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Bürgergeld: Alle Fakten zu Freigrenzen, Regelsatz, Sanktionen sowie Miet- und Heizkosten

Das Bürgergeld ist da – und betrifft die Leben von fünf Millionen Menschen. Unsere Expertin Inge Hannemann hat alle Fakten zum neuen Hartz IV zusammengetragen (von Inge Hannemann)

Ab dem 1. Januar 2023 ersetzt also das Bürgergeld das bisherige Hartz IV – die „größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“, „ein starkes Signal für Sicherheit und mehr Respekt“, wie Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD sich einst begeistert selbst auf die Schulter klopfte. Nach dem Kompromiss mit der CDU im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat ist davon nicht viel übrig geblieben. Was ändert sich mit dem neuen Bürgergeld tatsächlich im Alltag der Menschen? Und wie viele Menschen betrifft es überhaupt? Eine kleine Übersicht.

Achtung: Aufgrund des Umfangs erfolgt die Umstellung in zwei Schritten: 1. Januar und 1. Juli 2023. Zum 1. Januar gilt die Erhöhung der Regelsätze, die neue Bagatellgrenze, die Karenzzeit für Angemessenheit der Wohnung und Schonvermögen, Abschaffung des Vermittlungsvorrangs.

Die weiteren Änderungen greifen ab Juli: Dazu zählen die Fördermöglichkeiten, das Weiterbildungsgeld und der neue Kooperationsplan (ehemals: Eingliederungsvereinbarung), die Erhöhung der Freibeträge für Erwerbstätige.

1. Wie viele Menschen leben von Hartz IV – und vom Bürgergeld?

Im Oktober 2022 lebten 5,3 Millionen Menschen von Hartz IV. Davon galten rund 3,8 Millionen als erwerbsfähig. 1,5 Millionen zählten als nicht erwerbsfähig. Dies sind vor allem Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Wer vom Arbeitslosengeld II lebt, wird von den Jobcentern in sogenannte „Bedarfsgemeinschaften“ eingeteilt: Im Juli (neuere Daten liegen vonseiten der Bundesagentur für Arbeit nicht vor) gab es 2,85 Millionen solcher Bedarfsgemeinschaften.

Die größte Gruppe, die Hartz IV bezieht, ist dabei die „Single-Bedarfsgemeinschaft“, bestehend aus alleinstehenden Personen (1,55 Millionen). Jede fünfte Bedarfsgemeinschaft war eine Alleinerziehende mit Kindern (566.000) oder ein Haushalt mit zwei Personen (543.000). Insgesamt lebten ein Drittel Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (1,9 Millionen) mit ihren Eltern oder einem Elternteil in den Bedarfsgemeinschaften zusammen.

Diese Zahlen sind wichtig, um einen Überblick darüber zu erhalten, von wie vielen Menschen gesprochen wird, wenn es um Veränderungen beim zukünftigen Bürgergeld geht. Die monatlichen medialen Arbeitslosenzahlen nennen zumeist nur die Menschen, die arbeitslos sind (also: erwerbsfähig, und dem Arbeitsmarkt gerade zur Verfügung stehend). Das sind laut der Statistik, inklusive statistischen legitimen Rechentricks, knapp 1,7 Millionen Menschen.

2. Wer gilt nicht als „arbeitslos“, bezieht aber Hartz IV?

Die nicht berechneten Arbeitslosen befinden sich oftmals in Trainings- oder Qualifizierungsmaßnahmen, in Elternzeit, in einer längeren Krankenphase, sie pflegen Angehörige oder sie ergänzen ihren Lohn mit Arbeitslosengeld II.

