen Kolumne berichtet sie über den Alltag mit zu wenig Geld, über die Sozialpolitik aus der Perspektive von unten, über den Umgang mit ihrer Depression und über das Empowerment durch das Netzwerk #ichbinarmutsbetroffen
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#politik #partei #geschichte #diegruenen #doppelmoral #bellizismus #menschenrechtsimperialismus #verachtung #klassenkampf-von-oben

Die Grünen sind sich treu geblieben

Ukraine, Bürgergeld, Lützerath: Haben die Grünen ihre Ideale verraten? Nein! Sie führen einfach nur die Logik ihrer Weltanschauung fort. Über eine Partei, die ihre moralischen Strategien gekonnt einer veränderten Welt angepasst hat (von Christian Baron)

Im November 1992 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Verriss des Buches Die Linke nach dem Sozialismus von Joseph Martin – genannt: Joschka – Fischer (Grüne). Die Rezension gipfelte in der rhetorischen Frage: „Was sollen wir eigentlich von der Urteilsfähigkeit eines Politikers halten, der dem verdutzten Publikum nunmehr die Positionen des politischen Gegners als neueste Einsichten anpreist?“ Autor dieser Besprechung: Alexander Gauland. Der politische Gegner, das war die CDU, deren Mitglied Gauland damals noch war. Wie kam er auf die Idee, der Grüne Fischer vertrete nun konservative Positionen?

In besagtem Buch wetterte Fischer nur zwei Jahre nach der sogenannten Wiedervereinigung gegen „Etatismus“ und „Utopieverfallenheit“. Die Linke, schrieb er, könne nur ohne den Marxismus überleben. Es war die Phase, in der die Grünen sich erneuerten. 1991 war die prominente Parteilinke Jutta Ditfurth ausgetreten; im Oktober 1992 starb Petra Kelly, die bekannteste Linke bei den Grünen. Die „Realos“ um Fischer und seinen Freund Daniel Cohn-Bendit hatten nun das Sagen. Nach der Bundestagswahl 1998 wurden die Grünen zum Juniorpartner einer Koalition mit der SPD unter Kanzler Gerhard Schröder. Fischer übernahm den Posten des Außenministers für eine Partei, die wenige Jahre zuvor noch den Austritt der BRD aus der Nato gefordert hatte.

Lützerath und Neun-Euro-Ticket

Heute unterstützt keine Partei so vehement wie die Grünen die Lieferung möglichst vieler offensiver Waffen in die Ukraine, obwohl noch im Bundestagswahlkampf 2021 auf ihren Plakaten stand: „Keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete!“ Im Dezember 2022 stimmte kein einziges Mitglied der grünen Bundestagsfraktion gegen den Kohlekompromiss. Teil dieses Deals war auch die im Januar 2023 erfolgte Räumung des Dorfes Lützerath im Auftrag des Konzerns RWE, der im Rheinischen Revier noch mindestens ein Jahr lang Braunkohle abbauen will. Zudem gab es vonseiten der Grünen keine Initiative, um das Neun-Euro-Ticket weiterzuführen, das armen Menschen zumindest kurzzeitig das Recht auf Mobilität gewährte. Haben die Grünen also ihre Ideale verraten, wie man es oft hört und liest? Das könnte man meinen. Womöglich jedoch ist es nicht ganz so einfach.

Als Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor einigen Wochen der Lieferung von Kampfpanzern der Bundeswehr an die Ukraine noch nicht zugestimmt hatte, geschah auf Twitter etwas, das sogar für dieses Krawallmedium erstaunlich verroht wirkte. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Sara Nanni forderte in einem mittlerweile gelöschten Tweet: „Free the leopards! Just do it!“ Auf dem im selben Post veröffentlichten Selfie trug sie ein Oberteil in Leopardenmuster. Das Kleidungsstück war bestückt mit dem Logo jenes US-amerikanischen Sportartikelherstellers, dessen Werbespruch „Just do it!“ lautet.