Im Juli haben 814.000 von 3,8 Millionen Arbeitslosen neben ihrer Arbeitslosigkeit gearbeitet. Somit hat jede fünfte Bedarfsgemeinschaft mit Hartz IV „aufgestockt“. Die meisten davon waren abhängig beschäftigt (752.000). Davon knapp die Hälfte in einem Minijob bis 450 Euro und rund 40 Prozent im Bereich bis 1.300 Euro brutto. 16 Prozent der abhängig Beschäftigten Bedarfsgemeinschaften verdienten mehr als 1.300 Euro brutto. Kurz gesagt, diese Menschen verdienten so wenig, dass ihr Lohn nicht ausreicht und sie mit Hartz IV ergänzen müssen („Ergänzer“).

Die Ampel-Koalition möchte nun mit dem neuen Bürgergeld die Freigrenzen beim Arbeiten etwas erhöhen, sodass ein wenig mehr im Geldbeutel bleibt. Oder anders ausgedrückt: „Damit sich arbeiten lohnt“. Davon würden, wenn die Zahlen vom Juli genommen werden, 293.000 Menschen profitieren. Sie dürfen nämlich zukünftig 30 statt 20 Prozent von ihrem Bruttoeinkommen behalten.

Ab Juli gilt, dass Schüler:innen, Auszubildende, Studierende, Bundesfreiwilligen- und FSJ-Dienstleistende bis 25 Jahre, die neben ihrer Ausbildung oder Schule arbeiten, bis zu 520 Euro monatlich (Minijobbasis) anrechnungsfrei behalten dürfen. Zuvor waren es 100 Euro plus 20 Prozent vom Bruttoeinkommen. Einkommen aus Schülerjobs in den Ferien bleiben komplett anrechnungsfrei. Für über 25-Jährige gibt es diese Regelung nicht. Bei einem 520-Euro-Minijob bleiben 184 Euro übrig. Der Rest wird vom Jobcenter angerechnet.

Neu eingeführt wurde ein höherer Freibetrag bei einer Beschäftigung und einem Bruttoverdienst zwischen 520 Euro und 1.000 Euro. Hier dürfen bis Juli 2023 20 Prozent vom Einkommen behalten werden und ab Juli dann 30 Prozent. Die bisherige Regelung von 100 Euro Freibetrag aus einer Erwerbstätigkeit bleibt bestehen. Wer zwischen 1.000 Euro und 1.200 Euro verdient, erhält auf diesen Teil nochmals zehn Prozent nicht angerechnet. Lebt ein minderjähriges Kind im Haushalt, kann man bis zu 1.500 Euro verdienen, um hier den zusätzlichen zehnprozentigen Freibetrag zu erhalten.

3. Wie viel Euro sind uns die Finanzierung einer menschlichen Existenz Wert?

Eine weitere Veränderung sieht die Erhöhung des Regelsatzes um 53 Euro von 449 Euro auf 502 Euro für eine erwachsene alleinstehende Person vor. Bei den Kindern und Jugendlichen gibt es eine Steigerung zwischen 33 Euro und 44 Euro und in einer Partner-Bedarfsgemeinschaft jeweils 48 Euro.

Diese Erhöhung gleicht gerade mal in Teilen die derzeitige Inflation aus. Die Stromkosten sind mit 40,74 Euro bereits im Regelsatz inkludiert. Ist der Strom teurer, muss dieser aus dem Restregelsatz selbst beglichen werden. Einen Extrazuschlag vom Jobcenter gibt es nicht.

4. Was bedeutet die „Karenzzeit“?

Wie bereits unter dem Sozialschutzpaket I während der Corona-Pandemie seit Ende März 2020 bleibt die Regelung bestehen, dass es eine sogenannte Karenzzeit für das Wohnen und die Prüfung des Vermögens gibt. Das gilt aber nur für Arbeitslosengeld-II-Neuanträge. So soll es nun für ein Jahr, statt zwei Jahren, einen höheren Schutz von selbst genutztem Eigentum und zur Miete genutzten Wohnraum geben. Die Miete wird im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit in tatsächlicher Höhe übernommen und die Heizkosten sollen in diesem Zeitraum in angemessener Höhe übernommen werden, um sich in dieser Zeit auf die Arbeitssuche oder Qualifizierung zu konzentrieren.

Um die eigenen Ersparnisse, auch eventuell für das Alter nicht anzutasten, wurde die Karenzzeit für das Vermögen beschlossen. So gilt ein Schonvermögen von 40.000 Euro für eine Person und für jede weitere Person 15.000 Euro im ersten Jahr. Diese Summe ist angelehnt an das Wohngeldgesetz, in dem definiert ist, was erhebliches Vermögen ist. Ab dem zweiten Jahr gilt eine Grenze von 15.000 Euro für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.

Zum Vermögen zählt zukünftig auch eine Erbschaft. Wurde während des Arbeitslosengeld-II-Bezugs geerbt, galt es bisher als einmaliges Einkommen und wurde über einen Zeitraum von sechs Monaten verteilt angerechnet. Überstieg das Erbe den Arbeitslosengeld-II-Anspruch, entfiel dieser komplett. Nach sechs Monaten konnte jedoch ein neuer Antrag gestellt werden. Der nicht verbrauchte Teil des Erbes war dann als Vermögen im Rahmen der Vermögensfreigrenze geschützt.

5. Was heißt „Abschaffung des Vermittlungsvorrangs“ und „Förderung der Qualifizierung“?

Galt bisher in den Jobcentern: Arbeit um jeden Preis, soll nun die Qualifizierung, eine Ausbildung und die Beratung auf Vertrauen und Augenhöhe in den Mittelpunkt rücken. Im Oktober waren 1,1 Millionen Arbeitslose ohne abgeschlossene Ausbildung. Knapp 431.000 hatten eine betriebliche oder schulische Ausbildung und rund 90.000 konnten ein Studium vorweisen.

Dass der sogenannte „Vermittlungsvorrang“ abgeschafft wird, ist positiv zu bewerten, solange sichergestellt wird, dass die anvisierten Ausbildungen und Qualifizierungen finanziert werden können und für alle angeboten werden. Dieser Punkt wurde bisher vonseiten der Ampel-Koalition noch nicht so eindeutig kommuniziert, insbesondere, was die Finanzierung betrifft.

Ein Bonus gibt es noch dazu. Wer eine abschlussorientierte Qualifizierung absolviert, erhält monatlich 150 Euro Weiterbildungsgeld. In diesem Rahmen kann nun auch ein drittes Ausbildungsjahr übernommen werden. Wer eine nicht abschlussorientierte Maßnahme, wie etwa einen Sprachkurs besucht, bekommt einen sogenannten monatlichen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro. Parallel dazu bleibt der „soziale Arbeitsmarkt“, Beschäftigungen für Langzeitarbeitslose, unbefristet bestehen. Ein Coaching soll Menschen dabei helfen, die keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden, wieder Fuß zu fassen.

6. Welche „Sanktionen“ bleiben beim Bürgergeld, und wen betrifft das?

Bei den Sanktionen wurde im Kompromiss als erstes das Versprechen des Sanktionsmoratorium der Ampel-Koalition gebrochen. Eigentlich sollte das Moratorium bis zum Juli 2023 gelten. Nun gilt: Das Saktionsmoratorium endet zum Jahreswechsel. Ab Januar 2023 können die Jobcenter wieder Kürzungen aussprechen.

Terminversäumnisse werden mit zehn Prozent gekürzt, bei den anderen Pflichtverletzungen sind diese gestaffelt. Wird sich zum Beispiel auf ein Stellenangebot vom Jobcenter nicht beworben, so wird dieser erste Verstoß mit zehn Prozent für einen Monat sanktioniert. Beim wiederholten Verstoß werden 20 Prozent für zwei Monate vom Bürgergeld gekürzt und beim dritten Verstoß 30 Prozent für drei Monate. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 dürfen maximal 30 Prozent des Regelsatzes gekürzt werden, wenn zum Beispiel auf einen Vermittlungsvorschlag vom Jobcenter keine Bewerbung erfolgt, eine Trainingsmaßnahme verweigert wird oder Termine versäumt werden. Junge Menschen unter 25 Jahre erhalten bei einer Sanktionierung ein sogenanntes Beratungsangebot. Nicht mehr zulässig ist die Sanktionierung bei den Kosten der Unterkunft.