Nannis Fraktionskollegin Katrin Göring-Eckardt antwortete: „Soo cool!“ Als Scholz umgefallen war, jubelte Göring-Eckardt: „The Leopard’s freed!“ (Der Leopard ist befreit). Panzer als Kätzchen? Bombenstimmung, wenn deutsches Kriegsgerät wieder gegen Russland zu Felde zieht? Und kein Wort darüber, dass es sich um Waffen handelt, die einzig zur Auslöschung von Menschenleben gebaut wurden?

Gerechte Kriege

Es sind exemplarische Geschmacklosigkeiten, die bei jeder anderen Partei zu Shitstorms führen würden. Die Grünen bringt so etwas bei der eigenen Kernklientel nicht in Misskredit. Die Umfrageergebnisse sind stabil oder verbessern sich sogar. Auch hier liegt falsch, wer meint, den Grünen werde einfach jeder Fehltritt verziehen. Der elektorale Erfolg deutet darauf hin, dass die Stammwählerschaft die Grünen nicht als „kleineres Übel“ betrachtet, sondern in ihnen die einzige politische Kraft sieht, die sich treu bleibt. Wie erklärt sich das bei einer Partei, die 1981 in ihrem Friedensmanifest den Einsatz der Bundeswehr selbst für den Fall ablehnte, dass Deutschland militärisch angegriffen würde?

Aus Fischers Sicht war mit dem Ende des Kalten Krieges die Gefahr eines Atomkriegs gebannt. Nach dem Regierungsantritt 1998 setzte sich bei den Grünen die Auffassung durch, dass es gerechte Kriege gäbe. Es waren SPD und Grüne, die Deutschland zum ersten Mal seit 1945 wieder in einen Krieg führten. Die Nato-Streitkräfte begannen am 20. März 1999 mithilfe einer Lüge (man erinnere sich an den zu Nato-Kriegszwecken erfundenen „Hufeisenplan“) mit Luftangriffen auf Jugoslawien. In 78 Kriegstagen warf die Nato 9.120 Tonnen Bomben ab und flog 38.000 Lufteinsätze, wie Jutta Ditfurth in ihrem 2011 erschienenen und bis heute lesenswerten Buch Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, was sie tun: Die Grünen schrieb: „Menschen starben auf Wiesen, in Häusern, in Zügen, auf der Flucht, in Krankenhäusern, Fabriken, Studentenwohnheimen und Schulen. Man nannte die Toten ,Kollateralschäden‘ eines Krieges aus ,humanitären Gründen‘.“

Die Nato und Auschwitz

Darin besteht der Markenkern der Grünen: Sie schenken ihren Sympathisanten das wohlige Gefühl der moralischen Überlegenheit. Seien Konflikte auch noch so komplex; die Grünen haben immer eine Erzählung parat, die sich in das Gut-gegen-Böse-Schema eines Hollywoodfilms fügt. Vor der Nato-Attacke auf Jugoslawien trieb Fischer dies auf die Spitze, als er die deutsche Beteiligung am Bombardement mit dem schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte begründete: „Ich habe gelernt: nie wieder Krieg. Aber ich habe auch gelernt: nie wieder Auschwitz!“

Anderntags ergänzte er: „Wir führen keinen Krieg. Wir leisten Widerstand, verteidigen Menschenrechte, Freiheit und Demokratie.“ Als Fischers Nachfolgerin und Parteifreundin Annalena Baerbock kürzlich in Bezug auf den Ukrainekrieg sagte, „wir“ kämpften einen Krieg gegen Russland, setzte sie diese Logik fort. Sie erklärte ihr Land zur Kriegspartei in einem Konflikt, in dem Deutschland und die Ukraine angeblich „im selben Boot“ sitzen im „Kampf um die Freiheit“.