In den Jahren vor der Corona-Pandemie lag die Anzahl der Sanktionen bei durchschnittlich 950.000 pro Jahr. Drei Viertel davon waren Sanktionen wegen Terminversäumnissen. Diese werden mit jeweils zehn Prozent sanktioniert. Im Jahr 2021 wurden knapp 194.000 Sanktionen durch die Jobcenter ausgesprochen. 2022 waren es in den ersten sechs Monaten bereits rund 250.000 – im Juli 2022 startete dann das Sanktionsmoratorium der Ampel-Regierung.

7. Die „kleinen Erleichterungen“: Bürokratieabbau für die Jobcenter

Für die Jobcenter gibt es Erleichterung in der Bürokratie, da sie bis zu 50 Euro keine Rückforderungen mehr stellen müssen. Zukünftig sollen Anträge digital möglich sein und eine Ortsabwesenheit vom Wohnort soll für alle leichter geregelt werden. Durch den Wegfall der Prüfungen zur Angemessenheit der Wohnung und des Vermögens in den ersten zwei Jahren erhofft man sich hier wertvolle Kapazitäten für die Beratung und Vermittlung von Arbeitslosen.

8. Fördern und Fordern: Das neoliberale Erbe der Schröder-Regierung bleibt uns erhalten

Knapp zusammengefasst: Für „Bestandskunden“ der Jobcenter wird sich, außer der Erhöhung der Regelsätze, nicht viel ändern. Als die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) 2005 Hartz IV einführte, prägte er die Losung: „Fordern und Fördern“. Das Fördern soll mit dem Bürgergeld tatsächlich weiter ausgebaut werden – das Fordern bleibt, was es seit Schröder war: die Erpressung der Leistungsempfangenden und Leistungsberechtigten zum Zwecke ihrer „Mitwirkung“ durch staatliche Drohung mit der Sanktionierung des absoluten Existenzminimums – und damit ein Angriff auf die Würde von 5,3 Millionen Menschen in Deutschland.
- https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/buergergeld-alle-fakten-zu-freigrenzen-miet-und-heizkosten-und-sanktionen

  • Inge Hannemann arbeitete jahrelang als Arbeitsvermittlerin im Jobcenter und deckte dortige Missstände auf. Sie war erst Mitglied der Jusos, dann Mitglied der Linkspartei und Abgeordnete der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. 2020 trat sie aus der Linken aus. Hannemann bloggt auf inge-hannemann.de über Hartz IV, Bürgergeld, über Argumente für ein bedingungsloses Grundeinkommen und die Würde des Menschen.
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Bundeshaushalt 2023: Kriegswirtschaft?

  • von Gesine Lötzsch (haushaltspolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im Bundestag)

Nach NATO-Kriterien will die Regierung im nächsten Jahr 64 Milliarden Euro für das Militär ausgeben. Hinzu kommen noch acht Milliarden aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Also insgesamt 72 Milliarden Euro für Aufrüstung. Das ist mehr, als die Ampel im nächsten Jahr für Bildung, Forschung, Familien, Senioren, Frauen, Jugend, Gesundheit, Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit, Verbraucherschutz, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Inneres und Heimat insgesamt ausgeben will. Doch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte diese Woche, dass er eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben über das bislang geltende Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinaus erwartet. Das wären dann 80 Milliarden Euro pro Jahr.

Die ganze Politik wird von dieser Regierung auf den Krieg und seine Folgen ausgerichtet. Da wundert es nicht, dass selbst einfache Dinge in diesem Land nicht mehr funktionieren. Sollen die Menschen den Eindruck bekommen, dass wir in einer Kriegswirtschaft leben? Selbst die ökonomisch unsinnige Schuldenbremse funktioniert nicht mehr. Finanzminister Lindner behauptet zwar, dass im nächsten Jahr die Schuldenbremse wieder eingehalten werden soll, doch das gelingt nur mit billigen Taschenspielertricks. Er hat zwei Sondervermögen geschaffen: Das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen Bundeswehr und den 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm gegen explodierende Gas- und Strompreise. Auch die zehn Milliarden Euro für die FDP-Aktienrente stehen nicht im Haushalt. Sie soll über ein Darlehen finanziert werden. Es bräuchte – wenn alles gut geht – 70 Jahre, bevor die Aktienrente einen Beitrag zur Stabilisierung des Rentensystems leisten könnte.

Warum all die Lügen und Tricksereien, um eine nicht funktionierende Schuldenbremse auf dem Papier stehen zu haben? Ganz einfach: Die Schuldenbremse soll vor allem im Sozialbereich gezogen werden – bis es quietscht. Das Bürgergeld steht mit knapp zwei Milliarden Euro im Haushalt. Da stecken die 53 Euro Regelsatzerhöhung drin. Zu wenig, um als Inflationsausgleich zu dienen. Die Krankenhäuser sollen einen Inflationsausgleich von sechs Milliarden Euro in zwei Jahren bekommen. Sie brauchen aber 15 Milliarden Euro, um ihre Kosten zu decken. Die Bundesregierung nimmt die Schließung von Krankenhäusern billigend in Kauf. Das erfolgreiche Bundesprogramm zur Förderung von Sprachkitas sollte laut Koalitionsvertrag ausgebaut werden, jetzt wird es nur noch ein halbes Jahr laufen und dann ganz eingestellt werden. Die nötigen 200 Millionen Euro hat die Bundesregierung nicht.

Wir erleben eine Regierung der zwei Geschwindigkeiten: Die Aktienrente wurde über Nacht beschlossen. Das Sondervermögen Bundeswehr brauchte nur 100 Tage von der Idee bis zur Grundgesetzänderung. Die Kindergrundsicherung kommt aber erst 2025. Das ist beschämend, wenn man weiß, dass in unserem reichen Land jedes fünfte Kind in Armut lebt.
- https://www.jungewelt.de/artikel/439403.kriegswirtschaft.html

4,17 Millionen Arme - ...und seit 2021 sind es mehr geworden: »Monitor Jugendarmut« von katholischem Sozialverein vorgestellt. (Von Alexander Reich) https://www.jungewelt.de/artikel/439388.jugendarmut-4-17-millionen-arme.html

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Hartz IV heißt jetzt Twix, ansonsten ändert sich nix

Die Ampelkoalition hat sich am Dienstag mit CDU/CSU auf eine Hartz-IV-Reform verständigt; das Bürgergeld kann kommen. Geändert wird nur der Name. Vom Kernstück der Reform, geringfügigen Verbesserungen im Eingangsbereich der Hartz-IV-Hölle, ist nach der Blockade des Gesetzes durch CDU/CSU im Bundesrat am 14. November so gut wie nichts übriggeblieben.

Das Sanktionsregime soll unverändert bestehen bleiben. Die geplante »Vertrauenszeit« von einem halben Jahr, in der »nur« Terminverstöße mit zehn Prozent Kürzung bestraft werden sollten, ist vom Tisch, erklärten Regierungs- und Unionsparteien am Dienstag. Wer seine Mitwirkungspflichten verletzt, sich also nach Einschätzung des Fallmanagers im Jobcenter nicht eifrig genug um den nächstliegenden Drecksjob bemüht, soll vom ersten Tag an mit zehn Prozent Kürzung bestraft werden. Im zweiten Monat sollen ihm 20 Prozent, ab dem dritten Monat 30 Prozent gestrichen werden. Von einem Existenzminimum wohlgemerkt, das zu tief angesetzt ist. 725 Euro wären das absolute Minimum, zeigen nachprüfbare Berechnungen des Paritätischen Sozialverbands; mit dem Bürgergeld ist eine Erhöhung um 53 auf 502 Euro geplant.