Wie 2004 bei der „Agenda 2010“

Lauter als alle anderen politischen Akteure, und im Einklang mit den vorherrschenden deutschen Medien, diffamierten die Grünen zuletzt auch die von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierte Kundgebung „Aufstand für Frieden“ in Berlin vom 25. Februar, die einen Verhandlungsfrieden zwischen Russland und der Ukraine forderte. Unter den Zehntausenden am Brandenburger Tor befanden sich, wie bei vielen Ein-Thema-Demonstrationen, auch einige Rechtsextreme. Das grüne Spitzenpersonal sah trotz Distanzierung der Initiatorinnen eine „rechtsoffene“ Veranstaltung, manche halluzinierten sogar eine „Querfront“ herbei.

Das weckt Erinnerungen an die Proteste gegen die „Agenda 2010“ aus dem Jahr 2004. Vor allem im Osten des Landes protestierten viele Menschen gegen den durch SPD und Grüne durchgesetzten Sozialstaatsabbau. Katrin Göring-Eckart, damals Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, bewies in der Boulevardzeitung B. Z. einen Hang zu alternativen Fakten, als sie eine Allianz aus PDS und der rechtsextremen DVU ersann: „Irgendwie passt das. Die PDS hat als Erbe aus ihrer SED-Zeit eine sehr autoritäre Struktur. Man kann sich vorstellen, dass die beiden Parteien kulturell keine großen Gräben zu überwinden haben.“

Um den Sieg der westlich-kapitalistischen Demokratie (die im Verständnis der Grünen die objektiv beste aller möglichen Welten ist) gegen die „Barbarei“ (also jede davon abweichende Staats- und Regierungsform) ging es vorgeblich auch im Jahr 2001, als Deutschland sich am Angriffskrieg gegen Afghanistan beteiligte. Hier lautete das Argument, man wolle Brunnen und Mädchenschulen bauen. Jahrelang weigerten sich die Grünen (wie CDU/CSU, FDP und SPD), von einem Krieg zu sprechen. Der Herrschaftsbegriff hieß „humanitäre Intervention“, was die exakte westliche Entsprechung war zu Putins aktuellem Propagandabegriff der „militärischen Spezialoperation“. Wie wenig an dieser „Intervention“ humanitär war, offenbarte später die Enthüllung zahlreicher Kriegsverbrechen. Offengelegt hatte viele davon die Plattform WikiLeaks, deren Gründer Julian Assange seit Jahren in Folterhaft sitzt, weil er seiner Arbeit als Journalist nachgegangen ist.

„Besser Doppelmoral als keine Moral“

Weder die alten „Realos“ noch die jungen Bundestagsabgeordneten der Grünen setzen sich für die Freilassung von Assange ein. Derweil prangern sie zu Recht die Haftbedingungen des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny an. Ähnliches gilt auch für jene Grünen-Abgeordneten, die sich als Aktivistinnen in Lützerath inszenierten, im Bundestag jedoch nicht gegen die Räumung des Camps stimmten. Auf den Vorwurf der Doppelmoral antwortete Grünen-Mitglied Luisa Neubauer kürzlich in einem Podcast: „Besser Doppelmoral als gar keine Moral.“

Genau das ist Teil des politischen Kalküls der Grünen. Die Kritik trifft sie nicht, weil sie sich der Zustimmung ihrer Klientel sicher sein können. Die sieht zum einen den Kampf gegen die Klimakatastrophe als individuelle Aufgabe (weniger Fleisch essen anstatt Ende der Massentierhaltung; bestimmte Heizungen verbieten anstatt Enteignung von RWE und Co.). Zum anderen sieht sie in der Nato eine Schutzmacht der „westlichen Werte“, bei der man im Namen der Freiheit aller Menschen – „mit Bauchschmerzen“ – auch mal beide Augen zudrücken müsse.

Das ist kein Verrat an alten Idealen, sondern die Anpassung einer moralischen Strategie in einer veränderten Welt, die der Politikwissenschaftler Georg Fülberth einmal so ausgedrückt hat: „Wer gestern Hamlet spielte, muss morgen den Franz Moor geben, wenn der Spielplan wechselt.“ Nicht gewechselt hat die Bühne, und auch das Publikum ist gleich geblieben.

Gutsituierter Mittelstand

Dieses Bild passt sehr gut, weil das klassische Theaterpublikum und die Wählerschaft der Grünen vor allem aus finanziell sehr gut abgesicherten Menschen bestehen. Der Satiriker und Schriftsteller Christian Y. Schmidt hat diese Gruppe in seinem Standardwerk Wir sind die Wahnsinnigen. Joschka Fischer und seine Frankfurter Gang treffend charakterisiert: „Sie sind Angehörige eines neuen, gutsituierten Mittelstands, die schon längst keine Veränderung der Verhältnisse mehr wollen, weil die ihnen, so wie sie sind, angenehm sind.“

Die Soziale Frage hat bei den Grünen immer nur eine Nebenrolle gespielt. Darum zeigen sie sich bei keinem anderen Thema derart unbeeindruckt von Kritik. Die „Agenda 2010“ hat bislang nur der SPD geschadet. Dass aktuell bei dem in „Bürgergeld“ umbenannten Hartz ΙV noch nicht einmal die Sanktionen abgeschafft wurden, dürfte keinem Grünen ein schlechtes Gewissen bescheren.

Wie ihre Stammklientel, so pflegen auch die Parteigranden ihre Vorurteile gegenüber Menschen, die in Armut leben. Kurz bevor er Wirtschaftsminister wurde, antwortete Robert Habeck in einem ARD-Interview auf die Frage, ob der Staat den Bedürftigen die Heizkosten finanzieren solle: „Vollständige Übernahme lädt immer dazu ein, dass man dann die Heizung aufdreht und das Fenster aufmacht sozusagen.“ Die Armen sind demnach verschwenderisch. Von Natur aus. Sozusagen. Auch in dieser Hinsicht bleibt der moralische Kompass der Grünen also eingenordet. So verlässlich ist derzeit wirklich keine andere Partei.
- https://www.freitag.de/autoren/cbaron/die-gruenen-sind-sich-treu-geblieben

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#politik #krieg #aufrüstung #armut #zeitenwende #wertewesten #klassenkampf-von-oben #heimatfront #kapitalismus #gegengift-marxismus

2022: Krieg, Aufrüstung und Armut

Den Krieg der Reichen gegen die Armen hat der Börsenspekulant Warren Buffett wiederholt offenherzig benannt. In der New York Times sagte er zum Beispiel 2006:

»Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.«

2017 ging er beim Sender CNBC auf Ursachen ein: »Das wahre Problem ist nach meiner Meinung, dass der Wohlstand der extrem reichen Menschen nahezu unglaublich ist.« Der Krieg, den Buffett meinte, ging seither gewinnbringend für die Reichen weiter. Forbes schätzte im September 2022 das Gesamtvermögen der 400 reichsten US-Bürger auf vier Billionen Dollar – trotz einiger Börsenverluste.

Dieser Krieg gehört allerdings zum Kapitalismus wie zum Wasser die Nässe. Karl Marx formulierte im »Kapital« als »das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation«: Die Akkumulation von Reichtum ist zugleich »Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol«. Er nannte den Charakter dieser Produktionsweise daher »antagonistisch« und zitierte u. a. den Niederländer Bernard de Mandeville (1670–1733), der herausgefunden hatte, »dass in einer freien Nation, wo Sklaven nicht erlaubt sind, der sicherste Reichtum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht«. Und den freundlichen Hinweis gab: »Mäßiges Leben und beständige Arbeit sind für den Armen der Weg zum materiellen Glücke« (worunter er möglichst langen Arbeitstag und möglichst wenig Lebensmittel versteht) »und zum Reichtum für den Staat« (nämlich Grundeigentümer, Kapitalisten und ihre politischen Würdenträger und Agenten).