Für reihenweise Hartz-IV-Bezieher wird die Einführung des Bürgergelds sogar eine Verschlechterung bedeuten. In der Coronakrise beschloss die Regierung Merkel (CDU/CSU und SPD) eine Karenzzeit für Hartz-IV-Neuankömmlinge, die zum Jahresende ausläuft. Wer Hartz IV bezieht, muss dank dieser Regelung zwei Jahre lang keinen Zwangsumzug fürchten und kann in dieser Zeit bis zu 60.000 Euro Vermögen behalten. Die Verstetigung der Karenzzeit wäre die zweite Säule des mickrigen Bürgergeld-Gesetzes gewesen, sie wurde in den Verhandlungen mit CDU/CSU noch mal auf halbe Höhe gestutzt. Bürgergeld-Bezieher werden nun also schon nach zwölf Monaten aus Wohnungen fliegen, die für unangemessen erachtet werden. Und sie dürfen auch nicht mehr zwei Jahre lang 60.000 Euro Vermögen behalten, sondern nur ein Jahr lang die Hälfte.

Die Unionsparteien waren es am Dienstag zufrieden. CDU-Chef Friedrich Merz zeigte sich überrascht, zu welch weitgehenden Kompromissen die Ampelregierung bereit gewesen sei. Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, erklärte: »Wir haben in den Verhandlungen schwere Systemfehler im Hartz-IV-Update, das ja missverständlich als Bürgergeld bezeichnet wird, also schwere Fehler im Hartz-IV-Update beseitigen können.«
Merz hatte vor der Einigung in der Pose eines rechten Arbeiterführers nach unten getreten: Jedem Bürgergeld-Bezieher müsse es noch einmal deutlich schlechter gehen als dem ärmsten Niedriglöhner, war sein Mantra. Tatsächlich haben in der Bundesrepublik seit den Hartz-Reformen vor 20 Jahren massenhaft Zeitarbeiter, Minijobber und Scheinselbständige nicht viel mehr auf der Hand als das Nicht-mal-Existenzminimum.

Bundeskanzler Olaf Scholz nahm den Bürgergeld-Kompromiss am Dienstag bei einem »Wirtschaftsgipfel« in Berlin erfreut zur Kenntnis. Man werde »jetzt eine ganz große Sozialreform beschließen«, verkündete der Sozialdemokrat. »Das ist jetzt in einer Art und Weise formuliert worden, wo#, glaube ich jedenfalls, die Regierungsparteien alle drei für sich sagen können: Sie sind damit sehr zufrieden. Ich hoffe, auch die Opposition wird das sagen, und dann ist ja alles okay.« Am Freitag soll das Bürgergeld-Gesetz im Bundesrat verabschiedet werden.
- https://www.jungewelt.de/artikel/439305.sozialpolitik-hartz-iv-hei%C3%9Ft-jetzt-twix.html

Hintergrund: Kapitalismus und Sozialstaat

Ganzheitlich betreut - Von der hohen Kunst, die Vereinbarkeit von Existenzsicherung und Zwang zur Arbeit »zukunftsweisend« und »respektvoll« zu gestalten. Über das »Bürgergeld« (Von Suitbert Cechura)
- https://www.jungewelt.de/artikel/439231.kapitalismus-und-sozialstaat-ganzheitlich-betreut.html

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Wesentliche Änderungen im Bürgerhartz-Gesetz der Regierungsentwurf


Die Bundesregierung hat nun ihren Gesetzesentwurf zum Bürgergeldgesetz verabschiedet. Da dies aber weiterhin Armut per Gesetz bedeutet, ist es nur richtig und konsequent das sog. Bürgergeld treffend Bürgerhartz zu nennen.