Die Zahlen über rasant steigende Armut in der BRD, die am Freitag wie stets am Jahresende veröffentlicht wurden, sind daher nicht nahezu unglaublich: Schlägt der soziale Krieg in einen mit Waffen um, verschärft sich der Antagonismus. In der Ukraine herrschten laut EU und Währungsfonds 2019 sechs Milliardäre – und herrschen noch. Die Bevölkerung wurde so ausgeplündert wie in keinem anderen Nachfolgestaat der UdSSR, also wurde Mobilisierungshilfe gegen einen äußeren Feind benötigt. Das bedeutet heute nationalistische und faschistische Zurichtung. Vom Krieg hinter dem Krieg abzulenken, wird erste Pflicht aller ideologischen Apparate, auch hierzulande. Der Lack »sozialer Marktwirtschaft« ist spätestens seit der Rodung der DDR-Industrie ab, nun werden Krieg und Krise nicht nur zur Normalität, sie werden von den »Würdenträgern« auf Dauer gestellt. Am Freitag teilte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg daher mit, »militärische Unterstützung für die Ukraine ist der schnellste Weg zum Frieden«. Das bedeutet: Der soziale Krieg und der auf den Schlachtfeldern wird verschärft. Die Kommandostäbe des Kapitals haben für Ende 2023 mehr Armut als zu Silvester 2022 vorgesehen. Nahezu unglaublich, aber sie tun es.
- https://www.jungewelt.de/artikel/441853.nahezu-unglaublich.html

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#politik #soziale-frage #menschenrechte #artikel25 #recht-auf-wohnen #mietenstopp #fdp #arbeitsverweigerung #klassenkampf-von-oben #zeitenwende

Kündigungsmoratorium gefordert: Mieter*innen ziehen bei der FDP ein

„Der Winter und das kommende Jahr werden hart: Die Miet- und Heizkosten explodieren und viele Menschen wissen nicht, wo sie noch sparen sollen, um ihre steigenden Wohnkosten zu bezahlen. Im Jahr 2021 wurden 29.000 Wohnungen zwangsgeräumt. Diesen Winter droht etlichen Mieter*innen völlig unverschuldet der Verlust ihrer Wohnung. Die bisherigen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung greifen erst im Laufe des nächsten Jahres. Deswegen brauchen wir sofort erneut ein Kündigungsverbot für Mieter*innen in Zahlungsschwierigkeiten, wie es die letzte Bundesregierung zu Beginn der Coronapandemie initiiert hatte. Dieses Instrument kann auch jetzt unproblematisch eingeführt werden. Doch der zuständige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) weigert sich. Deswegen sind heute in Berlin und vielen anderen Städten (unter anderen in Bremen, Freiburg, Göttingen, Köln, München, Stuttgart) Aktivist*innen der Kampagne Mietenstopp symbolisch bei der FDP eingezogen. Die Bundesregierung hat mehrere Entlastungspakete auf den Weg gebracht. Doch es ist absehbar, dass es Monate dauern wird, bis die Hilfen bei den Betroffenen ankommen. Wir begrüßen die Ausweitung des Wohngeldes von 600.000 auf 2 Millionen Haushalte. Doch eine Verdreifachung der Anspruchsberechtigten bedeutet auch viel mehr Arbeit für die bereits heute überlasteten Wohngeldstellen. „Den Menschen hilft es nicht, wenn sie im Oktober 2023 einen positiven Wohngeldbescheid bekommen, aber zwischenzeitlich aus ihrer Wohnung geflogen sind“, so Kampagnensprecher Matthias Weinzierl.

Während alle Ministerien versuchen, die Vorhaben aus den Entlastungspaketen noch dieses Jahr umzusetzen, will Marco Buschmann erst Ende März 2023 einen Entwurf zum besseren Schutz von Mieter*innen vorlegen. „Die Formulierung eines Gesetzes für ein Kündigungsmoratorium ist keine Zauberei. Der Text von 2020 muss nur leicht umformuliert werden. Der Justizminister betreibt Arbeitsverweigerung“, stellt Weinzierl fest. Neben einem Kündigungsmoratorium fordert die Kampagne einen sechsjährigen Mietenstopp, differenziert nach Wohnungsmärkten. Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten können Mieter*innen nicht auch noch Mieterhöhungen verkraften. Denn in den letzten Jahren sind die Mieten für viele über die Belastungsgrenze hinaus gestiegen. Bereits vor der Krise musste die Hälfte der Mieter*innen in deutschen Großstädten mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, um ihre Miete (bruttowarm) zu bezahlen, wie aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht...“
- Pressemitteilung vom 15. Dezember 2022 bei der Kampagne Mietenstopp 
https://mietenstopp.de/kuendigungsmoratorium-gefordert-mieterinnen-ziehen-bei-der-fdp-ein/

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#politik #wirtschaft #freihandel #konzernmacht #klassenkampf-von-oben #kapitalismus #ceta #deutschland #kanada

CETA-Ratifizierung: Entfesselung der Macht

  • Von Wolfgang Pomrehn

Der Bundestag hat am Donnerstag das bereits 2016 unterschriebene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada ratifiziert – ein Vorgang, der deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte. Ein Appell zahlreicher Umweltorganisationen und Gewerkschaften, die Zustimmung zu verweigern, verhallte weitgehend ungehört. Das war 2016 noch anders. Deutlich über 200.000 demonstrierten gegen das transatlantische Handels- und Wirtschaftsabkommen CETA und einen ähnlichen, zwischenzeitlich am US-Protektionismus gescheiterten Vertrag mit den USA. Manche Grünen-Fahne war seinerzeit zu sehen, und mancher grüne Prominente suchte nach Kameras, in die er oder sie seinen Senf dazugeben konnte.

Doch die Zeiten haben sich geändert, die Grünen sitzen nun mit in der Regierung und fühlen sich offensichtlich ganz der deutschen Industrie verpflichtet. Und diese verspricht sich von dem Vertrag einiges. Die im Abkommen vorgesehenen Handelserleichterungen sind bereits vor einigen Jahren von der EU-Kommission in Kraft gesetzt worden. 98 Prozent der Zölle wurden abgeschafft, sehr zur Freude der deutschen Exportwirtschaft, weniger erbaulich für EU-Unternehmen, die mit kanadischen Waren konkurrieren müssen. Die EU-Verträge geben der Kommission die alleinige Zuständigkeit in diesem Bereich.

Doch nun wird eine weitere Stufe der Entfesselung wirtschaftlicher Macht gezündet. Einige Länder, darunter Deutschland, hatten sich bisher gegen jene CETA-Passagen gesträubt, die Konzernen Sonderrechte einräumen. Sogenannte Investitionsschutzregeln geben nun international agierenden EU-Konzernen in Kanada und ihren dortigen Gegenstücken hierzulande das Recht, in intransparenten Schiedsverfahren gegen Staaten zu klagen. Ist ein Unternehmen der Meinung, es würde durch Umweltauflagen oder etwa Klimaschutzmaßnahmen eines anderen Staates diskriminiert, so kann es ein nichtöffentlich tagendes internationales Schiedsgericht anrufen, das sein Urteil unabhängig von nationalem Recht und ohne Einflussmöglichkeiten der betroffenen Öffentlichkeit fällt.

Die deutsche Handelsdiplomatie ist seit Jahrzehnten sehr aktiv bemüht, derlei Regelungen in bilateralen Verträgen durchzusetzen. Ende der 1990er Jahre scheiterte mit dem MAI (Multilateral Agreement on Investment) ein vergleichbarer multilateraler Ansatz vor allem am Widerstand in Kanada und Frankreich. Der Erfolg beflügelte damals zeitweise eine internationale Bewegung gegen die Globalisierung der Konzerne. Um die Jahrtausendwende war sie für ein paar Jahre eine sehr laute Stimme im öffentlichen Diskurs. Für einen Augenblick schien sie die neoliberale Hegemonie herauszufordern und einen neuen Internationalismus von unten zu begründen; einen Internationalismus, den wir heute in Zeiten wachsender Kriegsgefahr gut gebrauchen könnten.
- https://www.jungewelt.de/artikel/439943.entfesselung-der-macht.html

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#politik #kriegswirtschaft #haushalt #armut #hartz5 #aktienrente #klassenkampf-von-oben

Bundeshaushalt 2023: Kriegswirtschaft?