Den Regierungsentwurf gibt es hier: https://t1p.de/4grm6

Ich habe mal die wesentlichen Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf zusammengefasst:

  1. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 11 c) (Seite 14): Einführung einer weiteren Stufe bei den Erwerbstätigenfreibeträgen, für den Bereich von 520 EUR auf 1000 EUR nunmehr 30 % Erwerbstätigenfreibetrag, vorher 20 % (Praxis: max. 48 € anrechenbares Einkommen mehr als vorher)

  2. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 12 (Seite 14): nur noch ein "angemessenes" Kfz geschont, vorher jedes Kfz.
    (Praxis: bedeutet weiterhin Kfz im Wert von 7.500 €, so wie im alten Recht)

  3. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 13 (Seite 16): Aufgabe der Zwangsverrentung nur bis zum 31.Dez. 2026, danach wieder wie jetzt. Im Referentenentwurf stand die Aufgabe jeder Zwangsverrentung ohne Laufzeit

  4. Änderung SGB II: Art. 1 Nr. 23 (Seite 21): Minderung bei erster Pflichtverletzung um 20 %, bei weiterer Pflichtverletzung um 30 %, insgesamt aber nicht höher als 30%.

  5. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 36 (Seite 23): Streichung der ursprünglich geplanten Sippenhaftgemeinschaft bei fehlender Mitwirkung anderer BG-Mitglieder (im Referentenentwurf unter Art. 1 Nr. 37 b), wegen offensichtlicher Verfassungswidrigkeit.

  6. Änderung SGB II: Art 1 Nr. 38 (Seite 23): Begrenzung der Aufrechnung von 30 % auf 20 %, wenn eine Aufrechnung aus § 42a und 43 SGB II kombiniert wird. Vorher waren hier 30 % möglich

  7. Änderung SGB II/SG B XII: Art 5 Nr. 5 + 15 (Seite 33/38 ff): Regelungen zur Fortschreibung der Regelbedarfe und Höhe der Regelleistungen und Festsetzung des persönlichen Schulbedarfes im Rahmen von BuT auf 116 € und 58 € = 174 € gesamt für das Jahr.

  8. Änderung SGB XII: Art 5 Nr. 6, Änderung im SGB XII in § 35 Abs. 5 SGB XII (Seite 35): Berücksichtigung von "Alter und Gesundheitszustand" bei den KdU.

  9. Änderung SGB XII: Art 5 Nr. 13 a. (Seite 38): Ehrenamt und Übungsleitereinkünften als Jahrespauschalen, vorher Monatsbeträge

Bewertung: Insgesamt sind das lediglich kleine Änderungen, hier wäre nach der Kritik der Wohlfahrtsverbände von der Regierung mehr zu erwarten gewesen! Bei der Anpassung der Regelleistungen wurde lediglich der Inflationsausgleich berücksichtigt und das erst ab Januar 2023. Die Kosten sind aber schon seit Längerem immens gestiegen. Qualitativ bewegen sich die Änderungen nur auf dem Niveau, die Regelleistungen nicht offen verfassungswidrig werden zu lassen. Mit „mehr Respekt“ oder „mehr Zusammenhalt“, wie Herr Heil das versucht in der Öffentlichkeit zu verkaufen haben diese Änderungen nichts zu tun.
Was notwendig ist, dazu liegen Vorschläge zuhauf auf dem Tisch: Regelleistungen auf 678 € anheben, Herausnahme der Haushaltsenergie aus den Regelleistungen, Aufrechungs- und Kürzungsmoratorien in der Zeit der Krise.

Die Ungleichbehandlung der Menschen im Bezug von SGB XII Leistungen gegenüber den im SGB II hat mitnichten etwas mit „mehr Respekt“ zu tun, es handelt sich hier vielmehr um massivste Alten-, Kranken- und Behindertendiskriminierung.«

via Thomé Newsletter