  • von Gesine Lötzsch (haushaltspolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im Bundestag)

Nach NATO-Kriterien will die Regierung im nächsten Jahr 64 Milliarden Euro für das Militär ausgeben. Hinzu kommen noch acht Milliarden aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Also insgesamt 72 Milliarden Euro für Aufrüstung. Das ist mehr, als die Ampel im nächsten Jahr für Bildung, Forschung, Familien, Senioren, Frauen, Jugend, Gesundheit, Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit, Verbraucherschutz, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Inneres und Heimat insgesamt ausgeben will. Doch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte diese Woche, dass er eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben über das bislang geltende Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinaus erwartet. Das wären dann 80 Milliarden Euro pro Jahr.

Die ganze Politik wird von dieser Regierung auf den Krieg und seine Folgen ausgerichtet. Da wundert es nicht, dass selbst einfache Dinge in diesem Land nicht mehr funktionieren. Sollen die Menschen den Eindruck bekommen, dass wir in einer Kriegswirtschaft leben? Selbst die ökonomisch unsinnige Schuldenbremse funktioniert nicht mehr. Finanzminister Lindner behauptet zwar, dass im nächsten Jahr die Schuldenbremse wieder eingehalten werden soll, doch das gelingt nur mit billigen Taschenspielertricks. Er hat zwei Sondervermögen geschaffen: Das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen Bundeswehr und den 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm gegen explodierende Gas- und Strompreise. Auch die zehn Milliarden Euro für die FDP-Aktienrente stehen nicht im Haushalt. Sie soll über ein Darlehen finanziert werden. Es bräuchte – wenn alles gut geht – 70 Jahre, bevor die Aktienrente einen Beitrag zur Stabilisierung des Rentensystems leisten könnte.

Warum all die Lügen und Tricksereien, um eine nicht funktionierende Schuldenbremse auf dem Papier stehen zu haben? Ganz einfach: Die Schuldenbremse soll vor allem im Sozialbereich gezogen werden – bis es quietscht. Das Bürgergeld steht mit knapp zwei Milliarden Euro im Haushalt. Da stecken die 53 Euro Regelsatzerhöhung drin. Zu wenig, um als Inflationsausgleich zu dienen. Die Krankenhäuser sollen einen Inflationsausgleich von sechs Milliarden Euro in zwei Jahren bekommen. Sie brauchen aber 15 Milliarden Euro, um ihre Kosten zu decken. Die Bundesregierung nimmt die Schließung von Krankenhäusern billigend in Kauf. Das erfolgreiche Bundesprogramm zur Förderung von Sprachkitas sollte laut Koalitionsvertrag ausgebaut werden, jetzt wird es nur noch ein halbes Jahr laufen und dann ganz eingestellt werden. Die nötigen 200 Millionen Euro hat die Bundesregierung nicht.

Wir erleben eine Regierung der zwei Geschwindigkeiten: Die Aktienrente wurde über Nacht beschlossen. Das Sondervermögen Bundeswehr brauchte nur 100 Tage von der Idee bis zur Grundgesetzänderung. Die Kindergrundsicherung kommt aber erst 2025. Das ist beschämend, wenn man weiß, dass in unserem reichen Land jedes fünfte Kind in Armut lebt.
- https://www.jungewelt.de/artikel/439403.kriegswirtschaft.html

4,17 Millionen Arme - ...und seit 2021 sind es mehr geworden: »Monitor Jugendarmut« von katholischem Sozialverein vorgestellt. (Von Alexander Reich) https://www.jungewelt.de/artikel/439388.jugendarmut-4-17-millionen-arme.html